EGMR 6Ob149/01g (RS0115541)

EGMR6Ob149/01g5.7.2001

Rechtssatz

Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen, weil sich Politiker unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen. Politiker müssen daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen, besonders wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen. Dieser Grundsatz gilt - im Sinne der neuesten Rechtsprechung des EGMR (Susanne Jerusalem gegen Österreich, MR 2001,89) - aber auch für Privatpersonen und private Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne (die Arena der politischen Auseinandersetzung) betreten.

Normen

ABGB §1330 A
ABGB §1330 BI
MedienG §6 Abs1
MRK Art10 Abs2 IV4b
StGB §111 Abs1

6 Ob 149/01gOGH05.07.2001

Veröff: SZ 74/117

6 Ob 176/01bOGH27.09.2001

Auch

6 Ob 168/01aOGH27.09.2001

Auch; Beisatz: Die Zeitschrift der Kläger hat durch die nicht gerade zimperliche Darstellungsweise des im Bericht massiv angegriffenen Politikers selbst die Kritik des Beklagten ausgelöst. Die Kläger, Medieninhaber, Herausgeber und Chefredakteure des die Kritik provozierenden Mediums müssen sich daher einen höheren Grad an Toleranz gegenüber der Kritik des angegriffenen politischen Gegners zurechnen lassen. Nach diesen Gesichtspunkten überschreitet die Kritik des Beklagten nicht den Rahmen des in einem politischen Meinungsstreit Zulässigen. (T1)

6 Ob 191/01hOGH27.09.2001

Auch; Beis wie T1

6 Ob 313/02aOGH23.01.2003
6 Ob 56/03hOGH20.03.2003

Auch

6 Ob 250/03pOGH19.02.2004

Beis wie T1; Beisatz: Politiker müssen einen höheren Grad an Toleranz zeigen, vor allem dann, wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen, wie etwa dann, wenn der Verletzte durch eine herabsetzende und provokante Schreibweise selbst die Kritik seines Werkes ausgelöst hat. (T2)<br/>Beisatz: Hier: "Enthüllungsjournalist"-Verdächtigungen gegen FPÖ-Funktionäre. (T3)

6 Ob 273/05yOGH26.01.2006

Beisatz: Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung. Hier: Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen jemand eines verwerflichen Verhaltens - des „Durchdrehens" und der Verschleuderung von Gemeindevermögen - bezichtigt wird. (T4)

6 Ob 245/04dOGH16.02.2006

Beisatz: Hier: Journalist. (T5)

6 Ob 159/06kOGH12.10.2006

Auch; nur: Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen, weil sich Politiker unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen. Politiker müssen daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen, besonders wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen. (T6)<br/>Beisatz: Hier: Inserat in einer Faschingszeitung im Zuge einer politischen Auseinandersetzung. (T7)

6 Ob 250/06tOGH30.11.2006

Auch; nur T6; Beisatz: Hier: Behauptung erfolgte im Rahmen eines öffentlich geführten und den Lesern der Website zweifellos bekannten Meinungsstreits über Sinn und Zweck von Tiergärten. (T8)

6 Ob 79/07xOGH21.06.2007

Beisatz: Hier: In Artikeln von Branchenzeitungen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen zwei Medieninhabern. (T9)

6 Ob 258/07wOGH24.01.2008

Beisatz: Hier: Vorwurf gegen einen Landeshauptmann, Beihilfe zur Vertuschung geleistet zu haben. (T10)

6 Ob 285/07sOGH10.04.2008

Auch; Beisatz: Hier: Vorwurf in Zeitungsartikel, dass Pädagogen auf Weisung orange Flugblätter während des Unterrichts austeilen mussten und dadurch der parteipolitische Missbrauch auf die Spitze getrieben würde und dies ein diktatorisches Verhalten wäre. (T11)

6 Ob 110/08gOGH07.07.2008

Vgl; Beisatz: Hauptverfahren zum Provisorialverfahren 6 Ob 159/06k mit Bezugnahme auf die Entscheidung MR 2007, 419 (Lindon und Otchakovsky-Laurens/Frankreich) des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. (T12)

6 Ob 218/08iOGH15.01.2009

Beisatz: Der von den Vorinstanzen angenommene Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Beklagten, dieser habe den Klägern den Vorwurf der Beteiligung an einer strafbaren Handlung, nämlich der verdeckten Parteienfinanzierung, gemacht, überschreitet insbesondere dann die Auslegungsgrenzen, wenn - wie dargestellt - von Politikern (wozu auch der Erstkläger gehört) ein größeres Maß an Toleranz verlangt wird. Ein massiver Wertungsexzess liegt jedenfalls nicht vor. (T13)

