AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W264.2189080.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.2.2018, 1095280604/151806669, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer (im Folgenden auch als "BF" bezeichnet) ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 16.11.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer erstattete in der Erstbefragung zum Asylantrag folgendes sachverhaltsrelevantes Vorbringen:
Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an, habe im Iran Heimunterricht erhalten und stamme aus der Provinz Ghazni.
Zu seinem Fluchtgrund führte er aus: "Mein Vater ist erblindet und unsere finanzielle Lage war sehr schlecht. Ich habe versucht, im Iran ein wenig Geld zu verdienen, dort lebte ich illegal und hatte immer Angst, abgeschoben zu werden. Ich möchte hier arbeiten und meine Familie finanziell unterstützen. Außerdem möchte ich ein sicheres und besseres Leben führen. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe."
3. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein Beschluss des LG für Strafsachen Wien vom 13.9.2017, GZ 318 HR 314/17m, ein, womit über den BF die Untersuchungshaft verhängt wurde. Gegen ihn wurde laut Mitteilung der StA Wien vom 15.9.2017, GZ 408 St 106/17d-1, Anklage beim LG für Strafsachen Wien erhoben (Strafantrag vom 15.9.2017).
4. Im vorgelegten Fremdakt liegt eine Strafkarte betreffend die Verständigung über eine rechtskräftige Verurteilung ein (Erstverurteilung, Strafbare Handlungen §§ 27 Abs 1 Z 1, 8. Fall und § 27 Abs 3, 27 Abs 5 SMG; Freiheitsstrafe zwei Monate unbedingt und fünf Monate bedingt, Probezeit drei Jahre).
5. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein Festnahmeauftrag des BFA vom 19.1.2018 ein (Rechtsgrundlage: §§ 34 Abs 4 BFA-VG, § 24 Abs 1 AsylG: Entziehung vom Asylverfahren).
6. Laut im vorgelegten Fremdakt einliegenden Aktenvermerk vom 19.1.2018 wurde das Asylverfahren gemäß § 24 Abs 1 AsylG eingestellt, da im damaligen Zeitpunkt vom BF weder eine Meldung im ZMR, noch eine aufrechte Grundversorgungs-Adresse bekannt waren.
7. Am 9.2.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass die von ihm gemachten Angaben in der Erstbefragung stimmen und habe er in Ghazni, aber auch im Iran, gelebt.
Auf die Aufforderung "Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß" gab er an:
"Die finanzielle Lage war sehr schlecht. Ich habe dann versucht, im Iran etwas Geld zu verdienen. Ich möchte hier arbeiten und meine Familie in Afghanistan finanziell unterstützten und auch ein besseres Leben haben."
Auf die Frage "Sie sind also aus wirtschaftlichen Gründen in Österreich?" gab er "ja" zur Antwort.
Die nachfolgende Frage "Sind dies alle Ihre Fluchtgründe?" bejahte er ebenso.
Für den Fall der Rückkehr nach Befürchtungen befragt gab er an: "Die finanzielle Situation ist dort schlecht. Ich möchte hier arbeiten und Geld verdienen und meine Familie unterstützen. Auch ist dort die allgemeine Lage schlecht".
8. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Umständen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 Z 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
9. Mit Verfahrensanordnung vom 9.2.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.
10. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde (stammend vom nunmehrigen Rechtsberater) vom 9.3.2018. Zusammengefasst wird zu der gesundheitlichen Lage des BF ausgeführt und insbesondere dazu, ob dieser bei der Befragung vor dem BFA psychisch in der Lage gewesen wäre, der Einvernahme zu folgen.
Der BF werde mit Unterstützung der zuständigen Betreuer im Grundversorgungsquartier der Diakonie eine weitere psychologische / psychiatrische Abklärung erhalten und würden "etwaige Befunde dem Gericht ehestmöglich nachgereicht".
Wegen seiner Behinderung der Hand (sechster Finger) wäre er bereits im Iran und in Afghanistan diskriminiert worden. Weiters wurde zur Sicherheitslage in Ghazni und zu jener wie auch zur Versorgungslage in Kabul ausgeführt, zur Volksgruppenzugehörigkeit und Lage der Hazara. Eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens sei unterblieben.
Der Beschwerde wurden folgende Beweismittel beigelegt:
* Kopie Patientenbrief des XXXX -Spitals, Lungenabteilung, vom 3.7.2017 über den stationären Aufenthalt des BF vom 28.4. bis 4.7.2017, Aufnahmegrund Miliartuberkulose bei positivem Sputum-ZN-Befund, seit 1 Jahr bestehender Husten mit grünlichem Auswurf sowie Dyspnoe und Thoraxschmerzen, Fieber und Gewichtabnahme vom 20 kg. Diagnose bei Entlassung. Cavernöse Tuberkulose mit Zerfall im linken Lungenoberlappen,kulturell gesichert, sensibel auf first-line Tuberkulosemedikamente inkl. Moxifloxacin, Cervikale Lymphknotentuberkulose; Kariöser Zahnstatus, Vitamin-D-Mangel, Z.n.
Scabies im November 2016; weitere empfohlene Maßnahmen:
engmaschische Überwachung der Therapietreue seitens der TBC-Vorsorge; zum Zeitpunkt der Entlassung ist der Patient aus medizinischer sicht als nicht ansteckend zu betachten; regelmäßige Einnahme der tuberkulostatischen Medikamente ist unbedingt erforderlich; auch bei Ortswechsel ist dafür zu sorgen, dass die TBC-Therapei durchgehend gewährleistet ist; regelmäßige Blutabnahmen zur Kontrolle der Leberwerte sind notwendig
* Ambulanzkarte des XXXX -Spitals vom 19.1.2018: Es besteht der Verdacht, dass der BF für 4 Wochen antituberkulostatische Therapie nicht genommen hat; Thorax Befund vom 19.1.2018: Bildvergleich mit einer Letztaufnahme vom August: die flauen flächigen Konsolidierungen im linken Oberlpaaen weitgehend rückgebildet, Ergebnis: Befundbesserung; weiterführend für 3 Monate 2er Kombination TB Therapie; Kontrolle in der TBC Ambulanz in 3 Monaten
11. Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 13.3.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
12. Am Stichtag 20.3.2018 wies der BF im Strafregister der Republik Österreich eine Verurteilung des Landesgericht für Strafsachen Wien,
XXXX , wegen §§ 27 Abs 1 Z 1, 8. Fall, 27 Abs 3 und 27 Abs 5 SMG auf (Freiheitsstrafe 7 Monate, davon fünf Monate bedingt).
13. Am 19.4.2018 übermittelte die Rechtsberatung ein weiteres medizinisches Beweismittel:
* Psychiatrisch-fachärztl. Befund des XXXX vom 5.4.2018. Diagnose:
Posttraumatische Belastungsstörung mit dissoziativen Zuständen F43.1, Panikstörung F41.0, Heroinabusus bzw -abhängigkeit F16.1., Lungentuberkulose in Behandlung, Verdacht auf Asthma bronchiale laut Befund; Medikament: Trittico 150 mg ret. 0-0-0-1/3
14. Am 6.6.2018 langte die Mitteilung der belangten Behörde ein, dass der BF am 29.5.2018 in die JA XXXX eingeliefert wurde (Verdacht auf § 25 Abs 2a SMG).
15. Am 3.7.2018 langte das Urteil des Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.6.2018, XXXX , ein, womit der BF wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten unter Anrechnung der Vorhaft verurteilt wurde. Vom Widerruf der zu GZ XXXX mit Urteil vom 4.10.2017 gewährten bedingten Strafnachsicht sowie der zu GZ 140 BE 261/17v mit Beschluss vom 21.11.2017 gewährten bedingten Entlassung wurde abgesehen und die Probezeit jeweils auf 5 Jahre verlängert.
16. Am 28.11.2018 fand die öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari und seines Rechtsberaters statt.
Es folgen Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll:
" R: Sind Sie chronisch krank, benötigen Sie regelmäßig einer Medikamenteneinnahme?
BF: Ja
RV: Ich lege vor als Beilage ./A, Unterlagen über den psychischen Zustand des BF. Betreffend Heroinabusus ist der BF in einem Ersatzprogramm und ist die Aufenthaltsbestätigung des Schweizerhaus Hadersdorf eine Bestätigung über "Therapie statt Strafe".
Auf Befragen gibt der BF an, sein Vater sei gestorben, seit er in Österreich sei kreisen seine Gedanken und habe er deshalb mit den Drogen angefangen.
R: Haben Sie bei der Einvernahme vor dem BFA und der Polizei die Wahrheit gesagt?
BF: Ich habe immer die Wahrheit gesagt und sage die Wahrheit.
Angemerkt wird, dass Frau XXXX erscheint und angibt die Lebensgefährtin des BF zu sein, es besteht Gravidität und wird ein Ultraschallbild vorgelegt. Der BF gibt mehrmals an der Vater zu sein. Auf Befragen gibt er als errechneten Geburtstermin den 15. Juli 2019 an.
BF wird auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG hingewiesen: BF wird darauf hingewiesen, alle zur Flucht veranlassenden Gründe vorzubringen, nichts zu verschweigen, auch Details, welche im Herkunftsland etwa zur Schande gereichen, nicht zu verschweigen und wird seitens der R weiters mitgeteilt, dass nichts von dem, was heute hier vorgebracht wird, an die Behörden oder die Vertretung des Herkunftsstaates weitergegeben wird.
BF wird darauf hingewiesen, dass es unumgänglich ist, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbstständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für den BF nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung wird ausdrücklich hingewiesen. Ferner darüber, dass falsche Angaben über die Identität bzw. Nationalität strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
BF: Gott ist mein Zeuge, so war ich hier sitze werde ich die Wahrheit sagen und habe auch immer die Wahrheit gesagt. Warum sollte ich lügen.
R belehrt, dass es ausschließlich nur um die Fluchtgründe, die ausschließlichen Bezug auf Afghanistan haben, geht!
BF wird über das Aussageverweigerungsrecht belehrt: Die Aussage darf verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung den BF selbst, einen der Angehörigen, eine mit seiner Obsorge betrauten Person, seinen Sachwalter oder einen seiner Pflegebefohlenen einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen oder zur Unehre gereichen würden. Die Aussage kann weiters verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung eine dem BF obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der nicht entbunden wurde, verletzt oder über Fragen, die Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbaren. Die Aussage kann auch verweigert werden über die Ausübung des Wahlrechts oder Stimmrechts, wenn diese Ausübung gesetzlich für geheim erklärt ist. Ein Weigerungsgrund wegen der Gefahr eines Vermögensschadens besteht nicht.
BF wird darauf hingewiesen, im Falle, dass es Verständigungsschwierigkeiten mit dem D gibt, sofort darauf hinzuweisen.
Haben Sie den D bis jetzt sowohl von der Lautstärke her als auch von der Sprache her einwandfrei verstanden?
BF: Ja.
Dem BF wird mitgeteilt, dass er jederzeit eine Verhandlungspause begehren kann.
BF wird darauf hingewiesen, dass im Falle, dass er sich nicht mehr erinnern kann oder etwas nicht mehr weiß, dies sodann der R bekannt zu geben ist mit "ich weiß es nicht mehr / ich kann mich nicht mehr erinnern".
R: Wenn ich Sie nach Personen frage oder Sie von sich aus von Personen erzählen, dann möchte ich, dass Sie mir den Namen dieser Person auch sofort nennen! Haben Sie das verstanden?
BF: Ja.
Die R richtet an die Rechtsvertretung und an BF die Frage, ob allfällige Beweismittel betreffend Integration vorlegen möchten, welche als Beilage der Verhandlungsschrift angeschlossen werden: Der RV gibt an, leider keine Unterlagen vorlegen zu können.
Auf Befragen ob der BF dem RV alle Unterlagen die er in Österreich gezeigt oder ausgehändigt hat: Ich habe alles meinem RV vorgelegt, möchte aber sagen, dass ich mehr hatte. Da ich aber im Gefängnis war, haben meine Unterkunftsleute meine Unterlagen weggeworfen. Die die ich hatte, habe ich dem RV gegeben.
BF wird aufgefordert den Namen, die Volksgruppenzugehörigkeit, das Religionsbekenntnis und die Heimatprovinz auf ein Blatt Papier zu schreiben und wird dies als Beilage ./B zur Verhandlungsschrift genommen.
R: In welchem Land und in welcher Provinz leben Ihre Eltern und wie heißen die?
BF: Meine Mutter lebt im Iran. Ich habe Kontakt, zuletzt gestern.
R: Was spricht die Mama?
BF: Ich habe erzählt das ich heute hier bin und habe sie gebeten für mich zu beten.
R: In welchem Land und in welcher Provinz leben Ihre Geschwister, Onkel, Tanten und wie heißen die?
BF: Ich habe nur einen kleinen Bruder. Er lebt bei meiner Mutter im Iran.
R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich eine Schule besucht? Wie lange?
BF*1: Ja, ich bin 3 Jahre im Iran in die Schule gegangen.
R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich Berufserfahrung erlangt? Wieviele Jahre?
BF: In Afghanistan ja, ich habe als Hirte gearbeitet und habe Früchte getrocknet. Das war in Ghazni, ich war sehr klein.
Die R fordert BF auf, nun in Ruhe in freier Erzählung nochmals die Gründe, warum das Herkunftsland verlassen und ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß zu erzählen. Lassen Sie nichts weg! Nehmen Sie sich Zeit und erzählen Sie ganz konkret und mit Details. Falsche Angaben beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit Ihres Fluchtberichts.
Sie haben nun die Möglichkeit von sich aus alles zu erzählen, ohne auf Fragen von mir warten zu müssen.
BF führt aus wie folgt: Ich war sehr klein. Meine Eltern haben beschlossen die Heimat zu verlassen, ich war zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt. Sie mussten in den Iran, weil was ich weiß es wegen der Taliban war. Ich weiß nicht warum wir wirklich in den Iran gekommen sind. Das einzige was ich weiß ist, dass die Taliban angegriffen hat und weil meine Eltern uns in Sicherheit bringen wollten.
R: Was heißt "uns"?
BF: Damit meine ich, ich, meine Eltern und mein kleiner Bruder.
R: Und weiter.
BF: Wir haben unsere Heimat verlassen, weil wir Angst um unser Leben hatten, dann haben aber die Probleme im Iran begonnen. Ich bin dann nie wieder nach Afghanistan zurückgegangen. Mit 18 Jahren bin ich dann nach Österreich gekommen. Afghanistan haben wir verlassen, weil wir Angst um unser Leben hatten und die Taliban und getötet hätten. Es ist so weil wir Moslems sind und als Moslem ist es ein Verbrechen, in Afghanistan zu sein.
R konfrontiert den BF damit, dass es nicht bloß eine Glaubensrichtung bei den Moslems gibt. Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen Sie sind "Moslem"?
BF: Nein, nein, nein, weil die Taliban sind Sunniten und akzeptieren die Schiiten nicht.
R: Von wo aus haben Sie die Flucht nach Europa angetreten?
BF: Aus Afghanistan. Nein, Iran, aus Teheran.
R: Warum ist Ihr Vater gestorben?
BF*: Er war 95 Jahre alt und war krank. (weiter in Dari: Vor 3 Jahren ist er erblindet. Aufgrund der Erblindung ist er verstorben).
R: Haben Sie Ihre Eltern gefragt, warum Sie mit Ihnen und Ihrem kleinen Bruder weggegangen sind?
BF: Einmal habe ich gefragt, warum wir Afghanistan verlassen haben. Mein Vater sagte mir, dass er ein Foto von Khomeini, nein ich meine damit Imam Ali, das hatten wir zu Hause und das wurde gesehen und mein Vater wurde geschlagen. Sie haben das Bild auf den Boden geschmissen und haben es kaputt gemacht, das ist in Ghazni passiert.
VR: Ihr Vater hat danach noch weitergelebt?
BF: Es wurde meinem Vater gesagt, wenn wir das Foto noch einmal sehen sollten, dann wird er erschossen.
R: Ich habe Sie vorhin gefragt, ob Sie Onkel und Tanten haben, Sie sagten, dass Sie nur einen kleinen Bruder haben, jetzt frage ich Sie nocheinmal; Haben Sie Tanten und Onkel?
BF: Ich habe einen Freund von meinem Vater, zu dem ich aber Onkel sage. Meine Eltern hatten Geschwister, sie sind aber alle verstorben. Nachgefragt ob ich die Geschwister meiner Eltern persönlich kennengelernt habe: Nein.
R: Haben Sie nun alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht oder gibt es noch etwas von dem Sie sagen: Das war auch ein Grund, warum ich Afghanistan verlassen musste?
BF: Ja, ich habe alles vorgebracht. Noch habe ich nicht alle meine Fluchtgründe erzählt, aber ich war klein. Einmal hat mich ein Talib festgehalten und wollte mich vergewaltigen. Er hat mir einen Strich da hinten draufgegeben und sagte mir, nächstes Mal wenn ich komme, werde ich mit dir schlafen. Das hat ein Mann gemacht mit langem Bart.
Befragt ob ich mit einem männlichen Richter sprechen möchte gebe ich an, dass ich mit Ihnen und der D darüber sprechen möchte, das ist mir egal, dass es weibliche Personen sind.
R: Haben Sie das schon in Österreich beim BFA oder der Polizei angegeben, was dieser Mann zu Ihnen sagte und mit Ihnen machte?
BF: Ja.
R: Hat er Sie vergewaltigt?
BF: Nein, er hat mich nur geschlagen.
R: Was hat er sonst mit Ihnen gemacht?
BF: Er hat mich festgehalten und hat mir mit dem Messer einen Strich gezogen (über dem Gesäß links in Hüfthöhe). Er hat gesagt, wenn ich einen Talib sehe, muss ich meinen Kopf runtergeben und hat mir eine Watsche gegeben. Er hat gesagt: "Wir Taliban haben große
Schwänze und wollen gerne ficken" (Sic!)
Der RV gibt an, man sieht die Narbe, er hat sie mir auch gezeigt.
R: Was gibt es sonst noch als Fluchtgrund zu sagen?
BF: Ich habe Depressionen und nehme Tabletten ein. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich nicht ganz bei der Sache bin. Da ich die Tabletten einnehme, bin ich ein bisschen verwirrt.
R: Können Sie heute hier verhandeln?
BF: Ja, ja, ich bin ganz bei Ihnen.
Der RV verweist auf den in Beilage ./A vorgelegten psychiatrischen
Fachärztlichen Befund des psychosozialen Zentrums vom 05.04.2018:
Darin wird auch von der sexuellen Misshandlung des BF gesprochen.
R: Haben Sie in Afghanistan eigenes Geld verdient?
BF: Nein, ich kann mich sogar erinnern, dass wir manchmal hungrig zu Bett gegangen sind, weil wir kein Geld hatten um Essen zu kaufen.
R: Hatten Sie eigenes Eigentum in Afghanistan?
BF: Nein.
R: Wie haben Sie in Afghanistan Geld bekommen um etwas kaufen zu können?
BF: Wie ich bereits gesagt habe, Fürchte geerntet und diese verkauft. So habe ich Geld bekommen.
R: Haben Sie den meisten Teil Ihres Lebens im Iran oder in Afghanistan verbracht? BF: In Afghanistan.
R: Haben Sie alles vorgebracht von dem Sie sagen, das war ein Grund warum ich Afghanistan verlassen habe.
BF: Ich habe auch sehr gelitten, dass die Leute mich als 6 Fingermann bezeichnet haben. Alle haben mich immer ausgelacht, am liebsten wäre ich gestorben.
Festgehalten wird, dass die rechte Hand des BF zwei Daumen aufweist.
R: Wann ist es Ihnen das letzte Mal passiert, dass Sie wegen Ihrer Hand ausgelacht wurden?
BF: Immer, selbst die Leute hier, die das sehen, lachen. Sie sagen, schau da kommt der mit den 6 Fingern. Ich möchte mich aber nicht operieren lassen, weil ich gläubig bin. Das wäre eine Sünde. Es ist besser einen zusätzlichen Finger zu haben als einen weniger. Die Österreicher motivieren mich auch, irgendwie habe ich das Gefühl, das sie mögen wie ich aussehe.
R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?
BF: Ja, sowas ist passiert. Nachgefragt wann das war gebe ich an:
Wir sind von der Ernte gerade nach Hause gegangen, da kamen bewaffnete Leute. Sie sagten, Hazara Esel geht auf die Seite. Mein Vater hat mich und meinen Bruder auf die Seite gegeben, daraufhin sagten diese Männer, wenn wir euch das nächste Mal hier sehen, dann töten wir euch.
R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?
BF: Nein.
R: Waren Sie in Afghanistan einmal Mitglied einer Partei oder sonst politisch tätig?
BF: Nein, aber mein Vater. Nachgefragt bei welcher Partei dieser war: Ich weiß es nicht, meine Mutter hat mir nur erzählt, dass mein Vater in Afghanistan in irgendeiner Partei war. Ich weiß es nicht ob es Jahad war.
R: Waren Sie in Afghanistan jemals in Haft?
BF: Nein.
BF: Waren Sie in Österreich schon mal in Haft?
BF: Ja. Befragt warum: Ich habe monatlich 40 € bekommen. Ein 19-jähriger Mann kann nicht von 40 € leben, ich brauche Klamotten, Zigaretten und ich habe die ganze Zeit überlegt was ich machen soll, soll ich klauen oder so, ich habe dann Blumen verkauft, weil ich Heroin konsumiert habe und Geld gebraucht habe.
Befragt ob ich Blumen, (die bunten Pflanzen auf einer Wiese, die man z. B. abreißt und jemandem schenkt, wenn man ihn besucht, verkauft habe): Nein, Gras habe ich verkauft. Man sagt einfach so Blumen zum Gras.
R: Sind Sie in Afghanistan vorbestraft oder werden Sie mit einer staatlichen Fahndungsmaßnahme wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief gesucht?
BF: Nein.
R: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme mit Behörden, der Polizei oder einem Gericht?
BF: Nein, nein, nein. Ich möchte jetzt trainieren, dass mein Sohn - ich spüre, dass es ein Sohn wird, ich brauche einen Cristiano
Ronaldo. Nachgefragt: Ich möchte, dass mein Kind Fußballer wird.
R: Was machen Sie, wenn Ihr Kind lieber Tennis spielen würde?
