AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L513.2164369.1.00
Spruch:
L 513 2164369-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx sowie dessen Obmann ad personam Dr. Lennart BINDER LL.M., Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2017, Zl. 1070655506-150559965, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:
I.1. Bisheriger Verfahrenshergang
I.1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak, der arabischen Volksgruppe sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 1). Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Sicherheitsorgan niederschriftlich einvernommen.
Im Rahmen der Erstbefragung am 28.05.2015 (AS 1 - 11) gab der Beschwerdeführer hinsichtlich der Fluchtgründe zu Protokoll, dass er seine Heimat verlassen habe, weil er von einigen unbekannten Milizen bedroht worden sei. Einmal sei er auch aufgrund seiner modernen Kleidung und seiner langen Haare verprügelt worden. Bei einer Rückkehr fürchte er getötet zu werden.
I.1.2. Am 23.11.2016 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz als "BFA" bezeichnet) (AS 21 - 25, 39 - 55).
Zu seinen Ausreisegründen befragt, erklärte der BF, dass er Friseur - gewesen - sei. Nachts habe er als Security in einer Alkohol verkaufenden Firma gearbeitet. Er sei in seinem Friseursalon bedroht worden, woraufhin er den Irak nach Syrien verlassen habe. Dort habe er bis Juli 2013 als Friseur gearbeitet. Aufgrund des Krieges in Syrien sei er in den Irak zurückgekehrt und sei dort bei einem Freund als Friseur tätig gewesen. Man habe seine langen Haare gesehen und sei er bedroht worden. Laut den Milizen in Bagdad sei es auch verboten, den Männern die Haare modern zu schneiden. Er habe den Irak wegen seines Berufes verlassen und weil er Alkohol trinken und eine 3/4-Hose tragen würde.
Nachgefragt zu Details führte der BF aus, dass er 2004 von den gleichen Personen wie im Jahre 2013 bedroht worden sei. Es handle sich um die Gruppierung von Scheich XXXX . Diese Gruppierung habe im Jahre 2004 der Mahdi-Armee angehört und gehöre jetzt zur Asaeb-Gruppierung. Bis zum Jahre 2004 sei die Gruppierung in sein Geschäft gekommen und habe ihm vorgehalten, dass er in dieser Firma für Alkohol und als Friseur arbeiten würde. Drei Tage später habe er gesehen, dass sein Geschäft zerstört sei. Man sei bis zum Jahr 2004 innerhalb von 15 Tagen dreimal an ihn herangetreten, dann sei das Geschäft zerstört worden.
In der Folge erklärte der BF, dass beim ersten Mal Scheich XXXX mit seiner Gruppe bei ihm im Geschäft gewesen sei. Beim zweiten Mal habe diese Gruppe jemanden zu ihm geschickt und beim dritten Mal sei das Geschäft zerstört worden. Er sei bis zur Zerstörung des Geschäfts nur zweimal aufgesucht worden.
Die Alkohol verkaufende Firma habe über 150 Mitarbeiter verfügt. Die anderen Personen würden nicht bedroht werden, weil diese Christen seien.
Nach seiner Rückkehr im Jahr 2013 habe ihm ein Friseur angeboten, bei diesem zu arbeiten. Er habe gesehen, dass Scheich XXXX noch immer dort sei. Auch dieser Friseur sei bedroht worden. Sein Vater habe ihm gesagt, dass seine Rückkehr ein Fehler gewesen sei. Scheich XXXX habe den Friseur und ihn bedroht. Dieser sei einmal in das Geschäft gekommen und habe mit dem Friseur gesprochen. Er habe danach noch ca. 15 Tage in dem Geschäft gearbeitet. Scheich XXXX habe dem Friseur vorgeworfen, weshalb er für diesen arbeiten würde. Scheich XXXX würde ihn einfach nicht mögen.
Bei einer Rückkehr in den Irak würde er von Scheich XXXX getötet werden.
Dem Beschwerdeführer wurde im Übrigen die Möglichkeit geboten, in die länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak Einsicht zu nehmen. Der Beschwerdeführer lehnte dies ab.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der BF mehrere Unterlagen in Vorlage. Konkret handelte es sich hierbei unter anderem um einen irakischen Personalausweis im Original, eines irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original und eine UNHCR-Registrierung in der Türkei sowie zwei Refugee Certificates von UNHCR-Syrien in Kopie (AS 27 - 36).
I.1.3. Im Zuge einer Stellungnahme vom 09.06.2017 (AS 133, 135) teilte das UNHCR auf eine entsprechende Anfrage des BFA vom 23.12.2016 (AS 93) mit, dass der BF am 21.04.2007 vom UNHCR-Büro in Damaskus registriert und prima facie, d.h. ohne Durchführung einer umfassenden Einzelfallprüfung der Asyleinschluss- und Asylausschlussgründe der GFK, als Flüchtling gemäß dem erweiterten Mandat von UNHCR anerkannt worden sei. Es handle sich bei den in Kopie übermittelten Schreiben vom 22.04.2007 und 19.01.2012 somit tatsächlich um vom UNHCR Syrien ausgestellte UNHCR-Flüchtlingszertifikate. Es seien insgesamt drei entsprechende Dokumente (2007, 2009 und 2012) ausgestellt worden. Aufgrund der temporären Gültigkeit der Zertifikate sei vor deren Ablauf jeweils ein neues Dokument ausgestellt worden.
Der BF sei in der Folge am 28.11.2013 vom UNHCR-Büro in Ankara registriert worden. Zudem sei der BF für eine erweiterte Registrierung am 23.09.2014 sowie für eine Befragung am 15.07.2015 zugeteilt worden. Bei dem Schreiben vom 28.11.2013 handle es sich daher tatsächlich um von UNHCR Türkei ausgestellte Dokumente.
Da hinsichtlich des BF in Damaskus und Ankara keine individuellen Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geführt worden seien, würden UNHCR keine Informationen zu den individuellen Fluchtgründen des BF vorliegen.
I.1.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BFA (AS 153 - 226) gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
I.1.4.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung ferner aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 10 - 51 des angefochtenen Bescheides).
I.1.4.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das BFA das Vorbringen des BF als unglaubwürdig (AS 204 - 207).
I.1.4.3. In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
I.1.4.4. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.5. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2017 (AS 141, 143, 147, 148) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
I.1.6. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 09.07.2017 innerhalb offener Frist wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung in vollem Umfang Beschwerde erhoben (AS 231 - 257).
I.1.6.1. In der Sache brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, aus religiösen bzw. politischen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Irak verfolgt worden zu sein. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Tätigkeit als Friseur, und seiner westlichen Lebenseinstellung bzw. seinem westlich orientierten Auftreten von schiitischen Milizen mit dem Umbringen bedroht worden. Mangels Schutzfähigkeit und -wiligkeit der irakischen Behörden habe der Beschwerdeführer nach Österreich flüchten müssen.
Im Hinblick auf die Beweiswürdigung sei zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer die fluchtauslösenden Ereignisse durchaus nachvollziehbar - mit einer ausführlichen und konkreten Schilderung von Details, wie Zeit- und Ortsangaben oder Wahrnehmungen und Emotionen - dargestellt habe.
Die Behauptungen des BFA seien sowohl von einem Missverständnis der Situation im Irak wie auch von einem Herausreißen der Aussagen des BF aus dem Zusammenhang gekennzeichnet. Wenn das BFA dem BF beispielsweise vorwerfe, seine Verfolgungsängste wären nicht plausibel, weil sich Männer in arabischen Ländern auch nicht selbst die Haare schneiden würden, sei darauf hinzuweisen, dass der BF erklärt habe, westlich-modische Frisuren geschnitten zu haben, was von den schiitischen Milizen als "unislamisch" abgelehnt werde. Gerade darin, und in seinem Vorbringen wegen seines westlich geprägten Auftretens und Verhaltens Bedrohungen durch die Milizen ausgesetzt gewesen zu sein, liege der Kern der Fluchtgründe, der jedoch vom BFA nicht einmal ansatzweise überprüft worden sei.
Die Behauptungen des BFA würden umso mehr verwundern, als die Länderberichte die zunehmende Eskalation des inter-konfessionellen Bürgerkrieges im Irak belegen würden.
Hinsichtlich des Vorwurfes bezüglich angeblicher Widersprüche in der Einvernahme vor der belangten Behörde gegenüber der polizeilichen Erstbefragung sei festzustellen, dass diese gesetzlich nicht einmal dazu gedacht sei, die Ausreisegründe erschöpfend darzustellen.
Soweit das BFA vermeine, der BF wäre aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der zuständige Organwalter gewonnen habe, nicht glaubwürdig, sei festzustellen, dass sich dieser Eindruck jeglicher Verifizierbarkeit entziehe. Davon abgesehen, sei eine gewisse Nervosität bei der Einvernahme wohl nur natürlich.
Die Angaben des BF seien verständlich, da er in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen sei, zumal dies natürlich traumatisierend gewesen sei. Dass jemand, wie der BF, den genauen Verlauf der Ereignisse nicht in allen Details schildern könne, wäre ihm hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit allenfalls anzurechnen gewesen, da Asylwerber in der Einvernahme stets dazu angehalten werden, nichts dazu zu erfinden oder zu spekulieren, sondern zuzugeben, wenn sie über bestimmte Dinge keine Erinnerungen haben.
I.1.6.2. Die Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers sei insbesondere auch deshalb aktuell, da die staatlichen Institutionen des Irak von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit dominiert werden würden und der Konflikt im Irak eine immer mehr konfessionelle Dimension angenommen habe, und andererseits der irakische Staat zur Bekämpfung des IS intensiv auf die Hilfe gerade dieser Milizen angewiesen sei. Der Beschwerdeführer hätte daher in anderen Landesteilen keine Fluchtalternative zur Verfügung und könnte keinen Schutz seitens der irakischen Behörden erwarten.
Wie vom BF bereits ausgeführt, müsste ihm auch schon aufgrund der früheren Entscheidungen des UNHCR Flüchtlingseigenschaft gewährt werden. Die Situation im Irak habe sich jedenfalls seitdem nicht zum Besseren verändert.
Auch sei unter Verweis auf die vom BFA herangezogenen Länderberichte festzuhalten, dass diese die Bedrohung des Beschwerdeführers eindrücklich schildern würden.
I.1.6.3. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers durch radikale Schiiten einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, seien daher nicht spekulativ, sondern realistisch und sie würden durch die Länderberichte bestätigt werden. Verfolgungshandlungen, wie sie vom Beschwerdeführer beschrieben worden seien, seien nicht (bloß) kriminelle Handlungen, sondern Teil einer tiefergehenden Strategie radikaler Schiiten im Irak, eine neue religiöse Ordnung mit Gewalt durchzusetzen.
I.1.6.4. Zur Asylrelevanz der Verfolgung des Beschwerdeführers sei festzustellen, dass nach ständiger Judikatur auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen könne, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Dies treffe auf den Beschwerdeführer zu, da die irakische Regierung nicht in der Lage sei, gegen die schiitischen Milizen vorzugehen, zumal die irakische Regierung im Kampf gegen den Islamischen Staat auf deren Unterstützung angewiesen sei.
I.1.6.5. Zudem sei die Befürchtung gerechtfertigt, dass im Falle eines Sieges der irakischen Streitkräfte über den IS, der eigentliche Bürgerkrieg erst beginnen werde. Die Länderberichte würden ebenfalls zeigen, dass die derzeitigen Anti-IS-Operationen die politische Instabilität fördern, da der irakische Premierminister dadurch noch abhängiger vom Iran und den schiitischen Milizen werde, obwohl die schiitischen Milizen für eine Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich seien. Die allgemeine Situation im Irak sei daher weiterhin instabil und eine Abschiebung des Beschwerdeführers wäre unverantwortlich. Der Beschwerdeführer unterliege im gesamten Staatsgebiet asylrelevanter Verfolgung, da die irakischen Behörden zumindest nicht fähig seien, ihre Bürger zu beschützen.
Zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes sei festzustellen, dass auch die allgemeine Sicherheitslage im Irak, speziell der unverändert tobende Bürgerkrieg, eine Rückkehr nicht zulasse. Scheinbar seien die behördlichen, angeblich "notorischen" Länderberichte überhaupt nicht in die Beurteilung des Falles einbezogen worden.
I.1.6.6. Auch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers sei eine nur unzureichende Behandlung mit dessen Vorbringen erfolgt. Der bloße Verweis auf die Aufenthaltsdauer könne die Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht entkräften. Der Beschwerdeführer habe sich intensiv um eine Integration in Österreich bemüht, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte geknüpft. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und -willig und wäre er im Falle der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung keinesfalls eine Belastung für die Gebietskörperschaft.
