Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1 impl;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
MRK Art3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2008180411.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. März 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 5. Dezember 2000 illegal nach Österreich eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, über den seit 30. September 2005 rechtskräftig negativ entschieden worden sei.
Am 9. Mai 2003 und am 14. Juni 2003 sei der Beschwerdeführer jeweils auf der Donauinsel in Wien von Organen des Hauptzollamtes Wien bei Ausübung einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.
Am 29. November 2004 habe der Beschwerdeführer in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 24. Februar 2006 (richtig: 2005) einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gestellt, der aber wegen Inlandsantragstellung rechtskräftig (mit 24. Juli 2007) abgelehnt (richtig: abgewiesen) worden sei, weil der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei.
Im angefochtenen Bescheid näher dargestellte behördliche Erhebungen hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe hätten u. a. ergeben, dass die eheliche Gemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau nur etwa ein Jahr lang gedauert habe und seit ca. Dezember 2006 nicht mehr bestehe. "Auch wenn (die Ehefrau des Beschwerdeführers) den (Beschwerdeführer) aus Liebe geheiratet habe, komme es ihr jetzt so vor, dass der (Beschwerdeführer) sie nur zwecks Erlangung der Aufenthaltsbewilligung geheiratet habe."
In der abschließenden Stellungnahme vom 6. März 2008 habe der Beschwerdeführer zugegeben, dass für ihn kein Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei. Der die Ausweisung bestätigende Berufungsbescheid sei ihm am 29. Februar 2008 zugestellt worden, er wolle dagegen Beschwerde erheben. Der Vorhalt der zweimaligen unrechtmäßigen Beschäftigungsausübung sei für ihn nicht nachvollziehbar.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 FPG aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen (negativen) Asylbescheid, also seit Oktober 2005, unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Abgesehen von seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer keine Verwandten in Österreich, er sei jedoch berufstätig. In Anbetracht des nunmehr bereits etwa zweieinhalbjährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG zu Recht verfügt worden, zumal keine Aussicht auf Legalisierung des Aufenthalts vom Inland aus bestehe.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG müsse auf Grund der familiären und beruflichen Bindungen sowie des etwa siebenjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen werden, wobei der Umstand, dass die Ehe des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt eingegangen worden sei, in dem er kein gesichertes (sondern eben nur ein vorläufiges) Aufenthaltsrecht in Österreich gehabt habe und darüber hinaus auch noch der massive Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe bestanden habe, wesentlich interessensmindernd wirke. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer zweimal bei der illegalen Ausübung einer Beschäftigung betreten worden sei, komme auch im Ausweisungsverfahren durchaus Bedeutung zu, weil hier eine Gesamtwertung des Verhaltens des Beschwerdeführers und der für und wider die Ausweisung sprechenden Gründe vorzunehmen sei.
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung aller genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.
Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die Behörde zugelassen hätten, seien weder erkannt noch vorgebracht worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bringt - im Wesentlichen gleichlautend wie in der zur Zl. 2008/18/0332 protokollierten Beschwerde - vor, auch für Familienangehörige von "nicht freizügigkeitsberechtigten" Österreichern seien die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 86 FPG anzuwenden. Der Beschwerdeführer stelle nachweislich keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit im Sinn des § 55 NAG dar, und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berühre, gehe vom Beschwerdeführer keinesfalls aus.
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidung vom heutigen Tag, Zl. 2008/18/0332, und die hg. Erkenntnisse vom 26. Oktober 2009, Zl. 2009/18/0413 und Zlen. 2008/18/0720, 0709, verwiesen. Da demnach die Bestimmungen der §§ 86 und 87 FPG auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar sind, gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - auch betreffend den Durchsetzungsaufschub gemäß § 86 Abs. 3 leg. cit. - ins Leere.
2. Im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen und für ihn kein Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinem Einwand.
3. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grunde des § 66 FPG und bringt vor, er sei seit vier Jahren mit seiner österreichischen Ehefrau verheiratet, lebe mit ihr "großteils" auch im gemeinsamen Haushalt und gehe einer rechtmäßigen unselbständigen Beschäftigung nach. Er sei unbescholten, sein Unterhalt sei gesichert und er verfüge sowohl über eine Unterkunft als auch über einen Krankenversicherungsschutz. Der Beschwerdeführer sei in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert und habe enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen aufgebaut.
