OGH 6Ob285/07s

OGH6Ob285/07s10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden, durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Jörg H*****, vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte KEG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2007, GZ 6 R 175/07p-9, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. August 2007, GZ 24 Cg 67/07w-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.478,10 EUR (darin 246,35 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 2.231,80 EUR (darin 177,30 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Landeshauptmann von K*****, Präsident des K***** Landesschulrats und Landesparteiobmann der politischen Partei „Die F***** - B*****". Dieser Partei - sie tritt unter der Farbe Orange auf - gehört auch Landesrat Uwe S***** an. Im März 2007 übermittelte der Kläger Briefe nachstehenden Inhalts an K***** Schuldirektoren der Bezirke K*****, K***** und S*****:

„In meiner Funktion als Präsident des Kärntner Landesschulrates und aufgrund der aktuellen Diskussion zum Thema Politikverdrossenheit bei den jungen Menschen möchte ich gerne Schülerinnen und Schüler Ihrer Schule zu einer Diskussionsrunde, unter dem Motto „Deine Meinung zählt - Jugend meets Jörg" am

Dienstag, 20. März 2007, 18.00 Uhr

in die Cine City K*****, Saal 1 einladen.

Am 20. März stehen den SchülerInnen Gratis-Shuttlebusse für die Hin- und Rückfahrt von der Innenstadt zum Kino und wieder retour zur Verfügung.

Darf ich Sie ersuchen, alle Schülerinnen und Schüler in Ihrer Schule zu informieren, damit sie bis zum 19. März eine Rückmeldung geben können, wer an der Veranstaltung teilnehmen möchte (E-Mail an:

servicestelle@ktn.gv.at oder telefonisch bei der Servicestelle des Landes K**** *****).

Ich freue mich auf zahlreiches Kommen der Schülerinnen und Schüler und sehe einer konstruktiven und offenen Diskussion zu den Themen, welche ihnen wichtig sind, erwartungsvoll entgegen. Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jörg H*****

Landeshauptmann"

Ein Brief gleichen Inhalts (mit anderem Veranstaltungsort) erging an

alle Direktoren des Bezirks S*****.

Beiden Schreiben war ein Flyer in der Größe eines halben DIN A4-Blattes angeschlossen. Er zeigt den Kläger und den B*****-Landesrat Uwe S***** in einer Gruppe Jugendlicher unter der Überschrift „Deine Meinung zählt! Jugend meets Jörg", und darunter „Einladung zur Jugenddiskussion mit Landeshauptmann Jörg H***** und anschließender Kinogala 'Mitten ins Herz' mit Hugh Grant". Darunter finden sich Veranstaltungsort und -datum, sowie der Hinweis „Für alle Schüler bis zum vollendeten 18. Lebensjahr." Der Hintergrund ist in weiten Teilen in oranger Farbe gestaltet, die einzelnen Mitteilungsblöcke sind durch orange Streifen über- und unterstrichen. Ein weiteres, dem Schreiben an die Direktoren beigelegtes Beiblatt enthält unter der Überschrift „Diskussionsrunde zum Thema „Deine Meinung zählt - Jugend meets Jörg" Ort und Zeit der Veranstaltung und ihr Programm, eine eineinhalbstündige „Diskussion mit Landeshauptmann Dr. Jörg H*****" und nach „Ende des offiziellen Teils" ein (näher bezeichnetes) „Kinohighlight".

Für „Anmeldung und Rückfragen" bis zu einem genau bezeichneten Termin ist die „Servicestelle des Landes K***** Tel.: ***** oder s***** angegeben.

Über den ersten in S***** stattgefundenen Termin wurde auch auf der Website der politischen Partei B***** berichtet; Folgeveranstaltungen wurden angekündigt.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der „N*****". In deren Ausgabe vom 21. 3. 2007 erschien im redaktionellen Teil unter der Überschrift „Lehrer als B*****-Handlanger" ein Artikel nachstehenden Inhalts:

„Lehrer als B*****-Handlanger

Auf Weisung (!) mussten Pädagogen orange Flugblätter während des Unterrichts austeilen. Mobilisierung der 16-jährigen Wählerschicht?

Die Ironie ist perfekt: Da empörte sich gestern B*****-Landesschulrat Uwe S***** über den „parteipolitischen Missbrauch von Schulen durch die ÖVP" - während seine eigene Partei den Missbrauch auf die Spitze trieb. In den Klagenfurter Berufsschulen wurden nämlich die Lehrer per Weisung (!) angehalten, B*****-Handlanger zu spielen und Flugblätter an die Schüler zu verteilen.