I.1.6.7. Das Bundesamt habe sich in seiner Beweiswürdigung auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine beschränkt, ohne den Fall des Beschwerdeführers einer ordnungsgemäßen Prüfung zu unterziehen. Den Erklärungen dazu fehle jeglicher Begründungswert. Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert. Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat Verfolgung iSd GFK und es wäre ihm daher Asyl zu gewähren gewesen. Allenfalls wäre ihm subsidiärer Schutz zuzuerkennen oder eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären gewesen.
Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Situation im Irak auseinanderzusetzen. Die Verpflichtung, ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, bedeute, dass die konkrete und aktuelle Situation untersucht werde. Dies sei in diesem Fall verabsäumt worden, insbesondere dadurch, dass dem Bundesamt als Spezialbehörde ausreichend Material vorliegen müsste, aus dem die Verfolgungssituation erkennbar sei.
Dadurch, dass sich die erkennende Behörde nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen.
I.1.6.8. Abschließend wurden daher die Anträge gestellt, dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen; einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst;
eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;
allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig sei.
I.1.6.9. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.7. Mit Schreiben vom 01.02.2018 teilte das Magistrat der Stadt Wien mit, dass der BF am 01.02.2018 das reglementierte Gewerbe "Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)" angemeldet hat.
I.1.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensbestimmungen
1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
1.3. Prüfungsumfang
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
1.4. Verweise, Wiederholungen
1.4.1. Das erkennende ist Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.
1.4.2. Ebenso ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung des Bescheides der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstmals entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung des Bescheides ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (Erk. d. VfGH v. 7.11.2008, U67/08-9 mwN).
1.4.3. Grundsätzlich ist im gegenständlichen Fall anzuführen, dass das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführte und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenfasste. Das BFA hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation im Irak auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht.
2. Zur Entscheidungsbegründung:
2.1. Basierend auf dem Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:
2.1.1. Der Beschwerdeführer
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der schiitischen Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX in Bagdad geboren, lebte vor seiner Ausreise in Bagdad und besuchte dort die Schule. Zwischenzeitlich befand sich der BF in den Jahren 2004 bis 2013 längere Zeit in Syrien. Seine Eltern und mehrere Geschwister leben weiterhin unbehelligt in Bagdad. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Sein Vater arbeitet als Taxifahrer und seine Geschwister verrichten zur Bestreitung des Lebensunterhaltes Gelegenheitsarbeiten. Der BF war zuletzt als Friseur beruflich tätig.
2.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise keiner persönlichen Bedrohung und Verfolgung durch schiitische Milizen, speziell Asa'ib Ahl al-Haqq, ausgesetzt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
2.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.
Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit Berufserfahrung sowie mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine Wohnmöglichkeit im Familienverband.
2.1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Ende Mai 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.
In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Er verfügt auch über keine sonstigen relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist bislang in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und bezog Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber, wobei er grundsätzlich erwerbsfähig ist. Zuletzt meldete er jedoch am 01.02.2018 das reglementierte Gewerbe "Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)" beim zuständigen Bezirksamt der Stadt Wien an. Er ist alleinstehend und pflegt normale soziale Kontakte. Der BF besucht(e) in seinem Asylquartier einen Deutschkurs. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Er ist in keinem Verein in Österreich Mitglied. Anderweitige Integrationsschritte hat der Beschwerdeführer nicht ergriffen.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
2.1.5. Die Lage im Herkunftsstaat Irak
Zur aktuellen Lage im Irak wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden. Insbesondere wurden nachstehende länderkundliche Feststellungen (unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid im Detail angeführten und nachstehend abgekürzt zitierten Quellen) getroffen:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation vom 16.2.2017:
Update Sicherheitslage allgemein: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage und 5 - Sicherheitskräfte)
Iraqi Body Count dokumentierte für 2016 über 16.000 zivile Todesfälle durch Gewalt.
Neben den derzeit aufgrund der Mossul-Offensive besonders hohen zivilen Todeszahlen in der Provinz Ninewa sterben auch in Bagdad täglich mehrere Menschen durch Gewalt (insbesondere durch improvisierte Sprengsätze).
(Iraqi Body Count 14.2.2017)
Die Zahl der Zivilpersonen, die im Jänner 2017 im Irak getötet wurden, beträgt 382, die Zahl der Verletzten 908. Bagdad war, wie fast jeden Monat die am stärksten betroffene Provinz, Ninewa und Salahuddin waren ebenfalls besonders stark betroffen (UNAMI 1.2.2017).
Seit August 2014 wurden im Irak von Seiten der US-geführten Koalition über 10.000 Luftschläge durchgeführt. Bis Februar 2016 waren es noch knapp 7.000 Luftschläge, die bis dahin durchgeführt worden waren (BBC 20.1.2017).
2016 war für den Irak ein weiteres turbulentes Kriegsjahr. Die Terrormiliz Islamischer Staat büßte durch den Verlust wichtiger Städte (u.a. Ramadi Anfang 2016 und Falluja im Juni 2016) massiv an Territorium ein. [...] Die derzeit laufende Offensive zur Rückeroberung Mossuls ist nach wie vor im Gange. Der IS, der noch knapp 4.000 Kämpfer in Mossul haben dürfte, wehrt sich mit Selbstmordkommandos, Scharfschützen, Drohnenbomben und chemischen Waffen, wie Chlor- und Senfgas (IFK 1.2017). (Näheres zu Mossul s. u.)
Die territoriale Zurückdrängung des IS hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen sogar eine asymmetrische Kriegsführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert (AA 7.2.2017). Der IS führte im Irak im Jahr 2016 über ein Dutzend Selbstmordanschläge und Autobomben-Anschläge durch. Am 3. Juli 2016 kamen bei einem Autobomben-Anschlag in Bagdad über 200 Menschen ums Leben, hunderte weitere wurden verletzt. Der IS hält weiterhin ungefähr 3.200 jesidische Frauen und Kinder fest, die meisten davon werden in Syrien festgehalten (HRW 1.2017).
Laut UNAMI hat der IS seine Anschläge zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden verübt, und hat dabei vorwiegend auf Zivilisten, auch Frauen, Kinder und ältere Personen abgezielt (UNAMI 1.2.2017). Am 2.1.2017 fand beispielsweise in einer belebten Straße im schiitisch dominierten Viertel Sadr City in Bagdad ein größerer Autobombenanschlag statt, bei dem 35 Menschen starben und über 60 verletzt wurden (BBC 2.1.2017).
Im Zusammenhang mit der Zurückdrängung des Kontrollgebietes des IS sieht das Institute for the Study of War (ISW) bereits jetzt das erneute Aufflammen von Aufständen von Seiten der Sunniten im Irak, die durch die Schwächung des IS und den dadurch entstehenden Freiraum wieder Fuß fassen können. Regierungsfeindliche Gruppen formieren sich einerseits, weil die Sunniten im konfessionell geprägten Konflikt von der schiitisch dominierten Regierung weiterhin zunehmend marginalisiert werden, und sie Angst vor den an Bedeutung gewinnenden vom Iran aus gelenkten schiitischen Milizen haben. Andererseits werden diese Probleme von Seiten der bereits/nach wie vor existierenden radikalen Gruppen wie Al Qaeda und ex-/neo-baathistischen Gruppen wie Jaysh al-Rijal al-Tariqa al-Naqshbandiya (JRTN) benutzt, um sunnitische Bürger für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Diese Gruppen sind - Annahmen des ISW zufolge - bereits jetzt zunehmend für Anschläge im Irak verantwortlich. Die US-geführte Koalition gegen den IS habe sich zu sehr auf das Zurückdrängen des IS konzentriert und andere Organisationen vernachlässigt (ISW 7.2.2017).
Bei der Rückeroberung IS-kontrollierter Gebiete kam es weiterhin zu Exekutionen, Folter und Misshandlungen der örtlichen Bevölkerung durch schiitische Milizen der Popular Mobilisation Forces (HRW 1.2017).
Rund 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung) sind im Irak von Gewalt betroffen. Die irakischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos. Die Schwäche der irakischen Sicherheitskräfte erlaubt es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haq und der Kata'ib Hisbollah, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. (AA 7.2.2017).
Mossul-Offensive: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage)
Die seit zwei Jahren geplante Offensive auf die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul, die Hochburg des IS im Irak, startete überstürzt im Oktober 2016, ohne die Frage der politischen Nachfolge in Mossul geklärt zu haben. Die Kampagne wird von einer sehr heterogenen Koalition aus lokalen und regionalen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen geführt (IFK 1.2017).
Die irakische Armee hatte in der letzten Januarwoche des Jahres 2017 - mehr als drei Monate nach dem Start der Offensive - den Ostteil Mossuls für befreit erklärt. Die Extremisten wehren sich jedoch heftig und setzen dabei vor allem sprengstoffbeladene Autos mit Selbstmordattentätern oder Scharfschützen ein. Bis zur vollständigen Einnahme der Stadt dürfte es noch Wochen oder Monate dauern (Standard 1.2.2017).
Der [bevölkerungsreichere] Westteil Mossuls ist nach wie vor in den Händen des IS. Die Vereinten Nationen rechnen mit Militäraktionen zur Rückeroberung des Westteils in den kommenden Wochen. Ein Massenexodus kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Aus dem Ostteil sind laut IOM (International Organization for Migration) im Zuge der Kämpfe 180.000 Menschen geflohen, 550.000 seien vor Ort geblieben (NNZ 24.1.2017).
Allgemein wird angenommen, dass die Einheiten bei der Eroberung des Westteiles auf noch größeren Widerstand treffen werden. Darüber hinaus verzeichnet die von den USA trainierte und ausgestattete Eliteeinheit Counter Terrorism Service (CTS), auf die sich der Irak bei der Eroberung Mossuls hauptsächlich verlässt, massive Verluste ("über 50 Prozent"). Auch bei der irakischen Armee würde es herbe Verluste geben, wobei jedoch die irakischen Behörden selbst keine Zahlen bekanntgeben (Al-Jazeera 31.1.2017).
Im Zuge der Offensive zur Rückeroberung der IS-Gebiete in und um Mossul evakuierte der IS Zivilisten, um diese als menschliche Schutzschilde zu benutzen (HRW 1.2017).
Die schiitischen Milizen (inzwischen rechtlich der regulären Armee gleichgestellt - s.u.) werden von vielen (insbesondere von vielen Sunniten) mehr gefürchtet als der IS. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zeugen berichten von Folter, Schlägen und Ermordungen. Im Zuge der Befreiung der Stadt Mossul nimmt das Terrain, das die Milizen unter ihrer Kontrolle haben, stark zu. Die Stadt Mossul ist von den Milizen [und den kurdischen Peschmerga] umzingelt (BBC 3.12.2016), wobei vereinbart war, dass die Milizen die Stadt nicht betreten werden, jedoch wird berichtet, dass (vermutliche) Miliz-Angehörige im Ostteil der Stadt auf Zivilisten schießen (MEM 8.2.2017).
Innenpolitik (Relevant für Abschnitt 2 - Politische Lage):
Die derzeitigen Anti-IS-Operationen sind zwar insofern erfolgreich, als sie den IS schwächen, gleichzeitig verschärfen sie aber die politische Instabilität. Die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen haben gemeinsam mit der Partei des Ex-Premiers Nouri al-Maliki dem amtierenden Premier Abadi gedroht, ein Misstrauensvotum gegen ihn auszusprechen. Abadi steht in Gefahr sein Amt zu verlieren, und muss Zugeständnisse gegenüber den Milizen machen. Abadi war es beispielsweise auch nicht möglich, die Milizen davon abzuhalten, ihre Operationen in Tal Afar wieder aufzunehmen (ISW 7.2.2017).
Zusätzlich dazu hat das irakische Parlament im November 2016 die Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces/Hashd al-Shaabi) - jene Milizen, die wie die irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS kämpfen - rechtlich der Armee gleichgestellt. [...] Die meisten dieser Milizen sind schiitisch, etliche davon sind vom Iran abhängig, sind radikal und werden der Verbrechen an Sunniten beschuldigt. [...] Diese rechtliche Gleichstellung ist ganz nach dem Geschmack von Expremier Nuri al-Maliki, der zurück an die Macht will und dessen neue politische Hausmacht die Milizen sind (Standard 28.11.2016).