Damit zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG (i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) nicht bereits berücksichtigt worden wären. Zutreffend ist die belangte Behörde im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit etwa sieben Jahren, seine Berufstätigkeit und seine familiären Bindungen zu seiner Ehefrau von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen. Die aus der Aufenthaltsdauer resultierende Integration des Beschwerdeführers ist allerdings insofern zu relativieren, als er lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz auf Grund eines Asylantrages verfügt hat, der sich letztlich als unberechtigt herausgestellt hat, und sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, wird in seinem Gewicht dadurch gemindert, dass er sich zum Zeitpunkt der Eheschließung seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst habe sein müssen. Die eheliche Gemeinschaft hat zudem nur ca. ein Jahr bestanden und ist seit etwa Dezember 2006 nicht mehr aufrecht. Auch die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers vermag seine Interessen nicht wesentlich zu stärken, hält er sich doch ohne einen die Erwerbstätigkeit erlaubenden Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf.
Soweit die Beschwerde geltend macht, der Beschwerdeführer habe außer seiner österreichischen Ehefrau auch noch andere in Österreich lebende Familienangehörige, insbesondere das Stiefkind und die Schwiegermutter sowie einen Onkel, mit dem er zwischen Jänner 2001 und August 2002 sowie von Februar bis November 2004 im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, und diesbezüglich auf eine Niederschrift vom 29. September 2005 verweist, ist zunächst festzuhalten, dass der vorgelegte Verwaltungsakt eine Niederschrift vom 29. September 2005 nicht enthält. Selbst wenn das Vorbringen hinsichtlich des in Österreich lebenden Onkels des Beschwerdeführers - anders als jenes bezüglich des Stiefkindes und der Schwiegermutter - nicht dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (vgl. § 51 Abs. 1 VwGG) unterliegen sollte, vermag es die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet jedoch nicht wesentlich zu stärken, bringt er doch nicht vor, mit dem Onkel auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im gemeinsamen Haushalt zu leben.
Diesen nicht besonders ausgeprägten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit Beendigung des Asylverfahrens - der auch nach rechtskräftiger Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit 24. Juli 2007 fortgesetzt wurde - das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt hat. Die angeführten persönlichen Bindungen lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es dem Beschwerdeführer unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in sein Heimatland zurückzukehren. In Anbetracht dessen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, keinem Einwand.
3. Die Beschwerde macht auch eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör geltend, weil dem Beschwerdeführer die wiederholte Betretung bei der unrechtmäßigen Ausübung einer Beschäftigung im Jahr 2003 vorgehalten und dem Antrag in der Stellungnahme vom 6. März 2008 auf Gewährung von Parteiengehör nach Bekanntgabe der rechtlichen Relevanz der diesbezüglichen Verfahrensergebnisse nicht nachgekommen worden sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Recht auf Parteiengehör auf den von der Behörde festzustellenden maßgebenden Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Die Behörde ist auch nicht gehalten, die Partei zu der von ihr vertretenen Rechtsansicht anzuhören, ihr also mitzuteilen, welche Vorgangsweise sie in rechtlicher Hinsicht auf Grund des als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes ins Auge fasst (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45 Rz 25 f mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung). Da dem Beschwerdeführer zu der unrechtmäßigen Ausübung einer Beschäftigung im Jahr 2003 unstrittig mit Schreiben vom 19. Februar 2008 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, liegt der diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nicht auf das Vorliegen einer "Scheinehe" gestützt, sondern die Ausweisung des Beschwerdeführers zutreffend damit begründet, dass er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Inwiefern ein "ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren" hinsichtlich eines gemeinsamen Familienlebens, das unbestritten seit ca. Dezember 2006 nicht mehr besteht, zu einem anders lautenden Bescheid führen hätte können, lässt die Beschwerde offen. Die Relevanz des vermeintlichen Verfahrensmangels wurde somit nicht dargetan.
4. Das Fehlen jeglicher Existenzgrundlage im Herkunftsland ist im Übrigen nicht in einem Ausweisungsverfahren, sondern etwa in einem Verfahren gemäß § 51 FPG geltend zu machen. Dass die belangte Behörde der Ehefrau des Beschwerdeführers zumute, ein gemeinsames Familienleben in Bangladesch zu führen, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
5. Schließlich kann keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid, wie die Beschwerde meint, nicht ausreichend begründet sei.
6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
8. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 25. Februar 2010
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