Empörte Pädagogen wandten sich daraufhin an die KTZ: 'Stapelweise wurden diese Karten in die Schule getragen und wir Lehrer werden vor dem orangen Karren gespannt. Das ist ein diktatorisches Verhalten.'

Der Schluss liegt nahe: Jörg H***** & Co haben die neue, junge Wählerschicht entdeckt - und machen kräftig mobil für die Umwerbung der 16-jährigen Jungwähler: Egal ob's auf (gesetzlich verankertem) parteipolitisch freiem Schulboden ist."

Im Artikel wurde der eingangs beschriebene Flyer in den Originalfarben mitabgedruckt. Darunter findet sich der Text: „K***** Jugend sollte gestern Abend die (orange) Politik treffen: Stapelweise flatterten Einladungskarten in die K***** Schulen". Der Kläger begehrt, der Beklagten aufzutragen, es zu unterlassen, die wörtliche und/oder sinngemäße Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, dass Pädagogen auf Weisung orange Flugblätter während des Unterrichts austeilen mussten und dadurch der parteipolitische Missbrauch auf die Spitze getrieben würde und dies ein diktatorisches Verhalten wäre. Er begehrt ferner den Widerruf der Behauptung, dass Pädagogen auf Weisung orange Flugblätter während des Unterrichts austeilen mussten, gegenüber den Lesern der „N*****" und die Veröffentlichung dieses Widerrufs. Die beanstandeten Behauptungen seien unwahr, ehrenbeleidigend und kreditschädigend. Eine Weisung habe es nicht gegeben, die Schuldirektoren seien lediglich ersucht worden, die Schüler zu informieren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Ihr Artikel sei in seinem Kern wahr, die Kritik an der Vorgangsweise des Klägers berechtigt. Der vom Kläger in seiner Funktion als Präsident des K***** Landesschulrats verfasste Brief komme einer Weisung gleich. Der Kläger habe seine parteipolitische Funktion in den Mittelpunkt der Veranstaltung gestellt, obgleich Werbung für parteipolitische Veranstaltungen im Schulbereich verboten sei. Die Bewerbung einer einseitig politisch besetzten Diskussionsveranstaltung in einer Schule sei von öffentlichem Interesse, weshalb die Grenzen der zulässigen Kritik auch weiter gezogen werden müssten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wenngleich die Schreiben des Klägers keine Weisung im eigentlichen Sinn enthielten, so würde doch die überwiegende Mehrzahl der Schuldirektoren bei einer derartigen Formulierung davon ausgehen, dass dem Ersuchen jedenfalls zu entsprechen sei, sodass vom Ergebnis her der Ausdruck „Weisung" als gerechtfertigt angesehen werden müsse. Der Vorwurf diktatorischen Verhaltens sei zu relativieren und - als nicht überzogene Wertung - so zu lesen, dass er sich aus Sicht der Pädagogen auf die vom Kläger beabsichtigte Durchführung seiner Weisung beziehe.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Artikel enthalte die unrichtige Tatsachenbehauptung, der Kläger habe eine Weisung erteilt, Flugblätter während des Unterrichts auszuteilen. Er gebe das Schreiben des Klägers mit seinem Ersuchen an die Lehrerschaft nicht einmal auszugsweise wieder, sodass sich der angesprochene Leser kein Bild des tatsächlichen Geschehensablaufs machen könne. Mangels Tatsachensubstrats könne nicht von einer zulässigen Wertung ausgegangen werden. Davon abgesehen sei der Vorwurf diktatorischen Verhaltens ein unzulässiger Wertungsexzess, weil unter einem Diktator eine Person zu verstehen sei, die ihre Herrschaft mit Gewalt und Zwang ausübe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil wie auch zur Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik im Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung unbeachtet gelassen hat; sie ist auch berechtigt.

1. § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen und ihren Ruf. § 1330 Abs 1 ABGB erfasst Ehrenbeleidigungen, die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können; Abs 2 erfasst hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile. Eingriffe in das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht auf Ehre können durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Die Beurteilung erfordert jeweils eine Abwägung der Interessen des Klägers am Rechtsgut der Ehre gegenüber den Interessen des Äußernden und demjenigen der Allgemeinheit (SZ 64/36; 6 Ob 321/04f; 6 Ob 79/07x). Für die Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung einerseits und zulässiger Kritik und Werturteil andererseits ist die Art der eingeschränkten Rechte, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, der Grad der Schutzwürdigkeit des Interesses aber auch der Zweck der Meinungsäußerung entscheidend (SZ 61/210; 6 Ob 79/07x = MR 2007, 250). Der Oberste Gerichtshof hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht der freien Meinungsäußerung einen hohen Stellenwert zuerkannt. Solange bei wertenden Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden, wird auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, als zulässig beurteilt (SZ 71/96 mwN; 6 Ob 321/04f; RIS-Justiz RS0054817). Selbst überspitzte Formulierungen und massive Kritik sind hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (stRsp 6 Ob 245/04d = MR 2006, 191; 6 Ob 159/06k; 6 Ob 250/06t).