BF: ich weiß schon, was ich dann mache. Nachgefragt: Ich werde sagen, komm geh mit Papa Fußball spielen. Ich werde es schon irgendwie probieren, dass er Fußball mag. Ich werde ihm Eis kaufen, dann wird er schon wollen.
R: Nahmen Sie in Afghanistan an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?
BF: Nein, wenn ich Waffen sehe habe ich Angst.
R: Wurden Sie in Afghanistan jemals von irgendjemandem bedroht oder verfolgt (Blutfehde, Racheakte oder dergleichen)?
BF: Nein.
R: Waren Sie schon einmal in Herat, Mazar-e Sharif?
BF: Nein, ich war nur in Ghazni.
R: Was befürchten Sie für Ihr Leben, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?
BF: Ich habe Angst vor dem Tod. Jetzt denke ich nur an mein Kind, wenn ich zurückkehren sollte und nicht mehr leben sollte, was machen meine Frau und mein Kind alleine? Meine Frau und ich haben hier in Österreich traditionell geheiratet. Die Moschee ist am Reumannplatz.
R: Wann haben Sie geheiratet, wann war das?
BF: Wie wir uns kennengelernt haben, habe ich ihr gesagt, komm das ist eine Sünde, lass uns heiraten, dann haben wir das gemacht. Wenn man das Gebet sprechen kann, kann man auch zu Hause heiraten und muss nicht in eine Moschee.
AUF DEUTSCH ohne Übersetzung, wortwörtlich protokolliert:
R: Wie verbringen Sie Ihr Leben hier in Österreich momentan?
BF: Ich habe sehr sehr sehr viel. Ich liebe Österreich.
(BF fällt in Dari zurück und wird aufgefordert Deutsch zu sprechen. Er fährt fort.)
BF: Österreich wirklich gute Land, Leute. Ich brauche Ausbildung, ich möchte die Sprache Elektronik. Meine Kinder Fußball spielen, meine Frau geht Arbeit machen. Jetzt nicht aber später vielleicht geht sie arbeiten. Jetzt ist sie Therapie.
R: Haben Sie sich schon erkundigt, welche Ausbildung Sie brauchen um in der Elektronik arbeiten zu können?
BF: Oder z.B. was ist das Elektronik oder Mechaniker, kennen Sie?
Frage wird wiederholt.
BF: Ich was machen oder? Entschuldigung. Ich brauche Ausbildung, z. B. (BF fällt in Dari zurück) Ich brauchen Geschäft und machen Mechaniker, ich brauchen Arbeit. Ich mag nix, ich sitzen zu Hause und Geld kommen, ich brauche Arbeit.
R: Welchen Tag haben wir heute?
BF: Heute Mittwoch, Datum 28.11.2018.
R: In welchem Bundesland leben Sie?
BF: Jetzt ich bin Maibacherstraße, 14. Bezirk.
R: Gibt es österreichische Staatsbürger, mit denen Sie regelmäßig in Kontakt stehen? BF: Ja, er heißt Andi, zusammen gute Kontakt. Er ist mein Therapeut. Immer helfen alles, wie kleiner Bruder.
R: Haben Sie heute hier in diesem Gerichtsverfahren alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht? BF: Ja.
RV: Ich vermute "Andi" ist ein Mann ebenso in Therapie, nicht der Therapeut.
Auf Befragen durch den RV
RV: Sie haben in Ihrer Einvernahme vor dem BFA angegeben, dass Ihre Mutter und Ihr Bruder von einem Onkel unterstützt wurden. Handelt es sich dabei um Ihren leiblichen Onkel oder ist dieser nur ein Freund Ihres Vaters, denn Sie aufgrund der persischen/afghanischen Sitten "als Onkel" betitelt haben; handelt es sich folglich um ein sprachliches Missverständnis?
BF: Ja.
RV: Klären Sie das bitte.
BF: Wir haben eine enge Beziehung zu ihm, ich sage zu ihm Onkel, aber er ist nicht mein leiblicher Onkel.
R: Ist er ein Freund von Mama oder Papa?
BF: Von Papa.
RV an D: Mir wurde gesagt, dass im Iran/Afghanistan in Dari Fremde oftmals als Onkel bezeichnet werden. Stimmt das?
D: Ich kenne von Afghanen, dass Onkel, welche Freunde des Vaters sind als "Onkel mütterlicherseits" bezeichnet werden, um nicht etwa dieser Person zu unterstellen, mit der Mutter "etwas zu haben". Das ist quasi Ehrensache, es wird gemacht um nach außen zu transportieren, dass der Mann vom Ehemann toleriert wird.
Dies wird dem BF übersetzt und bestätigt er dies.
RV: Keine weiteren Fragen.
R richtet an den BF und dessen Rechtsvertreter die Frage, ob zum aktuelle Länderbericht der Staatendokumentation ein über den Beschwerdeschriftsatz hinausgehendes Vorbringen erstattet wird, da die R beabsichtigt, den Länderbericht in jener Fassung im Zeitpunkt der Entscheidung ihrer Entscheidung zu Grunde legen.
RV: Ich lege nochmals die Stellungnahme vom 21.11.2018 vor. Darin sind ähnlich gelagerte Sachlagen enthalten. Betreffend fehlende Relevanz und Unzumutbarkeit einer IFA in Mazar e Sharif und Herat lege ich was vor. Aufgrund der aktuellen Geschehnisse (gezielte Tötungen in Ghazni von Hazara) lege ich vor: Erkenntnisquellen. Ich lege auch vor - in Kenntnis das die deutsche Sprache die Amtssprache ist - das englischsprachige Dokumente vom 05.09.2018 vom World Hazara Council. (alles Beilage ./C)
Der Rechtsvertretung wird mitgeteilt, dass für den Fall, dass bis zur Zustellung der Entscheidung eine neue Fassung des Länderberichts der Staatendokumentation herauskommen sollte, eine allfällige Stellungnahme hiezu dem Gericht ohne Aufforderung zu übermitteln ist.
Der RV bringt vor: Sie tendieren zur Heirat, es gibt eine Verlobung.
Die Zeugin wird um 11:49 Uhr in den Zeugenstand gerufen.
Zeugenschaftliche Einvernahme der XXXX .
Es erscheint Frau Anda-Christina Brostiuc. Zur Abklärung ob eine Belehrung einer Angehörigen vorzunehmen ist wird sie befragt, ob sie mit dem BF verheiratet ist gibt Sie an: Nicht, aber wir haben es vor.
Die Z wird darüber belehrt, dass Sie heute zeugenschaftlich einvernommen wird und gibt wahrheitserinnert und auf die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage hingewiesen, an:
Z: Ich bin bereit auszusagen.
R: Waren Sie mit dem BF schon einmal in einer Moschee in Österreich?
Z: Ja, ich war.
R: Was war dort?
Z: Ich bin nicht legal als Moslem anerkannt, bin aber Moslem seit meiner Kindheit. Das wird erfolgen, dass ich den Glauben wechsle.
R: Waren Sie deshalb mit dem BF in der Moschee?
Z: Es ist so in Afghanistan, dass wir von einem Hodja, man erscheint dann verheiratet nach dieser Sitzung.
R: Möchten Sie auf Deutsch sprechen oder in einer anderen Sprache?
Z: Auf Deutsch.
R: Sind Sie österreichische Staatsbürgerin?
Z: Nein, ich bin rumänische Staatbürgerin und komme aus Bukarest.
R: Sie haben von einer Sitzung in der Moschee gesprochen. Was war denn der Sinn und Zweck dieser Sitzung?
Z: Das wir uns einigen, das wir heiraten werden.
R: Haben Sie dort geheiratet oder nur gesprochen davon?
Z: Es ist wie bei uns in Rumänien bei den christlich Orthodoxen, wenn man in eine Kirche geht.
R: Klare Frage, haben Sie dort geheiratet oder nicht?
Z: Ja.
R: Haben Sie ein Papier davon bekommen?
Z: Wir mussten etwas unterschreiben beim Hodja und können das nachbringen.
R: Haben Sie etwas dort bekommen?
Z: In der Hand nicht. Es ist aber jederzeit nachbringbar.
R: Wie lange kennen Sie den BF schon?
Z: ca. 4 Monate.
R: Wann waren Sie mit dem BF in der Moschee?
Z: Das war vor kurzem. Nachgefragt wann: nicht einmal ein Monat her.
R: Warum haben Sie jetzt nicht gleich sagen können, wann Sie geheiratet haben? Z: Ich haben darüber geredet. Auf Befragen "wer wir?": ich und der BF.
R: Warum haben Sie das Datum nicht gleich sagen können?
Z: Ich war ein bisschen konfus war und noch an die vorherige Frage gedacht habe.
R: Im wievielten Monat sind Sie?
Z: Im 2ten Monat und in der 3 Woche. Errechneter Geburtstermin 15.06.2019.
R: Wissen Sie schon was es wird?
Z: Ich habe schon eine Tochter. Sie lebt bei meinem Exmann. Meine Tochter ist 18 Jahre alt.
RV: Keine Fragen an die Z.
BF an Z: Ich habe keine Fragen an Sie und möchte nur sagen, dass ich Sie sehr, sehr liebe.
Z: Das beruht auf Gegenseitigkeit.
Die Z wird um 12:00 Uhr entlassen.
Der RV legt noch vor als Beilage ./D eine Stellungnahme vor.
R: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden?"
BF: Ja.
R: Begehren Sie eine Rückübersetzung oder möchten Sie, dass die Verhandlungsschrift der Rechtsvertretung zur Durchsicht vorgelegt wird?
RV und BF bringen vor, dass es ausreicht, wenn es der RV durchliest.
Festgehalten wird, dass der Rechtsvertretung und dem BF jeweils ein Ausdruck des gesamten bislang angefertigten Verhandlungsprotokolls zur Einsichtnahme ausgehändigt wird."
11. Am 17.4.2019 wurde der BF vor dem Bezirksgericht XXXX wegen dem Versuchs der Körperverletzung an der als vor dem Bundesverwaltungsgericht als Zeugin aufgetretenen XXXX und wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen XXXX unter der GZ XXXX , zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung von einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.
12. Am 20.5.2019 langte die Verfahrensanordnung des BFA vom 10.5.2019 ein, wonach dem BF der Verlust des Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit mitgeteilt wurde (vom BF durch Unterschrift auf diesem Dokument nachweislich übernommen).
13. Am 23.7.2019 und am 26.7.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass der BF am 21.7.2019 in die JA Wien-XXXX eingeliefert wurde und gegen den BF von der StA Wien am 25.7.2019, XXXX , Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen (§ 27 (2a,3) 2. Fall SMG, § 15 StGB) erhoben wurde.
14. Mit Erledigung vom 29.7.2019 wurde dem Rechtsberater eine Aufforderung übermittelt, da die vom BF namhaft gemachte Zeugin XXXX in der Verhandlung am 28.11.2019 angab mit dem BF verlobt zu sein und ein - nicht den Namen der Untersuchten ausweisendes - Ultraschallfoto aus der Ordination "Prof. XXXX " vom 15.11.2018 vorlegte mit der Behauptung, ein Kind des Beschwerdeführers zu erwarten (errechneter Geburtstermin XXXX 2019). Daher wurde dem BF der Auftrag erteilt, dem Gericht binnen drei Wochen (ab Zustellung) eine Stellungnahme abzugeben.
15. Zum Zwecke der Prüfung des Privatlebens des BF in Österreich erging am 29.7.2019 an die belangte Behörde das Ersuchen um Mitteilung, ob XXXX zum Aufenthalt im österreichischen Staatsgebiet berechtigt ist.
16. Am 30.7.2019 langte die Vollmachtsauflösung des Rechtsberaters Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ein.
17. Am 31.7.2019 langte die Mitteilung des BFA beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach laut IFA die Person XXXX , geb. XXXX , StA.: Rumänien, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist und bei der Magistratsabteilung MA35 ein Verlängerungsantrag eingebracht wurde.
18. Die Zeugin XXXX betreffend wurden ein Sozialversicherungsauszug und ein Strafregisterauszug eingeholt. Diese Person weist im Strafregister der Republik Österreich vier Verurteilungen auf und ist laut AJ-Web Auskunftsverfahren, Stand 1.8.2019, 13.29 Uhr, zum Stichtag 1.8.2019 krankenversicherungsrechtlich Angehörige eines vom BF verschiedenen Mannes. Laut AJ-Web Auskunftsverfahren ist sie "Ehegatte von Herrn XXXX , SV-Nr. XXXX ", und wurde von der WGKK am
XXXX 2019 sie betreffend eine Lebendgeburt gemeldet.
19. Mit Erledigung vom 5.8.2019 trat das Bundesverwaltungsgericht an die Justizanstalt Wien- XXXX heran und wurde ein in die Muttersprache des BF (Dari) übersetztes Aufforderungsschreiben übermittelt mit dem Ersuchen, dieses dem BF auszuhändigen und dem Bundesverwaltungsgericht über den Zeitpunkt der Entgegennahme zu berichten. Der Inhalt dieses in Dari übersetzten Aufforderungsschreibens ist Folgender:
"Bezugnehmend auf Ihre Verhandlung am 28.11.2018, in welcher Frau XXXX erschien und angab, mit Ihnen verlobt zu sein und ein Kind zu erwarten (errechneter Geburtstermin XXXX 2019) wird Ihnen nach Erhalt der Vollmachtsauflösung Ihres bisherigen Rechtsberaters unter Hinweis auf Ihre Mitwirkungspflicht gem. § 18 AsylG 2005 der Auftrag erteilt, dem Gericht binnen
drei Wochen (ab Zustellung)
* eine Stellungnahme und allenfalls vorliegende diesbetreffende
Dokumente
* allfällige Unterlagen über Ihren Gesundheitszustand
vorzulegen".
Überdies erging mit dieser Erledigung an die Justizanstalt das Ersuchen um Mitteilung, ob bei der Einlieferung des BF ein Anhalteprotokoll / Polizeiamtsärztliches Gutachten erstellt wurde und möge ein solches dem Bundesverwaltungsgericht in Kopie zur Kenntnis gebracht werden.
20. Am 8.8.2019 langte das Anhalteprotokoll der LPD Wien vom XXXX .2019 betreffend den BF ein, worin "Hepatitis" vom BF auf Befragen unter "Gesundheitsbefragung" angegeben wurde, jedoch unter "Sonstige Befunde/Diagnosen" auf S. 2 von 3 unter "4.) Hepatits fraglich; Hepatitis C?" angegeben wird. "Asthma" wurde weder vom BF in der Gesundheitsbefragung angegeben, noch im Anhalteprotokoll IIIa PI Polizeiamtsärztliches Gutachten auf S. 2 von 3 unter "Sonstige Befunde/Diagnosen" angeführt. Der BF wird laut dem Anhalteprotokoll vom XXXX 2019 gemäß § 7 AnhO als "haftfähig" befundet und ist auf S 1 des Anhalteprotokoll I unter "Besondere Vorsicht wegen" angekreuzt "Ansteckende Krankheit Hep. C".
21. Die Übernahmsbestätigung des BF wurde von der Justizanstalt retourniert und langte am 9.9.2019 ein. Eine Rückmeldung des BF zu dem in Dari übersetzten Schreiben langte bis dato nicht ein.
22. Mit an die JA XXXX gerichteter Aufforderung vom 9.9.2019, begehrte das Bundesverwaltungsgericht von der JA XXXX Auskünfte über den Gesundheitszustand des BF.
Auszug aus der Aufforderung:
"Das Bundesverwaltungsgericht dankt für die Übermittlung des am 8.8.2019 eingelangten Anhalteprotokoll I vom XXXX .2019, des Protokolls über die Gesundheitsbefragung vom XXXX .2019, woraus hervorkommt, dass vom Beschwerdeführer "Hepatitis" auf Befragen unter "Gesundheitsbefragung" angegeben wurde, jedoch unter "Sonstige Befunde/Diagnosen" auf S. 2 von 3 unter "4.) Hepatitis fraglich; Hepatitis C?" angegeben wird.
TBC oder Asthma wurden weder in der Gesundheitsbefragung angegeben, noch im Anhalteprotokoll IIIa PI Polizeiamtsärztliches Gutachten auf S. 2 von 3 unter "Sonstige Befunde/Diagnosen" angeführt.
Der Beschwerdeführer wird laut dem Anhalteprotokoll vom XXXX .2019 gemäß § 7 AnhO als "haftfähig" befundet und ist auf S 1 des Anhalteprotokoll I unter "Besondere Vorsicht wegen" angekreuzt mit dem Zusatz "Ansteckende Krankheit Hep. C".
Es ergeht an die Justizanstalt höflich das
Ersuchen um Mitteilung,
ob beim Beschwerdeführer seit Einlieferung in die JA eine der Krankheiten
- "TBC, Asthma, Hepatitis" objektiviert wurde und möge dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt werden, welche dieser Krankheiten - oder ob er allenfalls an anderen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet - beim Beschwerdeführer objektiviert wurden;
- ob der Beschwerdeführer derzeit regelmäßig Medikamente gegen eine der Krankheiten "TBC, Asthma, Hepatitis" einnehmen muss."
Für das Einlangen dieser Information merkte sich das Bundesverwaltungsgericht eine Frist von einer Woche ab Zustellung vor und infolge dessen, dass eine Gegenäußerung nicht einlangte, hielt die zuständige Richterin am 24.9.2019 telefonisch Rücksprache mit dem Spital der JA XXXX und erhielt nach nochmaliger Übermittlung des Aufforderungsschreibens vom 9.9.2019 an die Email-Adresse XXXX @justiz.gv.at die Auskunft, dass am heutigen Tage der Blutbefund des BF einlangte und laut diesem der BF an Hepatitis C leidet.
23. Am 19.9.2019 langte per Telefax ein vom Mag. XXXX unterzeichnetes Schreiben vom 16.8.2019 ein, worin nochmals auf die Zurücklegung der Vertretungsvollmacht der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH vom 30.7.2019 hingewiesen wurde und mitgeteilt wurde, dass "vor diesem Hintergrund lediglich die Geburtsurkunde sowie der Auszug aus dem Geburtseintrag in Vorlage" gebracht werden. Mitgeteilt wird, dass es sich beim dem BF um "den biologischen Vater des am XXXX 2019 geborenen Kindes handelt. Aufgrund mangelnder Vorlage der Scheidungsurkunde wird Herr XXXX im Sinne der Ehelichkeitsvermutung als Vater geführt. Frau XXXX ist derzeit um eine entsprechende Richtigstellung bemüht."
In der Beilage übermittelte Mag. XXXX dem Gericht eine Kopie der Geburtsurkunde der XXXX , ausgestellt vom Standesamt Wien-Innere Stadt, Zahl XXXX , am 3.7.2019, worin als Mutter " XXXX " und als Vater " XXXX " ausgewiesen sind und eine Kopie des Auszugs aus dem Geburtseintrag, ausgestellt vom Standesamt Wien-Innere Stadt, Zahl XXXX , worin " XXXX " als Mutter und als Vater " XXXX ausgewiesen sind.
24. Mit Urteil des Landesgericht für Strafsachen Wien vom XXXX 2019,
XXXX , wurde der BF wegen dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.
25. Am 19.9.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht im Wege des BFA eine handschriftliche Mitteilung des BF ein, worin er - ohne Nachweise - festhält "ein Kind in Österreich" zu haben und "er ist in Österreich geboren" und wolle er sein Kind nicht verlassen. In Afghanistan habe er keine Familie, keine Freunde, so das Schreiben.
26. Am 26.9.2019 teilte die JA XXXX dem Bundesverwaltungsgericht mit wie folgt:
"Beim Beschwerdeführer ist aus der Anamnese eine Tuberkulose bekannt. Der Patient hat diesbezüglich auf der Außenstelle Wilhelmshöhe eine überwachte Antibiotika Therapie bezüglich der Tuberkulose mit einem sehr zufriedenstellenden Verlauf durchgefühlt. Bekannt war damals eine zervikale Lymphknoten Tuberkulose beidseits, eine Kavernöse Tuberkulose mit Zerfall im linken Lungenoberlappen. Eine tuberkulostatische Therapie wurde im XXXX -Spital bereits im Jahre 2017 durchgeführt. Der Patient verhielt sich zum damaligen Zeitpunkt wenig kooperativ, habe das Krankenhaus auch ohne Erlaubnis mehrfach verlassen, und konnte an die Sonderkrankenanstalt Wilhelmshöhe diesbezüglich verlegt werden.
Es besteht lediglich ein Verdacht auf Asthma-bronchiale, der Beweis für eine Erkrankung konnte bislang nicht erbracht werden. Bezüglich des Lungen Röntgens zeigten sich im Zugangs evaluierungs-Röntgen Postspezifische Oberlappen Veränderungen links mit Vernarbung, dies allerdings annähernd unverändert zu Mai 2018. Der Hepatitis C Verdacht ist derzeit noch in Abklärung und es wird in Kürze ein Ergebnis vorliegen.
Der Patient benötigt derzeit jedenfalls keine Medikation bezüglich der ehemaligen Tuberkulose. Das suspizierte Asthma bronchiale konnte bislang nicht verifiziert werden, und eine eventuell vorliegende Hepatitis C befindet sich noch in Abklärung."
27. Nach telefonischer Rücksprache am 26.9.2019 ersuchte die erkennende Richterin die Sonderanstalt der JA- XXXX per Email an die Email-Adresse XXXX @justiz.gv.at um ehestmögliche Mitteilung, ob der BF einer antiviralen Therapie gegen eine Hepatitis-Erkrankung bedarf.
28. Am gleichen Tage teilte die Sonderanstalt der JA- XXXX ergänzend zur letzten Stellungnahme mit, dass der BF aktuell keiner Hepatitistherapie bedarf. Es habe in der Vergangenheit wohl Kontakt mit dem Hepatitis-C-Virus gegeben und eine Immunisierung mit der Bildung von Antikörpern stattgefunden, aber es bestehe beim BF aktuell keine aktive Infektion.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
[0]
Der BF hat keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für seine Identität und für sein Fluchtvorbringen vorgelegt. Seine Identität steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, er gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem und seine Muttersprache ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist volljährig und hat am 16.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, nachdem er unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste.
Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers in Afghanistan ist Ghazni. Der BF besuchte eine Schule. Das Ausmaß seiner Schulbildung kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer erlangte vor seiner Einreise nach Österreich Arbeitserfahrung, dessen Ausmaß kann nicht festgestellt werden.
Die Mutter und ein kleiner Bruder des Beschwerdeführers leben im Iran und hält der BF Kontakt zu diesen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF nicht auch über weitere Verwandte in Afghanistan verfügt. Der BF verfügt nicht über Verwandte in Österreich und kann seine Vaterschaft zu XXXX nicht festgestellt werden.
1.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
1.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie als schiitscher Moslem bzw dass jeder Angehörige der Volksgruppe des Beschwerdeführers sowie der Glaubensrichtung des Beschwerdeführers in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
1.1.4. Es kann weder festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich in seinem bisherigen Leben in Europa und auch im Iran aufgehalten hat, noch, dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus dem westlichen Ausland und / oder aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
1.1.5. Zudem droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Verbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK), da er im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen politischen Ansichten von Seiten Dritter bedroht wäre.
Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit vom Konflikt sowie dessen Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist ohne Sorgepflichten, trägt den Hepatitis C Virus in sich, bedarf einer Drogenersatztherapie und weist an der rechten Hand zwei Daumen auf. Der BF ist nicht lebensbedrohlich erkrankt.
1.1.7. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich bescholten und ist in Haft.
1.1.8. Die Herkunftsprovinz des BF ist Ghazni. Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes und grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv und kommt es in der Provinz zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.
Die Herkunftsprovinz scheidet als Ort für die Wiederansiedelung des BF im Falle seiner Rückkehr daher aus.
Ebenso scheidet die Hauptstadt Kabul vor dem Hintergrund des "Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Beurteilung des internen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan vom 30.8.2018" als innerstaatliche Fluchtalternative aus.
1.1.9. Es kann nicht festgestellt werden, dass der nicht lebendbedrohlich erkrankte und arbeitsfähige BF im Falle der Rückkehr in die Fluchtalternativen Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten, da der BF erwerbstätig sein könnte und auf Unterstützung vor Ort zurückgreifen kann. Der BF kann allenfalls durch die von den (internationalen) NGOs vor Ort und / oder durch die von der afghanischen Regierung installierten Programme für Rückkehrer finanziell und/oder organisatorisch unterstützt werden.
1.1.10. Der BF kann sich in Afghanistan in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Ort Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh ansiedeln.
1.1.10.1. Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz bloß 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen und ist daher eine gefahrlose Rückkehr von Österreich dorthin über den Luftweg möglich.
1.1.10.2. Der BF kann sich bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat auch in der innerstaatlichen Fluchtalternative Herat ansiedeln.
Laut Länderbericht ist Herat eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Herat verfügt über einen internationalen Flughafen, sodass der BF Herat von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichen kann.
1.1.11. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt in Österreich durch staatliche Grundversorgung und befindet sich in Haft.
1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Bezogen auf die Situation des Beschwerdeführers sind folgende Länderfeststellungen als relevant zu werten:
Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation vom 29.06.2018
idgF:
KI aus Juni 2019 (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).
Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl
Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre
Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde.
(Tolonews 31.5.2019a).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).
Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).
Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).
Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).
Anschläge in Kabul-Stadt
Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).
Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).
Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).
Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).
Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).
Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)
US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).
Rückkehr
Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem
Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die
Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).
Rückkehr
Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).
KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. [...]
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
[...]
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Zivile Opfer
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
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IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018
Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).
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KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul [...] zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018
Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018
Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).
IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018
Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).
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IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018
Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
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Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
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Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).
• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).
• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).
• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
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Zivilist/innen
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009- 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht- ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen
125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS- Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
Al-Qaida
Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).
[...]
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, [...]
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
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Balkh
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...]
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat:
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat:
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018). ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
Ghazni
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan. im Osten an Logar. Paktia und Paktika. im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a). die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat. Sadat und Sikh sind auch dort vertreten. wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind. Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl. HoA 15.3.2016). Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).
Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).
Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Ghazni
Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl. Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl. Pajhwok 12.3.2018).
Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl. AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni
Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).
Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).
Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).
Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).
[...]
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
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Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).
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Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017). [...]
Grundversorgung und Wirtschaft
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.
a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
[...]
Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister. ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege. um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf. aus dem jemand stammt. ist der naheliegende
Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).
Das afghanische Bevölkerungsgesetz von 2014 beinhaltet u. a. Regelungen zur Bürgerregistrierung. Gemäß Artikel 9 des Gesetzes sollen nationale Personalausweise [Anm.: auch Tazkira genannt. Eine Tazkira gilt sowohl als Personenstandsregisterauszug als auch als Personalausweis] zum Zwecke des Identitätsnachweises und der Bevölkerungsregistrierung ausgestellt werden (NLB/NA 2014). Das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist jedoch kaum entwickelt. Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Er gilt sowohl als Nachweis für die Staatsangehörigkeit, sowie als Geburtsurkunde. In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch am jeweiligen Geburtsort, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden (AA
. Allein die Auslandsvertretungen im Iran haben Ausnahmeregeln und können eine Tazkira vor Ort ausstellen. Es gibt Pläne dafür, dieselben Befugnisse auch afghanischen Auslandsvertretungen in Pakistan zu erteilen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018). In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan (AA 5 .2018). Einer Quelle zufolge können Frauen Tazkiras und Pässe für sich und ihre Kinder ohne die Anwesenheit eines männlichen Zeugen beantragen (vertrauliche Quelle 9.5.2018).
Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten werden häufig lediglich in Form von "Alter im Jahr der Beantragung", z. B. "17 Jahre im Jahr 20xx" erfasst, genauere Geburtsdaten werden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt (AA 5 .2018). Insgesamt sind in Afghanistan im Moment sechs Tazkira-Varianten im Umlauf (AAN 22.2.2018). Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Es sind Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und ggf. aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Ein derart ausgestellter Reisepass stellt daher im Gegensatz zur Tazkira nur bedingt einen Nachweis der Staatsangehörigkeit dar (AA 5 .2018). Nicht jeder afghanische Bürger besitzt eine Tazkira. Über die Einführung von elektronischen Personalausweisen, auch e-Tazkiras genannt, wurde lange Zeit diskutiert. Am 15.2.2018 beantragten Präsident Ghani, seine Ehefrau, Vizepräsident Muhammad Sarwar Danesh und weitere 200 Familien in Afghanistan die ersten elektronischen Personalausweise (AAN 22.2.2018).
Rückkehr
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).
Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
[...]
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).
NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.
Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).
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Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Landinfo 19.9.2017). Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
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Risikogruppen
UNHCR-"Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016" - zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016:
Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:
(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;
(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;
(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;
(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;
(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;
(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;
(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;
(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;
(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;
(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;
(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;
(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;
(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;
(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und
(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).
Auszug aus einer Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016:
Die vom UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan (Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016) besagen:
Quelle:
http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/04/AFG_042016.pdf
Wie von UNHCR in den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016 festgestellt, ist es erforderlich, dass die internationalen Schutzbedürfnisse afghanischer Asylsuchender auf individueller Grundlage unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers geprüft werden und bei der Innerstaatlichen Fluchtalternative ist in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative muss laut UNHCR für jeden einzelnen Antragsteller relevant und zumutbar sein. Bei der Relevanzprüfung handelt es sich um eine grundlegende Bewertung der Urheberschaft des Schadens und der Feststellung zur Frage, ob im Neuansiedlungsgebiet das Risiko fortbesteht.
Die Prüfung, ob eine interne Schutzalternative gegeben ist, erfordert eine Prüfung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative. Eine interne Schutzalternative ist nur dann relevant, wenn das für diesen Zweck vorgeschlagene Gebiet praktisch, sicher und legal erreichbar ist, und wenn die betreffende Person in diesem Gebiet nicht einem weiteren Risiko von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden ausgesetzt ist. Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:
(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und
(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.
Wenn Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung haben, die vom Staat oder seinen Akteuren ausgeht, so gilt die Vermutung, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative für Gebiete unter staatlicher Kontrolle nicht relevant ist. Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen.
UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.
Wenn der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung durch einen nichtstaatlichen Akteur hat, müssen die Möglichkeit des Akteurs, den Antragsteller auf dem vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zu verfolgen, und die Fähigkeit des Staates, Schutz in diesem Gebiet zu bieten, geprüft werden. Wenn die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften ausgeht, müssen Nachweise hinsichtlich der Fähigkeit dieses Akteurs, Angriffe in Gebieten außerhalb des von ihm kontrollierten Gebiets durchzuführen, berücksichtigt werden.
Bei Personen wie Frauen und Kinder, die unter bestimmten Bedingungen leben, und Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und/oder geschlechtlichen Identitäten, die aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen mit Verfolgungshandlungscharakter Schaden befürchten, muss die Unterstützung derartiger Bräuche und Normen durch große Teile der Gesellschaft und durch mächtige konservative Elemente auf allen Ebenen des Staates als Faktor berücksichtigt werden, der der Relevanz einer internen Schutzalternative entgegensteht.
Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden.
Insbesondere die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, stellen relevante Erwägungen dar, welche bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.
Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig.
Auszug aus den UNHCR-RICHTLINIEN ZUR BEURTEILUNG DES INTERNEN SCHUTZBEDARFS VON ASYLSUCHENDEN AUS AFGHANISTAN vom 30.08.2018
Seite 110
Against this background, UNHCR considers that a proposed IFA/IRA is reasonable only where the individual has access to (i) shelter, (ii) essential services such as sanitation, health care and education; and (iii) livelihood opportunities or proven and sustainable support to enable access to an adequate standard of living. Moreover, UNHCR considers an IFA/IRA as reasonable only where the individual has access to a support network of members of his or her (extended) family or members of his or her larger ethnic community in the area of prospective relocation, who have been assessed to be willing and able to provide genuine support to the applicant in practice.
UNHCR considers that the only exception to the requirement of external support are single ablebodied men and married couples of working age without identified specific vulnerabilities as described above. In certain circumstances, such persons may be able to subsist without family and community support in urban and semi-urban areas that have the necessary infrastructure and livelihood opportunities to meet the basic necessities of life and that are under effective Government control.
Übersetzung:
Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Ansicht, dass eine vorgeschlagene IFA / IRA nur sinnvoll ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkünften, (ii) grundlegenden Dienstleistungen wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung hat; und (iii) Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder bewährte und nachhaltige Unterstützung, um Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Darüber hinaus hält UNHCR eine IFA / IRA nur für sinnvoll, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im Bereich der potenziellen Umsiedlung hat, die beurteilt wurden bereit und in der Lage zu sein, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten.
UNHCR ist der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, die keine spezifischen Schwachstellen wie oben beschrieben aufweisen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügen, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken, und die einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegen.
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c) Conclusion on the Availability of an IFA/IRA in Kabul
UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an IFA/IRA is generally not available in the city.
c) Schlussfolgerung zur Verfügbarkeit einer IFA / IRA in Kabul
UNHCR ist der Ansicht, dass angesichts der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation in Kabul eine IFA / IRA in der Stadt in der Regel nicht verfügbar ist.
Auszug und Zusammenfassung aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif auf Grund anhaltender Dürre, 13.9.2018 (im Folgenden "ABSD Dürre"), und der Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan, Folge von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - im Folgenden "Accord Dürre":
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017 (ABSD Dürre, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Accord Dürre S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (ABSD Dürre, S. 11).
Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Accord Dürre, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Accord Dürre, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Accord Dürre, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Accord Dürre, S. 17ff).
Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Accord Dürre, S. 15f).
Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Diese leben am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (ABSD Dürre, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Accord Dürre, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Accord Dürre, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (ABSD Dürre, S. 10).
Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (ABSD Dürre, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Accord Dürre, S. 3; ABSD Dürre, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (ABSD Dürre, S. 1).
Auszug aus EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, Seite 29-31:
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag.
In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden.
Auszug von Länderinformationen aus EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018
(im Folgenden "EASO Leitlinien 2018"):
Zur Erreichbarkeit von Mazar-e-Sharif (Seite 102-103): Der Flughafen von Mazar-e-Sharif liegt 9 Km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Straßen zwischen dem Flughafen und der Stadt gelten als während des Tages generell als sicher. Es bestehen keine rechtlichen oder verwaltungstechnischen Hindernisse für die Reise innerhalb von Afghanistan, dies umfasst auch die Stadt Mazar-e-Sharif. Es bestehen keine Hindernisse oder Erfordernisse für die Zulassung von afghanischen Staatsbürgern in irgendeinem Teil des Landes, dies umfasst auch die Stadt Mazar-e-Sharif.
Zur allgemeinen Lage in den Städten Herat, Mazar-e-Sharif und Kabul (Seiten 104 bis 105):
Lebensmittelsicherheit:
Generell besteht in den drei genannten Städten keinerlei Lebensmittelknappheit. Das Hauptkriterium für einen Zugang zu Lebensmitteln ist, dass ausreichend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, was im Falle von vertriebenen Personen ein besonderes Problem darstellen könnte.
Sichere Unterkunft:
Sichere Unterkunftsmöglichkeiten sind vorhanden. Die Stadthäuser können überwiegend als "Elendsviertel" bezeichnet werden. Der Zugang zu einer adäquaten Wohnmöglichkeit stellt für die Mehrzahl der in Städten lebenden Afghanen eine echte Herausforderung dar. In Kabul gibt es ein Überangebot an hochwertigen Unterkünften, welche jedoch für die Mehrheit der Stadtbewohner von Kabul nicht leistbar sind. Die große Anzahl Vertriebener sowie der plötzliche Anstieg an Rückkehrern in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 hat die ohnehin schon überspannte Aufnahmekapazität der Städte noch zusätzlich belastet. Vertriebene Personen finden sich letztlich zumeist in Unterkünften für Binnenflüchtlinge wieder, weshalb sie eine sichere Unterkunft als ihr vorrangigstes Bedürfnis bezeichnen. In den Städten werden als Alternative ferner auch günstige Unterkünfte in "Teehäusern" angeboten.
Hygiene:
Der Zugang zu Trinkwasser stellt oft eine Herausforderung dar, insbesondere in den Elendsvierteln von Kabul und den dortigen Unterkünften für Binnenflüchtlinge. In Mazar-e Sharif und Herat haben die meisten Leute Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch besseren Sanitäreinrichtungen.
Medizinische Grundversorgung:
Gesundheitseinrichtungen sind in den genannten Städten zwar vorhanden, doch sind die medizinischen Versorgungsdienste aufgrund der Zunahme an Vertriebenen und Rückkehrern deutlich überlastet. Fehlende Finanzmittel stellen ein Haupthindernis beim Zugang zur medizinischen Grundversorgung dar.
Grundversorgung:
Was den Zugang zum Arbeitsmarkt betrifft, so sind die Arbeitslosenzahlen (bzw. auch die Zahl der Unterbeschäftigten) aufgrund der momentanen Wirtschafts- und Sicherheitslage durchaus hoch (insbesondere für die städtische Jugend), wobei sich dieser Trend in den letzten Jahren noch verschärft hat. Der zunehmende Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt resultiert aus der wachsenden Zahl arbeitssuchender Vertriebener. Die Armut ist in den Städten weit verbreitet und noch immer im Wachsen begriffen. Unter derartigen Rahmenbedingungen bedienen sich immer mehr Leute, die in den Städten leben, nicht willkommener Erwerbsquellen (wie z.B. Verbrechen, Kinderheirat, Kinderarbeit, Bettelei, Straßenverkauf), wobei die traditionellen Hilfsmechanismen (insbesondere in den städtischen Regionen) überlastet sind.
Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan - Chronische Hepatitis B vom 5.11.2014:
Laut Medical COI vom Juni 2012 sind regelmäßige Untersuchungen der Leberfunktion und Hepatitis-Serologie in Kabul verfügbar und laut Mitteilung vom 13.10.2014 auch Laboruntersuchungen in Kabul möglich. Gemäß einer Anfragebeantwortung von IOM vom September 2011 und einem Bericht der WHO aus dem Jahr 2013 sind die Behandlung von Hepatitis, bzw diesbezügliche Tests nicht kostenfrei. Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder aus älteren Erhebungen der WHO von 2008 bis 2011 vor. Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken. Durch die gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute und dem Deutschen Diagnostischen Zentrum in Kabul können Patienten einschl Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Der Großteil der modernen medizinischen Einrichtungen des Landes befindet sich in Kabul und anderen Großstädten. Der generelle Mangel an Gesundheitszentren besteht vor allem in den ländlichen Gebieten bereits seit längerer Zeit. Medikamente, überwiegend Importe aus Pakistan und Iran, sind immer besser erhältlich. Der Antragsteller muss die Kosten für alle Medikamente tragen. Es gibt in Kabul ein Krankenhaus für ansteckende Krankheiten, das Diagnose, Behandlung, Krankenhausaufenthalt und Nachsorge für Personen bietet, die an ansteckenden oder viralen Erkrankungen leiden. Es gibt keine Gebühr für einen Patienten für die Hospitalisierung und Behandlung. Die hohen Kosten der Medikamente können ein Hindernis für den Antragsteller beim Zugang zu den nötigen Medikamenten in Afghanistan sein (das Mindesteinkommen in Kabul beträgt 3500 Afgani pro Monat, die monatlichen Medikamentenkosten betragen 70% des Mindesteinkommens). Gemäß dem Bericht von WHO aus dem Jahr 2013 sind Hepatitis B- und Hepatitis C-Tests in Afghanistan nicht kostenlos, ausgenommen für Blutspender und Personen, welche Injektionen benötigen. Hepatitis B- und Hepatitis C-Tests sind für keine Mitglieder einer bestimmten Gruppe obligatorisch. Eine staatlich finanzierte Behandlung von Hepatitis B oder Hepatitis C ist nicht verfügbar.
EASO-Bericht "Country Guidance Afghanistan", Juni 2018:
Nach diesem Bericht finden alleinstehende Männer in den größeren Städten in der Regel zumutbare und vernünftige Fluchtalternativen vor (S. 30, 106). Für Antragsteller, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder sehr lange Zeit außerhalb Afghanistan gelebt haben, kann sich eine innerstaatliche Fluchtalternative als vernünftigerweise nicht vorhanden erweisen, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk vorfinden, das bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen unterstützt. Neben dem Vorhandensein eines Netzwerks sind noch lokales Wissen und Bindungen zum Heimatstaat sowie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund einschließlich der erlangten Bildung oder professionellen Ausbildung des Antragstellers zu berücksichtigen (S. 30, 109).
Auszug aus dem EASO (European Asylum Support Office) Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan - Rekrutierungsstrategien der Taliban von Juli 2012 (Fußnoten seitens des Bundesverwaltungsgerichtes entfernt bzw. Rechtschreibfehler korrigiert):
"[ ] 3 Die Rekrutierung von Kämpfern
3.1 Allgemeines
Bereits kurz nach dem Fall des Taliban-Regimes im Jahr 2001 begannen die Taliban mit ihrer Neuorganisation und der Rekrutierung neuer Truppen. Im Jahr 2002 konnten sie zahlreiche Freiwillige in afghanischen Flüchtlingscamps, Moscheen und Deobandi-Madrassas in der pakistanischen Provinz Belutschistan in der Umgebung der Stadt Quetta rekrutieren. In der Folgezeit kamen verschiedene Mechanismen der Rekrutierung zum Einsatz: Rekrutierung von Madrassa-Schülern in Pakistan und Afghanistan, lokale Rekrutierung durch Mullahs oder religiöse Netzwerke, Rekrutierung durch religiöse politische Parteien oder Gruppierungen, Rekrutierung in der Verwandtschaft oder in Gemeinschaften, Schulen und Universitäten. [ ]
In der Regel erfolgen die Rekrutierungen innerhalb der lokalen Einsatzzellen. Die Taliban messen der familien-und klaninternen Loyalität, Stammesbindungen, persönlichen Freundschaften, sozialen und religiösen Netzen, Madrassas und Gemeinschaftsinteressen große Bedeutung bei. Mit einigen Ausnahmen rekrutieren Taliban-Kommandeure Kämpfer normalerweise aus ihrem eigenen Stamm. Zwar wurde die Stammesordnung durch den jahrelangen Konflikt geschwächt, sie ist jedoch nach wie vor tief in den paschtunischen Gemeinschaften verwurzelt, aus denen unverändert die meisten Taliban stammen.
Für Angriffe oder Attentate haben die Taliban junge Kämpfer engagiert, die in der Mehrzahl der Fälle außerhalb ihrer Heimatregionen zum Einsatz kamen, damit sie nicht von Einheimischen erkannt werden und sich ihre Angriffe nicht gegen Freunde und Familienangehörige richten konnten. Nach ihrem Einsatz kehrten sie wieder an den Heimatort zurück. Die Taliban griffen gerne auf diese Kämpfer zurück, um erfahrene Kämpfer nicht den Gefahren aussetzen zu müssen, die mit diesen Angriffen verbunden sind. Nach Angaben afghanischer Quellen vom April 2012 ändert sich diese Strategie. So setzen die Taliban die Mehrzahl der Kommandeure und Kämpfer jetzt in ihren Heimatregionen ("Lokalisierung") ein, da dies die Anhängerschaft aus den lokalen Gemeinschaften erhöht. Außerdem hat es den Vorteil des besseren Schutzes und der größeren Unterstützung, weil sie innerhalb des eigenen Stammes oder ihres Heimatdorfes agieren. Derselben Quelle zufolge werden ausländische Kämpfer pakistanischer, arabischer, tschetschenischer oder usbekischer Herkunft in der Regel lokalen Kommandeuren als Berater unterstellt oder - wenn es sich um eine größere Zahl handelt - sind ausschließlich in der pakistanischen Grenzregion aktiv, damit sie sich schnell in sichere Gebiete in Pakistan zurückziehen können.
Einige Verfasser, darunter Rashid und Giustozzi, unterteilen die Taliban-Kämpfer nach ihrer Motivation oder ihrem Bildungsstand. Zur ersten Gruppe gehört der ideologisch motivierte harte Kern von Kämpfern. Dazu zählen häufig Madrassa-Schüler oder Jugendliche, die vor Ort von Geistlichen rekrutiert wurden. In der zweiten Gruppe finden sich die Kämpfer, die nicht zu diesem harten Kern gehören. Sie stammen häufig aus der Region oder waren in einigen Fällen Angehörige von Milizen, die sich den Aufständischen aus unterschiedlichen Gründen angeschlossen haben, und sind nicht ausschließlich von ideologischen Motiven getrieben. Dieser zweiten Gruppe gehören auch Söldner und Teilzeitkämpfer an.