6 Ob 62/09zOGH02.07.2009

Beisatz: Hier: Amtsmissbrauchsvorwürfe gegenüber dem Bürgermeister einer Gemeinde im Zusammenhang mit einer Bauverhandlung. (T14)

Bsw 26958/95EGMR27.02.2001

Vgl; Veröff: NL 2001,52

Bsw 29032/95EGMR12.07.2001

Vgl; nur T6; Veröff: NL 2001,149

Bsw 65924/01EGMR09.10.2003

Vgl auch; nur T6; Veröff: NL 2003,253

Bsw 49418/99EGMR20.07.2004

Vgl; nur T6; Veröff: NL 2004,188

Bsw 46572/99EGMR28.09.2004

Vgl; Veröff: NL 2004,228

Bsw 53678/00EGMR16.11.2004

Veröff: NL 2004,289

Bsw 49017/99EGMR17.12.2004

Beisatz: Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass Beamte sich im selben Maße bewusst einer strengen Beobachtung ihrer Worte und Taten unterwerfen wie Politiker. (T15)<br/>Veröff: NL 2005,10

Bsw 58547/00EGMR27.10.2005

nurT6; Veröff: NL 2005,246

Bsw 66298/01EGMR13.12.2005

Veröff: NL 2005,298

4 Ob 132/09dOGH20.10.2009

Vgl; Beisatz: Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern sind erheblich weiter gezogen als bei Privatpersonen. Dieser Grundsatz gilt auch für Privatpersonen und private Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne betreten. (T16)

Bsw 13071/03EGMR02.11.2006

Vgl; nur T6

Bsw 19710/02EGMR02.11.2006

Vgl; nur T6; Veröff: NL 2006,291

6 Ob 128/10gOGH17.11.2010

Vgl; Beisatz: Dem Beklagten darf nicht das Risiko der Unrichtigkeit der Medienberichterstattung auferlegt werden. (T17)<br/>Beisatz: Anderes gilt naturgemäß für den Fall, dass dem Äußernden die Unrichtigkeit der Berichterstattung bekannt war oder leicht erkennbar war. (T18)

Bsw 68354/01EGMR25.01.2007

nur T6; Veröff: NL 2007,19

Bsw 3138/04EGMR25.01.2007

nur T6; Beisatz: Vorwurf der Zerstörung des Gesundheitssystems und Bezeichnung als „technischer Wunderwuzzi“ im Zuge einer politischen und öffentlichen Debatte über die Zukunft der Landeskrankenanstalten. (Arbeiter gegen Österreich) (T19)<br/>Veröff: NL 2007,23

Bsw 21279/02EGMR22.10.2007

nur T6; Veröff: NL 2007,261

8 ObA 51/10yOGH22.03.2011

Vgl auch

Bsw 78060/01EGMR14.10.2008

Veröff: NL 2008,287

15 Os 81/11tOGH29.06.2011

Vgl auch

15 Os 106/10tOGH29.06.2011

Auch; Beisatz: Im Rahmen politischer Auseinandersetzungen und bei „Public Figures“ genügt bereits ein „dünnes Tatsachensubstrat“ für die Zulässigkeit einer Wertung, siehe RS0127027. (T20)

6 Ob 114/11zOGH18.07.2011

Auch

6 Ob 216/11zOGH13.10.2011

Auch

Bsw 34438/04EGMR16.04.2009

Vgl; Beis: Die Situation einer verurteilten Straftäterin ist nicht mit der einer Person vergleichbar, die sich in ihrer Rolle als Politiker, als eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens oder als Teilnehmer an einer im allgemeinen Interesse gelegenen öffentlichen Debatte der Öffentlichkeit aussetzt. (Egeland und Hanseid gegen Norwegen) (T21)<br/>Veröff: NL 2009,104

Bsw 5380/07EGMR01.12.2009

Auch; nur T1; Beisatz: Dies gilt auch für Wissenschafter, die sich als Autoren von Beiträgen in Tageszeitungen an einer öffentlichen Debatte beteiligen. (Karsai gegen Ungarn) (T22)<br/>Veröff: NL 2009,346

6 Ob 243/11wOGH22.06.2012
Bsw 20928/05EGMR30.03.2010

Vgl auch; Veröff: NL 2010,109

Bsw 17265/05EGMR06.05.2010

Auch; Beisatz: Dies gilt auch für Wissenschafter, die ihre Ideen und Überzeugungen in Vorträgen öffentlich machen. (Brunet Lecomte und Lyon Mag gg. Frankreich) (T23)<br/>Veröff: NL 2010,147