Maliki gelingt es auch zunehmend mit Misstrauensanträgen gegenüber Abadis Ministern die Regierung zerbröckeln zu lassen. Der Verteidigungsminister und der Finanzminister wurden im Jahr 2016 bereits entlassen (Standard 23.9.2016). Über die Sommermonate 2016 wurden mit derartigen Methoden bereits fünf Minister erfolgreich abgesetzt (AA 7.2.2017).
Auch für die Region Kurdistan im Irak ist die Frage, ob Maliki zurück an die Macht kommt, von großer Bedeutung. Massoud Barzani, der Präsident der Kurdischen Regionalregierung [Amtszeit bereits abgelaufen - er befindet sich aber nach wie vor Amt], hat immer wieder mit Ankündigungen, die Unabhängigkeit Kurdistans erklären zu wollen, aufhorchen lassen. Falls Maliki zurückkehren würde, würde er dies in die Tat umsetzen, so Barzani (Ekurd Daily 23.1.2017).
Insbesondere auch im Süden des Irak regt sich verstärkter Widerstand gegen Malikis Vorhaben, an die Spitze der Macht zurückkehren zu wollen. Die Anhänger der Sadr-Bewegung wollen mittels Demonstrationen die Hoffnung Malikis auf eine Rückkehr verhindern. Ein inner-schiitischer Konflikt zwischen Sadristen und Maliki-Anhängern ist spürbar, auch wenn diesbezügliche militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlich sind (Al Monitor 26.12.2017). Am 11. Februar kam es in Bagdad allerdings zu schiitisch-schiitischen Zusammenstößen. Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung schossen auf schiitische Demonstranten der regierungskritischen Sadr-Bewegung. Dabei wurden mindestens 6 Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen in die "Green Zone" (ehemalige internationale Zone, in der sich viele Regierungs- und Botschaftsgebäude befinden) geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik. Die Sadr-Bewegung richtet sich zwar v.a. auch gegen eine Rückkehr Malikis, gerade diesem könnte jedoch der Aktivismus Sadrs nutzen, da er den amtierenden Premier Abadi zusätzlich schwächt (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017).
Flüchtlinge/Internvertriebene (Relevant für Abschnitt 11 - IDPs und Flüchtlinge):
Rund 3 Millionen Menschen wurden seit Januar 2014 intern-vertrieben, an ihre Heimatorte konnten in dieser Zeit rund 1,5 Millionen zurückkehren.
(IOM 2.2.2017)
In der Region Kurdistan-Irak alleine halten sich mehr als 11,3 Millionen Binnenvertriebene auf. Über 10 Millionen Menschen, also rund ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 7.2.2017). Bezüglich der Rückkehr von IDPs ist insbesondere Tikrit nennenswert, das eine unerwartete Wendung erlebt hat. Nachdem die Popular Mobilisation Forces nach der Rückeroberung in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile niederbrannten und andere Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), konnten inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner Tikrits zurückkehren. Allerdings ist der Großteil der Stadt zerstört und die Infrastruktur noch nicht wieder vollständig hergestellt (WP 23.11.2016).
Beispielsweise wird berichtet, dass von den rund 50.000 Familien, die von Salahuddin nach Kirkuk kamen, es nur 20.000 Familien möglich war, in rückeroberte Gebiete zurückzukehren, die übrigen Familien beschuldigen schiitische Milizen, dass diese sie nicht zurückkehren lassen würden (Rudaw 10.1.2017).
Innerhalb der letzten zwei Jahre seien ungefähr 900.000 Vertriebene nach Hause zurückgekehrt (Stand 23.11.2016), vorwiegend in sunnitische Städte wie Fallujah, Ramadi und Tikrit. An Orte zurückzukehren, an denen Sunniten in Nachbarschaft mit Schiiten oder Kurden gelebt hatten, ist für Sunniten besonders schwierig, und Hunderttausenden war dies nicht möglich, obwohl der IS dort bereits verdrängt wurde. Sunniten leiden unter dem Pauschalverdacht, mit dem IS zu sympathisieren. In manchen Orten, die die Popular Mobilisation Forces vom IS zurückerobert hatten, werden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen. Oft spielen dabei auch Stammeskonflikte oder Rachefeldzüge eine Rolle (WP 23.11.2016). Für Rückkehrer besteht oft auch die Gefahr, Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen zu werden. Teilweise werden IDPs von Behörden aufgefordert in ihre Häuser zurückzukehren, obwohl die sehr reale Gefahr besteht, dass diese mit Sprengfallen versehen sind (MRG 22.12.2016).
Tikrit kann, wie erwähnt, am ehesten noch als "Erfolg" gesehen werden, da laut Washington Post über 90 Prozent der Bevölkerung in diese Stadt zurückkehren konnten (Stand Nov. 2016), Auf lange Sicht sei dieser Erfolg aber fraglich, da keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden seien, um das wiederaufzubauen, was im Zuge des Konfliktes zerstört wurde. Die irakische Regierung hat im Zuge des Konfliktes innerhalb kürzester Zeit fast die Hälfte ihres Einkommens verloren, und das während sie große Mengen an finanziellen Mitteln für militärische Offensiven aufbringen musste/muss (WP 23.11.2016). Auf Grund der massiven finanziellen Schwierigkeiten kämpfen die irakische Regierung und die Regionalregierung Kurdistans auch auf Grund von Ressourcenproblemen mit der Bewältigung der IDP-Krise. Die irakischen Streitkräfte und die Streitkräfte der Regionalregierung tragen zur Unsicherheit der IDPs bei, indem sie sich zu wenig um den Schutz und die Unterstützung der vom Konflikt betroffenen IDPs kümmern, wodurch viele Vertriebene um ihr Leben kämpfen müssen, obwohl sie sich bereits in von der Regierung kontrollierten Gebieten befinden (MRG 22.12.2016).
Von der Mossul-Offensive sind laut UNHCR rund 1,5 Millionen Menschen in und um Mossul betroffen. Über 144.000 Menschen in und um Mossul zählen derzeit zu den Vertriebenen, über 23.000 konnten nach Beginn der Offensive wieder an ihren Herkunftsort zurückkehren.
Die missliche Lage der IDPs wird zum Teil ausgenützt. So werden IDPs - Vorwürfen zufolge - teilweise von Milizen zwangsrekrutiert (auch Minderjährige). Die in Flüchtlingscamps untergebrachten IDPs haben häufig das Problem, dass ihre Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt ist, sowie dass Milizen ihnen die Papiere abnehmen und für lange Zeit nicht zurückgeben. Ein zusätzliches Problem ist, dass sie nicht mit ihren Familien kommunizieren können, da ihnen die Mobiltelefone abgenommen werden (UNHCR 20.1.2017, vgl. Al-Jazeera 1.2.2017).
Quellen:
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- Al-Jazeera (31.1.2017): Taking west Mosul: A bridge too far?, http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/2017/01/west-mosul-bridge-170130133948071.html , Zugriff 13.2.2017
- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage der Republik Irak
- BBC (2.1.2017): IS conflict: Baghdad suicide car bomb blast kills 35, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-38488091 , Zugriff 14.2.2017
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Iraq's Sunni Insurgency Begins as ISIS Loses Ground in Mosul,
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- WP - Washington Post (23.11.2016): ISIS: A catastrophe for Sunnis, http://www.washingtonpost.com/sf/world/2016/11/23/isis-a-catastrophe-for-sunnis/ , Zugriff 13.2.2017
2. Politische Lage
Die letzten nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, gewann der ehemalige Premierminister Nouri al-Maliki. Da es auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen Maliki gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Es wird ihm unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitisch-feindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen wie dem IS beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015). Maliki's Nachfolger ist der ebenfalls schiitische Parteikollege Haidar al-Abadi (beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an), der eine Mehrparteienkoalition anführt, und der mit dem Versprechen angetreten ist, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015). Allerdings gelang es Abadi bislang nicht, politische Verbündete für seine Reformpläne (insbesondere die Abschaffung des konfessionell-ethnischen Proporzes) zu finden. Er hat mit dem besonders Iran-freundlichen Ex-Premier Maliki (nunmehr Vorsitzender der Dawa-Partei) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen, von denen viele vom Iran aus gesteuert werden. Diese Milizen - eher lose an die irakische Armee angeschlossen - sind für Abadi einerseits unverzichtbar im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.1.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz von der sunnitischen Bevölkerung aber als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Die Sunniten fürchten das skrupellose Vorgehen dieser Milizen - einige betrachten den IS sogar als das geringere Übel und dulden die Extremisten daher in ihren Gebieten (ÖB Amman 5.2015). In der Tat unterscheiden sich einige der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen kaum vom IS (Rohde 9.11.2015). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung), die auch mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet hat, hat vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitischen Bevölkerung die Augen verschlossen, und hat damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten angetrieben (Reuters 14.12.2015). Die aufgestaute Wut der Sunniten - auch darüber, dass sie niemanden mehr in der Regierung haben, der mit machtvoller Stimme für sie sprechen könnte, trägt in Kombination mit dem Vorgehen der schiitischen Milizen dazu bei, dass sich viele Sunniten radikalisieren oder sich einfach aus Mangel an Alternativen unter die Kontrolle des IS begeben (Qantara 17.8.2015).
Zwölf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ist der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol, ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums oder seiner Grenzen, dessen Souveränität zunehmend vom Iran ausgehöhlt wird (Standard 4.12.2015). Nach 2003 ist der Irak (gemeinsam mit Syrien) zum Spiel- und Schlachtfeld konkurrierender regionaler und globaler Interessen zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA und neuerdings auch Russland geworden (Rohde 9.11.2015), wobei sich das Kräfteverhältnis der beiden wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung - die USA auf der einen Seite und der Iran auf der anderen - zunehmend zu Gunsten des Iran verschiebt. Der eher schwache Premierminister Abadi versucht es beiden Verbündeten recht zu machen: Damit die USA ihn aus der Luft unterstützen, muss er versuchen, die iranisch-assoziierten schiitischen Milizen vom Schlachtfeld fernzuhalten (Standard 4.12.2015).
Unter großem öffentlichem Druck und nach Demonstrationen tausender Menschen vor dem schwer bewachten Regierungsviertel in Bagdad hat Abadi Ende März 2016 angekündigt, sein altes Kabinett durch eine Regierung unabhängiger Technokraten zu ersetzen. Bisher waren alle Minister mit politischen Gruppen verbunden. Die neuen sollen nun laut Abadi auf Basis von Professionalität, Effizienz und Integrität ausgewählt werden (Spiegel 31.3.2016). Jedoch scheint das neue Kabinett zu zerbröckeln, bevor es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die meisten Parteien stemmen sich gegen den drohenden Machtverlust (SK 8.4.2016).
Quellen:
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2015): Irak - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/irak/geschichte-staat/ , Zugriff 17.12..2015
- Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
- Qantara (17.8.2015): Der Irak ist irreversibel gespalten, https://de.qantara.de/inhalt/der-aufstieg-des-is-und-der-zerfall-des-irak-der-irak-ist-irreversibel-gespalten , Zugriff 14.1.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak, veröffentlicht von BPB
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- Der Standard (4.12.2015): Der Irak wird zum Spielfeld für ein neues Match,
http://derstandard.at/2000026971833/Der-Irak-wird-zum-Spielfeld-fuer-ein-neues-Match , Zugriff 14.1.2016
- Der Standard (5.11.2015): Iraks Premier Abadi fährt seinen Reformkarren an die Wand,
http://derstandard.at/2000025096956/Iraks-Premier-Abadi-faehrt-seinen-Reformkarren-an-die-Wand , Zugriff 14.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 9.3.2016
- Der Spiegel (31.3.2016): Proteste im Irak: Regierungschef nominiert Technokraten-Kabinett, http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-regierungschef-haider-al-abadi-nominiert-technokraten-kabinett-a-1084907.html , Zugriff 6.4.2016
- Standard Kompakt (8.4.2016): Irak: Reformkabinett stolpert vor dem Start
2.1. Kurdische Autonomieregion (Kurdistan Region-Iraq: KRI)
Innerhalb der autonomen Kurdenregion im Norden Iraks verhärten sich die politischen Fronten. Die Feindseligkeiten zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien Kurdish Democratic Party (KDP), Goran und Patriotic Union Kurdistan (PUK) nehmen zu. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen (Reuters 26.10.2015). Die kurdische Regionalregierung ist seit längerer Zeit nicht mehr in der Lage die Gehälter der Beamten und Peschmerga auszubezahlen, oder tut dies mit monatelangen Verspätungen (Rudaw 20.10.2015, vgl. Deutschlandfunk 8.12.2015). Darüber hinaus sorgt der Streit um die Präsidentschaft Masoud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit im August 2015 abgelaufen ist, sich aber nach wie vor im Amt befindet (Reuters 26.10.2015, vgl. Ekurd 16.1.2016, Ekurd 14.2.2016). Darüber hinaus haben die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen erhöhen. KDP und PUK, jene beiden kurdischen Parteien, die in den 1990iger Jahren bewaffnete Konflikte gegeneinander austrugen und erst in der jüngeren Vergangenheit zu einer friedlichen Koexistenz und gemeinsamen Regierungsbildung gefunden haben, sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Masud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK, sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. (Crisis Group 12.5.2015). Die Newcomer-Partei Goran, die erst seit Juni 2014 mit in der kurdischen Regionalregierung sitzt, und mit dem Versprechen angetreten ist, gegen den Nepotismus und die Korruption der beiden Altparteien vorzugehen, besitzt keine eigenen Militäreinheiten und ist auch wirtschaftlich nicht gut vernetzt, sodass sie auf Grund fehlenden Einflusses ihre Versprechen nicht umsetzen kann, und in der gegenwärtigen Situation - obwohl zweitstärkste Partei hinter der KDP - politisch und insbesondere militärisch keine herausragend große Rolle spielt (Bauer 2015).