In "Thirty Years of Conflict: Drivers of Anti-Government Mobilisation in Afghanistan 1978-2011" unterscheiden Giustozzi und Ibrahimi zwischen der Mobilisierung von Gemeinschaften und von Einzelpersonen. Bei beiden Formen der Mobilisierung können verschiedene Motivationsgründe eine Rolle spielen. Nach Angaben einer Kontaktperson in Afghanistan bemühen sich die Taliban in der Hauptsache darum, Gemeinschaften für sich zu gewinnen, und weniger um die Rekrutierung von Einzelpersonen, obgleich auch deren Beteiligung immer willkommen ist. Die kollektive Rekrutierung erfolgt zudem über Führungspersönlichkeiten (Strongmen) oder Kommandeure, die sich von der Organisationsstärke der Taliban persönliche Vorteile erhoffen.
Im Verlauf der Sondierungsmission der dänischen Einwanderungsbehörde in Afghanistan vom 25. Februar bis 4. März 2012 haben die Zivilgesellschafts-und Menschenrechtsorganisation CSHRO sowie ein unabhängiges Forschungsinstitut darauf hingewiesen, dass sich die Taliban vermehrt um die Rekrutierung gut ausgebildeter Personen an den Universitäten und Schulen der großen Städte bemühen. Zur Ausweitung ihrer Kommunikations-und Propagandabemühungen benötigen sie mehr Personen, die lesen und schreiben können. Ferner erfordern neue und fortgeschrittenere Waffensysteme ein besseres Fachwissen, und es herrscht Bedarf an medizinischem Personal. Demzufolge sind die Taliban insbesondere an angehenden Ingenieuren und Medizinern interessiert. [ ]
Zusammenfassung - Wirtschaftliche Faktoren
Geld ist ein entscheidender Faktor für die Rekrutierung. In einem Land, in dem viele junge Männer keine Arbeit finden und Armut weit verbreitet ist, übt das Angebot einer bezahlten Tätigkeit eine große Anziehungskraft aus. Ein Taliban-Kämpfer kann in einem Monat oder sogar in nur einer Woche mehrere Hundert Dollar verdienen.
Nach Angaben von Giustozzi und Ibrahimi stellt dies keinen langfristigen Anreiz dar. Sozialisierung und Indoktrinierung sind für die Taliban von entscheidender Bedeutung, um in ihren Reihen für Beständigkeit zu sorgen.
Neben direkten Zahlungen gibt es weitere wirtschaftliche Faktoren. Die Angst vor der Ausrottung des Opiumanbaus durch die Regierung oder die ausländischen Truppen ist ein Beispiel für einen wirtschaftlichen Beweggrund, die Aufständischen zu unterstützen. Ein weiteres Beispiel ist die Steuerbefreiung, die die Taliban Familien gewähren, die ihnen Kämpfer zur Verfügung stellen. [ ]
Persönliche Bedrohung, Einsatz von Gewalt und Zwang durch die Taliban
Nach Angaben von Sippi Azarbaijani-Moghaddam haben die Nordallianz und die Taliban im Jahr 2001 angesichts des Widerwillens in den kriegsmüden Gemeinschaften Zwangsrekrutierungen durchführen müssen.
Laut der oben genannten ICOS-Studie vom März 2010 gaben 34 % der in der Provinz Helmand Befragten an, dass die Taliban bei der Rekrutierung zu Zwangsmaßnahmen gegriffen hätten. Ein Informant von Landinfo hat darauf hingewiesen, dass die Taliban in Marjah in Helmand bei der Rekrutierung von Kämpfern unmittelbar Zwang ausgeübt hätten. Von einer lokalen Quelle in Helmand wurde der Einsatz von diktatorischen Mitteln und Zwangsmaßnahmen durch die Taliban bestätigt: "Wer sich widersetzt, wird der Spionage bezichtigt und als ‚Sklave der Ausländer' bezeichnet und bestraft oder getötet. Diesem Schicksal fielen Hunderte Stammesführer, Älteste und Häuptlinge im Südwesten des Landes zum Opfer. Außerdem zwingen sie die Menschen dazu, ihnen Verpflegung und Unterschlupf zu gewähren". Aus den Lagern für Binnenvertriebene in Helmand werden Zwangsrekrutierungen gemeldet.
Einem Bericht von RFE/RL vom Juni 2012 zufolge, der sich auf Aussagen von Murad, einem Angehörigen der Anti- Taliban-Miliz, stützt, schließen sich Familien in Kunduz den Taliban an, weil sie Angst um ihr Leben haben.
Nach Angaben einer Kontaktperson in Ostafghanistan zwingen die Taliban der Quetta Shura die Menschen in den Regionen unter ihrer Kontrolle, nach den Waffen zu greifen und sie in ihrem Kampf zu unterstützen. Sie suchen die Menschen in ihren Häusern auf und bezichtigen sie der Spionage. Außerdem verlangen sie hohe Geldstrafen, die sich die armen Dorfbewohner nie leisten könnten. Sie fordern die Bereitstellung von Waffen. Können die Menschen nicht zahlen oder keine Waffen bereitstellen, müssen sie sich den Kämpfern anschließen. Wer sich weigert, wird entweder aus der Region vertrieben oder als Spion bezeichnet und getötet. Bisweilen kommen die Taliban in Gruppen in die Moschee und fordern zehn bis 20 junge Männer, die sie in ihrem Dschihad unterstützen sollen. Es kommt auch vor, dass Jugendliche für Selbstmordanschläge rekrutiert werden. Nach Angaben der Kontaktperson erfolgt diese Form der Rekrutierung auf persönlicher Ebene. Die Taliban-Kommandeure vor Ort zeichnen für die Rekrutierung in ihrem Zuständigkeitsgebiet verantwortlich, werden dabei jedoch vom pakistanischen Geheimdienstnetz unterstützt. Nach Angaben von David Kilcullen ist es möglich, dass sich Taliban der zweiten Ebene den Aufständischen aus Angst vor Vergeltung anschließen.
Eine Kontaktperson in Chost hat darauf hingewiesen, dass sich aufständische Gruppen aus Afghanistan in Nordwasiristan und Kurram Agency in Pakistan aufhalten, wo sie problemlos aus den Reihen ihrer eigenen Stämme, darunter den Wasir und den Dawar, rekrutieren können. Ferner würden die Aufständischen in den von ihnen kontrollierten Gebieten Zwangsrekrutierungen vornehmen. Die Einheimischen wagen es nicht sich zu widersetzen, weil sie Angst um ihr Leben haben.
Aus Urusgan wird berichtet, dass die lokalen Kommandeure durch Taliban aus Pakistan ersetzt wurden. Dies hat sich 2008 in Gisab ereignet. Zwangsrekrutierungen, an denen ausländische Taliban aus Pakistan beteiligt waren, soll es in Urusgan gegeben haben. Junge Männer wurden unter Zwang eingezogen, und viele von ihnen sind später in Kämpfen gegen ausländische und Regierungstruppen ums Leben gekommen. Vor diesem Hintergrund ist die Unterstützung für die Taliban in den Provinzen geschrumpft. Nach Angaben von Martine Van Bijlert ist dies jedoch eher selten vorgekommen, und in der Regel war die Rekrutierung durch lokale Kommandeure, die sich dabei auf die Stammesloyalität gestützt haben, die wichtigste Unterstützungsquelle für die Taliban.
Reuter und Younus weisen darauf hin, dass Zwangsrekrutierungen für die Aufständischen in Andar in Ghazni keine Lösung gewesen seien, weil aufgrund von Rivalitäten zwischen den Gruppen zwangsläufig eine starke Loyalität innerhalb der Gruppen bestanden habe. Im April 2012 wurde von einer Kontaktperson vor Ort ausdrücklich bestätigt, dass die Taliban in Ghazni niemals Zwangsrekrutierungen von Kämpfern durchführen.
Im April 2012 machte ein Korrespondent in Logar folgende Angaben zu den Rekrutierungen durch die Taliban: "Sie haben vorrangig religiöse und weniger politische Argumente dafür vorgebracht. In Logar schließen sich die Menschen den Taliban-Truppen freiwillig an. Zwang oder andere Mittel kommen nicht zum Einsatz".
Nach Angaben von Ahmad Quraishi, Direktor des Afghan Journalists Center und Korrespondent bei den Pajhwok Afghan News, liegen keinerlei Berichte über Zwangsrekrutierungen in der Provinz Herat vor.
Eine Kontaktperson in Afghanistan hat im April 2012 darauf hingewiesen, dass hauptsächlich an die eigene Überzeugung und an die patriotischen oder religiösen Pflichten im Kampf gegen die "ausländischen Invasoren und die Marionettenregierung" appelliert und deutlich weniger Zwang ausgeübt wurde, gegenwärtig sogar noch weniger. Dieselbe Person gibt auch an, dass nur wenige Fälle bekannt geworden sind, in denen gegen Einzelpersonen, die der Rekrutierung hätten entgehen wollten, Gewalt ausgeübt wurde, und dass dies dem erklärten Eintreten der Taliban für Gerechtigkeit und verantwortungsvolles Verwalten widersprechen und die Unterstützung durch die Bevölkerung gefährden würde.
Giustozzi und Ibrahimi zufolge haben Taliban-Funktionäre angegeben, dass es ihnen lediglich in Flüchtlingscamps gelungen sei, Kämpfer unter Zwang zu rekrutieren. Die Familien seien gezwungen worden, ein männliches Mitglied zur Verfügung zu stellen. Giustozzi weist ausdrücklich darauf hin, dass Zwangsrekrutierung in diesem Konflikt bisher keine übergeordnete Bedeutung hatte. Die Aufständischen haben nur in geringem Maße darauf zurückgegriffen. Direkte Nötigung habe im Einflussbereich der Taliban lediglich stattgefunden, um Männer als Träger einzusetzen, so Giustozzi weiter. Seit 2006 hat es zudem in einigen Regionen Berichte über die Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal zur Behandlung verwundeter Kämpfer der Taliban gegeben.
Landinfo hat im Rahmen einer Erkundungsmission in Kabul im Oktober 2011 Befragungen durchgeführt, aus denen ebenfalls hervorgeht, dass es bei den Rekrutierungen nur selten zu Zwang gekommen ist. Die Taliban würden über eine ausreichende Zahl freiwilliger Anhänger verfügen, so dass sie auf eine solche Strategie nicht zurückgreifen müssten. Allerdings könnte es Ausnahmen in Regionen geben, die sich unter vollständiger Kontrolle der Taliban befinden.
Im Verlauf der Sondierungsmission der dänischen Einwanderungsbehörde in Afghanistan vom 25. Februar bis 4. März 2012 ist die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission AIHRC zu dem Ergebnis gekommen, dass "keine Berichte über Zwangsrekrutierungen durch die Taliban vorliegen und dass sich die meisten Rekruten freiwillig angeschlossen haben". Die Organisation weist darauf hin, dass die Taliban zum Zwecke der Rekrutierung zu Einschüchterungen innerhalb der Volksgruppe der Hazara gegriffen hätten. Dabei habe es sich allerdings um Ausnahmefälle gehandelt. Im Bericht über die Sondierungsmission der dänischen Einwanderungsbehörde wird auf die Anmerkungen des UNHCR zur Rekrutierung durch die Taliban verwiesen:
"Der UNHCR bezog sich auf einen durchgesickerten Bericht der ISAF über den Zustand der Taliban vor dem Hintergrund eines Strategiewechsels der Taliban. Daraus geht hervor, dass die Taliban keine Schwierigkeiten haben, neue Kämpfer für ihre Truppen zu gewinnen. Es gebe zahlreiche Freiwillige, die bereit seien, sich ihrer Bewegung anzuschließen. In Dörfern könne es zur Anwerbung von Gruppen durch die Taliban mit Hilfe von Bildungsangeboten für die Söhne armer Familien und durch Gehirnwäsche kommen. Angesichts der Akzeptanz der Taliban in der lokalen Bevölkerung sei allerdings davon auszugehen, dass es nur selten zu Zwangsrekrutierungen kommt. Allerdings räumte der UNHCR ein, dass gegenwärtig keine ausreichenden Erkenntnisse zu dieser Frage vorliegen." Die Organisation "Cooperation for Peace and Unity" (CPAU) hat bestätigt, dass die Taliban keinen Anlass zur Zwangsrekrutierung hätten. Sie gibt an, dass sie ausschließlich in Notsituationen auf Zwangsrekrutierungen zurückgreifen würden. Weiter wird erklärt, die Taliban hätten Dörfer im Süden besucht, um Kämpfer zu rekrutieren, dabei hätten sie allerdings in der Regel keinen Zwang ausüben müssen, weil es genügend Freiwillige gegeben habe. Von der Zivilgesellschafts-und Menschenrechtsorganisation CSHRO wird ausgeführt, "die Taliban verfügen nicht über die Möglichkeit, Menschen in ihrem Zuhause anzusprechen und sie zu zwingen, sich ihnen anzuschließen." Im Verlauf der dänischen Sondierungsmission in Kabul wies ein unabhängiges Forschungsinstitut darauf hin, dass die Taliban in der Regel nicht durch Anwendung von Zwangsmaßnahmen rekrutieren. Allerdings könne es dazu kommen, dass die Taliban aus einem bestimmten Dorf eine gewisse Zahl von Kämpfern anfordern würden; sie würden allerdings niemals eine Familie direkt ansprechen.
Persönliche Bedrohung, Einsatz von Gewalt und Zwang durch die Taliban
In der Vergangenheit ist es in Afghanistan zu Zwangsrekrutierungen gekommen. Aus aktuellen Quellen (2010-2012) geht hervor, dass in Helmand Rekrutierungen unter untermittelbarem Druck durchgeführt worden sind, und zwar in Marjah und in Lagern für Binnenvertriebene. Ferner liegen aus Kunduz, Kunar und Gebieten in Pakistan, die sich unter der Kontrolle afghanischer Aufständischer befinden, Berichte vor, wonach die Menschen Furcht vor Vergeltung haben, wenn sie sich der Rekrutierung widersetzen.
In zwei Quellen wird auf den Einsatz von Zwang oder Einschüchterung zu Rekrutierungszwecken in Urusgan verwiesen. 2008 hätten ausländische Taliban-Kommandeure Gewalt eingesetzt. In einer weiteren Quelle wird darauf verwiesen, dass die Taliban für Rekrutierungen innerhalb einiger Hazara-Gruppen zum Mittel der Einschüchterung gegriffen haben. Aus beiden Quellen geht jedoch hervor, dass dies selten oder lediglich in Ausnahmefällen vorgekommen ist.
In anderen Quellen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in den Provinzen Ghazni, Herat und Logar bei der Rekrutierung weder Gewalt noch Zwang ausgeübt worden sind.
Aus Quellen zur allgemeinen Lage in Afghanistan geht in vielen Fällen hervor, dass Zwangsrekrutierungen selten vorkommen. Bisweilen wird auf Bereiche verwiesen, in denen dies anders ist:
Flüchtlingscamps und Regionen, in denen der Einfluss der Taliban sehr ausgeprägt ist. In einem Fall wird berichtet, dass die Taliban in von ihnen kontrollierten Regionen Träger und medizinisches Personal unter Zwang rekrutiert haben.
In einigen Quellen werden Argumente aufgeführt, die gegen eine Zwangsrekrutierung sprechen: Die Taliban wollen die Bevölkerung nicht gegen sich aufbringen und verfügen über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen, so dass Zwang nicht notwendig ist.
3.2.4 Verwandtschaft, Stammesloyalität und -tradition
Bei der Rekrutierung durch die Taliban spielen familiäre Bindungen und Stammeszugehörigkeiten ebenfalls eine entscheidende Rolle. Eine Kontaktperson in Nordostafghanistan hat darauf hingewiesen, dass sich die Taliban- Führung den Einfluss von Personen in einflussreicher Position und von Stammesältesten, die in Pakistan leben, aber aus Baghlan stammen, zunutze macht. Die Taliban-Führer schicken diese Personen zurück nach Baghlan, damit sie unter ihren Stammesangehörigen um Unterstützung für die Taliban werben.
Das Haqqani-Netzwerk im Südosten Afghanistans ist ein Beispiel für eine Gruppe von Aufständischen, die sich stark auf Stammesbeziehungen stützt. Innerhalb des Stammes der Zadran werden unter den Mezi Qawm die meisten Kämpfer des harten Kerns rekrutiert. Die Stammesführer der Zadran sind häufig dazu verpflichtet, Quoten für die Bereitstellung von Kämpfern einzuhalten. Außerhalb der Zadran-Gebiete erfolgt die Rekrutierung in der Mehrzahl der Fälle über Bezahlung.
Es ist nicht unüblich, dass sich Stammesführer dazu entschließen, die Seiten zu wechseln, um die Aufständischen zu unterstützen. Aus Gründen der Stammesloyalität entsteht dann das Gefühl, sich als Kämpfer melden zu müssen. Diese Mobilisierung innerhalb einer Gemeinschaft kann eine Unterstützung in unterschiedlichen Ausprägungen zur Folge haben, darunter die Gewährleistung von Bewegungsfreiheit, die Gewährung von Unterschlupf und Verpflegung, die Bereitstellung von Informationen und Erkenntnissen bis hin zu der tatsächlichen Beteiligung an Kampfhandlungen. Zu den frühen Formen der Unterstützung durch Gemeinschaften gehörten häufig Bestrebungen, die Aufmerksamkeit der Regierung für ihr Anliegen zu gewinnen, nachdem diplomatische Bemühungen und Lobbyarbeit fehlgeschlagen waren. Bei der Mobilisierung von Gemeinschaften spielten darüber hinaus in Fällen, in denen die Behörden versagten, die Erlangung von Schutz vor Rivalen sowie die Schaffung eines Rechtsprechungssystems durch die Schattenregierung der Taliban eine entscheidende Rolle. Als weitere Gründe für die Mobilisierung in der Bevölkerung können Loyalität gegenüber dem alten Taliban-Regime, wirtschaftliche Anreize, Machtkämpfe mit Staatsbediensteten (häufig bedingt durch Korruption und diskriminierende Praktiken) oder Fehden mit anderen Gemeinschaften sowie Rachegefühle aufgrund willkürlicher Tötungen durch ausländische Truppen genannt werden.
In einigen Fällen kann es bei der Mobilisierung vorgekommen sein, dass Stammesführer sich weigernde Familien gezwungen haben, den Traditionen der paschtunischen Stämme folgend einen Mann im kampffähigen Alter für die Stammesarmee zu stellen (Laschkar). Bei Tod oder Verletzung müssen diese Kämpfer durch andere Familienmitglieder, beispielsweise einen Bruder, Sohn oder Neffen, ersetzt werden. Dieses System der "Einberufungen" wurde von den Taliban häufig genutzt, beispielsweise in der Provinz Kandahar. David Kilcullen nennt als Beispiel den Mahsud-Stamm im pakistanischen Wasiristan: Dort haben die Stammesführer beschlossen, dass aus jeder Familie zwei junge Männer zur Unterstützung der Taliban bei ihren Kampfhandlungen abgestellt werden.
Zusammenfassung - Verwandtschaft und Stammeszugehörigkeit
Stammeszugehörigkeiten oder verwandtschaftliche Beziehungen stellen einen Mechanismus für Rekrutierungen dar. So wurden beispielsweise sich in der Diaspora in Pakistan aufhaltende Stammesälteste von den Taliban in ihre Heimatregion Baghlan zurückgeschickt, damit sie dort um Unterstützung werben. Ein weiteres Beispiel ist das Haqqani-Netzwerk mit engen Beziehungen zum Zadran-Stamm.
Stammesführer entscheiden über die Positionierung eines Stammes. Bei Konflikten ist ein Seitenwechsel möglich. Eine solche Gemeinschaftsmobilisierung wird häufig durch wirtschaftliche Anreize, Machtkämpfe, Fehden oder Rachebestrebungen bestimmt, es gibt aber auch Gemeinschaften, die sich auf ihre ehemalige Loyalität gegenüber dem Taliban-Regime besinnen.
Es gibt paschtunische Stammestraditionen, die Einfluss auf den Rekrutierungsprozess haben und dazu genutzt werden, Druck oder sogar Nötigung gegenüber Einzelpersonen oder Familien auszuüben.
[ ]
Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse (Arbeit, Nahrung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung,) sei in Afghanistan häufig nur sehr eingeschränkt möglich.
Zusammenfassung - Minderjährige und Selbstmordattentäter
Unterschiedliche Quellen berichten von der Rekrutierung Minderjähriger durch die Taliban, aber auch durch andere Akteure im Afghanistankonflikt. Auch von Zwangsrekrutierungen Minderjähriger wird berichtet. Sie sind besonders leicht in Gebieten zu rekrutieren, in denen es keine sozialen und staatlichen Schutzsysteme gibt, wie etwa an Orten, wo Flüchtlinge und Binnenvertriebene in Lagern leben.
Die Taliban-Führung leugnet die Rekrutierung Minderjähriger, doch legt sie ein anderes Kriterium für die Bestimmung der Minderjährigkeit an. Die Aussagen eines Taliban-Kommandeurs in Pakistan und eines Kommandeurs der kanadischen Streitkräfte belegen möglicherweise, dass die Behauptungen der Taliban-Führung nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Quellen zufolge werden Minderjährige als Selbstmordattentäter rekrutiert. Die meisten nennen Madrassas als wichtigsten Ort für die Indoktrinierung und Ausbildung von Selbstmordattentätern. Dabei stimmen die meisten Quellen in der Auffassung überein, dass für einen Selbstmordanschlag eine überzeugte, indoktrinierte und ausgebildete Person notwendig ist. Einige Quellen schließen die Möglichkeit der Zwangsrekrutierung durch die Taliban für diesen Zweck aus.
Unterschiedlichen Quellen zufolge findet die Rekrutierung von Minderjährigen und Selbstmordattentätern durch die Taliban hauptsächlich im Grenzgebiet statt: im Süden und Südosten Afghanistans sowie in Madrassas und Flüchtlingslagern im Nordwesten Pakistans.
