OGH 6Ob17/15s

OGH6Ob17/15s19.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr.G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. T***** S*****, und 2. F***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. A***** K*****, vertreten durch Gheneff ‑ Rami ‑ Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2014, GZ 4 R 171/14t‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00017.15S.0219.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Der Erstkläger ist Alleinvorstand der zweitklagenden Aktiengesellschaft. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von HochschülerInnenschaften gehalten. Die Zweitklägerin unterliegt der Rechnungshofkontrolle.

Für das Jahr 2012 wurden dem Erstkläger von der Zweitklägerin an Entgelten für seine Tätigkeit als Alleinvorstand insgesamt 458.600 EUR brutto ausbezahlt.

Der Beklagte ist Politiker und Abgeordneter zum Nationalrat. Er erklärte bei einer Pressekonferenz, er werde den Erstkläger „wegen Untreue anzeigen“. Er begründete dieses Vorhaben damit, dass der Erstkläger nach Meinung des Beklagten „völlig überhöhte Entgelte“ bezogen habe.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Unterlassung und Widerruf der Äußerung, der Erstkläger habe als Vorstand der Zweitklägerin den Tatbestand der gerichtlich strafbaren Untreue begangen, gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht führte aus, dem Beklagten könne ein konkreter Untreue-Tatvorwurf, der sich aus den Tatsachenbehauptungen ableite, nicht unterstellt werden. Vielmehr beschränke sich seine Äußerung nach dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für den unbefangenen Durchschnittsleser oder ‑hörer schlicht darauf, dass ihm die Bezüge des Erstklägers aufgrund ihrer besonderen Höhe strafrechtlich überprüfenswert erschienen. Es gehe somit nicht um einen konkreten Tatvorwurf, sondern um das durch Fakten gerade nicht fassbare Unverständnis, wie ein solches Einkommen rechtens sein könne. Sowohl dessen Bezeichnung als überhöht als auch dessen Beurteilung als anzeigewürdig seien demnach Wertungen, die der Beklagte erkennbar auf eine einzige Tatsache gestützt habe, nämlich die Bezugshöhe. Dass diese (etwa auch unter Berücksichtigung der vom Erstgericht aufgezeigten Umstände wie etwa, dass das Gehalt des Erstklägers deutlich über dem Gehalt des österreichischen Bundespräsidenten liege und dass sich die Aktionärinnen der zweitklagenden Partei größtenteils durch „öffentliche Mittel“, nämlich die Beiträge der Studierenden, finanzierten) aus Sicht der Öffentlichkeit hinterfragenswerte Ausmaße erreicht habe, liege auf der Hand. Die inkriminierten Schlüsse basierten somit auf einer ausreichend tragfähigen wahren Tatsachengrundlage und erschienen im Licht des Grundrechts auf Meinungsäußerungsfreiheit, dem in einer demokratischen Gesellschaft hoher Stellenwert zukomme, nicht als exzessiv.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien ist unzulässig.

Die Frage,

welcher Bedeutungsinhalt einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, die Verbreitung einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines Werturteils handelt, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (RIS‑Justiz RS0079395 [T3]; RS0031815). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (RIS‑Justiz RS0031883 [T6]; RS0031815). Die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass dabei erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht zu beantworten sind (RIS‑Justiz RS0107768, 6 Ob 245/11i mwN, 6 Ob 51/14i).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist im Licht der Rechtsprechung durchaus vertretbar.

Soweit sich die Revisionswerber auf eine abweichende Beurteilung eines ähnlichen Sachverhalts nach dem Mediengesetz durch einen Strafsenat des Oberlandesgerichts Wien beziehen, ist Folgendes auszuführen: Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung verschiedener Spruchkörper eines Gerichts über eine bestimmte Frage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts wirft nur insoweit eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, als nicht die Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen Beurteilungsspielraum eröffnen. Sind auf deren Grundlage auch unterschiedliche Entscheidungen denkbar, muss eine dieser Entscheidungen nicht zwangsläufig auf einer erheblichen Verkennung der Rechtslage beruhen (RIS‑Justiz RS0116241). Überdies sind die Ansprüche nach dem Mediengesetz und nach § 1330 ABGB unterschiedlicher Rechtsnatur, sodass bei abweichender Beurteilung der beiden Ansprüche in zwei verschiedenen Verfahren vom Vorliegen einer divergierenden Judikatur keine Rede sein kann (RIS‑Justiz RS0116241 [T2]). Schließlich liegt (noch) keine rechtskräftige Verurteilung nach § 6 Mediengesetz vor, die zu einer Bindung der Zivilgerichte führen würde (RIS‑Justiz RS0043494).

Entgegen der Behauptung der Revisionswerber existiert einschlägige und mit dem vorliegenden Fall vergleichbare jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, inwiefern das Äußern eines Tatverdachts ehrenbeleidigend und kreditschädigend ist (6 Ob 218/08i; RIS‑Justiz RS0102056). Das Ergebnis der Vorinstanzen steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung.

Zudem besteht nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung keine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers in der Richtung, die vorliegenden Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen. Dies würde dem öffentlichen Interesse, den Behörden Kenntnis von

strafbaren Handlungen zu verschaffen, widersprechen. Es genügt daher grundsätzlich das Vorliegen nicht offenkundig bereits widerlegter Verdachtsgründe für die Annahme, dass eine Strafanzeige nicht wider besseres Wissen und somit rechtmäßig erstattet wurde (RIS‑Justiz RS0031957).

Entscheidungsrelevante Feststellungsmängel liegen nicht vor.

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