Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Er reiste am 4. Februar 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 12. Februar 1998 einen Asylantrag mit der Begründung, er sei vor dem Machtwechsel (von Mobutu zu Kabila) politisch tätig gewesen und werde nunmehr durch das neue Regime verfolgt.
Bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt am 24. Februar 1998 gab der Beschwerdeführer folgendes an:
"Nochmals über den Personalausweis befragt, gebe ich an, dass der Personalausweis, von dem eine Kopie dem Akt beiliegt, derjenige ist, den Patscho für uns organisiert hat. Das Foto ist das gleiche wie in meinem richtigen Personalausweis, den ich daheim vergessen habe. Befragt, ob mir bewusst sei, dass es sich dabei um eine Fälschung handelt, bejahe ich dies.
Ich bin seit 27.4.1990 Mitglied der MPR. Patscho war der Führer dieser Partei seit 1978. Er hat im selben Stadtviertel gewohnt wie ich. Meine Funktion in der Partei war, die Leute zu mobilisieren.
(...)
Die MPR heißt Mouvement Populaire de la Revolution und war die Partei des ehemaligen Präsidenten Mobutu. Mobutu ist der Gründer dieser Partei. Ziel war es, dass sowohl in Zaire als auch im übrigen Afrika möglichst viele Menschen Mitglieder dieser Partei werden und die Partei die wichtigste Partei in Zaire bzw. auch für die Auslands-Zairer wird.
(...)
Ich war an Politik nicht sonderlich interessiert.
(...)
Patscho hat mich versucht zu überreden, der Partei beizutreten. Ich war zu dieser Zeit in einer schlechten finanziellen Lage. Mein Vater war arm, ich arbeitslos.
(...)
Nach meinem Parteieintritt im Jahre 1990 habe ich und meine Familie ein Haus mit drei Zimmern sowie einen neuen kleinen BMW bekommen.
(...)
Ich war nicht nur einfaches Parteimitglied, sondern habe für die Partei gearbeitet und dafür Geld bekommen. Ich habe Leute mobilisiert und für die Partei angeworben, dafür habe ich monatlich US-Dollar 300,-- erhalten.
(...)
Mobutu und die höheren Funktionäre der Partei haben das Land verlassen. Ich habe meine Kinder zu meiner Schwiegermutter gebracht. Zu dieser Zeit habe ich aber weiter mein Gehalt bezogen.
Die Partei hat bis 15. Mai 1997 existiert, am 16. ist Mobutu ins Ausland geflüchtet. Patscho hat mich davon in Kenntnis gesetzt und wir sind mit 13 Parteifreunden von Kinshasa, wo ich gewohnt habe, nach Bas Zaire geflüchtet. Wir haben Angst gehabt, dass man uns umbringt, da ja die Nachbarn gewusst haben, wer MPR-Mitglied war.
(...)
(Was haben Sie den Leuten, die sie für ihre Partei anwerben
wollten, konkret gesagt?)
Ich habe ihnen gesagt, dass die MPR die beste Partei ist, und dass sie unserem Land Demokratie gebracht hat. Ich habe ihnen gesagt, dass ich von der Partei ein Haus und ein Auto erhalten hätte, und dass es ihnen auch besser gehen werde, wenn sie Mitglied werden.
(...)
Unsere Partei hat sich sehr für die Erziehung der Jugendlichen
eingesetzt sowie für die Behinderten. Auch sonst hat sie sehr viel
für die Jugendlichen gemacht.
(...)
Unsere Partei war sehr gut organisiert. Die Chefs der Partei haben nicht gearbeitet. Es gab Demonstrationen und Versammlungen.
(Wofür haben Sie demonstriert?)
Es waren keine eigentlichen Demonstrationen, sondern Kundgebungen, auf denen wir die Partei gefeiert haben. Es gab auch öffentliche Diskussionen im Fernsehen etc. Die Partei hat auch Interviews für Medien gegeben.
Der Chef einer Zone wurde Kommissär genannt. Die höheren Parteifunktionäre bestimmten die übergeordneten Parteichefs.
(Waren die Mitglieder ihrer Partei in einer Liste eingetragen bzw. wurden Parteibücher oder Mitgliedsausweise ausgegeben?)
Es gibt eine Liste, in der die Namen aller Parteimitglieder in unserer Zone verzeichnet sind. Zu Hause habe ich auch einen Partei-Mitgliedsausweis.