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Zusammenfassung - Unterschiedliche Ethnien
Seit 2001 haben sich einige kleine Gruppen nichtpaschtunischer Ethnien den Taliban angeschlossen. Die Zahlen steigen seit 2006, weil die Taliban in weitere nichtpaschtunische Gebiete vorgedrungen sind und beispielsweise usbekische, tadschikische und turkmenische Kämpfer aufgenommen haben. Finanzielle und religiöse Motive spielen bei der Rekrutierung anderer Ethnien eine wichtige Rolle. Einige Quellen verweisen auf Hazara-Gruppen oder ?Gemeinschaften, die sich den Taliban angeschlossen haben. Einige Quellen geben an, dass die Taliban nicht gezielt einzelne Hazara anwerben.
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1. Rekrutierung im Allgemeinen
Schlussfolgerung
Aus zwei Quellen geht explizit hervor, dass die Rekrutierung durch die Taliban innerhalb der lokalen Zellen erfolgt. Diese Feststellung wird durch historische Entwicklungen und die vorliegenden Informationen zu Kommandeuren, Stämmen und Geistlichen belegt. Ferner werden in einigen Quellen Elemente oder Entwicklungen genannt, die indirekt als Bestätigung dieses Grundsatzes betrachtet werden können.
Die Anwerbung einzelner Kämpfer erfolgt in der Regel vor Ort und innerhalb der bestehenden sozialen Strukturen: i) der Kommandeur auf der untersten Ebene der militärischen Organisation (der "Front"), der eigenständig Kämpfer anwirbt und ersetzt - seine personellen Reserven findet er innerhalb seines Einflussbereichs, d. h. beispielsweise innerhalb eines Qawms, eines Stamms oder eines Dorfes; ii) die Stammes- oder Qawm-Führer, die über die Positionierung der Familien und die Rekrutierung entscheiden; iii) der Mullah, die Moschee und die Madrassa, die in die Rekrutierung eingebunden werden.
Die Gründe für eine Rekrutierung ergeben sich aus Interaktionen zwischen diesen gesellschaftlichen Strukturen und aus den verschiedenen Rekrutierungsanlässen. So werden beispielsweise ideologische und religiöse Beweggründe oder Anreize genutzt, um Kommandeure oder Stammesführer für eine Unterstützung der Aufständischen zu gewinnen. Die Kommandeure rekrutieren ihre Kämpfer in ihrer Region sowie über persönliche und Stammesbeziehungen. Die Stammesführer können beschließen, Kämpfer für den Dschihad zur Verfügung zu stellen. Eine solche Entscheidung kann von Stammestraditionen beeinflusst werden. In einem weiteren Beispiel wird davon ausgegangen, dass Arbeitslosigkeit und Armut eine Ursache dafür sind, dass Kinder in die Madrassas geschickt werden, weil den Familien dann eine finanzielle Last genommen ist. In den Madrassas werden Kinder oder junge Männer über ihre ideologische und religiöse Überzeugung zur Unterstützung bewaffneter Gruppen bewegt.
2. Zwangsrekrutierung
Zwang oder die sogenannte Zwangsrekrutierung zählen zu den Mechanismen bzw. Faktoren, die bei der Anwerbung zum Einsatz kommen. Im Allgemeinen wird dieses Phänomen in den Quellen nicht näher erläutert. Allerdings sollte bei einer Definition zwischen den unterschiedlichen Akteuren, die daran beteiligt sein können, unterschieden werden.
Familienmitglieder oder nahe Verwandte können Zwang gegenüber einem Angehörigen ausüben, damit er sich den Kämpfern anschließt. Vorliegenden Erkenntnissen zufolge können wirtschaftliche, religiöse und weitere Faktoren eine Familie dazu bringen, eines ihrer jungen männlichen Familienmitglieder für die Taliban-Truppen zur Verfügung zu stellen oder in eine Madrassa zu schicken, wo sie ebenfalls rekrutiert werden können. Allerdings enthalten die vorliegenden Informationen keinerlei Hinweise darauf, ob und wie die Familien einzelne Familienmitglieder unter Druck setzen.
Stammes- oder Gemeinschaftsvorsteher könnten im Falle einer Gruppenmobilisierung zur Unterstützung der Taliban Zwangsmaßnehmen gegen Familien oder Einzelpersonen ergreifen. Von den verschiedenen Quellen werden unterschiedliche Gründe dafür angegeben, warum sich Teile der Bevölkerung den Aufständischen anschließen, darunter Loyalität gegenüber dem alten Taliban-Regime, wirtschaftliche Anreize, Machtkämpfe mit Staatsbediensteten, Fehden mit anderen Gemeinschaften sowie Rachegefühle aufgrund willkürlicher Tötungen durch ausländische Soldaten. In einigen Stämmen (insbesondere bei den Paschtunen) können zwei spezifische Rekrutierungsmechanismen zum Einsatz kommen: eine Pflichtmeldung pro Familie für die bewaffnete Truppe des Stammes oder Lashkar und die Verpflichtung, getötete Kämpfer durch Familienmitglieder zu ersetzen (Nachfolge).
Mullahs oder Geistliche machen sich, so wird berichtet, bei der Rekrutierung die religiöse Überzeugung zunutze.
Mit Zwangsrekrutierungen durch Militärkommandeure, Führungspersönlichkeiten oder Kämpfer der Taliban sind Situationen gemeint, in denen Einzelpersonen oder ihre Familien direkt angesprochen und zur Teilnahme gezwungen werden, weil ihnen im Falle der Weigerung Vergeltung oder Gewaltanwendung angedroht werden.
Mehrere Quellen verweisen auf Zwangsrekrutierungen in den Provinzen Helmand, Kunduz (der Informant ist allerdings ein Angehöriger einer Anti-Taliban-Miliz), Kunar und Regionen in Pakistan. Zwei unterschiedliche Quellen berichten über Zwangsrekrutierungen in der Provinz Urusgan. Beide weisen explizit darauf hin, dass es sich um Ausnahmefälle handelt. Von anderen Quellen wird ausdrücklich festgestellt, dass in den Provinzen Ghazni, Herat und Logar bei der Rekrutierung kein Zwang ausgeübt worden ist. Im Rahmen einer Untersuchung der Zeitschrift "The Globe and Mail" hat ein ehemaliger Polizeikommandant der Taliban in Kandahar Taliban-Kämpfer zu ihren Beweggründen befragt. Keiner von ihnen hat die Anwendung von direkter Gewalt oder Zwang durch die Taliban erwähnt.
Mehrere Quellen weisen darauf hin, dass Zwangsrekrutierungen in Lagern für Binnenvertriebene, Flüchtlingslagern und in Regionen, in denen der Einfluss der Taliban sehr ausgeprägt ist, stattgefunden haben.
Aus Quellen zur allgemeinen Lage in Afghanistan geht hervor, dass Zwangsrekrutierungen selten vorkommen. So zu lesen bei Giustozzi und Ibrahimi, Landinfo, AIHCR, CPAU. Einige Quellen sprechen sogar davon, dass es Zwangsrekrutierungen überhaupt nicht gebe. Dies wird bisweilen näher begründet. So wird angeführt, dass die Taliban ihre Kämpfer nicht unter Zwang rekrutieren müssten, weil sie über eine ausreichende Zahl an Unterstützern verfügten. Als weiteres Argument wird genannt, dass die Taliban mit Zwangsrekrutierungen ihre Unterstützung durch die Gemeinschaften aufs Spiel setzen würden. Dafür hat Martine van Bijlert Beispiele zu Zwangsrekrutierungen in Urusgan genannt, die die lokale Unterstützung für die Taliban geschwächt haben.
Schlussfolgerung
Zwangsrekrutierungen durch Militärkommandeure, Führungspersönlichkeiten oder Kämpfer der Taliban (d. h. Fälle, in denen Einzelpersonen oder ihre Familien direkt angesprochen und zur Teilnahme gezwungen werden, weil ihnen im Falle der Weigerung Vergeltung oder Gewaltanwendung angedroht werden) sind als Ausnahmen zu betrachten. Darauf weisen zahlreiche verlässliche Quellen ausdrücklich hin und belegen diese These mit plausiblen Argumenten.
Beispiele für diese Ausnahmefälle gibt es nach vorliegenden Informationen in Helmand, Kunduz, Kunar, Regionen in Pakistan und in Urusgan. Häufig werden auch die Gebiete genannt, in denen diese Ausnahmefälle auftreten: in Regionen unter ausgeprägtem Einfluss oder vollständiger Kontrolle der Taliban und in Bereichen, in denen soziale und staatliche Schutzstrukturen nicht funktionieren, wie in Flüchtlingslagern und Lagern für Binnenvertriebene.[ ]".
"Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.03.2016 u.a. zur Behandelbarkeit von chronischer Hepatitis in Afghanistan:
[...]
Gemäß dem Bericht von WHO aus dem Jahr 2013 sind Hepatitis B- und Hepatitis C-Tests in Afghanistan nicht kostenlos, ausgenommen für Blutspender und Personen, welche Injektionen benötigen. Hepatitis Bund Hepatitis C-Tests sind für keine Mitglieder einer bestimmten Gruppe obligatorisch. Eine staatlich finanzierte Behandlung von Hepatitis B oder Hepatitis C ist nicht verfügbar."
"Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5.9.2019 "Substitutionsprogramm für Drogenabhängige in der Innerstaatlichen Fluchtalternative Mazar-e Sharif"
Besteht die Möglichkeit, an einem Substitutionsprogramm für Drogenabhängige (Heroin) in Mazar-e-Sharif teilzunehmen?
Quellenlage/Quellenbeschreibung:
Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellung wurde diese an MedCOI zur Recherche übermittelt. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at .
Zusammenfassung:
Gemäß BMA-12599 sind die folgenden Behandlungen in Mazar-e Sharif verfügbar:
Psychiatrische Behandlung von Drogenabhängigkeit in einer spezialisierten Klinik (Entzugsklinik), sowie ambulante psychiatrische Behandlung bei Drogenabhängigkeit
Psychiatrische Behandlung von Drogenabhängigkeit, ambulante Behandlung mit Methadon (Anm.: stationäre Behandlung mit Methadon ist nicht verfügbar)
Stationäre psychiatrische Behandlung
Ambulante psychiatrische Behandlung
Gemäß BDA-7049 stehen in der Provinz Balkh mehrere öffentliche und private Behandlungszentren für Drogenabhängige zur Verfügung.Ein Ansprechpartner von MedCOI stellt die folgenden Informationen zu den Behandlungskosten zur Verfügung:
Psychiatrische Behandlungen von Alkohol- oder Drogensucht in einer spezialisierten Klinik (Entzugsklinik) in der afghanischen Währung Afghani:
* Ambulante und stationäre Behandlung in öffentlichen Einrichtungen:
kostenlos
* Ambulante Behandlung in privaten Einrichtungen: 1000 AFN
* Stationäre Behandlung in privaten Einrichtungen: 1400 AFN
* Psychiatrische Behandlung von Drogensucht; ambulante Behandlung:
* Ambulante und stationäre Behandlung in öffentlichen Einrichtungen:
kostenlos
* Ambulante Behandlung in privaten Einrichtungen: 500 AFN
* Stationäre Behandlung in privaten Einrichtungen: 1000 AFN
BMA-12599 gibt an, dass
- Buprenorphin (Medikamentengruppe Psychiatrie, zur Behandlung bei Abhängigkeit, Opioid) verfügbar ist, allerdings bestehen derzeit Lieferschwierigkeiten, Lieferzeit ca. zwei Wochen;
- Methadon (Medikamentengruppe Psychiatrie, zur Behandlung bei Abhängigkeit, Opioid) verfügbar ist
- Naxolon (Medikamentengruppe Psychiatrie, zur Behandlung bei Abhängigkeit, Opioid) verfügbar ist, allerdings bestehen derzeit Lieferschwierigkeiten, Lieferzeit ca. zwei Wochen;
Gemäß BDA-7049 gab ein MedCOI-Ansprechpartner an, dass Buprenorphin in den überprüften Gesundheitseinrichtungen in Mazar derzeit nicht auf Lager ist.
Gemäß BDA-7049 wird Methadon in staatlich betriebenen psychiatrischen Kliniken kostenlos zur Verfügung gestellt. Diese Medikamente sind in der Regel nicht in privaten Apotheken erhältlich. Selbst in Kabul gibt es in Apotheken oft einen Mangel an Methadon. Die Methadonbehandlung ist Teil des staatlichen Drogenabhängigkeitsprogramms. Diese staatlichen Gesundheitseinrichtungen werden von einigen NGOs und dem Ministerium für öffentliche Gesundheit unterstützt.
BDA-7049 nennt die folgenden Kosten für Naxolon:
Wirkstoff Naxolon, 0,5mg, 5 Tabletten, 1.000 AFN"
Auszug aus den UNHCR-RICHTLINIEN ZUR BEURTEILUNG DES INTERNEN SCHUTZBEDARFS VON ASYLSUCHENDEN AUS AFGHANISTAN vom 30.8.2018
Seite 110
Against this background, UNHCR considers that a proposed IFA/IRA is reasonable only where the individual has access to (i) shelter, (ii) essential services such as sanitation, health care and education; and (iii) livelihood opportunities or proven and sustainable support to enable access to an adequate standard of living. Moreover, UNHCR considers an IFA/IRA as reasonable only where the individual has access to a support network of members of his or her (extended) family or members of his or her larger ethnic community in the area of prospective relocation, who have been assessed to be willing and able to provide genuine support to the applicant in practice.
UNHCR considers that the only exception to the requirement of external support are single ablebodied men and married couples of working age without identified specific vulnerabilities as described above. In certain circumstances, such persons may be able to subsist without family and community support in urban and semi-urban areas that have the necessary infrastructure and livelihood opportunities to meet the basic necessities of life and that are under effective Government control.
Übersetzung:
Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Ansicht, dass eine vorgeschlagene IFA / IRA nur sinnvoll ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkünften, (ii) grundlegenden Dienstleistungen wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung hat; und (iii) Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder bewährte und nachhaltige Unterstützung, um Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Darüber hinaus hält UNHCR eine IFA / IRA nur für sinnvoll, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft im Bereich der potenziellen Umsiedlung hat, die beurteilt wurden bereit und in der Lage zu sein, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten.
UNHCR ist der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, die keine spezifischen Schwachstellen wie oben beschrieben aufweisen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügen, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken, und die einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegen.
...
Seite 114
c) Conclusion on the Availability of an IFA/IRA in Kabul
UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an IFA/IRA is generally not available in the city.
c) Schlussfolgerung zur Verfügbarkeit einer IFA / IRA in Kabul
UNHCR ist der Ansicht, dass angesichts der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation in Kabul eine IFA / IRA in der Stadt in der Regel nicht verfügbar ist.
Auszug aus der EASO-Country Guidance zu Afghanistan von Juni 2018 (deutsche Übersetzung, bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"V. Innerstaatliche Schutzalternative
[...]
Einleitende Vorbemerkungen
Die innerstaatliche Schutzalternative (‚Internal Protection Alternative', ‚IPA') sollte erst geprüft werden, nachdem festgestellt worden ist, dass der Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. eine tatsächliche Gefahr, ernsthaften Schaden zu nehmen, zu gewärtigen hat und die Behörden oder andere relevante, Schutz bietende Akteure nicht willens bzw. in der Lage sind, ihn bzw. sie in seinem bzw. ihrem Heimatgebiet zu schützen.[...]
Sollte die innerstaatliche Schutzalternative Anwendung finden, so kann festgestellt werden, dass der/die Antragsteller/in nicht international schutzbedürftig ist.
Allerdings sollte diesbezüglich betont werden, dass keinerlei Verpflichtung besteht, wonach der/die Antragsteller/in erst sämtliche Möglichkeiten zur Schutzgewährung in den verschiedenen Landesteilen seines/ihres Herkunftsstaates ausgeschöpft haben muss, ehe er/sie um internationalen Schutz ansuchen darf.
[...]
Im gegenständlichen Kapitel wird die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Schutzalternative in Teilen von Afghanistan und insbesondere in den folgenden drei Städten bewertet und Leitlinien hierzu vorgegeben: Stadt Kabul, Stadt Herat sowie Mazar-e Sharif.
Betreffender Landesteil
Der erste Schritt bei der Bewertung der innerstaatlichen Schutzalternative ist die Bestimmung des betreffenden Landesteils, in Bezug auf welchen die Kriterien von Artikel 8 der Qualifizierungsrichtlinie im Einzelfall zu prüfen wären.
Eine solche Bewertung konzentriert sich - aus folgenden Hauptgründen - auf die drei Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif:
- Erreichbarkeit: Die genannten Städte verfügen über funktionierende Flughäfen mit Inlands- und Auslandsflugverbindungen;
- Sicherheitslage: Das Ausmaß willkürlicher Gewalt erreicht in diesen Städten nicht ein derart hohes Niveau, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen. Abhängig von der jeweiligen Einzelfallprüfung könnte die innerstaatliche Schutzalternative dementsprechend auf die genannten Städte angewendet werden.
Die Auswahl der obgenannten drei Städte für die gegenständliche allgemeine Bewertung und Leitlinienvorgabe hindert den betreffenden Referenten allerdings nicht daran, die Anwendung der innerstaatlichen Schutzalternative auch für andere Landesteile von Afghanistan in Erwägung zu ziehen - vorausgesetzt, dass sämtliche hierunter beschriebene Kriterien erfüllt sind.
Wenn in Bezug auf einen bestimmten Landesteil von Afghanistan die Anwendbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative geprüft werden soll, so könnten (sofern zutreffend) die bereits bestehenden Verbindungen zur jeweiligen Örtlichkeit (wie beispielsweise vorausgegangene Erfahrungen bzw. das Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks) in Betracht gezogen werden.
[...]
Sichere Einreise
Es sollte eine sichere Reiseroute geben, welche dem/r Antragsteller/in eine durchgehend sichere Reise ohne unangemessene Schwierigkeiten ermöglicht, d.h. der/die Antragsteller/in muss in der Lage sein, in das als innerstaatliche Schutzalternative geltende Gebiet ohne ernsthafte Risiken einzureisen.
Diesbezüglich stellt die Prüfung der Reiseroute vom Flughafen zur Stadt einen Bestandteil des Kriteriums der sicheren Einreise[...] dar, und muss in diesem Zusammenhang eine sorgfältige Prüfung auf Basis der maßgeblichen Informationen zum Herkunftsstaat erfolgen
[...].
- Stadt Kabul: Der internationale Flughafen Kabul (‚Kabul International Airport' - ‚KIA') ist Teil des Stadtgebiets von Kabul City.
- Mazar-e Sharif: Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MZR) liegt 9km östlich der Stadt im Bezirk Marmul.
- Herat: Der Flughafen von Herat (HEA) liegt 18,5 km südlich der Stadt im Bezirk Guzara.
Auf Grundlage der vorliegenden Informationen zum Herkunftsstaat wird festgestellt, dass die Befahrung der Straßen von den genannten Flughäfen bis zu den Städten während der Tageszeit als im Allgemeinen sicher zu erachten ist.
[...]
Zumutbarkeit der Niederlassung
[...]
Persönliche Umstände
Neben der allgemeinen Lage in jenen Gebieten, welche potentiell eine innerstaatliche Fluchtalternative bieten, sollte bei der Beurteilung, ob es für den Antragsteller überhaupt zumutbar ist, sich im betreffenden Landesteil niederzulassen, ferner auch auf dessen persönliche Umstände (wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, sozialer und schulischer Hintergrund, familiäre und gesellschaftliche Bindungen, Sprache, etc.) Bedacht genommen werden.
Die Einzelprüfungen könnten auf bestimmte Verletzlichkeiten des Antragstellers bzw. auch auf verfügbare Bewältigungsmechanismen Bedacht nehmen, welche sich auf die persönlichen Umstände des/r Antragsteller/in entsprechend auswirken würden, und auf Grundlage dessen dann entscheiden, inwieweit es für den/die Antragsteller/in überhaupt zumutbar wäre, sich in einem bestimmten Gebiet niederzulassen.
Beachten Sie bitte, dass die nachstehende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
- Alter: Junge und ältere Personen könnten aufgrund ihres Alters beim Verdienen des eigenen Lebensunterhalts (z.B. mittels Arbeit) erheblich eingeschränkt sein, was sie abhängig von anderen Versorgern macht. Dementsprechend sollte dieser Teilaspekt im Zusammenhalt mit verfügbarer Unterstützung durch die Familie bzw. einem breiteren Hilfsnetzwerk gesehen werden. Auch haben Kinder noch zusätzliche Bedürfnisse sowie ein Anrecht auf schulische Grundausbildung, welches bei Anwendung der Zumutbarkeitsprüfung gewährleistet sein muss.
- Geschlecht: Die Frauen und Mädchen in Afghanistan könnten diskriminierenden Beschränkungen unterworfen sein und allenfalls die Hilfe eines männlichen Familienmitglieds bzw. ‚Aufpassers' benötigen, um Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen zu erhalten bzw. bestimmte Rechte ausüben zu können. Dementsprechend sollte das Geschlecht des/r Antragstellers/in bei der Prüfung der Zumutbarkeit mitberücksichtigt werden (zusammen mit dessen/deren Familienstand und der vorhandenen Unterstützung).
- Gesundheitszustand (Krankheit oder Behinderung): Der Zugang zu medizinischer Versorgung in den drei genannten Städten ist überlastet, weshalb dem Gesundheitszustand des/r Antragstellers/in bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Menschen, die einer medizinischen Behandlung bedürfen, ein wichtiger Stellenwert einzuräumen ist. Diesbezüglich ist auch mit zu berücksichtigen, dass der Gesundheitszustand des/r Antragstellers/in allenfalls auch Auswirkungen auf dessen/deren Arbeits- und Reisefähigkeit haben könnte. Bei Menschen mit Behinderungen wäre der Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts (wie beispielsweise im Wege einer Anstellung) zudem noch weiter eingeschränkt.
- Ortskenntnisse: Ortskenntnisse (einschließlich Sprachkenntnisse) sowie das Vorhandensein gewisser sozialer Bindungen und Beziehungen (entweder über Verwandte, schulische Ausbildung oder Berufserfahrung) wären ein relevantes Prüfungsmerkmal, zumal derartige Bindungen und Kenntnisse dem/r Antragsteller/in dabei behilflich wären, sich im betreffenden Gebiet niederzulassen, und unter Bezugnahme darauf kann dann auch gleich eine Prüfung in Hinblick auf die Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts und den Zugang zur Grundversorgung erfolgen.