Im Oktober 2015 verschärfte sich die innerkurdische Krise und es kam in mehreren Städten der Autonomiegebiete zu Protesten gegen Barzani und die KDP (Standard 13.10.2015). Der Premierminister der kurdischen Regionalregierung (ein Neffe des Präsidenten der Region Kurdistan) Nechirvan Barzani (KDP) entließ fünf Goran-Minister aus der Regierung. Der der Goran angehörende Parlamentspräsident Yussuf Mohammed wurde mit einer Gruppe Goran-Abgeordneter auf seinem Weg ins Parlament nach Erbil von Sicherheitskräften gestoppt. Goran-Mitglieder beschuldigten die KDP eines "Putsches gegen Rechtsstaat und Demokratie". Die PUK kritisierte das KDP-Vorgehen gegen Goran. Die KDP wirft ihrerseits Goran vor, Demonstranten aufgehetzt zu haben, die die KDP-Büros stürmten und in Brand setzten. In Suleymaniya war es im letzten Quartal des Jahres 2015 zu Protesten gegen die Regionalregierung und Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen, der direkte Anlass waren die oben erwähnten ausstehenden Gehälter. Insbesondere die zweitstärkste Partei Goran hatte sich bei diesen Protesten gegen die Regionalregierung (insbesondere gegen die KDP) gewandt. (Standard 13.10.2015).
Das Verhältnis zwischen der von der KDP dominierten kurdischen Regionalregierung mit Sitz in Erbil und der irakischen Zentralregierung in Bagdad ist gleich durch mehrere Themenbereiche stark belastet: Der Konflikt um die sogenannten "umstrittenen Gebiete" südlich der KRI, die sowohl die Kurden, als auch die irakische Zentralregierung für sich beanspruchen, hat sich durch die Übernahme der Kontrolle über die ölreiche Stadt Kirkuk durch die Kurden im Juni 2014 noch einmal intensiviert. Damit verbunden ist auch der Öl-Streit, bei dem es darum geht, wer die Rechte zur Ausbeutung der Ölressourcen in der KRI hat. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden und die von der Zentralregierung als provokant erachtete Unabhängigkeitsrhetorik Masud Barzanis tragen auch nicht zur Besserung der Stimmung zwischen Bagdad und Erbil bei (Bauer 2015).
Zusätzlich gibt es noch einen Konflikt zwischen dem irakischen Präsidenten Abadi und der Türkei betreffend der Wiedererrichtung/des Ausbaus türkischer Militärbasen im Nordirak. Diese hat Masud Barzani, der mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan befreundet ist, der türkischen Regierung zugebilligt (Standard 13.12.2015).
Quellen:
- Bauer, Sebastian (2015): 'Kurdish Political Parties in Iraq' veröffentlicht in 'Regiones et res Publicae - The Kurds, History-Religion-Language-Politics', Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 14.1.2016
- Deutschlandfunk (8.12.2015): Schwierige Lage im Nordirak, http://www.deutschlandfunk.de/kampf-gegen-den-is-schwierige-lage-im-nordirak.724.de.html?dram:article_id=339229 , Zugriff 19.1.2016
- Ekurd (16.1.2016): Tensions caused by Massoud Barzani remaining after term: Iraqi Kurdistan parl't speaker, http://ekurd.net/massoud-barzani-tensions-remaining-2016-01-16 , Zugriff 19.1.2016
- Ekurd (14.2.2016): Kurds protest against Massoud Barzani's participation in Munich Security Conference, http://ekurd.net/kurds-protest-barzani-munich-2016-02-14 , Zugriff 8.3.2016
- International Crisis Group (12.5.2015): Arming Iraq's Kurds:
Fighting IS, Inviting Conflict, http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/Middle East North Africa/Iraq Syria Lebanon/Iraq/158-arming-iraq-s-kurds-fighting-is-inviting-conflict.pdf, Zugriff 14.1.2015
- Qantara (17.8.2015): Der Irak ist irreversibel gespalten, https://de.qantara.de/inhalt/der-aufstieg-des-is-und-der-zerfall-des-irak-der-irak-ist-irreversibel-gespalten , Zugriff 17.12.2015
- Reuters (26.10.2015): Von der Leyen berät im Irak über Fluchtursachen,
http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEKCN0SK0FN20151026 , Zugriff 23.12.2015
- Rudaw (20.10.2015): KRG says delayed salaries to be paid this month, http://rudaw.net/english/kurdistan/201020151 , Zugriff 19.1.2016
- Standard (13.10.2015): Kurdenpräsident Barzani entlässt Minister, www.derstandard.at/2000023681349/KurdenpraesidentBarzani-entlaesst-Minister , Zugriff 14.1.2016
- Standard (13.10.2015): Barzani-Partei wirft Gegner aus Regierung und Parlament,
www.derstandard.at/2000023698931/Barzani-Partei-wirft-Gegner-aus-Regierung-und-Parlament , Zugriff 14.1.2016
- Standard (13.12.2015): wist zwischen Ankara und Bagdad:
Nonchalante Eskalation,
http://derstandard.at/2000027441750/Zwist-zwischen-Ankara-und-Bagdad-Nonchalante-Eskalation , Zugriff 14.1.2016
2.2. "Islamischer Staat"
Der IS (der "Islamische Staat") baut innerhalb seiner Einflussgebiete pseudo-staatliche Strukturen auf. So gibt es beispielsweise einen "Diwan" (vergleichbar mit einem Ministerium) für natürliche Ressourcen, einschließlich der Verwertung von Antiquitäten. Ein anderer Diwan behandelt die "Verwertung" von Kriegsbeute, einschließlich SklavInnen (The Daily Star 29.12.0215). Unterstützung bekommt der IS von einigen ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei. Die Organisation Jaysh Rijal a?-?ariqa an-Naqshabandiya (Army of the Men of the Naqshbandi Order, auch Naqshabandi Order genannt - kurz JRTN) und andere ähnliche Ex-Baathistische Gruppen stimmen zwar nicht mit der Ideologie des IS überein, unterstützen diesen zum Teil aber als eine Organisation, die die irakische Regierung bekämpft (CRS 9.2015). Frühere Geheimdienstagenten, Kommandanten von Spezialeinheiten und Parteifunktionäre des Saddam-Regimes zählen zu den führenden Mitgliedern des IS und waren auch maßgeblich bei seinem strategischen Aufbau beteiligt (Qantara 13.7.2015).
Es gibt eine strenge Religionspolizei (Welt 21.9.2015), ein IS-Regierungskabinett, den IS-Militärrat sowie den Schura-Rat, in dem die IS-Kleriker sitzen, die gleichzeitig als oberste Richter fungieren. Eine Trennung zwischen Religion und Staat existiert nicht. Die IS-Ideologie ist offizielle Staatsdoktrin. Der IS hat seine Gebiete in Provinzen aufgeteilt, diese wiederum in Bezirke. Jede Provinz wird von einem IS-Gouverneur regiert. Dabei nutzt der IS die ihm unterstellte zivile Verwaltung, einen eigenen Sicherheitsapparat samt Geheimdienst sowie eigene Gerichtshöfe. Die Bezirke haben ebenfalls eigene Verwaltungs- und Sicherheitsorgane sowie Richter. Der Islamische Staat bezeichnet Abu Bakr al-Baghdadi als seinen Kalifen und Anführer. Zumindest nach außen ist Baghdadi das Gesicht der Organisation. Die Finanzierung des IS findet über viele verschiedene Quellen statt. Die wichtigsten sind:
Zwangspfändungen, Versklavung, Zwangsprostitution, Lösegeld, Einkommensteuer, Zoll, Kulturraub, Ölschmuggel sowie die Übernahme von Strom- und Wasserversorgern. Teilweise zahlt die irakische Regierung die Gehälter der in IS-Gebiet lebenden Staatsbediensteten noch aus - wovon der IS profitiert (Spiegel 2.12.2015). Teilweise setzt der Staat die Zahlungen der Gehälter aber aus, und versucht damit dem IS zu schaden, macht damit aber gleichzeitig die dort lebende Bevölkerung erst recht vom IS abhängig (Al Arabiya 23.12.2015).
Die Anführer des IS haben langjährige Erfahrung im Untergrund. Während der US-Besatzungszeit mussten sie sich verstecken und sie wissen daher auch, wie man die Überwachungsmethoden der US-Amerikaner austrickst (Spiegel 2.12.2015).
Quellen:
- Al Arabiya (23.12.2015): Despair, hardship as Iraq cuts off wages in ISIS cities,
http://english.alarabiya.net/en/business/economy/2015/10/02/Despair-hardship-as-Iraq-cuts-off-wages-in-ISIS-cities.html , Zugriff 23.12.2015
- CRS - Congressional Research Service, Iraq (9.2015): Politics and Governance, https://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RS21968.pdf , Zugriff 27 10. 2015
- The Daily Star (29.12.2015): Seized documents reveal Daesh's departments of war spoils,
http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2015/Dec-29/329313-seized-documents-reveal-daeshs-departments-of-war-spoils.ashx , Zugriff 14.1.2016
- Die Welt (21.9.2015): Küssen, Schuhe anschauen und enge Jeans verboten,
http://www.welt.de/politik/ausland/article146637319/Kuessen-Schuhe-anschauen-und-enge-Jeans-verboten.html , Zugriff 15.1.2015
- Qantara (13.7.2015): The strategists of terror, https://en.qantara.de/content/interview-with-der-spiegel-reporter-christoph-reuter-the-strategists-of-terror , Zugriff 19.1.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak,
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- Spiegel (2.12.2015): Terrormiliz IS - So funktioniert der "Islamische Staat",
http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-alles-wichtige-zum-is-a-1042664.html#sponfakt=1 , Zugriff 23.12.2015
- Die Zeit (18.11.2015): "Dies ist kein Konflikt der Kulturen", http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-11/islamischer-staat-paris-attentat-david-romano-militaer-strategie/seite-2 , Zugriff 14.1.2016
3. Sicherheitslage
Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt.
Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).
Im Jahre 2015 wurden 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter.
Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiters wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).
Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).
Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 18.2.2016, s. auch Abschnitt 8).
Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).
Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt.
Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).
Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ 13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).)
Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20Minuten 8.2015).
Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).
Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatten. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).