(Warum sind Sie nicht schon früher aus dem Kongo geflüchtet?) Da ich meine Familie in Kinshasa habe, habe ich mir gedacht,
dass ich einige Zeit in Bas Zaire bleibe, bis alles vergessen ist.
Dann wollte ich wieder zurückkehren.
(Und was war der konkrete Anlass für Ihre Flucht?)
Man hat uns gesagt, dass die Truppen von Kabila nach uns
suchen. Ich hatte Angst, dass sie uns umbringen.
(Wo war Ihre Frau während dieser Zeit?)
Sie war bei mir.
(Hat ihre Frau auch Funktionen in der Partei bekleidet, sodass
sie sich auch verstecken musste?)
Nein, meine Frau war nur Hausfrau.
(Und warum blieb sie dann nicht bei den Kindern?)
Die meisten Funktionäre unserer Partei hatten genügend Geld,
um ihre Kinder ins Ausland zu schicken. Mir fehlten dazu die finanziellen Mittel.
(Bitte sagen Sie mir, warum ihre Frau nicht bei den Kindern geblieben ist?)
Sie hatte Angst, alleine mit den Kindern in unserem Haus zu bleiben.
(Warum ist sie aber nicht bei den Kindern im Hause ihrer
Schwiegermutter geblieben?)
Weil es sehr viele Unruhen dort gibt.
(...)
Der Chef meiner Partei, Mobutu, ist tot, und die anderen Chefs der Partei sind alle ins Ausland geflüchtet. Ich denke, dass man mich umbringen würde. Kabila sperrt alle Leute ein und bringt sie um. Er duldet keine andere Partei und ehemalige Oppositionsmitglieder."
Mit dem Bescheid vom 11. Mai 1998 hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig ist.
Das Bundesasylamt gelangte dabei zu folgenden Feststellungen:
"Sie sind Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Sie haben ihre Heimatland auf Grund der allgemeinen Situation verlassen. Ihrem Vorbringen wird, bis auf wenige Ausnahmen, die Glaubwürdigkeit abgesprochen.
(...)
Sie gaben bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme an,
Funktionär der MPR gewesen zu sein.
Dass Sie Mitglied einer Partei geworden seien, obwohl Sie sich, eigenen Angaben zufolge, nie für Politik interessiert hätten, sondern nur, um Ihre finanzielle Lage zu verbessern, ist nach allgemeiner Erfahrung als durchaus glaubhaft zu werten.
Ihre Behauptung jedoch, hauptamtlicher Funktionär der MPR gewesen zu sein, ist für die erkennende Behörde nicht nachvollziehbar, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass ein gerade erst beigetretenes Parteimitglied, das noch dazu politisch desinteressiert ist, von einer Partei wie der MPR gleich als Funktionär angestellt und mit Propagandaaufgaben betreut wird.
(...)
Auf die Frage der Behörde, wie Ihre politische Tätigkeit konkret ausgesehen habe, wussten Sie nicht mehr als zwei Sätze zu sagen.
(...)
Der überwiegende Teil Ihres Vorbringens erfolgt aber erst nach Befragen der Behörde, wobei manche Fragen auch wiederholt werden mussten, bis Sie sich überhaupt bereit fanden, Antworten zu geben. Sie unternahmen auch keinerlei Anstrengungen, die Behörde vom Wahrheitsgehalt Ihres Vorbringens zu überzeugen. Im Allgemeinen zeigten Sie, und zwar schon zu Beginn der Einvernahme, ein am Verfahren äußerst desinteressiertes Verhalten.
Ihren Aussagen kann daher auch im Zusammenhalt mit der Art und Weise Ihres Vorbringens im Wesentlichen kein Glauben geschenkt werden."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer folgendes vor:
"Zu dem Vorhalt, dass ein einfaches Parteimitglied keinen BMW bekomme, möchte ich anmerken, dass es sich lediglich um einen Gebrauchtwagen handelte, und dass mir der Wagen insbesondere gegeben worden war, um mir die Werbetätigkeit für die Partei zu ermöglichen.
Selbstredend hat man als Werbe-Fachmann ein weites örtliches Aktionsfeld, in welchem sich die verstreuten Orte nur vermittels eines Kraftfahrzeuges erreichen lassen.
Als Werbe-Fachmann der Partei Mobutus bin ich mehr als andere Partei-Mitglieder unter den Leuten bekannt geworden, nicht so sehr auf Grund meiner hohen Stellung, sondern einfach auf Grund des vielfachen Kontaktes.