- Sozialer, schulischer und wirtschaftlicher Hintergrund: Der persönliche Hintergrund des/r Antragstellers/in, dessen/deren Ausbildungsgrad sowie dessen/deren verfügbare finanzielle Mittel können bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ebenfalls mitberücksichtigt werden (ebenso auch insbesondere dessen/deren Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts).
- Unterstützungsnetzwerk: Als ‚Unterstützungsnetzwerk' kann neben dem eigenen familiären Netz (beschränkt nicht nur auf die Kernfamilie, sondern einschließlich auch der erweiterten Großfamilie) ferner auch ein soziales Netzwerk dienen (vor allem Freunde, Dienstgeber, Schulkameraden und Mitglieder der eigenen Sippe, insbesondere, wenn es bestimmte Anknüpfungspunkte, etc. gibt), wobei deren Fähigkeit zur Unterstützung der betreffenden Person bei der Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts entsprechend mit zu berücksichtigen ist. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Einzelpersonen gelegt werden, welche lange Zeit im Ausland gelebt haben und keine Verwandten in den drei vorgenannten Städten haben, zumal ihnen dann oftmals das nötige Unterstützungsnetzwerk fehlen dürfte.
- Religion: Bei der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative für eine der drei vorgenannten Städte sollte ferner auch darauf Bedacht genommen werden, ob die betreffende Person einer religiösen Minderheit (z.B. der Sikh-, Hindu- oder einer sonstigen Religion) angehört, da Angehörige solcher religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens möglicherweise diskriminiert werden könnten und es für sie dann dementsprechend schwierig wäre, Zugang zu Mitteln zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts (wie beispielsweise im Wege einer Anstellung) zu erlangen.
Festzuhalten ist, dass sich all diese Faktoren bei einzelnen Antragstellern oftmals überschneiden und zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei der Zumutbarkeitsprüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative führen können. In manchen Fällen können mehrere Teilaspekte der Schutzwürdigkeit zusammen die Feststellung bestätigen, dass im Falle bestimmter Antragsteller (z.B. unbegleiteter Minderjähriger ohne Hilfsnetz [...]) eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar ist, während in anderen Fällen derartige Teilaspekte einander aufwiegen (so kann beispielsweise eine innerstaatliche Fluchtalternative für ein verheiratetes Paar mit vorhandenen finanziellen Mitteln bzw. einem Unterstützungsnetzwerk in einer der genannten Städte als durchaus zumutbar erachtet werden).
Feststellungen zur Zumutbarkeit: Spezielle Personenprofile, welche in der Praxis anzutreffen sind
[...]
Zusammenfassend könnte festgehalten werden, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif für alleinstehende erwachsene Männer und verheiratete kinderlose Paare, welche über sonst keinerlei schutzwürdige Merkmale verfügen, durchaus zumutbar sein könnte (selbst wenn die Betroffenen dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügen). Bei Antragstellern mit anderen Personenprofilen wird zur Sicherung deren Grundbedürfnisse ein Unterstützungsnetzwerk innerhalb jenes Gebiets, das möglicherweise eine innerstaatliche Fluchtalternative bietet, im Allgemeinen wohl vonnöten sein. Allerdings kann bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative eine Bedachtnahme auf noch weitere persönliche Umstände ebenfalls maßgeblich sein.
In der nachfolgenden Tabelle werden die einzelnen Überlegungen, welche für die generellen Feststellungen in Bezug auf die hauptsächlich anzutreffenden Personenprofile ausschlaggebend waren, schlaglichtartig hervorgehoben - dies jedoch unbeschadet der Tatsache, dass sämtliche persönlichen Umstände im Einzelfall umfassend und vollständig geprüft werden müssen.
Alleinstehende, gesunde und erwerbsfähige Männer:
*) Was jene Antragsteller betrifft, welche außerhalb von Afghanistan geboren sind oder eine sehr lange Zeit im Ausland gelebt haben, ist die im Nachfolgenden gesondert angeführte Feststellung heranzuziehen.
Im Allgemeinen könnte eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif bei alleinstehenden, gesunden und erwerbsfähigen Männern, welche früher schon einmal in Afghanistan gelebt haben, als zumutbar erachtet werden (selbst dann, wenn er/sie über kein Unterstützungsnetzwerk innerhalb des als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiets verfügt).
Zwar bringt die mit einer Niederlassung in den drei vorgenannten Städten verbundene Situation bestimmte Härten mit sich, allerdings kann festgestellt werden, dass Antragsteller dieser Personengruppe durchaus befähigt sind, für ihren Lebensunterhalt, ihre Unterkunft und Hygiene selbst Sorge zu tragen, wobei diesbezüglich darauf Bedacht zu nehmen ist, ob ihre persönlichen Umstände allenfalls nicht noch zusätzliche schutzwürdige Aspekte mitumfassen.
Insbesondere ist auf folgende Punkte Bedacht zu nehmen:
- Alter: Der Antragsteller ist in einem erwerbsfähigen Alter, was seine Möglichkeit zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts erhöht - insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit, selbst einer Beschäftigung nachgehen zu können.
- Geschlecht: Was Männer betrifft, so bestehen aufgrund deren Geschlechts keinerlei zusätzlich schutzwürdigen Aspekte in Afghanistan.
- Familienstand: Der Antragsteller hat keinerlei zusätzliche Verpflichtungen, außer dass er seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten hat. Ferner bestehen in Bezug auf alleinstehende Männer auch sonst keine weiteren schutzwürdigen Aspekte.
- Gesundheitszustand: Der Antragsteller leidet unter keinerlei schweren Erkrankungen.
- Sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund: Der persönliche Hintergrund des Antragstellers (unter anderem auch dessen schulischer und beruflicher Hintergrund sowie dessen finanzielle Mittel) könnten ebenfalls mitberücksichtigt werden - insbesondere in jenen Fällen, wo dies für die Bewältigungsmechanismen maßgeblich sein könnte, welche dem Antragsteller bei einer Niederlassung innerhalb des als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiets zur Verfügung stünden.
- Ortskenntnisse: In Anbetracht des städtischen Charakters der drei als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Gebiete sowie angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung dort breit gestreut ist, kann davon ausgegangen werden, dass ein afghanischer Staatsbürger, der früher schon einmal in Afghanistan gelebt hat, über ausreichende Ortskenntnisse verfügen wird, um in der Lage zu sein, sich in zumutbarer Art und Weise in einer der drei vorgenannten Städte niederzulassen.
- Unterstützungsnetzwerk: Zwar wäre ein vorhandenes Unterstützungsnetzwerk zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts durchaus hilfreich, allerdings würde das Vorhandensein eines solchen Unterstützungsnetzwerks bei alleinstehenden Männern in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine unbedingte Voraussetzung für die Anwendung einer innerstaatlichen Fluchtalternative darstellen.
- Religion: Auf die Religion des Antragstellers sollte entsprechend Bedacht genommen werden.
[...]"
Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.03.2016 u.a. zur Behandelbarkeit von chronischer Hepatitis in Afghanistan:
"[...]
IOM berichtet, dass es in der Stadt/Provinz Kabul kardiologische Zentren gibt, in denen verschiedene kardiologische Untersuchungen durchgeführt werden können. Die Behandlungen in staatlichen Spitälern sind zwar kostenlos aber sehr limitiert. Es gibt aber private Kliniken bei denen weitere kardiologische Behandlungen durchgeführt werden können. Konservative Behandlung von chronischer Hepatitis B mit höhergradiger Fibrose (F3) ist in der Stadt/Provinz Kabul möglich. Komplexere Behandlungen wie eine Lebertransplantation sind in Afghanistan nicht möglich. Hepatologische Behandlungen sind in der Stadt/Provinz Kabul möglich. Für komplexere Behandlungen wird der Patient in private Kliniken/Spitäler verwiesen. Eine Endocarditis-Prophylaxe kann in der Stadt/Provinz Kabul durchgeführt werden. Eine ausgebrochene Endocarditis kann nicht in Afghanistan behandelt werden. Die Medikamente Thrombo ASS 100 mg (Acetylsalicylsäure), Acemin 5 mg (Lisinopril), Concor 2,5 mg (Bisoprolol) und Viread 245 mg (Tenofovirdisoproxil) sind in Kabul und in allen anderen Regionen Afghanistans erhältlich. [...]
[...]"
Auszug aus dem Dossier der Staatendokumentation
"AfPak Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur" (7.2016):
Das Paschtunwali ist ein gesellschaftlicher, kultureller und gesetzesähnliche Kodex, der die Lebensführung, den Charakter und die Ordnung der Paschtunen Größtenteils regelt, leitet und ausgleicht. Als Paschtunwali wird das Gewohnheitsrecht bezeichnet, das die geistige Lebenseinstellung, die allen Paschtunen gemeinsam ist, widerspiegelt und für die Paschtunen schon seit grauer Vorzeit gilt. Auch wenn das Paschtunwali nicht das staatliche Recht darstellt, behandelt es alle Sitten, Traditionen, das gesamte Erbe, Gewohnheitsrecht, Brauchtum und die gesellschaftlichen Beziehungen und bildet so das System der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen des Stammes vollständig ab.
Somit ist es im täglichen Leben allen immer präsent. Das Paschtunwali gilt für jeden, der in einem Siedlungsgebiet der Paschtunen lebt.
Ein wesentlicher Kodex des Paschtunwali ist Melmastiya (Gastfreundschaft): Gastfreundschaft ist ein wesentlicher Aspekt des Paschtunwali. Melmastiya bedeutet allen Besuchern Gastfreundschaft und tief empfundenen Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit und wirtschaftlichem Status und ohne Erwartung einer Belohnung oder von Vorteilen. Melmastiya verlangt auch, dass dem Gast Sicherheit gewährt wird.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
2.1. Die unter II.1.1.1. getroffenen Feststellungen stützen sich auf über das gesamte Verfahren gleichbleibend gemachte Angaben des Beschwerdeführers, welche aufgrund dessen, dass der BF diese ohne Abweichungen bei jeder Befragung gleichlautend angab, als glaubhaft angesehen werden.
In Ermangelung der Vorlage eines Identitätsdokuments wird die namentliche Nennung seiner Person als Verfahrensidentität angesehen und steht somit die Identität des Beschwerdeführers lediglich mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
Die Feststellung zu den Sprachkenntnissen des BF stützen sich auf die Angaben des BF sowie auf die Tatsache, dass sich der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht der Sprachen Dari und Deutsch bediente.
Die Feststellung zu dem Datum der Antragstellung (Antrag auf internationalen Schutz) gründet auf dem Akteninhalt des vorgelegten Fremdaktes.
Die Negativfeststellung zum Ausmaß seiner Schulbildung und zum Ausmaß seiner Arbeitserfahrung war jeweils zu treffen, da der BF Schulbesuchsbestätigungen, Schulzeugnisse (Abschlusszeugnisse) und auch Arbeitszeugnisse nicht vorlegte.
Die Feststellung, dass der BF noch Kontakt zur Mutter und zu seinem Bruder im Iran hat, war zu treffen aufgrund seiner Angabe in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung betreffend weitere Verwandte des BF war in Zusammenschau mit dem Inhalt des Länderberichts zu treffen, wonach Quellen zufolge Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied halten und genau Bescheid wissen, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht und dieser Faktor in Asylinterviews meist heruntergespielt wird und behauptet wird, man hätte keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren. Mit seiner Angabe in der handschriftlichen Mitteilung aus September 2019, wonach er "in Afghanistan keine Familien" habe, vermag der BF das Gericht nicht zu überzeugen, in Afghanistan tatsächlich keine Verwandten zu haben, da der BF keinen glaubwürdigen Eindruck in der Verhandlung hinterließ.
2.2. Die unter II.1.1.3. getroffenen Feststellungen basieren darauf, dass sich im Herkunftsstaat des BF etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung zur muslimischen Glaubensrichtung bekennen, zu welcher auch die Schiiten zählen. Die Volksgruppe des BF anbelangend ist auf
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans hinzuweisen: demnach ist die Völkerschaft der Hazara Teil der Nation Afghanistans und sind die vom BF verwendeten Sprachen Dari und Paschto offizielle Landessprachen. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der Vergangenheit von den Pashtunen verachtet und als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten herangezogen, schließen Hazara Berichten zufolge inzwischen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015), so der Länderbericht idgF.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).
Aus einem Gutachten Dris. Rasuly geht hervor, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt sind, sondern auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak stellen. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen.
Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der Hazara sind den Länderfeststellungen nicht zu entnehmen. Vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert. Der Verwaltungsgerichtshof judizierte in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan, zum Unterschied zu Quetta in Pakistan (siehe VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass das Höchstgericht - sollte es der Auffassung sein, dass aktuell in Afghanistan (auch lokal) eine Gruppenverfolgung festzustellen wäre - in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur eine solche Feststellung auch getroffen hätte (siehe auch jüngst BVwG 16.6.2016, W159 2105321-1/8E).
Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 12.7.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK bestehe.
In zahlreichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (anstelle vieler vgl. etwa BVwG 24.10.2016, W191 2106225-2/10E; BVwG 9.5.2016, W119 2012593-1/20E, BVwG 18.4.2016, W171 2015744-1, BVwG 13.11.2015, W124 2014289-1/8E). So auch in der deutschen Judikatur (vgl statt vieler: VG Augsburg, Urteil v. 13.11.2017 - Au 5 K 17.31732: Keine landesweite Verfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan; VG Augsburg, Urteil v. 06.04.2017 - Au 6 K 17.30305: Asylbewerbern droht wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung; VG Würzburg, Urteil v. 05.09.2017 - W 1 K 16.31715: Die Volksgruppe der Hazara oder die Religionsgruppe der Schiiten sind trotz einer gewissen Diskriminierung in Afghanistan keiner landesweiten gruppengerichteten politischen Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt (wie BayVGH BeckRS 2012, 54740; BeckRS 2013, 48093; BeckRS 2015, 56404; BeckRS 2016, 112329; BeckRS 2017, 101006).
2.3. Die unter II.1.1.4. getroffenen Feststellungen wonach weder festgestellt werden kann, dass konkret der BF aufgrund der Tatsache, dass er sich seit Feber 2016 in Europa aufgehalten hat, noch dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa oder aus dem benachbarten Ausland Afghanistans nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist, fußt darauf, dass Anderslautendes weder dem aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation, noch der höchstgerichtlichen Judikatur zu entnehmen ist. Es ist auch aus dem notorischen Amtswissen nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde (vgl. hierzu auch die Ausführungen in BVwG 7.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
2.4. Die unter II.1.1.6. getroffenen Feststellungen gründen auf Folgendem:
2.4.1. Die Feststellungen zur Gesundheit basieren insbesondere auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Beweisen:
Anhalteprotokolle der JA XXXX und Auskünfte der JA XXXX . Trotz Aufforderung dem Gericht zur Gesundheit Beweismittel vorzulegen (siehe oben unter I.19.), kam der BF dieser Aufforderung nicht nach. Asthma und TBC betreffend ist festzuhalten, dass diese beiden Erkrankungen etwa in dem Psychiatrisch-fachärztl. Befund XXXX vom 5.4.2018 angeführt sind und Krankenhausaufenthalte betreffend TBC dokumentiert sind, wovon über das gesamte Verfahren Beweismittel vorgelegt wurden.
Asthma und TBC wurden vom BF weder bei Einlieferung in die JA XXXX in der Gesundheitsbefragung angegeben, noch im Anhalteprotokoll IIIa PI Polizeiamtsärztliches Gutachten auf S. 2 von 3 unter "Sonstige Befunde/Diagnosen" angeführt und auch die telefonische Auskunft des Spitals der JA XXXX belegt etwa eine Asthma- und / oder TBC-Erkrankung des BF (siehe oben unter I.20.). Die Feststellung zu der rechten Hand des BF gründet auf der persönlichen Wahrnehmung der erkennenden Richterin in der Verhandlung. Die Feststellung zur Drogenersatztherapie gründet auf den Anhalteprotokollen der JA XXXX
.
Die in den in der Verhandlung vorgelegten Beweismitteln erwähnten Krankheiten "Tuberkulose, Asthma, Hepatitis" anbelangend ist festzuhalten, dass laut der den BF zuletzt objektivierten Ärzten der Sonderkrankenanstalt der JA XXXX der BF derzeit (somit im Entscheidungszeitpunkt) nicht wegen Tuberkulose behandelt werden muss und auch hinsichtlich Asthma keine Behandlung am BF durchgeführt wird. Beim BF besteht keine aktive Infektion, sodass er derzeit keiner antiviralen Therapie bedarf.
Somit ist der BF nicht lebensbedrohlich krank.
2.4.2. Die unter II.1.1.1. zu der Vaterschaft zu XXXX getroffenen Feststellung und die unter II.1.1.6. zu den Sorgepflichten des BF getroffene Feststellung anbelangend ist auszuführen:
Die [0]Glaubwürdigkeit der vom BF als sein Zeugenbeweis namhaft gemachten am Tag der Verhandlung erstmalig in Erscheinung getretenen Zeugin anbelangend ist festzuhalten, dass diese bei der erkennenden Richterin während der gesamten zeugenschaftlichen Befragung den persönlichen Eindruck hinterließ, dass ihre Aussagen von Unsicherheit getragen waren.
Nach höchstgerichtlicher Judikatur (OGH 24.1.1980, 8Ob528/79, 5 Ob534/79) ist ein Gericht bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage nicht nur auf den Wortlaut dieser Aussage beschränkt, sondern steht es dem Gericht frei, in diesem Zusammenhang auch aus anderen Verfahrensergebnissen und auch aus dem Vorbringen und Handeln der im Verfahren auftretenden Personen Rückschlüsse zu ziehen. Für die erkennende Richterin bestand Anlass, an den Angaben der Zeugin zu zweifeln, da diese die Angaben zögernd machte und Unsicherheit in der Beantwortung zur Schau trug. Sie selbst gab kein einziges Mal an, dass - wie vom BF mehrmals behauptet - das Kind, von welchem Sie damals ein Ultraschallbild mitbrachte, vom BF gezeugt worden wäre.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Zeugin im Strafregister vier Strafverurteilungen aufweist: diese Verurteilungen der auf die strafrechtlichen Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage nach § 288 StGB hingewiesene Zeugin lassen auf einen sorglosen Umgang betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs StGB und der strafrechtlichen Nebengesetze schließen und erhält die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben weiters einen beträchtlichen Schaden infolge dessen, dass sie vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete, die Lebensgefährtin des BF zu sein, mit dem BF in eine Moschee gegangen zu sein und auf die Frage "haben Sie dort geheiratet oder nicht?" mit "ja" antwortete. Auch der Rechtsberater der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Herr Mag. XXXX , gab gegenüber der Richterin an, "sie tendieren zur Heirat, es gibt eine Verlobung". Dass es auch eine bestehende Ehe der Zeugin mit einem vom BF verschiedenen Mann namens XXXX gibt, wurde weder von dem Mitarbeiter des damaligen Rechtsberaters, Mag. XXXX , noch dem BF, noch der Zeugin erwähnt.
Zu der mangelhaften Glaubwürdigkeit der Mutter des am XXXX 2019 geborenen Mädchens XXXX ist aber auch auszuführen, dass diese vor Gericht auch einen anderen Namen angab: während sie vor dem Bundesverwaltungsgericht im November 2018 angab, " XXXX " zu heißen, wird ihr Name in der Geburtsurkunde der von ihr geborenen XXXX , ausgestellt vom Standesamt Wien-Innere Stadt, Zahl XXXX , im Juli 2019 als " XXXX " ausgewiesen. Dies war der Glaubwürdigkeit der in der Verhandlung vom BF namenhaft gemachten Zeugin zusätzlich zum persönlich vermittelten Eindruck abträglich.
Die Schwangerschaft der Zeugin anbelangend wurde der errechnete Geburtstermin XXXX .2019 vom BF behauptet. Die Zeugin - welche ein zur Legitimation geeignetes Ausweisdokument nicht vorlegte (bloß eine eCard) - legte dem Gericht zur Untermauerung ihrer Schwangerschaft auch nicht einen Mutter-Kind-Pass vor und aus dem vorgelegten Ultraschallbild über einen Uterus samt Embryo ging ein Name der untersuchten weiblichen Person nicht hervor.
Die im August 2019 vorgenommene Einsichtnahme in das AJ-Web Auskunftsverfahren brachte zu Tage, dass die Zeugin "Ehegatte von Herrn XXXX , SV-Nr. XXXX " ist und bei diesem mitversichert ist und wurde sie betreffend von der WGKK am XXXX 2019 eine Lebendgeburt gemeldet.
Nach der österreichischen Rechtsordnung gilt ein Kind als ehelich geboren, wenn es nach der Eheschließung und vor der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe seiner Mutter oder bis zum
300. Tag nach dem Tod des Ehemannes in aufrechter Ehe auf die Welt kommt und gilt sodann der Ehemann der Mutter als Vater des Kindes. Mit einem besonders qualifizierten Anerkenntnis (= durchbrechendes Anerkenntnis) kann der biologische Vater diese Ehelichkeitsvermutung außer Kraft setzen, wenn die Mutter und das Kind zustimmen. Der eheliche Vater kann gegen das Anerkenntnis bei Gericht Widerspruch erheben.
Dass der BF ein Vaterschaftsanerkenntnis zur Durchbrechung der Ehelichkeitsvermutung eingebracht hatte, wurde dem Gericht weder durch das Schreiben des Mag. XXXX übermittelt, noch durch die am 19.9.2019 eingelangte handschriftliche Mitteilung des BF bekannt und ist darauf hinzuweisen, dass der BF mit in die Sprache Dari übersetztem Aufforderungsschreiben vom Gericht aufgefordert wurde, binnen drei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme und allenfalls vorliegende diesbetreffende Dokumente und Dokumente über seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Die Übernahme durch den BF erfolgte laut dem von der Justizanstalt übermitteltem Übernahmeprotokoll am 8.8.2019. Der BF entsprach dem an ihn herangetragenen gerichtlichen Ersuchen innerhalb der Frist nicht und stellte auch keinen Fristverlängerungsantrag.
