VwGH 2012/18/0178

VwGH2012/18/017812.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des AJ in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Februar 2010, Zl. E1/32.386/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde - zum Teil indem sie sich die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Ausführungen zu eigen machte - aus, der Beschwerdeführer sei am 6. Februar 2002 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei im Instanzenzug abgewiesen worden. Die Rechtskraft der letztinstanzlichen Entscheidung sei am 6. November 2009 eingetreten.

In weitere Folge habe der Beschwerdeführer beantragt, ihm einen Aufenthaltstitel (aus humanitären Gründen) zu erteilen. Die belangte Behörde sei (von der Niederlassungsbehörde) aufgefordert worden, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Sie habe sich gegen die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels ausgesprochen.

Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Es seien dem Grunde nach die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG erfüllt.

Im Rahmen der Beurteilung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, seit Februar 2002 im Bundesgebiet aufhältig zu sein. In seiner Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 habe er ausgeführt, in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandte zu haben. Er wäre - so die belangte Behörde weiter in Wiedergabe des in der genannten Stellungnahme enthaltenen Vorbringens - seit 1. Juli 2009 im Besitz eines Gewerbescheines "für Güterbeförderung". Seinen Behauptungen zufolge verdiente er etwa EUR 1.000,-- pro Monat und wohnte mit einem Mann in einer Wohnung.

In seiner Berufung vom 20. Jänner 2010 habe der Beschwerdeführer allerdings entgegen seiner kurz zuvor eingebrachten Stellungnahme ausgeführt, dass er in Österreich über familiäre Kontakte verfügen würde. Diesem Vorbringen zufolge lebten seine Cousins in Österreich. Nähere Angaben zu den angeblichen Familienangehörigen habe der Beschwerdeführer aber nicht gemacht. Weiters habe er ein Unterstützungsschreiben seiner engsten Freunde vorgelegt und deren Vernehmung als Zeugen beantragt. Er habe aber nicht dargelegt, zu welchem Beweisthema die Zeugen zu befragen wären.

"Vor diesem Hintergrund" sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Der Eingriff erweise sich allerdings zum Erreichen von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, als dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer verstoßen, indem er nach Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet geblieben sei. Er habe durch sein Verhalten "klar und eindeutig" zu erkennen gegeben, dass er fremdenrechtlich bedeutsame Normen missachte. Das ins Treffen geführte Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei in wesentlichen Punkten in einer Zeit seines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden. Es sei die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration, die während des Asylverfahrens entstanden sei, in ihrem Gewicht erheblich gemindert, weil der Aufenthalt lediglich auf Grund des in der Folge abgewiesenen Asylantrages vorläufig berechtigt gewesen sei. Die durch das Verhalten des Beschwerdeführers bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

Von der beantragten Vernehmung der Zeugen habe abgesehen werden können, weil ein konkretes Beweisthema nicht erkennbar gewesen sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. April 2010, B 399/10-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (2. Februar 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Soweit der Beschwerdeführer (auch) in der Beschwerdeergänzung die Verfassungswidrigkeit von fremdenrechtlichen Bestimmungen geltend macht, genügt hier der Hinweis, dass schon der Verfassungsgerichtshof keinen Anlass gesehen hat, auf Grund der bereits in der an ihn gerichteten Beschwerde geltend gemachten Bedenken ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

Der Beschwerdeführer beruft sich weiters auf die Richtlinie 2003/109/EG . Dem darauf Bezug nehmenden Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass diese Richtlinie gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 nicht auf den Beschwerdeführer, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, Anwendung findet. Schon aus diesem Grund musste auf sein auf die genannte Richtlinie Bezug nehmendes Vorbringen nicht weiter eingegangen werden.

Der Beschwerdeführer lässt jene Feststellungen der belangten Behörde, aus denen sich ergibt, dass er über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt, unbekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hegt am Boden der behördlichen Feststellungen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und es sei daher der die Ausweisung aus diesem Grund ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt.

Die Beschwerde wendet sich allerdings gegen die Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 FPG. In diesem Zusammenhang wirft sie der belangten Behörde Ermittlungsmängel vor und weist insbesondere darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die Vernehmung von Zeugen beantragt habe.

Die belangte Behörde hat aber im gegenständlichen Fall das Unterlassen der Vernehmungen zu Recht damit begründet, dass der Beschwerdeführer ein ausreichend konkretes Beweisthema nicht angegeben habe. In der Berufung wurde lediglich angemerkt, es werde ein Unterstützungsschreiben seiner engsten Freunde vorgelegt und deren zeugenschaftliche Einvernahme beantragt. Allerdings hat der Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt, zu welchem konkreten Beweisthema die von ihm geltend gemachten Zeugen zu befragen gewesen wären und wozu sie konkret Angaben hätten machen können. Sohin ist das Unterlassen der beantragten Beweisaufnahme nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2012, Zl. 2011/23/0431). Im Hinblick auf das insoweit unsubstantiierte Berufungsvorbringen bestand aber auch sonst für die belangte Behörde keine Veranlassung, weitergehende Erhebungen durchzuführen. Im Übrigen ging die belangte Behörde ohnedies erkennbar von der Richtigkeit des in der Berufung erstatteten Vorbringens aus und legte die in der Berufung enthaltenen Tatsachen - obgleich sie Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens zu den in Österreich lebenden Cousins zum Ausdruck brachte - ihrer Beurteilung zu Grunde.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus den festgestellten Umständen aber nicht ableiten müssen, dass seine Ausweisung aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig sei. Diese Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung) nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen.

Bei der Bewertung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG vor allem auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 2012, Zl. 2010/22/0184, und vom 28. August 2012, Zl. 2010/21/0443, jeweils mwN). Der Beschwerdeführer hat nach unrechtmäßiger Einreise einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestellt und ist nach Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich geblieben. Sein Verhalten widerspricht sohin (auch) dem geltenden Einwanderungsregime. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar.

Es ist zusammengefasst nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher eingeschätzt hat als das gegenläufige der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden. Die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland (allenfalls) verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich noch auf seine frühere politische Tätigkeit verweist und rügt, es sei die Einholung eines "länderkundlichen" Sachverständigengutachtens unterblieben, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob er in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung unterliegt oder ihm die Rückkehr dorthin aus Gründen des Art. 3 EMRK nicht möglich sei, nicht im gegenständlichen Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu klären ist. Dafür stehen eigenständige - vom Beschwerdeführer auch angestrengte - Verfahren zur Verfügung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 2011, Zl. 2009/18/0170, mwN).

Die behauptete Rechtsverletzung liegt nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 12. Dezember 2012

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