2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legt zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Interesses der Öffentlichkeit an der Diskussion von Fragen allgemein-öffentlichen Interesses einen großzügigen Beurteilungsmaßstab an (EGMR vom 26. 2. 2002 - unabhängige Initiative Informationsvielfalt in Österreich MR 2002, 149; EGMR vom 26. 2. 2002 - Dichand gegen Österreich = MR 2002, 84; EGMR vom 13. 11. 2003 - Scharsach und News Verlagsgesellschaft

gegen Österreich = ÖJZ 2004/17; EGMR vom 2. 11. 2006 - Standard

Verlags GmbH und Krawagna-Pfeifer gegen Österreich = MR 2007, 23).

Der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern weiter als bei Privatpersonen zu ziehen sind (MR 1997, 196 - Oberschlick II; MR 2001, 89 - Jerusalem; zuletzt EGMR vom 25. 1. 2007, No 2138/04 - Arbeiter gegen Österreich) hat sich der Oberste Gerichtshof

angeschlossen (6 Ob 245/04d = MR 2006, 191; 6 Ob 159/06k; 6 Ob 79/07x

= MR 2007, 250).

3. Ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck eines unbefangenen Durchschnittsadressaten (stRsp RIS-Justiz RS0031883). Gleiches gilt für die Frage, welcher Bedeutungsinhalt einer Äußerung entnommen wird und ob sie danach richtig oder unrichtig ist. Sie ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier einem durchschnittlich verständigen und am politischen Geschehen interessierten Leser des Beitrags - bei unbefangener Auslegung verstanden wird (stRsp RIS-Justiz RS0031815 und RS0115084). Wesentlich ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 295/03f = MR 2005, 371 mwN; 6 Ob 250/06t; 6 Ob 79/07x).

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil. Bei Beurteilung der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit misst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Zusammenhang mit Werturteilen am Vorhandensein eines ausreichenden und richtigen Tatsachensubstrats (MR 2005, 86; MR 2005, 465). Er prüft auch im politischen Meinungsstreit, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (MR 2002, 84; MR 2002, 149). Dem ist der Oberste Gerichtshof gefolgt (6 Ob 250/06t; 6 Ob 79/07x).

4. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so sind Unterlassungs- und Widerrufsbegehren des Klägers nicht berechtigt.

4.1. Der Kläger beanstandet die im Medium der Beklagten wiedergegebenen Behauptungen, Lehrer würden per Weisung angehalten, orange Flugblätter während des Unterrichts auszuteilen, damit werde der parteipolitische Missbrauch auf die Spitze getrieben, das sei diktaktorisches Verhalten.

Diese Behauptungen finden sich in einem Bericht, der sich mit der Einladung von Schülern im Alter von bis zu achtzehn Jahren zu einer Diskussionsveranstaltung mit dem Kläger befasst. Der Kläger hatte in seiner Funktion als Präsident des Landesschulrats für K***** veranlasst, dass das Programm dieser Veranstaltung und die Einladungskarten (Flyer) im Wege der Schuldirektoren und Lehrer in den Schulen ausgeteilt werden. Der Bericht in der Tageszeitung der Beklagten richtete sich an am politischen Geschehen interessierte Leser. Er druckte die Einladungskarte (den Flyer) in seiner farblichen Gestaltung mit ab. Der parteipolitische Hintergrund der unter der Überschrift „Deine Meinung zählt! Jugend meets Jörg" angekündigten Veranstaltung steht aus Sicht des Lesers der Einladung (des Flyers) außer Zweifel. Darin wird zwar als Diskussionspartner der Kläger in seiner Eigenschaft als Landeshauptmann angeführt. Der breiten Öffentlichkeit ist der Kläger aber auch in seiner Funktion als Landesparteiobmann der politischen Partei „Die F***** - B*****" bestens bekannt. Zudem wurde zugleich mit ihm der in der Öffentlichkeit gleichfalls bekannte B*****-Landesrat Uwe S***** abgebildet. Als Hintergrundfarbe und zur Hervorhebung einzelner Inhalte durch Unterstreichungen wurde die für die politische Partei B***** charakteristische Farbe Orange gewählt. Der Betrachter konnte daher unschwer den Eindruck einer parteipolitischen Veranstaltung für Jungwähler gewinnen. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass die politische Partei B***** auf ihrer Website über die erste dieser Veranstaltungen berichtete.