Die Auskunft des Mag. XXXX (siehe unter I.23.), dass "aufgrund mangelnder Vorlage der Scheidungsurkunde Herr XXXX im Sinne der Ehelichkeitsvermutung als Vater geführt" werde und "Frau XXXX [...] derzeit um eine entsprechende Richtigstellung bemüht" sei, ist nicht dienlich, da weder vom BF, noch von Mag. XXXX Nachweise über eine allenfalls im Raum stehende Scheidung der vor dem Gericht nicht einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habenden Zeugin und / oder Dokumente, welche die Bemühungen des BF in Bezug auf eine Vaterschaftsklage belegen, vorgelegt. Der BF selbst ließ die an ihn in seiner Muttersprache herangetragenen Fragen der Erledigung vom 5.8.2019 innerhalb der aufgetragenen Frist gänzlich unbeantwortet stehen und lieferte er zu diesen Fragen auch im handschriftlichen Schreiben keine dienlichen Hinweise. Die Übermittlung der Kopie der Geburtsurkunde des Kindes der XXXX sind nicht geeignet, um die biologische Vaterschaft des BF gegenüber dem Kind der XXXX zu belegen, zumal aus dieser unbedenklichen öffentlichen Urkunde "Geburtsurkunde" als Vater nicht der BF hervorgeht.
Einem "biologischen Vater" eines ex lege als vom Ehemann der Mutter abstammend geltenden Kindes muss aus der allgemeinen Lebenserfahrung heraus besonders daran liegen, seine Vaterschaft nicht bloß zu behaupten, sondern auch zu belegen. Als ein solcher Beleg gilt das Vaterschaftsanerkenntnis, welches der von der erkennenden Richterin in der Verhandlung auf die Mitwirkungspflicht des § 15 AsylG 2005 hingewiesenen BF im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht vorzulegen hätte.
Die erkennende Richterin beachtet auch, dass der BF wegen versuchter Körperverletzung gegenüber " XXXX " alias " XXXX " am 27.12.2018 (somit während der Schwangerschaft der oben Genannten) vom Bezirksgericht XXXX am 17.4.2019 mit Urteil XXXX verurteilt wurde und gegenüber dem Bezirksgericht XXXX am Tag der Verhandlung zu den Generalien befragt "keine Sorgepflichten" angab. Die Angabe "keine Sorgepflichten" vor dem Bezirksgericht im April 2019 - zeitnahe zu dem am XXXX 2019 von " XXXX " alias " XXXX " geborenen Kind, dessen Vaterschaft er im November 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete - erscheint merkwürdig, zumal der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrmals behauptete, den Nasciturus gezeugt zu haben ("Der BF gibt mehrmals an, der Vater zu sein", Verhandlungsschrift S. 3).
2.5. Die unter II.1.1.7. getroffenen Feststellungen gründen auf der jeweils am 13.5.2019 durchgeführten Einsichtnahme in das österreichische Strafregister, den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden strafgerichtlichen Urteilen und auf der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.
Laut ZMR ist der BF seit XXXX .2018 in der Justizanstalt Wien- XXXX inhaftiert.
2.6. Die unter II.1.1.8. getroffenen Feststellungen zur Herkunftsprovinz Ghazni, sowie dass sowohl eine Rückkehr nach Ghazni als auch eine Rückkehr nach Kabul ausscheiden, fußt auf den vom Gericht in das Verfahren eingebrachten Quellen "Länderbericht" sowie "Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Beurteilung des internen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan vom 30.8.2018". In letztem ist laut der UNHCR der Ansicht, dass angesichts der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt in der Regel nicht verfügbar ist. Der UNHCR-Richtlinie ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"; VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994 bis 1000 mwN).
2.7. Die unter II.1.1.10. getroffenen Feststellungen basieren auf dem aktuellen Länderbericht sowie auf dem Auszug und der Zusammenfassung aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif auf Grund anhaltender Dürre, 13.9.2018 (im Folgenden "ABSD Dürre"), und der Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan, Folge von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - im Folgenden "Accord Dürre" und auf dem Auszug von Länderinformationen aus EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 (im Folgenden "EASO Leitlinien 2018").
Zur Versorgungslage ist hinsichtlich Versorgung und allgemeine Lebensbedingungen der Bevölkerung in Mazar-e Sharif und Herat im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen und unter Berücksichtigung des seitens des BF mit Stellungnahme vom 1.8.2018 ins Verfahren eingebrachten Berichtsmaterials Folgendes auszuführen:
Es wird von der erkennenden Richterin keineswegs verkannt, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne jegliche familiäre oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte, Fachausbildung oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten durch Dritte in den beiden genannten Städten ansiedeln, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden.
Allerdings ist aus den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten ableitbar, dass die Stadt Mazar-e Sharif sich wirtschaftlich gut entwickelt. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Auch hinsichtlich Herat ist aus den Länderberichten ableitbar, dass es sich um eine relativ entwickelte Provinz Afghanistans handelt, in der im Harirud-Tal Baumwolle, Obst sowie Ölsaat angebaut werden und in der Safran produziert werden soll, was wiederum zu Arbeitsplätzen führen soll, und dass die Wirtschaftslage vergleichsweise gut ist.
Soweit die aktuellen Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.8.2018 darauf hinweisen, dass die Provinzen Herat und Balkh von Dürre betroffen waren, ist auf die Ausführungen in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre und von ACCORD zu dem Thema "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif", a-10743, zu verweisen: Darin werden als Folgen der Dürre eine deutlich geringere Getreideernte und Landflucht in Afghanistan genannt, was für die Betroffenen teilweise prekäre Lebensbedingungen zur Folge hat. Allerdings wird auch von zahlreichen internationalen Hilfsprogrammen für die vor der Dürre geflohene Bevölkerung, v.a. in der Provinz Herat, berichtet und schließlich ausgeführt, dass die Getreidepreise trotz geringerer Ernten auf Grund guter Ernten in Pakistan und im Iran im Mai 2018 nicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegen würden.
Vor diesem Hintergrund wird zwar keineswegs verkannt, dass die Folgen der Dürre in v.a. der Provinz Herat, aber auch in der Provinz Balkh und die damit verbundene "Landflucht" der betroffenen Bevölkerung negative Auswirkungen auf die Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nach sich zieht. In einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre.
2.8. Die unter II.1.1.10.1. getroffene Feststellung zu Mazar-e Sharif in Balkh fußt auf dem aktuellen Länderbericht. Diese Stadt ist die Hauptstadt der Provinz Balkh in Nordafghanistan. Balkh ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz bloß 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen und ist daher eine gefahrlose Rückkehr von Österreich dorthin über den Luftweg möglich.
2.9. Die unter II.1.1.10.2. getroffene Feststellung zu Herat gründet auf dem aktuellen Länderbericht. Laut Länderbericht ist Herat eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat.
Herat verfügt über einen internationalen Flughafen, sodass der BF Herat von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichen kann.
2.10. Die unter II.1.1.11. getroffene Feststellung gründet auf der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem des Bundes sowie auf den Anhalteprotokollen und schriftlichen Mitteilungen der JA XXXX vom 8.8.2019 und vom 23.9.2019 in Zusammenschau mit der zuletzt ausgesprochenen Verurteilung des Landesgericht für Strafsachen Wien vom XXXX 2019.
2.11. Die unter II.1.1.2. und II.1.1.5. getroffenen Feststellungen gründen auf Folgendem:
2.11.1. Der BF beschädigte seine Glaubwürdigkeit zum einen darin, dass er auf die Frage "von wo aus haben Sie Ihre Flucht angetreten" zunächst "Afghanistan" angab und dies sofort korrigierte mit "Nein, Iran, aus Teheran".
Zum anderen beschädigte er seine Glaubwürdigkeit, da er - nachdem er angab, ein Talib habe ihn als er "klein war" festgehalten und ihn vergewaltigen wollen - bejahte, dies auch bereits vor der Polizei oder bei der belangten Behörde angegeben zu haben (Verhandlungsschrift S. 7). Tatsächlich gab er dies bei der Erstbefragung vor einem Organ der LPD Burgenland am 19.11.2015 nicht an, doch wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass der Zweck der Erstbefragung es nicht ist, sich auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen (§ 19 Abs 1 AsylG 2005). Jedoch gab er diesen Vorfall vor dem BFA in der Befragung am 9.2.2018 - entgegen seiner Behauptung gegenüber der erkennenden Richterin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - überhaupt nicht an.
Festzuhalten ist, dass zur Beurteilung, ob der behauptete Verfolgungsgrund als glaubhaft gemacht anzusehen ist, es auf die persönliche Glaubwürdigkeit des BF und auf das Vorbringen zu den Fluchtgründen ankommt. Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG und die sonstige Mitwirkung des BF im Verfahren zu berücksichtigen.
Wie hier unter diesem Bullet Point II.2.11. dargetan, beschädigte der BF seine Glaubwürdigkeit und - wie unter II.2.4.2. dargetan - kam der BF seiner Mitwirkungspflicht auch nur bedingt nach, da er nicht innerhalb der mit Erledigung vom 5.8.2019 aufgetragenen Frist dem Bundesverwaltungsgericht die gewünschten Auskünfte erteilte.
2.11.2. Zu dem Fluchtgrund ist vielmehr zu beachten, dass der BF vor dem BFA im Feber 2018 exakt jene Fluchtgründe angab, welche er bei der Erstbefragung angab, nämlich wirtschaftliche Motive.
Auszug aus der Niederschrift über die Erstbefragung:
Bild kann nicht dargestellt werden
Auszug aus der Niederschrift im Verfahren vor dem BFA:
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Auch zu seinen Befürchtungen im Falle der Rückkehr befragt gab er an "Die finanzielle Situation ist dort schlecht. Ich möchte hier arbeiten und Geld verdienen und meine Familie unterstützen. Auch ist dort die allgemeine Lage schlecht."
Zu beachten ist, dass der BF bereits vor dem BFA im Feber 2018 befragt wurde "Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?" und verneinte er dies. Hingegen vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er auf die Frage "Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?" an "Ja, sowas ist passiert" und brachte er dann vor, dass bewaffnete Leute gesagt hätten "Hazara-Esel geht auf die Seite" und in weiterer Folge gedroht hätten "wenn wir euch das nächste Mal da sehen, dann töten wir euch".
Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Person, welche vorbringt aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit im Beisein des Vaters und des Bruders mit dem Tode bedroht worden zu sein, sich nicht bereits vor der belangten Behörde daran erinnert und nicht bereits dort die Frage nach einer in Afghanistan stattgefundenen Verfolgung und / oder Bedrohung wegen der Volksgruppe so beantwortet wie später beim Bundesverwaltungsgericht. Dies, da es sich bei der Bedrohung mit dem Tod um ein so einschneidendes Erlebnis eines (jugendlichen) Menschen handelt, dass dieses Detail aus Sicht der erkennenden Richterin über das gesamte Verfahren im Gedächtnis bleiben muss.
Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung kann aus Sicht der erkennenden Richterin davon ausgegangen werden, dass ein Beschwerdeführer des Alters des BF grundsätzlich in der Lage sein muss, gleichbleibend umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu ihm gegenüber im Herkunftsstaat stattgefundenen Bedrohungen zu machen. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die eine stattgefundene Bedrohung im Herkunftsstaat behauptet, wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Ereignis, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkret, widerspruchsfrei und nachvollziehbar angibt.
Zu dem Abstellen auf die allgemeine Lebenserfahrung ist zu sagen, dass es dem Verwaltungsgericht laut Judikatur nicht verwehrt ist, im Rahmen der freien Beweiswürdigung iSd gemäß § 17 VwGVG anzuwendenden § 45 Abs 2 AVG auch die allgemeinen Lebenserfahrungen zu verwerten (VwGH 16.3.1978, 2715/77, 747/78). Infolge dessen, dass der BF keine Bescheinigungsmittel über seine Fluchtgründe vorlegte, bedurfte es der Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze. Die Bildung von solchen Erfahrungssätzen ist nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Ungunsten eines Asylwerbers möglich.
2.11.3. Der BF gab vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage an, in Afghanistan nie an gewalttätigen oder bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen zu haben. Die Frage, ob er in Afghanistan von irgendjemandem verfolgt oder bedroht wurde wegen einem Racheakt, Blutfehde oder dergleichen, verneinte er ebenso. Der BF gab an, in Afghanistan nie in Haft gewesen zu sein und auch nicht Probleme mit Gerichten, Polizei oder Behörden gehabt zu haben. Er wird dort laut seinen Angaben nicht mit einer Fahndungsmaßnahme gesucht, er wart dort auch nie Mitglied einer Partei oder sonst politisch tätig.
Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsstaat geboren und sozialisiert und ist einer dort von der Verfassung anerkannten Sprachen (Dari) mächtig. Er gehört der Volksgruppe der in Afghanistan beheimateten Hazara an. Der im Jahre XXXX Geborene wurde in Afghanistan geschult, erlangte dort Arbeitserfahrung, bekennt sich zur Staatsreligion Islam und hat bloß seit November 2015 in einem westlichen Land Zeit verbracht.
Dem BF droht nicht eine Verfolgungsgefahr aufgrund westlicher Gesinnung (westernized man): Soweit man eine Veränderung als "Verwestlichung" werten kann, ist anzuführen, dass aus weder aus den Länderberichten, noch aus den notorischen Amtswissen ableitbar ist, dass alleine ein Aufenthalt in Europa und eine westliche Geisteshaltung bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden (vgl. hierzu auch die Ausführungen in BVwG 7.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Zudem hat er selbst nicht vorgebracht, dass er deswegen verfolgt werden würde. Die Einzelfallprüfung ergab somit, dass der BF nicht etwa als westernized man im Falle einer Rückführung in Afghanistan verfolgt wird.
Dass Menschen, welche Afghanistan verlassen und sich zuletzt in Europa aufgehalten haben bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist, kommt weder aus dem aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation hervor, noch aus der höchstgerichtlichen Judikatur (siehe dazu die Ausführungen unter 2.3. zu den unter II.1.1.4. getroffenen Feststellungen).
2.11.4. Der Beschwerdeführer brachte in der Erstbefragung und vor dem BFA vor, aus wirtschaftlichen Motiven die Flucht angetreten zu haben, weshalb dies als Fluchtgrund glaubhaft erscheint.
2.11.5. Zu der Angabe des BF vor der belangten Behörde im Feber 2018 ("auch ist dort die allgemeine Lage schlecht"; Niederschrift S. 6) ist auf die höchstgerichtliche Judikatur hinzuweisen: Der VwGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass in dem Umstande, dass im Herkunftsland eines Asylwerbers Unruhen herrschen, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention liegt (vgl statt vieler etwa VwGH 30.9.1997, 97/01/0755) und betrifft diese Lage nicht nur den BF, sondern auch andere Menschen in seinem Herkunftsstaat - unabhängig von Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung.
Zur Schutzfähigkeit des Staates ist auszuführen, dass von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden Gefährdungssituation im Sinne des Art 3 EMRK, jedenfalls nicht auszugehen ist. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die afghanischen Behörden grundsätzlich fähig und auch willens sind, Schutz vor strafrechtswidrigen Übergriffen zu gewähren.
Ein lückenloser Schutz, auch vor terroristischen Anschlägen, ist in Afghanistan - ebenso wie in allen anderen Ländern - aber nicht möglich. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 1.6.1994, 94/18/0263; VwGH 1.2.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - in diesem Fall wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256).
Für den Fall der Rückkehr ist zur Sicherheitslage in Afghanistan auch auf die Entscheidung des EGMR vom 12.7.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, hinzuweisen: demnach führt die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche nicht zu einem derart hohen Risiko, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK bestehe. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Afghanistan - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).
2.11.6. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich somit keine drohende konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung ableiten.
Die Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien (siehe oben) erfordern eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall zu einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt eine konkrete auf seine Person bezogene Verfolgung im Verfahren glaubhaft machen konnte.
2.11.7. Die in den in der Verhandlung vorgelegten Beweismitteln erwähnten Krankheiten "Tuberkulose, Asthma, Hepatitis" anbelangend ist festzuhalten, dass laut der den BF zuletzt objektivierten Ärzten der Sonderkrankenanstalt der JA XXXX der BF derzeit (somit im Entscheidungszeitpunkt) nicht wegen Tuberkulose behandelt werden muss und auch hinsichtlich Asthma keine Behandlung am BF durchgeführt wird. Laut der Auskunft der Sonderkrankenanstalt der JA XXXX besteht beim BF keine aktive Hepatitis-Infektion, sodass er derzeit keiner antiviralen Therapie bedarf. Somit ist der BF nicht lebensbedrohlich krank.
Zu dem Drogenersatzprogramm, welches der BF derzeit gegen seinen Abusus erhält, ist unter Hinweis auf die unter II.1.2. wiedergegebene Anfragebeantwortung "Substitutionsprogramm für Drogenabhängige in Mazar-e Sharif" zu sagen, dass in der innerstaatlichen Fluchtalternative Mazar-e Sharif (psychiatrische) Behandlung von Drogenabusus und auch ambulante Behandlung mit Methadon in einer Entzugsklinik verfügbar sind, auch psychiatrische Behandlung ist sowohl stationär, als auch ambulant verfügbar. Die psychiatrische Behandlung von Drogensucht - sowohl stationär, als auch ambulant - in einer öffentlichen Entzugsklinik ist kostenlos. Dem BF wird es daher auch in Afghanistan ermöglicht, kostenlos seine Drogenersatztherapie fortzusetzen.
Zu dem Umstand, dass der BF an seiner rechten Hand zwei Daumen aufweist, ist festzuhalten, dass daraus keine asylrelevante Verfolgung und / oder Bedrohung resultiert und er eine solche in Afghanistan auch nicht vorbrachte: er brachte vor, in Afghanistan als "sechs-Finger-Mann" bezeichnet und "immer ausgelacht" worden zu sein (Verhandlungsschrift S. 8). Eine daraus resultierende Verfolgung und / oder Bedrohung brachte er nicht vor.
2.11.8. Zu der unter II.1.1.9. getroffenen Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK) droht, ist auch festzuhalten, dass der BF ein junger arbeitsfähiger Mann ohne Sorgepflichten und alleinstehend ist.
Der sich zur Staatsreligion Afghanistans bekennende BF wird aufgrund seiner bereits vor der Einreise nach Österreich erlangten Berufserfahrung und aufgrund der Kenntnis einer in Afghanistan verbreiteten Sprache (Dari) in Zusammenschau mit Unterstützung "vor Ort" (etwa durch Mitglieder seiner Volksgruppe und / oder seiner Religionszugehörigkeit) in der Lage sein, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können und nicht in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Zur Beschaffenheit seiner rechten Hand ist auszuführen: Der BF brachte nicht vor, es am Arbeitsmarkt wegen der Beschaffenheit seiner zweiten Hand schwer gehabt zu haben, erwerbstätig zu sein ("Hirte und Landwirt in Afghanistan; Hilfsarbeiter im Iran", Niederschrift BFA S. 4). Der zweite Daumen an der rechten Hand hinderte ihn also während seiner Zeit in Afghanistan und im Iran nicht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Daher ist davon auszugehen, dass ihm die Beschaffenheit seiner rechten Hand auch bei Rückkehr nach Afghanistan am Arbeitsmarkt keine Nachteile verschaffen wird.
Der BF kann sich bei der Rückkehr auch auf die Gastfreundschaft Melmastiya aus dem Paschtunwali berufen. Gastfreundschaft ist ein wesentlicher Aspekt des Paschtunwali, dem Kodex der Paschtunen. Dem Dossier der Staatendokumentation "AfPak Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur" (7.2016) zufolge bedeutet die Gastfreundschaft des Paschtunwali Melmastiya, allen Besuchern Gastfreundschaft und tief empfundenen Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit und wirtschaftlichem Status und ohne Erwartung einer Belohnung oder von Vorteilen. Melmastiya verlangt auch, dass dem Gast Sicherheit gewährt wird. Die Paschtunen sind mit 40% der Bevölkerung Afghanistans die Mehrheitsethnie und leben auch in den innerstaatlichen Fluchtalternativen Herat und Mazar-e Sharif, sodass der BF trotz einer von den Paschtunen verschiedenen Volksgruppenzugehörigkeit sich auf die Gastfreundschaft des Paschtunwali berufen wird können.
Unter Hinweis auf die Ausführungen im Länderbericht der Staatendokumentation (Thema "Rückkehrer") ist festzuhalten, dass der BF allenfalls Unterstützung von den (internationalen) NGOs vor Ort und / oder durch die von der afghanischen Regierung installierten Programme für Rückkehrer erlangen kann - und zwar finanzieller und/oder organisatorischer Natur.
Zur Möglichkeit der Rückkehr in die als innerstaatlichen Fluchtalternativen geltenden Orte Mazar-e-Sharif und Herat wird auf die Ausführungen unter II.2.7. bis II.2.9. wie auch auf untenstehend unter "3. Rechtliche Beurteilung" Ausgeführtes hingewiesen.
2.12. Die unter II.1.2. enthaltenen Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF gründen auf dem Länderbericht der Staatendokumentation sowie auf den unter II.1.2. angeführten weiteren Quellen wie etwa den zitierten UNHCR-Richtlinien, welchen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"; VwGH 6.7.2011, 2008/19/0994 bis 1000 mwN).
Der BF wurde in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Länderberichte gemäß dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation als Feststellungen der Entscheidung zugrunde zu legen und ihm in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit eingeräumt, im Wege eines von ihm aufgesuchten Rechtsvertreters / Rechtsberaters dazu Stellung zu nehmen.
Die Feststellungen zum Herkunftsstaat gründen auf dem Länderbericht der Staatendokumentation in der aktuellen Fassung und die dort abgedruckten Dokumente der jeweils angegebenen Quelle, an deren Aussagekraft seitens des Gerichts kein Zweifel gehegt wird. Bei dem Länderbericht handelt sich um den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellten Länderbericht der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, welche der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Die Länderfeststellungen stützen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen. Die Länderfeststellungen ergeben ein einzelfallunabhängiges schlüssiges Gesamtbild zur Situation in Afghanistan.
Gegenständlich wird somit der Länderbericht in der aktuellen Fassung als Primat herangezogen, da laut Judikatur des VwGH immer die aktuellsten Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung heranzuziehen sind (VwGH 6.6.2000, 99/01/02109). Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen im Länderbericht und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen im Länderbericht besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit der darin enthaltenen Informationen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zu Grunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Gericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums die Beurteilung des gegenwärtigen Situationsfalls relevant nicht wesentlich geändert haben.
