Normen
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der erst- bis sechstangefochtene Bescheid wird jeweils hinsichtlich seines Spruchpunktes I. (Nichtzuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführer/innen Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 6.638,40, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
1. Die Beschwerdeführer/innen sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin, beide sind die Eltern der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer/innen, der Siebentbeschwerdeführer ist der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 6. Juni 2006, die Zweit-, Dritt-, Sechst- und Siebentbeschwerdeführer/innen stellten jeweils am 13. Jänner 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der in Österreich nachgeborene Fünftbeschwerdeführer stellte am 15. März 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Siebentbeschwerdeführer verließen Afghanistan bereits im Jahr 1986 (nach anderen Angaben: 1990) als Minderjährige mit ihren damaligen Familienangehörigen; die Familie lebte bis zu ihrer Flucht nach Österreich im Jänner 2006 im Iran.
Als Fluchtgrund führte der Erstbeschwerdeführer an, er habe als 13jähriger in einer Schlosserei gearbeitet. Als ihn ein Arbeitskollege vergewaltigen wollte, habe er diesen mit einer Eisenstange verletzt. 12 Jahre später habe ihn dessen Bruder im Iran ausfindig gemacht und beschuldigt, dass er seinen Bruder getötet habe. Er habe ihn an seiner Arbeitsstätte belästigt und seine Privatadresse im Iran herausgefunden. Ein weiterer Bruder des Getöteten sei in Afghanistan sehr einflussreich geworden und habe ihm und seiner Familie Rache geschworen. Die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer/innen bezogen sich ebenfalls auf diese Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers.
2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes (BAA) je vom 29. September 2006 wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, der Status des/r subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt und die Beschwerdeführer/innen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.
Begründend führte das BAA aus, die Fluchtgeschichte des Erstbeschwerdeführers sei wegen - näher dargelegter - Widersprüche unglaubwürdig bzw. die behauptete Bedrohung des Erstbeschwerdeführers im Iran nicht plausibel.
3. In den dagegen erhobenen Berufungen der Erst- bis Sechstbeschwerdeführer/innen wurde insbesondere auf die schwierigen Situation von Frauen in Afghanistan hingewiesen und ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr massiven Einschränkungen ausgesetzt sowie mit einem erheblichen Risiko für ihre persönliche Sicherheit und physische Integrität konfrontiert wäre. Es bestehe ein erhöhtes Risiko, Opfer verbaler Attacken, physischer Gewalt und sonstiger Erniedrigungen zu werden. Freie Bewegungsmöglichkeiten, Berufsausübung und ausreichende medizinische Versorgung seien nicht sichergestellt. Es liege daher ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen vor. Der Siebentbeschwerdeführer machte die Verletzung des Grundsatzes der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs geltend.
4. Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) führte am 10. Oktober 2007 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Siebentbeschwerdeführer einvernommen wurden.
Mit Bescheiden des UBAS vom 5. Mai 2008 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer/innen gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, ihnen gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 jeweils der Status des/r subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihnen jeweils gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Die Verweigerung des Asylrechts begründete die belangte Behörde damit, dass die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers zur Bedrohung wegen Blutrache aufgrund zahlreicher - näher dargelegter - Widersprüche und Ungereimtheiten nicht glaubwürdig seien.
Die Zweitbeschwerdeführerin sei zur mündlichen Berufungsverhandlung in westlicher Kleidung und Haartracht erschienen und habe sich in Bezug auf die Situation der Frauen in Afghanistan ablehnend gegenüber den gesellschaftlichen Verhaltensnormen, wie sie dort Frauen betreffen, geäußert. Ergänzend zu den schriftlich erstatteten Berufungsausführungen habe sie (u.a.) in der Berufungsverhandlung geäußert, dass sie im Fall der Rückkehr persönlich unter den in Afghanistan nicht vorhandenen Frauen- und Bürgerrechten leiden würde. Sie würde sich dort nicht frei bewegen, allein außer Haus gehen, arbeiten oder ein normales Leben führen können und müsse sich mit einem "Tschador" verhüllen. Sie wolle aber in Freiheit leben, schreiben und Sprachen lernen.