Der eingangs beschriebene Flyer war dem Schreiben des Klägers an die Schuldirektoren mehrerer Bezirke des Landes angeschlossen. In diesem Schreiben berief sich der Kläger auf seine Funktion als Präsident des K***** Landesschulrats und „ersuchte" in dieser Funktion die Schuldirektoren, die Schüler zu informieren, „damit sie (gemeint die Direktoren) bis zum 19. März eine Rückmeldung geben können, wer an der Veranstaltung teilnehmen möchte".

Der Auffassung des Klägers, er habe in diesem Schreiben keine Weisung erteilt, sondern nur ein Ersuchen an die Schuldirektoren gerichtet, ist entgegenzuhalten, dass die Formulierung „ich ersuche Sie" im amtlichen Schriftverkehr zwischen über- und untergeordneter Dienststelle regelmäßig eine Anordnung ausdrückt, die zu befolgen ist, nämlich eine Weisung. Dass es keineswegs in das Ermessen der Direktoren gestellt war, die Einladungen und den Flyer an die Schüler zu verteilen oder sie zu entsorgen, ergibt sich auch aus der (unbedingten) Aufforderung zur Rückmeldung der Teilnehmer bis zu einem bestimmten Tag. Ein Schuldirektor, der dem „Ersuchen" des Klägers nicht nachkommen wollte, hätte Schwierigkeiten, diese unbedingt geforderte Rückmeldung abzugeben. Das an die Schuldirektoren gerichtete „Ersuchen des Klägers" in seiner Funktion als Präsident des Landesschulrats für K***** enthielt daher in Wahrheit eine Weisung. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich kein Direktor erlauben würde, diesem Ersuchen des Präsidenten seines Landesschulrats und Landeshauptmanns nicht nachzukommen. Die Information der Schüler selbst konnte nur so erfolgen, dass der jeweilige Schulleiter eine Verteilung von Flyer und Programm durch die Lehrer in den Klassen während des Unterrichts anordnete. Die daraus abgeleitete Behauptung der Beklagten, die Lehrer würden per Weisung angehalten, orange Flugblätter während des Unterrichts auszuteilen, ist somit richtig. Entgegen der Auffassung des Klägers hängt der Wahrheitsbeweis nicht davon ab, dass die Tatsachen, auf die es sich gründet, bereits zur Gänze in der beanstandeten Äußerung offengelegt wurde.

4.2. Die weitere Behauptung, damit werde der parteipolitische Missbrauch auf die Spitze getrieben, ist aus Sicht der angesprochenen Leser eine kritische Bewertung der im Bericht aufgezeigten Vorgangsweise. Das Thema der parteipolitischen Beeinflussung von Schülern, somit Jungwählern, und die Bewerbung parteipolitischer Veranstaltungen in den Schulen ist von öffentlichem Interesse. Die in den Medien der Beklagten dazu formulierte Kritik orientierte sich an den im Bericht zutreffend wiedergegebenen Fakten und ist durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Auf den parteipolitischen Hintergrund der Veranstaltung aus Sicht der davon angesprochenen Leser wurde bereits hingewiesen. Die von der Beklagten an der einseitigen, parteipolitisch motivierten Diskussionsrunde mit dem Kläger geäußerte Kritik bewegt sich im Rahmen des Rechts auf freie Meinungsäußerung.

4.3. Auch der Vorwurf diktaktorischen Verhaltens beinhaltet eine kritische Beurteilung der im Artikel selbst geschilderten Vorgangsweise. Diktaktorisches Verhalten muss nicht zwangsläufig gewaltsam sein, als diktaktorisch wird auch ein Verhalten empfunden, das keine Widerrede duldet. Der Bericht im Medium der Beklagten erklärt, aufgrund welcher Tatsachengrundlagen er das aufgezeigte Verhalten als diktaktorisch beurteilt. Die beanstandete Äußerung beinhaltet eine wertende Kritik im politischen Meinungsstreit, die - wie bereits dargelegt wurde - auf einem richtigen Tatsachenkern beruht und nicht exzessiv ist; auch sie ist durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt.

5. Der Revision der Beklagten war Folge zu geben und das (abweisende) Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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