VwGH Ra 2017/01/0023

VwGHRa 2017/01/002320.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Dezember 2016, Zl. W163 2130799- 1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; mitbeteiligte Partei: A W K in F), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten A) II. und A) III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18. Dezember 2014 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 7. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt und gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3 Hinsichtlich der Versagung von subsidiärem Schutz führte die Verwaltungsbehörde - soweit für den vorliegenden Fall relevant - aus, der Mitbeteiligte sei ein erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Mann, der seit seiner Geburt in Afghanistan gelebt und jahrelang als Feldarbeiter gearbeitet habe. Jedenfalls würde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in eine der näher genannten Großstädte offen stehen.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG); mit Schriftsatz vom 10. September 2016 zog er die Beschwerde betreffend die Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) zurück und erstattete ein ergänzendes Vorbringen.

5 Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2016 gab das BVwG der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides statt und erkannte dem Mitbeteiligten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt A) II.). Gleichzeitig wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt A) III.) und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

6 Gleichzeitig stellte das BVwG das Verfahren hinsichtlich der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten infolge der diesbezüglichen Beschwerdezurückziehung ein (Spruchpunkt A) I.).

7 Zur Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz führte das BVwG zusammengefasst aus, dass im gegenständlichen Fall unter Berücksichtigung der den Mitbeteiligten treffenden individuellen Umstände "nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen" werden könne, dass der Mitbeteiligte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Die Rückkehr des Mitbeteiligten erscheine daher derzeit unzumutbar. Eine innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in die Hauptstadt Kabul, stehe dem Mitbeteiligten unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstande und des Fehlens eines hinreichend unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks - auch nach Prüfung des Zumutbarkeitskalküls - derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung.

8 Gegen dieses Erkenntnis des BVwG vom 7. Dezember 2016 richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA, welche zu ihrer Zulässigkeit unter anderem ein Abweichen von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt. Das Erkenntnis zeige anhand der getroffenen Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des Mitbeteiligten sowie zur Sicherheits- und Versorgungslage im Hinblick auf eine innerstaatliche Fluchtalternative bloß die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf, nicht aber, dass für den Mitbeteiligten im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 gegeben wäre. Es lägen per se keine exzeptionellen Umstände vor, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative in die Hauptstadt unzumutbar machen würden.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Amtsrevision ist bereits aufgrund des aufgezeigten Abweichens des BVwG von der hg. Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Zuerkennung von subsidiärem Schutz zulässig. Sie ist auch begründet.

11 Der vorliegende Fall gleicht in sachlicher und rechtlicher Hinsicht, somit in seinen entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2017, Ra 2017/01/0016, entschieden wurde. Zur Begründung kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen werden.

12 Ausgehend davon war auch das angefochtene Erkenntnis sowohl im Umfang des Spruchpunktes A) II. als auch im Umfang des Spruchpunktes A) III., da dieser mit der Aufhebung des Spruchpunktes A) II. seine rechtliche Grundlage verliert, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 20. Juni 2017

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