Die in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen erscheinen dem Gericht schlüssig und nachvollziehbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gegenständlich sind das VwGVG und gemäß § 17 VwGVG die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG 2005, samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht [ ].
Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Ad Spruchpunkt A):
Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde langte am 13.3.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes nunmehr zuständigen Einzelrichterin.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde. So wurde dem Beschwerdeführer insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahme vor der belangten Behörde - jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt und wurden in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage schlüssig, klar und übersichtlich zusammengefasst.
Die gegenständliche Entscheidung fußt auf dem Länderbericht vom 29.6.2018 in der geltenden Fassung.
Zum Beschwerdevorbringen:
Das Vorbringen in der Beschwerde und die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht waren nicht geeignet, das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers zum Zweck der Erlangung eines internationalen Schutzes zu unterstützen.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag betreffend Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative
(§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund iSd § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.
Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183, 18.2.1999, 98/20/0468).
Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, welche sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt.
Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH 20.6.1990, 90/01/0041). Die Angaben des Beschwerdeführers zu den wirtschaftlichen Motiven als Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates waren aus den im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen glaubwürdig, jedoch lässt sich aus der allgemeinen Lage in Afghanistan kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (VwGH 14.3.1995, 94/20/0798; VwGH 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; VwGH 30.4.1997, 95/01/0529; VwGH 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist, da Anhaltspunkte hierfür im Verfahren nicht zu Tage getreten sind.
Der Beschwerdeführer ist ein alleinstehender leistungsfähiger lediger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Sohin bildet er laut UNHCR eine Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung: als solcher kann er unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben, welche die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. Zu der Anforderung der externen Unterstützung des gegenständlichen Beschwerdeführers ist zu sagen, dass der erwerbsfähige junge erwachsene Beschwerdeführer alleinstehend, nicht lebensbedrohlich krank und ohne Sorgepflichten ist.
Die Volksgruppe des Beschwerdeführers (Hazara) bildet laut aktuellem Länderbericht eine neue afghanische Mittelklasse. Auch der UNHCR erwähnt für die innerstaatliche Fluchtalternative die "Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet".
Sohin kann davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer als Hazara die Zugehörigkeit zur Volksgruppe, welche nunmehr die Mittelschicht bildet, ein Netzwerk bilden wird, welches ihn bei der Wiederansiedelung Unterstützung leisten kann. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
Wenn es ihm also nicht gelingen sollte, Unterstützung durch allenfalls vorhandene und im ho. Verfahren verschwiegene Verwandtschaft in Afghanistan zu erlangen (siehe dazu auch oben unter II.2.1.), sodass er nicht auf ein in Afghanistan ansässiges Familiennetzwerk zurückgreifen kann, so kann er auf "Mitglieder seiner größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet" zurückgreifen.
Der erwerbsfähige, nicht lebensbedrohlich erkrankte alleinstehende Beschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung, verfügt über Sprachkenntnisse (Dari), etwas Fremdsprachenkenntnisse (Deutsch), sodass er auf der Suche nach einer Tätigkeit, welche ihm ein solches Einkommen verschafft, dass er über eine Existenzgrundlage verfügt von dieser Warte aus betrachtet einen Wettbewerbsvorteil gegenüber solchen Arbeitsuchenden, welche der hohen Analphabetenrate Afghanistans angehören, hat.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Eine derartige Verfolgung konnte vom Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen und / oder wegen des persönlichen wirtschaftlichen Fortkommens stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.
Dennoch bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Herkunftsland auf Grund generalisierender Merkmale unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara ausgesetzt wäre.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein. Dazu wird auf die Ausführungen oben unter 2.2. zu den unter II.1.1.3. getroffenen Feststellungen hingewiesen und ist an dieser Stelle festzuhalten, dass weder das vom BF in der Verhandlung vorgelegte Dokument vom 5.9.2018 aus der Feder des World Hazara Council das Gericht, noch die Behauptung "aktuelle Geschehnisse gezielte Tötungen in Ghazni von Hazara" (Vorbringen des Rechtsvertreters; Verhandlungsschrift S.
11) nicht von dem Gegenteil zu überzeugen vermag.
Zur einer möglichen spezifischen Vulnerabilität wegen des behaupteten Übergriffs eines Taliban auf den BF als er "noch klein" war, ist folgendes anzuführen:
Einen Vergewaltigungsversuch durch einen Talib brachte der BF erstmalig vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, sodass dies vom Neuerungsverbot betroffen ist. Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass der volljährige BF damit nicht einen stattgefunden habenden Rekrutierungsversuch durch Taliban vorbrachte, sodass er - auch wegen seines nunmehrigen Alters - nicht als "(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen" iSd der Risikoprofile der "UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender" anzusehen ist.
Nach Prüfung des gegenständlichen Einzelfalls ist zu sagen, dass der BF auch nicht ein Angehöriger der Risikogruppe "(3) Männer im wehrfähigen Alter" der Risikoprofile der "UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender" ist. Zwar ist den Richtlinien die allgemeine Aussage zu entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte systematisch und gezielt Zivilisten angreifen, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung, regierungsnahe bewaffnete Gruppen, die afghanische Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationaler humanitärer Hilfs- und Entwicklungsakteure, unterstützen bzw. mit diesen in Verbindung stehen, doch laut dem oben unter II.1.2. wiedergegebenen Auszug aus dem EASO (European Asylum Support Office) Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan - Rekrutierungsstrategien der Taliban von Juli 2012 ist zu dem aus Ghazni stammenden BF zu sagen, dass er nicht vorbrachte, dass von Seiten der Familie oder religiösen Führern oder von irgendjemandem sonst auf ihn Druck ausgeübt worden wäre, sich dort während seiner Zeit im Herkunftsstaat den Taliban anzuschließen.
Aus dem EASO-Informationsbericht zu den Rekrutierungsstrategien der Taliban geht hervor, dass Zwangsrekrutierungen durch Militärkommandeure, Führungspersönlichkeiten oder Kämpfer der Taliban (d. h. Fälle, in denen Einzelpersonen oder ihre Familien direkt angesprochen und zur Teilnahme gezwungen werden, weil ihnen im Falle der Weigerung Vergeltung oder Gewaltanwendung angedroht werden) als Ausnahmen zu betrachten sind. Darauf weisen zahlreiche verlässliche Quellen ausdrücklich hin und belegen diese These mit plausiblen Argumenten. Vielmehr würden die Taliban Zwangsrekrutierungen ihre Unterstützung durch die Gemeinschaften aufs Spiel setzen.
Von anderen Quellen wird in diesem EASO-Informationsbericht ausdrücklich festgestellt, dass in den Provinzen Ghazni - aus welcher der BF stammt - sowie in den Provinzen Herat und Logar bei der Rekrutierung kein Zwang ausgeübt worden ist.
Vor dem Hintergrund dessen, dass es sich bei ihm um einen der deutschen Sprache etwas mächtigen Afghanen handelt, zu sagen, dass weder der höchstgerichtlichen Judikatur, noch den Länderberichten zu entnehmen ist, dass Afghanen bloß aufgrund der Tatsache, dass sie einer in westlichen Ländern verbreiteten Sprache kundig sind, in einem gewissen Focus regierungsfeindlicher Kräfte stehen würden.
Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war demnach als unbegründet abzuweisen.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; VwGH 25.1.2001, 2000/20/0438; VwGH 30.5.2001, 97/21/0560).
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht. Dies ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005). Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt (§ 8 Abs. 3a AsylG 2005). Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.
Gemäß Artikel 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.
§ 8 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs 1 AsylG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; VwGH 8.6.2000, 99/20/0203; VwGH 17.9.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs 1 AsylG die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen
(vgl. VwGH 8.6.2000, 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.2.2001, 98/21/0427;
VwGH 20.6.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 2.5.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, 30240/96; 6.2.2001, Bensaid, 44599/98; vgl. auch VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse
(zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 2. 5.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich;
vgl. VwGH 21. 8.2001, 2000/01/0443; VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453;
VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.9.2004, 2001/21/0137).
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Der VwGH hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass ein Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; VwGH 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG nicht gegeben sind:
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer dem 6. ZP zur EMRK bzw. dem 13. ZP zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde. Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Asylwerbers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.9.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Der BF stammt aus Ghazni. Dass eine Rückkehr nach Ghazni sowie dass die Hauptstadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative ausscheidet, wurde bereits oben unter II.2.6. zu den unter II.1.1.8. getroffenen Feststellungen dargetan. Eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in die Stadt Kabul oder in seine Herkunftsprovinz Ghazni wäre für ihn mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.
Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Daher scheidet das ins Auge gefasste Gebiet aus, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen. Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass vom ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet wesentliche Bedeutung zukommt. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in dem ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, findet.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, muss es möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute des Asylwerbers führen können (VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).
Ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu müssen die persönlichen Umstände des Betroffenen, die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden. Ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sind keine ausreichenden Gründe, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssen aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen (VwGH vom 30.1.2018 Ra 2018/18/0001).
Nach der Rechtsprechung des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan, könne es zwar zutreffen, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Einschätzung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016, denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich ist, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben (VwGH 23.1.2018 2018/18/0001; VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 8.9.2016, Ra 2016/20/0063). Eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reicht nicht aus, um eine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu begründen bzw. die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen. Auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrung stellen im Fall einer Rückkehr keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 8.9.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 23.3.2017, Ra 2016/20/0188; VwGH 10.3.2017, Ra 2017/18/0064; VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; VwGH 20.6.2017 Ra 2017/01/0023; VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; VwGH 10.8.2017, Ra 2016/20/369; VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0190; VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0236; VwGH 30.1.2018, Ra 2017/20/0406; vgl. dazu auch - unter Berücksichtigung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-7).
Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (VfGH 13.9.2013, U 370/2012 mit Verweis auf EGMR, 13.10.2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Z 96; 9.4.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Z 45 und 114).
Ob eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich und zumutbar ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, wobei die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu prüfen ist (vgl. dazu VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).
Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Der gegenständliche BF ohne Sorgepflichten kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan, in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret gemeint Herat und Mazar-e Sharif, verwiesen werden:
Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Mazar-e Sharif, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif eine auf den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbare Stadt.
Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in Mazar-e Sharif dennoch zumindest grundlegend gesichert.
Laut den aktuellen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
Es wurde bereits oben unter II.2.7. bis II.2.9. dargetan, dass der BF sich an einem als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Ort (Mazar-e Sharif oder Herat) ansiedeln kann. Der BF kann dort grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, nämlich aus folgenden Gründen:
a) Wie unter II.2.4.1. dargetan, ist der BF nicht lebensbedrohlich krank. Zwar trägt er laut Blutbefund den Hepatitis C Virus in sich, er bedarf im Entscheidungszeitpunkt aber nicht einer antiviralen Behandlung gegen den Hepatitis C Virus. Eine ernste, rasche und unwiederbringliche Verschlechterung des Gesundheitszustands, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt, ist daher bei Rückkehr nicht zu erwarten. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei Hepatitis darauf abzustellen, ob diese Erkrankung derzeit [Anm: im Entscheidungszeitpunkt] eine Behandlung erfordert (siehe VwGH 20.7.2018, Ra 2018/18/0385, Rz 8).
Der BF bedarf laut Auskunft der ihn behandelnden Sonderkrankenanstalt der JA XXXX derzeit keiner antiviralen Therapie. Seine Drogenabhängigkeit - gegen welche er in Österreich laut vorgelegten medizinischen Beweismitteln (etwa Psychiatrisch-fachärztlicher Befund XXXX vom 5.4.2018) medikamentös vorging, lässt sich auch im Herkunftsstaat in der innerstaatlichen Fluchtalternative Mazar-e Sharif kostenlos behandeln.
b) Er ist mit den Gepflogenheiten Afghanistans in Anbetracht des Umstandes, dass er den Hazara - welche eine neue Mittelklasse bilden - angehört, zwei der in Afghanistan verbreiteten Sprachen spricht und dort sozialisiert wurde, eine Schulbildung und in diesem Land die Kernfamilie ansässig hat, bestens vertraut.
Laut dem EASO-Bericht "Country Guidance Afghanistan, Juni 2018" finden alleinstehende Männer in den größeren Städten in der Regel zumutbare und vernünftige Fluchtalternativen vor (S. 30, 106). Für jene welche außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder sehr lange Zeit außerhalb Afghanistan gelebt haben, kann sich eine innerstaatliche Fluchtalternative als vernünftigerweise nicht vorhanden erweisen, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk vorfinden, das bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen unterstützt. Der BF ist jedoch in Afghanistan geboren, hat nicht bloß im Iran, sondern auch in Afghanistan gelebt, dort gearbeitet. Er war erst seit November 2015 in einem westlichen Land außerhalb Afghanistans.
Wie oben bereits dargetan, ist der BF bei Rückkehr nicht gänzlich ohne Netzwerk, sodass daher davon auszugehen ist, dass ihm die Volksgruppe und / oder die Religionszugehörigkeit und / oder die Berufung auf die Gastfreundschaft des Paschtunwali bei der Suche nach einer Tätigkeit, welche ihm ein solches Einkommen verschafft, dass er nicht in eine existenzbedrohende Situation gerät, Unterstützung leisten wird.
Daher ist in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF nicht in eine ausweglose Situation geraten wird.
Der Beschwerdeführer kann alternativ auf die laut Länderbericht von NGOs und / oder der afghanischen Regierung angebotenen Unterstützungen für Rückkehrer zurückgreifen. Es ist auch nicht zu befürchten ist, dass der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde, da seine Kernfamilie im Iran befindlich ist und er somit nicht in Afghanistan Kernfamilie hat, welche er finanziell unterstützen müsste. Somit liegt keine solche Situation vor, in der der BF bei einer Rückkehr auch für die Existenz seiner Familie sorgen müsste, so dass diesbezüglich keine wirtschaftliche Erschwernis für ihn bei einer Rückkehr gegeben ist.
Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in Mazar-e Sharif oder in Herat bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort (auch durch Zurückgreifen auf seine Volksgruppenangehörigen) - etwa zunächst durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, wobei ihm seine Schulbildung zu Gute kommt - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte, schon auch weil für sein Krankheitsbild (Drogenabhängigkeit und Hepatitis C Virus im Blutbild) Unterstützung vor Ort gegeben ist (kostenlose Behandlung in Mazar-e Sharif gegen die Drogenabhängigkeit) und derzeit keine Behandlung gegen das Hepatitis C Virus im Blutbild erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095).
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif oder in Herat in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif oder in Herat entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif oder in Herat möglich und auch zumutbar ist.
Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen,
(...)
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
So fallen familiäre Beziehungen unter Erwachsenen jedoch nur dann unter den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (VfGH vom 09.06.2006, B 1277/04; vom 26.01.2006, 2002/20/0423 und 2002/20/0235, vom 08.06.2006, 2003/01/0600; vom 29.03.2007, 2005/20/0040-0042)
Der BF konnte keine Familienangehörigen in Österreich nachweisen. Zu der vom BF und von dem Mag. XXXX - jeweils ohne geeignete Nachweise - behaupteten Vaterschaft gegenüber der von der als unglaubwürdig aufgetretenen, vorbestraften und trotz Behauptung mit dem BF verheiratet zu sein, während aufrechter Ehe mit einem anderen Mann ein Kind geboren habenden " XXXX " alias " XXXX " geborenen XXXX ist festzuhalten, dass - wie oben unter II.2.4.2. ausgeführt, kraft praesumptio iuris des § 144 ABGB die - auch in der Geburtsurkunde der XXXX als Vater eingetragene - vom BF verschiedene männliche Person XXXX als Vater dieses Kindes anzusehen ist. In Zusammenschau mit einer dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegten Vaterschaftsanerkenntnis und / oder Beweise über die in Angriff genommenen zivilrechtlichen Schritte des BF hierfür, gilt der BF nicht als Vater der XXXX , sodass diese nicht als Kind seinem Privatleben in Österreich zuzurechnen ist. Dabei wird von der erkennenden Richterin auch beachtet, dass die Zeugin " XXXX " alias " XXXX " in der Zeugenbefragung selbst niemals den BF als Vater des Kindes angab. Es war bloß der BF- bzw Mag. XXXX im Schreiben vom 16.8.2019 - welche die Vaterschaft des BF hinsichtlich die im Mai 2019 geborene XXXX behaupten. Es wird überdies von der erkennenden Richterin auch beachtet, dass der BF wegen versuchter Körperverletzung gegenüber " XXXX " alias " XXXX " am 27.12.2018 (somit während der Schwangerschaft) vom Bezirksgericht XXXX am 17.4.2019 mit Urteil XXXX verurteilt wurde und somit damit rechtskräftig wegen versuchter Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin " XXXX " alias " XXXX " verurteilt ist und damit gegenüber der - seit Aufenthalt in Österreich nach islamischem Ritus verbunden behaupteten Frau - angreiflich wurde.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Im gegenständlichen Fall ist der BF in Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich erst seit seiner Antragstellung im November 2015, somit seit fast vier Jahren, im Bundesgebiet auf. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist ausschließlich auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch er nie über ein Aufenthaltsrecht (abgesehen des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund seines Antrags auf internationalen Schutz) verfügt hat.
Die Dauer des Verfahrens übersteigt mit etwas mehr als drei Jahren auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" scheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).
Der BF verfügt in Österreich nicht über ein schützenswertes Privatleben, zumal die behauptete Vaterschaft des von " XXXX " alias " XXXX " geborenen Kindes nicht bewiesen wurde und überdies eine von dem - nicht glaubwürdig gewesenen - BF und der - nicht einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habenden - zum Aufenhalt in Österreich berechtigten " XXXX " alias " XXXX " bestehende Ehe mangels Glaubwürdigkeit der beiden Personen nicht glaubhaft ist, schon auch wegen dem unbedenklichen Beweismittel "Einsichtnahme in das AJ-Web Auskunftsverfahren", wonach " XXXX " alias " XXXX " in diesem unbedenklichen Register als "Ehegatte von Herrn XXXX " mitversichert ist.
Der Beschwerdeführer kann sich in deutscher Sprache über Alltägliches verständigen. Eine Mitgliedschaft in einem Verein belegte der BF nicht. Auf Aufforderung der erkennenden Richterin, in deutscher Sprache zu beantworten wie er momentan sein Leben hier in Österreich verbringt, gab er bloß an "Ich habe sehr sehr sehr viel. Ich liebe Österreich" und bediente sich daraufhin wieder der Sprache Dari. Vor der belangten Behörde brachte er am 9.2.2018 zur in Dari gestellten Frage "Wie sieht ihr Alltag in Österreich aus" vor: "24 h schlafe ich und spiele Fußball".
Der BF bestreitet seinen Unterhalt durch die staatliche Grundversorgung.
Insgesamt kann in Ermangelung maßgeblicher integrativer Schritte beim BF nicht von einer außergewöhnlichen Integration ausgegangen werden.
Zudem ist auch nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal er dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, einer der in Afghanistan ansässigen Volksgruppen angehört, sich zu der Staatsreligion Afghanistans bekennt, dort sozialisiert und gebildet wurde.
Er spricht fließend eine in Afghanistan vorherrschende Sprache (Dari). Aufgrund der - gemessen an seiner bisherigen Lebenszeit bloß kurzen - Abwesenheit aus Afghanistan kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre, sodass sich der Beschwerdeführer in Afghanistan problemlos wieder eingliedern wird können.
Darüber hinaus ist der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers mit etwas mehr als drei Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen als relativ kurz zu werten.
Es ist davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers kein Grad an Integration erreicht worden ist.
Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen - wenn auch bei ihm bis auf Deutschkenntnisse kaum merklich vorhandenen - Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, welcher zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. z.B. VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; VwGH 26.2.2004, 2004/21/0027; VwGH 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der VfGH misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Artikel 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer straffällig geworden ist und mehrere Verurteilungen aufweist:
* Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , wegen §§ 27 Abs 1 Z 1,
8. Fall, 27 Abs 3 und 27 Abs 5 SMG (Freiheitsstrafe 7 Monate).
* Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.6.2018, XXXX , ein, Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (Freiheitsstrafe von 9 Monaten)
* Bezirksgericht XXXX vom 17.4.2019, XXXX , Vergehen der teils versuchte, teils vollendeten Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin " XXXX " alias " XXXX " (Mutter der von ihm abstammend behaupteten XXXX ) und zum Nachteil des XXXX (Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Monaten)
* Landesgericht für Strafsachen Wien vom XXXX 2019, XXXX , Vergehen nach §§ 27 Abs 2a, 2. Fall SMG, 15 StGB (Freiheitsstrafe von 10 Monaten)
Der BF verbüßt derzeit seine Haft in der JA XXXX .
Die vom BF gesetzten Straftaten erreichen die entsprechende Beeinträchtigung des Interesses am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer Suchtgift im öffentlichen Raum verkaufte und gegenüber zwei Personen (" XXXX " alias " XXXX " (Mutter der von ihm abstammend behaupteten XXXX ; XXXX ) sich des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Körperverletzung strafbar machte.
Es ist somit der Eingriff in die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers zugunsten des Interesses am Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt und erscheint verhältnismäßig.
Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - kommt ein hoher Stellenwert zu (z.B. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0178; VwGH 22.1.2013, 2011/18/0012).
Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist die österreichischen Gesetze einzuhalten, bewies er einerseits durch seine illegale Einreise im November 2015, zum anderen durch seine begangenen Straftraten (Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz und Vergehen nach dem StGB, nämlich Körperverletzung).
Aufgrund dieser Tatsachen überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten. Ein diesbezüglich bestätigender formaler Abspruch hat jedoch zu unterbleiben (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0174).
Insgesamt liegen damit die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 vor:
Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat des Weiteren unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan im Sinne des § 50 FPG ergeben würden. Wie bereits oben ausgeführt sieht auch der EGMR in seiner jüngsten Rechtsprechung die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art 3 EMRK verstoßen würde.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:
Mit dem bekämpften Bescheid wurde im Spruchpunkt IV. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit der Rückkehrentscheidung zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Mit Verfahrensanordnung vom 10.5.2019 wurde dem BF wegen Straffälligkeit der Verlust des Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet mitgeteilt.
Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.
Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt im bekämpften Bescheid gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen vor. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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