Die neue Regierung in Kinshasa hat alle Oppositionsparteien verboten. Am schwersten betroffen von diesem Verbot ist der alte Bürgerkriegsfeind, die Anhänger Mobutus. Der neue Machthaber Kabila verfolgt die Mobutu-Anhänger mit Strenge.
(...)
Der § 8 (AsylG 1997) schützt auch Lügner (ich bin kein Lügner!), denn es kann sein, dass auch Lügner durch eine Abschiebung in unzumutbarer Weise gefährdet sind. Die Recherchen der Behörden beschränken sich auf meine Aussagen. Sie hätten aber über meine Aussagen hinausgehen müssen, etwa durch das Zu-Rate-Ziehen von Stellungnahmen des UNHCR, einer Organisation, welcher die österreichische Regierung das Vertrauen schenkt."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen, wobei sie von folgenden Feststellungen ausging:
"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, im Zuge dessen Ihr Vorbringen die zentrale Entscheidungsgrundlage darstellte, wird festgestellt, dass sich keine hinreichend deutlichen Hinweise auf einen Sachverhalt erkennen lassen, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt.
Im Hinblick auf Ihre Aussagen konnten Sie eine hauptamtliche Tätigkeit als Funktionär der MPR nicht glaubhaft machen."
Die belangte Behörde billigte die erstinstanzliche Beweiswürdigung und schloss sich ausdrücklich der Überlegung an, dass ein neu beigetretenes, nie politisch interessiertes Parteimitglied nicht sogleich mit Propagandaaufgaben betraut werde. Die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers über den Verbleib seines Personalausweises und die Umstände seines Eintritts in die Partei sprächen ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Eine Bedrohungssituation im Sinne des § 8 AsylG 1997 habe nicht glaubhaft gemacht werden können.
Durch die Angaben des Beschwerdeführers wäre der Sachverhalt hinlänglich geklärt. Auf eine Stellungnahme des UNHCR habe verzichtet werden können, weil daraus nichts für den individuellen Standpunkt des Beschwerdeführers hätte gewonnen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach § 7 AsylG 1997 ist Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der dort in Art. 1 Abschnitt C oder F genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde hätte von Amts wegen der in § 28 Asylgesetz 1997 auferlegten Manuduktionspflicht entsprechen müssen. In der Beweiswürdigung seien die Angaben des Beschwerdeführers schlichtweg als unglaubwürdig bezeichnet worden, ohne gesetzeskonforme Begründungen dafür anzuführen. Die belangte Behörde wäre verhalten gewesen, den Beschwerdeführer zur Konkretisierung seines Vorbringens dahingehend, dass die Anhänger Mobutus mit Strenge verfolgt werden, aufzufordern.
Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Mai 1998 einerseits weiteres Vorbringen über seine konkrete Tätigkeit für die Partei Mobutus erstattet, andererseits die Durchführung weiterer Erhebungen zur behaupteten Verfolgungsgefahr angeregt. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0339, unter Berufung auf die Begründung im hg. Vorerkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, ausgeführt hat, kann eine mündliche Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat im Sinne des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG nur unterbleiben, wenn der Sachverhalt "nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt" und in der Berufung "kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet" wird. Die belangte Behörde hätte daher dem Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung Gelegenheit geben müssen, die über sein Vorbringen in erster Instanz hinausgehenden Angaben über seine Tätigkeit für die Partei Mobutus im Einzelnen darzustellen und näher zu erläutern. Weil die Aussage des Beschwerdeführers für die belangte Behörde die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, ist der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit.
Der angefochtene Bescheid bringt überdies in einer dem § 60 AVG widersprechenden Weise nicht klar zum Ausdruck, von welchen Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde ausgegangen ist. Aus den Ausführungen in der Beweiswürdigung lässt sich immerhin erschließen, dass sie - ebenso wie das Bundesasylamt - die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der Partei Mobutus (MPR) für glaubhaft erachtete. Ist dies aber der Fall, so hätte sie im Rahmen des Berufungsverfahrens geeignete Ermittlungen vornehmen müssen, wie das nunmehrige Staatsoberhaupt der Demokratischen Republik Kongo, Laurent-Desire Kabila bzw. die von ihm geführte Allianz der Demokratischen Kräfte für die Befreiung Kongo-Zaire (AFDL) mit den Mitgliedern der Partei des gestürzten Präsidenten Mobutu umgehen. Dabei wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dem Beschwerdeführer zu allfälligen Ergebnissen zusätzlicher Erhebungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung Gehör einzuräumen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Juni 1999
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