Quellen:
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (4.4.2016):
Briefing Notes - Irak
- BBC (29.2.2016): Battle for Iraq and Syria in maps, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27838034 , Zugriff 10.3.2016
- Deutschlandfunk (15.7.2015): Die fragwürdigen Methoden der Peschmerga,
http://www.deutschlandfunk.de/kurden-im-nordirak-die-fragwuerdigen-methoden-der-peschmerga.724.de.html?dram:article_id=325533 , Zugriff 14.1.2016
- Deutschlandfunk (5.12.2015): Schiitische Milizen unter den Bodentruppen,
http://www.deutschlandfunk.de/kampf-gegen-den-is-schiitische-milizen-unter-den.799.de.html?dram:article_id=338924 , Zugriff 14.1.2016
- Ekurd Daily (26.11.2015): Clashes erupted between Yazidi fighters and KDP Peshmerga in Iraq's Sinjar, http://ekurd.net/clashes-yazidis-peshmerga-sinjar-2015-11-26 , Zugriff 14.1.2016
- FAZ - Frankfurter Allgemeine (24.10.2015): Verteidigungsminister Carter rechnet mit weiteren Kampfeinsätzen, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/amerikanische-truppen-im-irak-verteidigungsminister-carter-rechnet-mit-weiteren-kampfeinsaetzen-13873630.html , Zugriff 14.1.2016
- Focus (9.3.2016): USA schicken immer mehr Soldaten in den Irak, http://www.focus.de/politik/ausland/islamischer-staat/isis-terror-im-news-ticker-wie-in-vietnam-usa-schickt-immer-mehr-soldaten-in-den-irak_id_4743099.html , Zugriff 10.3.2016
- HRW - Human Rights Watch (20.9.2015): Ruinous Aftermath, Militias Abuses Following Iraq's Recapture of Tikrit, , https://www.hrw.org/report/2015/09/20/ruinous-aftermath/militias-abuses-following-iraqs-recapture-tikrit , Zugriff 19.1.2016
- Haaretz (18.1.2016): After Year-long Battle With ISIS, Iraq's Ramadi Lies in Ruins,
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- ISW - Institute for the Study of War (9.2.2016): Iraq Control of Terrain Map: February 9th 2016, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iraq Blobby map 09 FEBRUARY 2016.pdf , Zugriff 10.3.2016
- National Geographic (o.D.): What Does It Mean to Be Iraqi Anymore?,
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- NZZ - Neue Züricher Zeitung (13.11.2015): Kurden nehmen die Stadt Sinjar ein,
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- NTV (11.11.2015): Kurden vertreiben IS aus mehreren Dörfern, http://www.n-tv.de/ticker/Kurden-vertreiben-IS-aus-mehreren-Doerfern-article15913111.html , Zugriff 14.1.2016
- Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
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- Der Standard (22.12.2015): IS verlor heuer 14 Prozent seines Territoriums,
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- Der Standard (29.12.2015): Iraks Premier Abadi besuchte von IS befreites Ramadi,
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http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016
- RSF - Reporters Sans Frontières (18.4.2015): Iraq - Journalists and media threatened on all sides,
http://www.ecoi.net/local_link/301090/437831_de.html , Zugriff 19.1.2016
- VOH - Vision of Humanity (17.11.2015): 2015 Global Terrorism Index, http://www.visionofhumanity.org/#/page/news/1283 , Zugriff 14.1.2016
- Washington Post (21.1.2016): Feared Shiite militias back in spotlight after three Americans vanish in Iraq, https://www.washingtonpost.com/world/feared-shiite-militias-back-in-spotlight-after-three-americans-vanish-in-iraq/2016/01/21/f62c51ee-beec-11e5-98c8-7fab78677d51_story.html , Zugriff 10.3.2016
- 20Minuten (8.2015): Mit einem Schweizer Söldner bei den Peshmerga, http://www.20min.ch/longform/reportage-peshmerga/index.html , Zugriff 14.1.2016
3.1. Die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure und Milizen
Iraqi Security Forces (ISF)
Den ISF kommt nach dem Abzug der Streitkräfte der Koalition ab 2011 eine besonders gewichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit im Irak zu. Die ISF haben drei Hauptzweige: die irakische Armee, die irakische Polizei und die National Police.
Die ISF sind zum Teil infiltriert von schiitischen Arabern, während sunnitische Araber in den ISF unterrepräsentiert sind (ISW o.D.a). Teilweise wurden schiitische Milizen, die für ihr brutales Vorgehen gegen Sunniten bekannt sind, auch in die ISF integriert, was die Sunniten Iraks mit besonderer Sorge sehen.
Die ISF verübten aber auch selbst Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.b). Darüber hinaus haben die ISF das Problem, dass es im Land schiitische Milizen gibt, die zusammengenommen sogar als militärisch stärker als die ISF eingeschätzt werden (Standard 18.9.2015).
Insbesondere im Sommer 2014 machten die ISF keine gute Figur und überließen dem IS kampflos große Gebiete des Landes - unter anderem die Stadt Mossul (Spiegel 15.6.2014). Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten. Viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen. Es fehlte unter anderem an einer starken Führung, sowie an fehlender Motivation, zweiteres wohl auch, weil sich viele nicht mit der Politik des damaligen Präsidenten Maliki identifizieren konnten. Die ursprünglich 400.000 Mann starke Armee, die mit US-Hilfe aufgebaut worden war, wird nunmehr auf 85.000 aktive Soldaten geschätzt. Das Verteidigungsministerium hatte die Zahl offenbar hochgespielt, man spricht in diesem Zusammenhang von "Geistersoldaten". Abadi gab im November 2014 zu, dass es 50.000 solcher Geistersoldaten gab (Global Security o.D.).
Schiitische Milizen
- Mahdi Armee (auch bekannt als Jaysh al-Mahdi - JAM): Die konfessionell geprägten Konflikte der Jahre 2006-2008 waren zum Teil angefacht von schiitischen Milizen, z.B. von Milizen wie der vom schiitischen Kleriker Moqtada Al Sadr aufgestellten Mahdi Armee, gegründet im Jahr 2004 um die militärische US-Präsenz im Irak zu bekämpfen (CRS 31.12.2015). Sadr beschloss 2008 die Miliz in eine friedliche Organisation umzuwandeln, behielt aber eine kleinere Truppe von Kämpfern. Darüber hinaus entstanden aus der Mahdi Army mehrere Splittergruppen (ISW 1.2009). Im Juni 2014 kam es zu einer Neugründung der Mahdi Armee durch Sadr unter dem neuen Namen The Peace Brigades, mit dem Ziel, den IS zu bekämpfen. Die Größe der Organisation wird (Stand Juni 2014) auf 10.000 bis 50.000 geschätzt (Stanford University 24.7.2015).
- Vom Iran trainierte Milizen (z.B.: Kata'ib Hezbollah und Asa'ib Ahl Al Haq): Ebenfalls von Sadr inspiriert, gründeten sich weitere schiitische Milizen, von denen sich einige später aus dem Kontrollbereich Sadrs herausbegaben und zunehmend unter die Kontrolle des Iran und des Kommandanten der iranischen Qods Forces, Maj. Gen. Qasem Soleimani, gelangten. Die beiden Milizen, die am stärksten von Soleimani ausgerüstet und beraten werden, sind Asa'ib Ahl al-Haq (AAH) und Kata'ib Hezbollah (Hezbollah Battalions). Zweitere wurde im Jahr 2009 von den USA als terroristische Organisation eingestuft (CRS 31.12.2015). Die Organisation Asaib Ahl al-Haq hat neben ihrem Hauptquartier in Bagdad, wo sie auch zwei politische Büros hat, weitere Büros in al-Khalis, Basra, Tal Afar, Hillah, and Najaf und unterhält darüber hinaus Kontakte zu Stammesführern in den Provinzen Thi-Qar, Muthanna, and Maysan. Der ehemalige Präsident Maliki setzte die Miliz in Anbar zum Teil anstelle von Polizisten ein (Stand August 2015) (Stanford University 13.8.2015). Die Organisation ist stark vernetzt mit der irakischen Regierung und der Polizei (insb. in Bagdad) (FIS 29.4.2015).
- Die Organisation Badr Miliz steht im Gegensatz dazu weder Sadr nahe, noch war sie in den Jahren 2003-2011 ein Gegenspieler der USA (CRS 31.12.2015). Sowohl die Bush-Regierung, als auch die Obama-Regierung haben mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet (Reuters 14.12.2015). Die Badr Miliz war der bewaffnete Flügel des Islamic Supreme Council of Iraq, einer schiitischen Partei. Ihr Anführer Hadi al-Amiri ist einer der Hardliner, wenn es darum geht, schiitische Milizen dazu zu benutzen, um von Sunniten bewohnte Gebiete zurückzuerobern (CRS 31.12.2015).
- Schiitische Miliz-Soldaten, die sich nach der Offensive des IS 2014 formierten: Viele schlossen sich den sich gegen des IS richtenden Popular Mobilization Forces (PMF) an, denen auch einige Sunniten angehören (CRS 31.12.2015).
Sunnitische Milizen
- Army of the Men of the Naqshbandi Order (Jaysh Rijal a?-?ariqa an-Naqshabandiya, abkekürzt: JRTN) und ehemalige Militärkommandanten unter Saddam Hussein: Einige der aufständischen Gruppen bestehen aus Mitarbeitern des ehemaligen Saddam-Regimes oder aus ehemaligen Mitgliedern des irakischen Militärs. Darunter finden sich die Gruppen 1920 Revolution Brigades, die Islamic Army of Iraq und v.a. die Naqshabandi Order (JRTN). Letztere ist hauptsächlich in der Provinz Ninewah aktiv und wird von den USA als terroristische Organisation eingestuft. Die JRTN sowie mit ihr verbundene andere ex-baathistische Gruppierungen sind nicht mit der IS-Ideologie einverstanden, unterstützen den IS zum Teil jedoch als eine Organisation, die sich gegen die irakische Regierung wendet (CRS 31.12.2015).
- Sunnitische Stammesführer / Sons of Iraq Fighters:
Ungefähr 100.000 irakische Sunniten sind bekannt als "Sons of Iraq" (auch "Awakening" oder "Sahwa" genannt). Es handelt sich um bewaffnete Männer, die während der Jahre 2003-2006 das US-Militär im Irak bekämpften, aber sich danach mit den US-Streitkräften gegen Al Qaida Iraq (den Vorläufer des IS) verbündeten. Ihnen wurde zugesagt, dass sie in die ISF integriert werden sollen, aber nur ein Teil wurde letztlich tatsächlich eingegliedert. Die übrigen wurden in Checkpoints eingesetzt, und erhielten ein geringes Gehalt, wurden aber nicht formell eingegliedert. Als Ergebnis dessen waren einige dieser Kämpfer desillusioniert und Berichten zufolge schlossen sich einige (Zahlen sind nicht bekannt) dem IS an (CRS 31.12.2015).
Kurdische Kämpfer
- Die KDP-Peschmerga sind der militärische Arm der Partei der Barzani-Familie im nordirakischen Kurdistan. KDP-Peschmerga und PUK-Peschmerga teilen sich die Kontrolle über das autonome Gebiet Kurdistan auf. Die KDP-Peschmerga sind in den Provinzen Dahuk und Erbil präsent. Darüber hinaus kontrollieren sie größere Gebiete (außerhalb der autonomen Region) im Norden der Provinz Ninewah.
- Die PUK-Peschmerga sind in den Provinzen Sulaymaniyah und Halabja präsent, und sie kontrollieren größere Gebiete (außerhalb der autonomen Region) im Nordosten der Provinz Kirkuk (ISW 25.11.2015).
Es gibt seit langem Bestrebungen zur Zusammenführung der KDP-Peschmerga und der PUK-Peschmerga zu einer einheitlichen Armee. Eine effektive und vollständige Vereinigung ist jedoch auf Grund der Konkurrenzsituation und des Misstrauens gegeneinander nicht erfolgt (CMEC 16.12.2015).
- Die türkisch-kurdische Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei als terroristische Organisation bekämpft wird, ist auch im Nordirak aktiv (insb. in den Qandil-Bergen), und betreibt dort einige Stützpunkte. Diese werden von den türkischen Streitkräften attackiert.
- Die syrische Partei PYD (Partei der Demokratischen Union) mit ihrem militärischen Arm YPG (Volksverteidigungseinheiten) gilt als der syrische Ableger der türkischen PKK (Standard 22.10.2015) und ist im Irak im Gebiet um Sinjar aktiv (ISW 25.11.2015).