Bsw 37520/07EGMR06.07.2010

Auch; Beisatz: Die Vertreterin einer NGO, die deren Ziele öffentlich fördert und über Jahre in den Medien präsent ist, kann nicht als völlig private Person angesehen werden, auch wenn sie nicht in die Gruppe der Personen des öffentlichen Lebens fällt. (Niskasaari u.a. gg. Finnland) (T24)<br/>Veröff: NL 2010,215

6 Ob 162/12kOGH15.10.2012

Beisatz: Im Sinne der angeführten Grundsätze müssen auch Medieninhaber, Herausgeber und Chefredakteure des die Kritik provozierenden Mediums sich einen höheren Grad an Toleranz gegenüber der Kritik des angegriffenen politischen Gegners zurechnen lassen. (T25)<br/>Beisatz: Art 10 MRK schützt nicht nur stilistisch hochwertige, sachlich vorgebrachte und niveauvoll ausgeführte Bewertungen, sondern jedwedes Unwerturteil, dass nicht in einem Wertungsexzess gipfelt. (T26)<br/>Beisatz: Hier: „journalistischer Bettnässer“. (T27)

Bsw 2034/07EGMR15.03.2011

nur: Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen, weil sich Politiker unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen. (T28)<br/>Veröff: NL 2011,78

Bsw 18990/05EGMR05.07.2011

nur: Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen. (T29)<br/>Veröff: NL 2011,208

Bsw 34702/07EGMR10.01.2012

Vgl auch; Beisatz: Ein Mitglied der Treasury-Abteilung einer Bank ist keine Figur des öffentlichen Lebens. (Standard Verlags GmbH gg. Österreich [Nr. 3]) (T30)<br/>Veröff: NL 2012,3

Bsw 33497/07EGMR17.01.2012

Vgl auch; Beisatz: Dadurch, dass eine Person Opfer einer strafbaren Handlung wurde, die beachtliche Aufmerksamkeit auf sich lenkt, betritt sie nicht die öffentliche Bühne. (Krone Verlag GmbH & Co KG und Krone Multimedia GmbH & Co KG gg. Österreich und Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH gg. Österreich) (T31)<br/>Veröff: NL 2012,28

Bsw 27306/07EGMR19.06.2012

Auch; nur T16; Beisatz: Eine Person betritt nicht dadurch die Bühne des öffentlichen Lebens, dass sie Opfer eines Sorgerechtsstreits wird, der erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erregt. (Krone Verlag GmbH gg, Österreich und Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH gg. Österreich [Nr. 2]) (T32)<br/>Veröff: NL 2012,187

Bsw 46443/09EGMR10.07.2012

Auch; Beisatz: Das gilt auch für einen Geschäftsmann, der in einem umstrittenen Geschäftsfeld (hier: Striptease-Klubs) tätig wird. (Björk Eidsdottir gg. Island) (T33)<br/>Veröff: NL 2012,237

6 Ob 17/15sOGH19.02.2015

Auch; Beis ähnlich wie T13

Bsw 26118/10EGMR14.03.2013

nur T6; Beisatz: Hier: Verurteilung wegen Hochhaltens eines Plakats mit der Aufschrift „Verzieh dich, armer Idiot“ („casse toi pov’con“) bei einem Besuch des französischen Staatspräsidenten verletzt Art 10 MRK. (Eon gg. Frankreich) (T34)<br/>Veröff: NL 2013,98

Bsw 73579/10EGMR14.01.2014

Vgl auch; nur T28; Veröff: NL 2014,48

Bsw 20981/10EGMR17.04.2014

Vgl auch; Beis wie T2; Veröff: NL 2014,130

Bsw 5709/09EGMR17.04.2014

Vgl auch; Beis wie T16; Veröff: NL 2014,132

6 Ob 52/16iOGH24.10.2016

Auch; nur T28

6 Ob 194/16xOGH24.10.2016

Auch; Beisatz: Auch die Ärztekammer kann als in der Öffentlichkeit auftretende gesetzlich eingerichtete Interessenvertretung durchaus als „politische Akteurin“ angesehen werden. (T35)

6 Ob 244/16zOGH22.12.2016

Auch; nur T28

Bsw 48311/10EGMR10.07.2014

Auch; nur: Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes sind im Allgemeinen weiter gesteckt als bei Privatpersonen, weil sich Politiker unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen. Politiker müssen daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen. (T36)<br/>Veröff: NL 2014,318

6 Ob 66/16yOGH29.11.2016

Beisatz: Die Rechtsprechung des EGMR versteht unter Politiker auch Vereine, die sich allgemeinen politischen Zielsetzungen verschrieben haben. Entscheidend ist die Teilnahme an der politischen Debatte. (T37)

Dokumentnummer

JJR_20010705_OGH0002_0060OB00149_01G0000_001

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