Dazu führte die belangte Behörde näher aus, den subjektiven Befürchtungen der Zweitbeschwerdeführerin sei "grundsätzlich ... angesichts der Berichtslage nicht entgegenzutreten". Es sei auch im Einklang mit anderen Entscheidungen des UBAS festzustellen, dass ein Sonderfall der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen könne, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpfe. Eine solche geschlechtsspezifische Verfolgung könne auch von nicht staatlichen Akteuren ausgehen. Dass die Situation von insbesondere allein stehenden Frauen in Afghanistan unzumutbar erscheine, dürfe unter den Erkenntnissen, die aus den Lageberichten zu gewinnen seien, offensichtlich seien. Nach Ansicht der belangten Behörde führe jedoch die dargestellte schlechte Situation für Frauen in Afghanistan grundsätzlich (noch) nicht dazu, dass die Verfolgung allein wegen des Geschlechtes drohen müsse. Sonst müsste sämtlichen Frauen Afghanistans allein wegen ihres Geschlechtes bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, was weder beabsichtigt sei noch den Intentionen der Genfer Flüchtlingskonvention entspreche. Die belangte Behörde befinde sich im Einklang mit einem - näher bezeichneten - Urteil des Verwaltungsgerichtes München vom 24. November 2005. Danach können
"afghanische Frauen, die sich länger im (europäischen) Ausland aufgehalten haben und sich an die hiesigen freieren Lebensverhältnisse angepasst haben (sog. 'verwestlichte' Frauen) trotz der in Afghanistan drohenden Einengung ihrer persönlichen Freiheit und der Verschlechterung der Lebensverhältnisse in der Regel keine drohende sog. geschlechtsspezifische Verfolgung erfolgreich geltend machen. Denn anders als in Fällen, die nach mittlerweile überwiegender Meinung (…) allein an das Geschlecht anknüpfen, wie namentlich die Genitalverstümmelung, knüpfen diese drohenden Einschränkungen und durchaus massiven Einschnitte in die in Deutschland erlernte Lebensweise (… die so gesehen mit Österreich vergleichbar ist) nicht allein an das Geschlecht an, sondern bestehen nur dann und insoweit sich die betroffene Frau bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht den dortigen Umgangsformen und Forderungen, die an die Art und Weise, wie sie von Frauen verlangt wird, ihr Leben zu führen, anpasst. Das heißt, dass nicht jede Frau von drohender geschlechtsspezifischer Verfolgung bedroht ist, sondern nur diejenige, die sich den Anforderungen, welche die afghanische Gesellschaft an sie stellt, nicht unterordnet (…). Eine derartige Unterordnung bzw. Anpassung wird aber in der Rechtsprechung von den betreffenden Frauen regelmäßig verlangt (…) Dies folgt daraus, dass es nicht dem Zweck der Vorschriften zur Gewährung von Asyl bzw. von internationalem Schutz entspricht, vor einer vor dem Hintergrund unserer Werteordnung abzulehnenden gesellschaftlichen Situation zu schützen, da die Durchsetzung unserer Grundrechtsordnung nicht Aufgabe des Asylrechts ist (…). Von diesem Grundsatz kann es aber nach Auffassung des Gerichts bei besonderen individuellen Situationen Ausnahmen geben. Denn die dargelegte Auffassung beruht wesentlich auf der Überlegung, dass es einer Frau, die von allgemein in ihrem Heimatland bestehenden Verhältnissen bedroht ist, grundsätzlich zuzumuten ist, sich zumindest im öffentlichen Leben den dortigen Verhältnissen insoweit anzupassen, dass sie Übergriffen und unmenschlicher Behandlung im Wesentlichen entgehen kann. Das setzt aber voraus, dass eine Unterwerfung unter die herrschenden Verhältnisse erstens tatsächlich möglich und geeignet ist, die Bedrohungen wesentlich zu minimieren. Zweitens ist es notwendig, dass tatsächlich eine Zumutbarkeit dieser Anpassung bzw. Unterordnung gegeben sein muss. (…)"
Im vorliegenden Fall handle es sich um eine mit einem aus Afghanistan stammenden Mann verheiratete Frau, die in Teheran ebenfalls strengen Verhaltensnormen bei der Bewegung in der Öffentlichkeit unterworfen gewesen sei. Dass sie wegen dieser Einschränkungen aus dem Iran geflüchtet sei, habe sie nicht behauptet. Im Ermittlungsverfahren seien auch sonst keine besonderen Gründe hervorgekommen, die ihr eine im afghanischen gesellschaftlichen Kontext zu sehende Anpassung gänzlich unzumutbar erscheinen ließen. Sie sei eine verheiratete Frau, die im Familienverband nach Afghanistan ausgewiesen werde und wäre daher möglichen Angriffen während der täglichen Verrichtungen und Bewegung in der Öffentlichkeit schon von daher nicht schutzlos ausgeliefert. Die belangte Behörde könne keine Anhaltspunkte für eine individuell begründete Ausnahme im Sinn des zitierten Urteils des Verwaltungsgerichtes München erkennen.
Im Ergebnis sei es den Beschwerdeführer/innen daher nicht gelungen, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen asylrelevanter Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.
5. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, erkennbar nur gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide) gerichtete Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, der Zweitbeschwerdeführerin hätte wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe weiblicher Staatsangehöriger mit westlicher Lebenseinstellung Asyl gewährt werden müssen. Es sei nicht zumutbar, sich den die Frauen unterdrückenden Verhältnissen in Afghanistan anzupassen, wenn die westliche Lebensführung zur Überzeugung geworden sei. Die bei Überschreiten der Beschränkungen für Frauen indirekt resultierenden Repressalien durch Private, denen vom Staat kein Einhalt geboten werden könnte, seien so massiv, dass sie die Flüchtlingseigenschaft begründen.
Damit ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht:
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
2. Aufgabe des Asylrechts ist es daher, Menschen, die aus politischen, religiösen, ethnischen Gründen oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung erfahren, (internationalen) Schutz zu gewähren. Dabei spielt es - abgesehen von den Fällen des Art. 1 Abschnitt F FlKonv - keine Rolle, ob und inwieweit ein Asylwerber die Verfolgung selbst "verschuldet" hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 2004, Zl. 2001/20/0573, mwN).
3. Irrelevant ist auch, ob die Verfolgung vom Staat oder von Privaten ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt allerdings einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der FlKonv genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2008, Zl. 2006/01/0191, mwN).
4. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen "Verfolgung" im Sinne der FlKonv aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2003, Zl. 99/20/0126, vom 6. Mai 2004, Zl. 2001/20/0256 sowie zuletzt vom 27. April 2011, Zl. 2008/23/0124, jeweils mwN).
5. Ausgehend von diesen Erwägungen kommt es - im Hinblick auf die gegenständliche Problemstellung - demnach aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich ein Asylwerber den gesellschaftlichen Normen seines Heimatstaates anzupassen hat oder nicht. Eine solche Beurteilung liefe nämlich darauf hinaus, einem Asylwerber, der zur Anpassung nicht bereit ist, Asyl - entgegen der zitierten hg. Rechtsprechung - wegen Eigenverschuldens an einer Verfolgung nicht zuerkennen zu wollen. Die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten hängt vielmehr davon ab, mit welchen Konsequenzen der Asylwerber aufgrund seiner Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese nach der oben zitierten hg. Rechtsprechung als "Verfolgung" anzusehen sind.
6. In Bezug auf die Situation von Frauen in Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof dazu bereits in seinem Erkenntnis vom 16. Jänner 2008, Zl. 2006/19/0182 auf eine diesbezügliche Stellungnahme des UNHCR vom Juli 2003 und die Indizwirkung entsprechender Empfehlungen verwiesen, wonach unter anderem afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen (oder dies tatsächlich tun) bei einer Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden sollten. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen.
7. Daraus ergibt sich fallbezogen, dass der Zweitbeschwerdeführerin Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommene oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung im oben dargestellten Sinn droht.
8. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, dass eine Asylgewährung an die Zweitbeschwerdeführerin schon deshalb nicht in Betracht komme, weil ihr eine Anpassung an die Lebensverhältnisse von Frauen in Afghanistan zumutbar sei, hat es die belangte Behörde unterlassen, konkrete Feststellungen zur ("westlichen") Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin im Entscheidungspunkt zu treffen und ihr diesbezügliches Vorbringen (unter Würdigung ihres aktenkundigen Auftretens) einer Prüfung zu unterziehen. Das Argument der belangten Behörde, dass eine relevante Änderung der Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin deshalb nicht anzunehmen sei, da sie viele Jahre im Iran gelebt und dort offensichtlich keinerlei Probleme mit der erwarteten Unterordnung gehabt habe, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da damit nicht ausgeschlossen ist, dass die Zweitbeschwerdeführerin erst im Zuge ihres Aufenthaltes in Österreich einen anderen - eben "westlichen" - Lebensstil angenommen hat. Auf der Basis konkreter Feststellungen zur aktuellen Lebensweise der Zweitbeschwerdeführerin hätte die belangte Behörde - unter Heranziehung von aktuellen Länderberichten - sodann die zu erwartenden Reaktionen auf die von ihr angestrebte Lebensweise in Afghanistan prüfen müssen.
9. Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den zweitangefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
10. Dieser Umstand schlägt im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auch auf den Erst- sowie die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer/innen durch (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2011, Zl. 2011/01/0051, mwN). Die betreffenden Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG ebenfalls wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft hinsichtlich des Siebentbeschwerdeführers, der nicht Familienangehöriger im Sinne des § 2 Z 22 AsylG 2005 ist, keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.
Wien, am 6. Juli 2011
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