Quellen:
- CRS - Congressional Research Service, Iraq: Politics and Governance, dated 16 September 2015, https://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RS21968.pdf , date accessed: 27 October 2015
- CMEC - Carnegie Middle East Center (16.12.2015): Kurdistan's Political Armies: The Challenge of Unifying the Peshmerga Forces, http://carnegie-mec.org/2015/12/16/kurdistan-s-political-armies-challenge-of-unifying-peshmerga-forces/in5p , Zugriff 18.1.2016
- Finnish Immigration Service (29.4.2015): SECURITY SITUATION IN
BAGHDAD - THE SHIA MILITIAS,
http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288 , Zugriff 20.10.2015
- Global Security (o.D.): Iraqi Army (IA) - June 2014 Collapse, http://www.globalsecurity.org/military/world/iraq/nia-collapse.htm , Zugriff 18.1.2016
- ISW - Institute for the Study of War (o.D.a): Iraqi Security Forces, http://www.understandingwar.org/iraqi-security-forces# , Zugriff 14.1.2016
- ISW - Institute for the Study of War (o.D.b):
http://www.understandingwar.org/report/beyond-islamic-state-iraqs-sunni-insurgency#sthash.wb8xvtLK.dpuf , Zugriff 14.1.2016
- ISW - Institute for the Study of War (25.11.2015): Iraq Control of Terrain Map: November 25, 2015, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iraq Blobby map 25 NOV 2015_0.pdf , Zugriff 14.1.2016
- ISW - Institute for the Study of War (25.11.2015): Iraq Control of Terrain Map: November 25, 2015, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iraq Blobby map 25 NOV 2015_0.pdf , Zugriff 14.1.2016
- ISW (1.2009): Jaysh al-Mahdi, http://www.understandingwar.org/jaysh-al-mahdi , Zugriff 15.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 9.3.2016
- Spiegel (15.6.2014): Deserteure im Irak: Eine Armee zerfällt http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-armee-auf-flucht-vor-isis-aus-mossul-nach-arbil-a-975299.html , Zugriff 14.1.2016
- Der Standard (22.10.2015): Erdogan: PKK, PYD, IS und Syriens Geheimdienst hinter Ankara-Anschlag - derstandard.at/2000024371447/Erdogan-PKK-PYD-IS-und-Syriens-Geheimdienst-hinter-Ankara-Anschlag, Zugriff 18.1.2016
- Der Standard (18.9.2015): Schiitische Milizen sollen aus Tikrit abziehen,
www.derstandard.at/2000022440305/Schiitische-Milizen-sollen-aus-Tikrit-abziehen , Zugriff 14.1.2016
- Stanford University (24.7.2015): Mahdi Army, https://web.stanford.edu/group/mappingmilitants/cgi-bin/groups/view/57 , Zugriff 18.1.2016
- Stanford University (13.8.2015): Mapping Militant Organizations - Asa'ib Ahl al-Haq,
http://web.stanford.edu/group/mappingmilitants/cgi-bin/groups/view/143#locations , Zugriff 25.3.2016
3.2. Bagdad
Bagdad ist fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Bei vielen der verübten Anschläge sind religiöse oder politische Motive zu vermuten. Einer der tödlichsten Anschläge des Jahres 2015 fand am 13. August statt, bei dem eine Bombe auf einem Markt in der Gegend um Jameela im Osten Bagdads detonierte, zumindest 45 Zivilisten in den Tod riss und 72 weitere verletzte (UN Security Council 26.10.2015). Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (NG 6.3.2016).
Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen selbst. Nach einer Stellungnahme, die von sunnitischen Lehrern herausgegeben wurde, haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben (UK Home Office 11.2015). Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden (HRW 27.1.2016). Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A'amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab. Zum Teil ist die Miliz in Bagdad einflussreicher als die örtliche Polizei. Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel kommen vor (ISW 12.2012, vgl. FIS 29.4.2015).
Die vielen nach Bagdad strömenden Binnenflüchtlinge verschärfen die Spannungen in Bagdad noch zusätzlich. Es kommt zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen, sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen (UNAMI 13.6.2015). Iraks Hauptstadt ist in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Gemischte Viertel gibt es immer
weniger.
Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Dies gilt auch für die ersten beiden Monate des Jahres 2016, in denen in der Region Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet und
1.623 Zivilisten verletzt (UNIRAQ 1.-12.2015).
Quellen:
- Finnish Immigration Service (29.4.2015): SECURITY SITUATION IN
BAGHDAD - THE SHIA MILITIAS,
http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288 , Zugriff 20.10.2015
- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/318408/457411_de.html , Zugriff 21.3.2016
- Izady - Dr. Michael Izady, Columbia University (2016): Baghdad:
Ethnic Composition in 2015,
http://gulf2000.columbia.edu/images/maps/Baghdad_Ethnic_2015_lg.png , Zugriff 8.3.2016
- Institute for the Study of War (12.2012): MIDDLE EAST SECURITY REPORT 7,
http://www.understandingwar.org/sites/default/files/ResurgenceofAAH.pdf , Zugriff 20.10.2015
- National Geographic (o.D.): What Does It Mean to Be Iraqi Anymore?,
http://news.nationalgeographic.com/news/special-features/2014/08/140801-iraq-sunni-shiite-baghdad-caliphate-saddam-hussein-al-qaeda-infocus/ , Zugriff 14.1.2016
- The National World (6.3.2016) ISIL suicide truck bomb kills 47 south of Baghdad in deadliest 2016 attack, http://www.thenational.ae/world/middle-east/isil-suicide-truck-bomb-kills-47-south-of-baghdad-in-deadliest-2016-attack , Zugriff 10.3.2016
- Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
- Reuters (29.2.2016): Twin suicide bombing kills 70 in Baghdad's deadliest attack this year,
http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-idUSKCN0W10EL , Zugriff 10.3.2016
- UN Security Council (26.10.2015): First report of the Secretary-General pursuant to paragraph 7 of resolution 2233 (2015), http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1446637248_n1531608.pdf , Zugriff 14.1.2016
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Security situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016
UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (13.6.2015): Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-
11dec2014-30april2015.pdf, Zugriff 22.3.2016
- UNAMI (Jan.2015 - Feb.2016): UN Casualty Figures for ..., Jan.:
http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-february-2015-enar , March: http://www.refworld.org/docid/55b6150f4.html , April:
http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar
, May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:
, July:
http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016
3.3. Kurdisches Autonomiegebiet (KRI)
Die Sicherheitslage in den autonomen Kurdengebieten ist verglichen mit der Situation im übrigen Irak gut (RI 2.11.2015).
Immer wieder finden jedoch vereinzelte Anschläge statt. Verübt werden diese oft von kurdischen IS-Kämpfern. Neben den tausenden Kurden, die den IS bekämpfen, haben sich einige hundert dem IS angeschlossen. Viele sind in Schläferzellen innerhalb der KRI organisiert und verüben vereinzelte Anschläge (Al Arabiya 17.9.2015). Laut Iraq Body Count wurden zwischen Anfang Jänner und Ende September 2015 in den drei Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya bei 11 Vorfällen 28 Menschen getötet. Im (gesamten) Jahr 2014 waren es nach derselben Quelle 15 Vorfälle mit 36 getöteten Menschen (Iraq Body Count 30.9.2015).
Darüber hinaus kommt es auf Grund der Spannungen zwischen den irakisch-kurdischen Parteien vermehrt zu Demonstrationen, teilweise sogar mit einigen Todesopfern (Standard 13.10.2015).
Auf Grund des Konfliktes zwischen der Türkei und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK kommt es im Nordirak auch immer wieder zu türkischen Kampfeinsätzen gegen die PKK, die in den Bergen Nordiraks Stützpunkte betreibt. Dabei werden auch immer wieder kurdische Kämpfer, vereinzelt auch Zivilisten getötet (Hürriyet Daily News 7.8.2015, vgl. Reuters 19.9.2015 und Reuters 1.8.2015). Im Jänner 2016 zerstörte die Türkei im Zuge von Luftschlägen im Nordirak einige Lager und Unterkünfte der PKK (MIMO 13.1.2016). Laut einer Pressemeldung [von welcher Presse wird im Bericht nicht erwähnt], die sich auf irakische Medienberichte beruft, hat die türkische Luftwaffe am 17.02.16 abermals Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak bombardiert (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
- Al Arabiya News (17.9.2015): Analysis: ISIS in Kurdistan - the hidden enemy surfaces,
http://english.alarabiya.net/en/perspective/analysis/2015/09/17/Analysis-The-hidden-enemy-inside-Kurdistan-resurfaces.html , Zugriff 20.11.2015
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
- HDN - Hürriyet Daily News (7.8.2015): Unarmed civilians killed in Turkish airstrikes in northern Iraq: HDP report, http://www.hurriyetdailynews.com/unarmed-civilians-killed-in-turkish-airstrikes-in-northern-iraq-hdp-report.aspx?pageID=238nID=86621NewsCatID=338 , Zugriff 21.9.2015
- Iraq Body Count (30.9.2015): Documented Civilian Deaths from Violence, https://www.iraqbodycount.org/database/ , Zugriff 8.3.2016
- MIMO - Middle East Monitor (13.1.2016):Turkey destroys PKK camps in northern Iraq,
https://www.middleeastmonitor.com/news/europe/23320-turkey-destroys-pkk-camps-in-northern-iraq , Zugriff 18.1.2016
- Reuters (19.9.2015):Turkish jets hit Kurdish militant camps in Iraq, at least 55 killed - sources, http://af.reuters.com/article/idAFKCN0RJ0FM20150919 , Zugriff 21.9.2015
- Reuters (1.8.2015): Iraq's Barzani condemns Turkish bombing he says killed civilians,
http://uk.reuters.com/article/2015/08/01/us-mideast-crisis-turkey-iraq-idUKKCN0Q635X20150801?mod=related&channelName=gc05 , Zugriff 5.8.2015
- RI - Refugees International (2.11.2015): Displaced in Iraq: Little Aid and Few Options,
- http://static1.squarespace.com/static/506c8ea1e4b01d9450dd53f5/t/5633c6bfe4b03216fd2ea132/1446233807064/Displaced , Zugriff 14.1.2016
- Der Standard (13.10.2015): Barzani-Partei wirft Gegner aus Regierung und Parlament,
www.derstandard.at/2000023698931/Barzani-Partei-wirft-Gegner-aus-Regierung-und-Parlament , Zugriff 15.1.2016
4. Allgemeine Menschenrechtslage
Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz erkennbarem Willen der Regierung Abadi nicht in der Lage oder bereit, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dies geht nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen einher mit Repressionen, mitunter auch extralegalen Tötungen sowie Vertreibungen von Angehörigen der jeweils anderen Konfession (AA 18.2.2016).
Auch laut Amnesty International sind sowohl Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen, als auch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Regierungstruppen waren für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Die Menschenrechtslage habe sich im Jahr 2015 weiter verschlechtert. Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die "Einheiten der Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi) (v.a. bestehend aus von der Regierung legitimierten schiitischen Milizen) als auch der "Islamische Staat" Kindersoldaten ein.
Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.
Es kommt weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren.
Im Zuge der Rückeroberung von Gebieten, die der IS im Jahr 2014 erobert hatte, kommt es auch zu Repressionen durch kurdische Peschmerga, durch schiitische und auch sunnitische Milizen insbesondere gegen Angehörige (anderer) sunnitischer Stämme, die der Kollaboration mit dem IS bezichtigt werden (AA 18.2.2016).
Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS (AI 24.2.2016).
Auf dem Weltpressefreiheitsindex 2014 belegt der Irak Platz 153 von 180 und liegt damit nur unwesentlich besser als am absoluten Tiefpunkt von Platz 158 im Jahr 2008. Zudem war der Irak im Jahr 2014 das viert-tödlichste Land für Journalisten - was insbesondere mit Gewaltakten an Journalisten durch den IS zusammenhängt (ÖB Amman 5.2015).
Abgesehen von Journalisten gibt es eine Reihe anderer Personengruppen, die besonders gefährdet sind: Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sowie sogenannte "Kollaborateure" sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Neben Autobomben kommen dabei häufig schallgedämpfte Waffen zum Einsatz. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (meist Angehörige von Minderheiten), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, Friseure und medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet [oder im Dienst des IS ], häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Laut der UN-Mission haben viele von ihnen weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 18.2.2016).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (18.2.2016): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- ÖB - Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
4.1. Islamischer Staat
Der IS begeht im Irak massive Menschenrechtsverletzungen. Das Iraqi Observatory for Human Rights berichtet von 7.700 Exekutionen, die der IS im Irak durchgeführt haben soll. Ungefähr 2.100 davon fanden in der IS-Hochburg Mossul statt, 1.900 in der Provinz Anbar. 250 in der Provinz Diyala und 110 in der Provinz Kirkuk. Dabei sind bei diesen Zahlen weitere tausende Opfer des IS noch nicht berücksichtigt, die z.B. im Zuge von Selbstmordattentaten getötet wurden. Ebenfalls nicht in diesen Zahlen berücksichtigt sind die ungefähr 5.000 Jesiden, die im August 2014 in der Provinz Sinjar vom IS getötet wurden, während sie versuchten dem IS zu entkommen. Es kann vermutet werden, dass die Todeszahlen in Wahrheit noch wesentlich höher sind als die bereits sehr hohen hier dokumentierten Zahlen.
Der IS wendet besonders grausame Methoden der Folter und Exekution an, wie z.B. Steinigungen, Enthauptungen, Herunterwerfen von Gebäuden oder das Benutzen von Kindern, um die Exekution zu vollziehen (Ibitimes 24.9.2015).
Insbesondere die jesidische Bevölkerung ist von Genozid, Vergewaltigungen, Folterungen und Mord betroffen, wie das US Holocaust Memorial Museum in seinem Bericht schreibt. Große Zahlen von jesidischen Frauen und Kindern, die gekidnappt worden sind, werden als SklavInnen, zum Teil als Sex-SklavInnen gehalten oder verkauft (Agence France-Presse 13.11.2015). Auch andere ethnische und religiöse Minderheiten wie beispielsweise die Schabak und die Turkmenen sind von massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen (ÖB Amman 5.2015). Christen, Jesiden, Turkmenen und Schabak sind von massiven Vertreibungen von Seiten des IS betroffen (FAZ 15.11.2015).
Es gibt in den vom IS kontrollierten Gebieten sehr strenge Verhaltens- und Kleidungsvorschriften. Frauen müssen sich komplett mit schwarzer Kleidung verhüllen, es gibt Berichte von Männern, die ausgepeitscht wurden, weil ihre Ehefrauen nicht vollständig verhüllt waren. Die Menschen in diesen Gebieten leben in ständiger Angst, für "Vergehen" bestraft zu werden (BBC 9.6.2015), wie z.B. den Besitz eines Mobiltelefons. Die Flucht aus Mossul wird durch Verminung verhindert, sodass die Stadt einer Art Gefängnis gleicht (Guardian 9.12.2015).
Mit der Genehmigung des IS dürfen Personen teilweise die vom IS kontrollierten Städte verlassen, in der Regel werden dann Besitztümer (z.B. das Auto) als Pfand verlangt, die eingezogen werden, falls der Ausreisende nicht mehr zurückkehrt (Daily Star 2.6.2015). In anderen Fällen wird auch die Herausgabe der Namen der Verwandten des Ausreisenden verlangt. Diese können dann im Falle des Fernbleibens inhaftiert werden (BID 2.1.2016).
Berichten des UNHCR zufolge sollen in Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können, elf seien durch verdorbene oder ungeeignete Nahrung vergiftet worden. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016).
Angaben aus Diplomatenkreisen zufolge hat der IS im Jahr 2015 Senfgas gegen kurdische Kämpfer südlich der kurdischen Stadt Erbil (Provinz Erbil) eingesetzt. Labortests von Proben, die kurdische Kämpfer im letzten August bei einem Gasangriff genommen hatten, sind allerdings noch nicht abgeschlossen (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
- Agence France-Presse (13.11.2015): IS committing genocide against
Yazidis in Iraq: report,
http://reliefweb.int/report/iraq/committing-genocide-against-yazidis-iraq-report , Zugriff 15.1.2016
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
- BID - Business Insider Deutschland (2.1.2016): It's 'hell': How ISIS prevents people from fleeing its 'caliphate', http://www.businessinsider.de/how-isis-controls-life-caliphate-raqqa-capital-2015-12?r=USIR=T , Zugriff 18.1.2016
- BBC (9.6.2015): Inside Mosul: What's life like under Islamic State?, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-32831854 , Zugriff 15.1.2016
- Daily Star (2.6.2015): Life under Isis in Raqqa and Mosul: 'We're living in a giant prison',
http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2015/Jun-02/300199-anxious-iraqi-men-brace-for-isis-beard-patrols-in-mosul.ashx , Zugriff 15.1.2016
- FAZ - Frankfurter Allgemeine (15.11.2015): Der Exodus aus dem Irak verlangsamt sich,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/fluechtlingsstrom-der-exodus-aus-dem-irak-verlangsamt-sich-13910780.html , Zugriff 15.1.2016
- Guardian (9.12.2015).
http://www.theguardian.com/world/2015/dec/09/life-under-isis-raqqa-mosul-giant-prison-syria-iraq , Zugriff 15.1.2016
- Ibitimes - International Business Times (24.9.2015): Isis: Islamic State executed over 10,000 men, women and children in Syria and Iraq,
http://www.ibtimes.co.uk/isis-terror-group-executed-over-10000-men-women-children-syria-iraq-1521094 , Zugriff 15.1.2016
- Österreichische Botschaft Amman (5.2015): Asylländerbericht Irak
4.2. Regierung, ISF, schiitische Milizen
Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa'ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015).
Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).
Quellen:
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- Bertelsmann Foundation (2016): BTI 2016; Iraq Country Report,
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Iraq.pdf , Zugriff 10.3.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak,
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- HRW - Human Rights Watch (20.9.2015): Irak: Übergriffe durch Milizen schaden Kampf gegen ISIS, https://www.hrw.org/de/news/2015/09/20/irak-ubergriffe-durch-milizen-schaden-kampf-gegen-isis , Zigriff 15.1.2016
- HRW - Human Rights Watch (15.2.2015): Iraq: Militias Escalate Abuses, Possibly War Crimes,
https://www.hrw.org/news/2015/02/15/iraq-militias-escalate-abuses-possibly-war-crimes , Zugriff 15.1.2016
- HRW - Human Rights Watch(27.1.2016): World Report 2016,
https://www.ecoi.net/local_link/318408/443588_en.html , Zugriff 6.4.2016
- ISW - Institute for the Study of War (o.D.): Beyond The Islamic State: Iraq's Sunni Insurgency, http://www.understandingwar.org/report/beyond-islamic-state-iraqs-sunni-insurgency# , Zugriff 15.1.2016
- Reuters (14.12.2015): Torture by Iraqi militias: the report Washington did not want you to see, http://www.reuters.com/investigates/special-report/mideast-crisis-iraq-militias/ , Zugriff 11.3.2016
4.3. Kurdisches Autonomiegebiet und die von den Kurden besetzten Gebiete
Das kurdische Autonomiegebiet ist vergleichsweise deutlich weniger von der konfessionell geprägten Gewalt betroffen, die im Rest von Irak vorherrscht (USDOS 25.6.2015). Die bewaffneten Milizen der beiden kurdischen Parteien KDP und PUK agieren jedoch teilweise in Eigenregie und verletzten im Laufe ihrer Geschichte immer wieder die Menschenrechte ohne strafrechtliche Konsequenzen. Bei Protesten gegen die KDP im Oktober 2015 feuerten KDP-Offiziere Berichten zufolge Schüsse auf Demonstranten ab. Dabei kam es auch zu Todesfällen (AI 21.10.2015).
Das kurdische Gebiet im Irak gerät wegen seiner Behandlung von sunnitischen Arabern, aber auch von Jesiden zunehmend in Kritik. Die meisten Araber und Jesiden sind zwar froh darüber, in Kurdistan untergekommen zu sein, jedoch werden diese Gruppen zum Teil stark diskriminiert (Huffington 10.2015). Es wird von Drohungen und Schikanen gegenüber den jesidischen IDPs berichtet, sowie auch von gewaltsamen Vorfällen in diesem Zusammenhang (UNHCR 3.2016). Und es gibt zunehmende Feindseligkeiten gegenüber sunnitischen Arabern, da viele verdächtigt werden, mit dem IS zu kooperieren (Reuters 20.10.2015). Der durch die Flüchtlingswellen entstehende enorme Bevölkerungszuwachs in der Autonomieregion belastet die lokalen Dienstleistungen und die Infrastruktur, beeinträchtigt die Bereitstellung grundlegender Dienste und bringt die wirtschaftliche Kapazität der kurdischen Regionalregierung an ihre Grenzen (IOM 31.8.2015).
Bei Verhören von Terrorverdächtigen kommt es teilweise zur Anwendung von Folterpraktiken.
In den von den kurdischen Streitkräften eroberten Gebieten (z.B. Kirkuk) kommt es zu Vertreibungen von Arabern. Von den Kurden wurden tausende Häuser von Arabern zerstört, um zu verhindern, dass diese zurückkehren (BBC 20.1.2016).
Quellen:
- AI - Amnesty International (21.10.2015): AMNESTY INTERNATIONAL
PUBLIC STATEMENT,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1445428287_mde1427112015english.pdf , Zugriff 15.1.2016
- BBC (20.1.2016): Iraq conflict: Kurdish forces 'destroyed Arab homes', http://www.bbc.com/news/world-middle-east-35352242 , Zugriff 21.3.2016
- Huffington (10.2015): With ISIS At Its Door, Kurdistan Struggles To Accommodate Sunni Arabs And Yazidis, http://www.huffingtonpost.com/2015/06/10/kurdistan-sunni-arabs-yazidis_n_7548094.html , Zugriff 15.1.2016
- IOM - International Organization for Migration (31.8.2015): Erbil Governorate Profile, May-August 2015, http://www.iomiraq.net/file/2224/download , Zugriff 8.3.2016
- Rohde, Achim (9.11.2015): Konfliktporträt: Irak,
http://www.ecoi.net/local_link/315594/454291_de.html , Zugriff14.1.2016
- Thomson Reuters Foundation (20.10.2015): Iraq's displaced find little comfort in Kurdistan, as Europe beckons,
http://www.trust.org/item/20151020050154-9ivj7 , Zugriff 8.3.2016
- UNHCR (3.2016): Note on the Situation of Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I)
- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/306248/443520_de.html , Zugriff 23.3.2016
5. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit
Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).
Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.
IOM dokumentierte für den Zeitraum 1.Jänner 2014 bis 3.Dezember 2015
3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge 458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015).
Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. So wurde z.B. im Mai 2015 Flüchtlingen, besonders jungen Männern, aus Anbar der Zugang nach Bagdad verwehrt (AA 18.2.2016). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v.a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015).
Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 - April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015). Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).
Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015).
Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).
In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015).
Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).
Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).
In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).
Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015).
Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).
Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 - überwiegend sunnitischen - Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (18.2.2016): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- Deutschlandfunk (15.7.2015): Die fragwürdigen Methoden der Peschmerga,
http://www.deutschlandfunk.de/kurden-im-nordirak-die-fragwuerdigen-methoden-der-peschmerga.724.de.html?dram:article_id=325533 , Zugriff 18.1.2016
- FAZ - Frankfurter Allgemeine (15.11.2015): Der Exodus aus dem Irak verlangsamt sich,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/fluechtlingsstrom-der-exodus-aus-dem-irak-verlangsamt-sich-13910780.html , Zugriff 15.1.2016
- HRW - Human Rights Watch (25.2.2015): Iraqi Kurdistan: Arabs Displaced, Cordoned Off, Detained, https://www.hrw.org/news/2015/02/25/iraqi-kurdistan-arabs-displaced-cordoned-detained , Zugriff 15.1.2016
- IOM - International Organisation for Migration (11.2015): Babylon Governorate Profile, June-
- September 2015, http://iomiraq.net/file/2253/download , Zugriff 15.1.2016
- IOM - International Organization for Migration (3.2016):
Displacement Tracking Matrix, http://iomiraq.net/dtm-page , Zugriff 8.3.2016 (hier kann für jede Provinz die Zahl der IDPs, sowie deren Herkunftsprovinz abgerufen werden.)
- IOM - International Organization for Migration (18.12.2015):
Displacement and Returns Continue in Iraq: IOM, http://www.iom.int/news/displacement-and-returns-continue-iraq-iom , Zugriff 8.3.2016
- IRIN - Integrated Regional Information Networks (19.5.2015): UN Watchdog blasts Iraq over IDP treatment, http://www.refworld.org/country ,,,,IRQ„555f1a6e4,0.html, Zugriff 5.6.2015
- RI - Refugees International (2.11.2015): DISPLACED IN IRAQ:
LITTLE AID AND FEW OPTIONS,
http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&docid=563868d14&skip=0&query=displace&coi=IRQ , Zugriff 15.1.2016
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Security situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016
- UN News Service (27.11.2015): UN agencies concerned about worsening humanitarian conditions of displaced Iraqis in Kurdistan, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=searchdocid=565c6b89309askip=0query=displacecoi=IRQquerysi=displacesearchin=titlesort=date , Zugriff 15.1.2016
- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq: Report on the Protection of Civilians in Armed
Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015, 13. Juli 2015
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-
11dec2014-30april2015.pdf , Zugriff 15.1.2016
- UNOCHA (4.1.2016): Portraits of Iraqi Displacement, https://unocha.exposure.co/portraits-of-iraqi-displacement , Zugriff 15.1.2016
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (20.10.2015): UNHCR provides shelter to Iraqis uprooted by conflict in Anbar,
http://www.ecoi.net/local_link/313757/452054_de.html , Zugriff 15. 1.2016
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2014): UNHCR Position on Returns to Iraq,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1422446548_irq-102014.pdf , Zugriff 15. 1.2016
- WFP - World Food Programme (1.12.2015): Iraq Crisis Situation Report #31, 1. December 2015,
http://documents.wfp.org/stellent/groups/public/documents/ep/wfp279858.pdf , Zugriff 19.1.2016
- WFP - World Food Programme (15.12.2015): Iraq Crisis Situation Report #32, 15 December 2015,
http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-crisis-situation-report-32-15-december-2015 , Zugriff 15.1.2016
5.1. Humanitäre Lage sowie Zugang zur Autonomieregion Kurdistan
Der mit Abstand größte Teil der IDPs flüchtet in die vergleichsweise sichere kurdische Autonomieregion (Home Office 11.2015). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge (AA 18.2.2016).
Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, u.a. auf Grund des beschränkten Zugangs zu Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten, was dafür verantwortlich ist, dass viele gezwungen sind, auf den Körper schädigende Hunger-Bewältigungsstrategien umzustellen. Der Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die bereits beschränkten Ressourcen und die aufnehmenden Gemeinden. IDP-Familien müssen meist mehrmals innerhalb von Kurdistan übersiedeln, um Arbeit zu finden und ihre Familien ernähren zu können. (UN News Service 27.11.2015).
Die Bevölkerung der Autonomieregion hat sich durch die Flüchtlingswellen um 28 Prozent erhöht. Der kurdischen Regierung (KRG) gelingt es durch diese Situation kaum, den 1,6 Millionen Flüchtlingen und IDPs, die Zuflucht in der Autonomieregion gesucht haben, Unterstützung, Ansiedelungsmöglichkeiten und Schutz bieten zu können. Auch das Gesundheitssystem ist überlastet (HRC 10.2015).
Der Zugang in die KRI kann für IDPs jedoch äußerst schwierig sein und hängt vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Personen ab. Die Möglichkeit, Zutritt zur KRI zu bekommen, indem man einen Bürgen vorweist, der in der KRI lebt (diese Regelung gab es v. a. für Araber, Turkmenen und Schabakis), wurde weitgehend wieder abgeschafft, weil dieses Bürgen-System offenbar vorwiegend zu einem Geschäft für Menschen innerhalb der KRI wurde, die gegen Geld als Bürgen auftraten. Seit November 2014 wurde die Aufnahme (über den Landweg) von turkmenischen und arabischen IDPs in die KRI weitgehend gestoppt, abgesehen von jenen, die bereits im Besitz von KRI-Aufenthaltsgenehmigungen sind. Bezüglich Personen, die Minderheiten wie z.B. der jesidischen Minderheit angehören, scheint es so zu sein, dass der Zutritt zur KRI im Normalfall gewährt wird. Die Zugangsbeschränkungen zur KRI folgen keinem konsistenten Muster/ keiner konsistenten Politik und können sich laufend ändern. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses UNHCR-Berichts (März 2016) ist es arabischen, turkmenischen und christlichen IDPs im Normalfall möglich, über den Flughafen in Erbil oder jenen in Sulaymaniyah in die KRI zu gelangen. Araber oder Turkmenen sind (in der KRI) wesentlich häufiger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, als beispielsweise Jesiden. Araber haben regelmäßig das Problem, dass ihre Papiere konfisziert werden, was ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt (UNHCR 3.2016).
Für nicht aus der KRI stammende Kurden kann es durchaus möglich sein, in die KRI zu übersiedeln/zu flüchten. Das hängt von den besonderen Umständen und der Reiseroute ab. Sie können einen 10-Tages-Besuchsaufenthalt in der KRI beantragen, den sie danach für weitere 10 Tage verlängern können. Falls sie Arbeit finden, können sie länger bleiben, sofern sie sich bei den Behörden registrieren und Details ihres Arbeitgebers preisgeben. Es gibt keine Hinweise, dass die Behörden der KRI pro-aktiv Kurden aus der KRI ausweisen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist (UK Home Office 11.2015).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (18.2.2016): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,
- HRC - Human Rights Columbia (10.2015): TASK FORCE REPORT
STATE-BUILDING IN IRAQI KURDISTAN,
http://humanrightscolumbia.org/sites/default/files/documents/peace-building/state_building_kurdistan.pdf , Zugriff 15.1.2016
- HRW - Human Rights Watch (25.2.2015): Iraqi Kurdistan: Arabs Displaced, Cordoned Off, Detained, https://www.hrw.org/news/2015/02/25/iraqi-kurdistan-arabs-displaced-cordoned-detained , Zugriff 15.1.2016
- Minority Rights Group (2.2015): Between the Millstones: The State of Iraq's Minorities Since the Fall of Mosul, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425309440_mrg-rep-iraq-online.pdf , Zugriff 23.11.2015
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Internal relocation (including documentation and feasibility of return),
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448437152_iraq-cig-ir-nov-15.pdf , Zugriff 7.12.2015
- UK Home Office (11.2015): Country Information and Guidance Iraq:
Security situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016
- UNHCR (3.2016): Note on the Situation of Yazidis in the Kurdistan Region of Iraq (KR-I)
- UN News Service (27.11.2015): UN agencies concerned about worsening humanitarian conditions of displaced Iraqis in Kurdistan, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=searchdocid=565c6b89309askip=0query=displacecoi=IRQquerysi=displacesearchin=titlesort=date , Zugriff 15.1.2016
6. Grundversorgung/Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier
Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).
Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und
teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Spätsommer 2015 hat Irak mit einem Cholera-Ausbruch zu kämpfen (laut Zahlen der Vereinten Nationen 1.600 Erkrankte Ende Oktober 2015) (AA 18.2.2016).
Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (18.2.2016): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,
7. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 18.2.2016).
Im Kontrollgebiet des IS hinderten IS-Kämpfer Menschen daran, das Gebiet zu verlassen um andernorts medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen (AI 22.2.2016). Die medizinische Versorgung in den IS-kontrollierten Gebieten ist sehr schlecht: In der vom IS kontrollierten Stadt Falluja beispielsweise sollen mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen (Stand 22.2.2016) rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016).
Quellen:
- AA - AUSWÄRTIGES AMT (18.2.2016): Berlin, Gz.: 508-516.80/3 IRQ, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,
- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/319677/445031_en.html , Zugriff 10.3.2016
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2016): Gruppe
22 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes,
http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1456148840_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-02-2016-deutsch.pdf , Zugriff 9.3.2016
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:
2.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.
2.2.2. Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) ergeben sich aus dem irakischen Personalausweis in Verbindung mit dem irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Identität zum gegenwärtigen Verfahrenszeitpunkt falsche Angaben hätte machen sollen.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie auf der Kenntnis und Verwendung einer für den Irak gebräuchlichen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak.
Die persönlichen und familiären Lebensumstände des BF im Herkunftsstaat und in Österreich ergeben sich aus den als glaubhaft erachteten Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Im Beschwerdeverfahren wird abgesehen von der Gewerbeanmeldung ein diesbezügliches - die getroffenen Feststellungen - ergänzendes oder den Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde entgegenstehendes Vorbringen nicht erstattet.
Die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dessen glaubhaften Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Hinblick auf eine mehrjährige Schulausbildung und die vor der Ausreise ausgeübte Tätigkeit als Friseur. Daraus folgt auch, dass der Beschwerdeführer, der sich im Irak in Bagdad aufgehalten hat, mit der Lage in seinem Heimatstaat vertraut ist, zumal er dort den größten Teil seines Lebens zugebracht hat. Der Beschwerdeführer konnte sich durch eigene Arbeit vor seiner Ausreise auch für längere Zeit ein hinreichendes Auskommen erwirtschaften.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren diesbezüglich keinerlei Angaben getätigt hat und bezüglich der Fragen nach seinem Gesundheitszustand in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lediglich ausführte, weder Medikamente einzunehmen, noch in ärztlicher Behandlung zu sein. Er habe auch - abgesehen von einer Pollenallergie - keine Krankheit.
Die sonstigen Feststellungen unter Punkt 2.1.3. beruhen schließlich ebenfalls auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde. Seine Eltern und mehrere Geschwister leben weiterhin im Irak, sodass von ausreichenden Unterstützungsmöglichkeiten durch seine Verwandten im Rückkehrfall, insbesondere dem Vorhandensein einer Wohnmöglichkeit, ausgegangen werden kann.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 19.02.2018.
2.2.3. Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die in den für den gegenständlichen Beschwerdefall wesentlichen Punkten - insbesondere zur Sicherheits- und Menschenrechtslage - zum überwiegenden Teil aus dem Jahr 2016 stammen, wobei die Länderberichte auch bereits integrierte Kurzinformationen vom 16.02.2017 beinhalten. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.
Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, wobei festzuhalten ist, dass die herangezogenen Länderfeststellungen überwiegend aus dem Jahr 2016, teilweise auch bereits aus dem Jahr 2017, stammen.
Aufgrund des Umstandes, dass die dem Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zum überwiegenden Teil aus dem Jahr 2016 datieren, hat der erkennende Richter in aktuelle Länderberichte zum Irak Einsicht genommen, wie etwa dem Amnesty International Report 2018 vom 22.02.2018 sowie auf der Homepage des deutschen Auswärtigen Amtes (Abfrage am 26.02.2018) Nachschau gehalten und ist festzuhalten, dass sich aus all diesen Berichten keine aktuelle wesentliche Verschlechterung der allgemeinen Situation und der Sicherheitslage im Irak ergibt, weswegen es, insbesondere nach Prüfung der Situation im Herkunftsstaat anhand aktueller Berichte, auch nicht erforderlich war, dem Verfahren aktuellere Länderfeststellungen zu Grunde zu legen, wobei letztlich noch festzuhalten ist, dass die Aktualität der Länderfeststellungen in der Beschwerdeschrift auch nicht thematisiert wurde.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer ist in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht substantiiert entgegengetreten, zumal die Beschwerde selbst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides verweist. Die belangte Behörde hat ihrerseits Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, wobei der Beschwerdeführer den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte in der Beschwerde nicht anzweifelt. In der Beschwerde wird damit insgesamt kein für das gegenständliche Verfahren relevanter zusätzlicher oder abweichender Sachverhalt vorgebracht.
Soweit sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde zu religiösen Spannungen und den damit in Zusammenhang stehenden gewaltsamen Auseinandersetzungen im Irak äußert, wird damit nur dargetan, dass sich im Irak der Bürgerkrieg zwischen den Milizen des Islamischen Staates einerseits und den sonstigen Parteien in diesem Konflikt - die sich notorisch als Feinde gegenüberstehen und deshalb bekämpfen - andererseits manifestiert. Eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung, die über die allgemeinen Gefahren der gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Teilen des Irak hinausgeht, wird damit nicht aufgezeigt. Es wurde bereits explizit festgestellt, dass die mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen in ihren jeweiligen Einflussgebieten zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begingen. Die belangte Behörde ist ferner den vorhandenen religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten ausführlich nachgegangen und hat festgestellt, dass Misshandlungen und Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit sowie konfessionelle Gewalt im Irak vorkommen und Bagdad in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt ist, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Insoweit lässt sich im Ergebnis aus diesen Ausführungen jedoch keine anders gelagerte Sachlage ableiten. Wenn in der Beschwerde darüber hinaus angedeutet wird, dass der Bürgerkrieg im Irak nach der Niederlage der Milizen des Islamischen Staates erst beginnen werde, stellt sich dies letztlich als die in die Zukunft gerichtete Einschätzung der gewillkürten Rechtsvertretung dar. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist dieser Schluss nicht zwingend, zumal die religiösen Spannungen im Irak bekannt und seit längerer Zeit eines der dominierenden Themen der irakischen Innenpolitik und der Politik der im Irak engagierten westlichen Staaten sind. Eine potentielle individuelle Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kann jedenfalls derzeit aufgrund dieser Überlegungen nicht erkannt werden.
Was die Schilderungen in der Beschwerde bezüglich der Mossul-Offensive anbelangt, bleibt zur Vollständigkeit festzuhalten, dass sich dieses Vorbringen zum Entscheidungszeitpunkt als überholt erweist, vielmehr darf es - unter anderem bereits aufgrund der allgemeinen zugänglichen Medienberichte - als notorisch bekannt angesehen werden, dass sich nun auch West-Mossul bereits seit geraumer Zeit wieder unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte befindet und demgemäß dort keine Präsenz der Milizen des Islamischen Staates gegeben ist. Eine in diesem Zusammenhang bestehende Gefährdung des Beschwerdeführers in Mossul bedroht oder verfolgt zu werden, kann demgemäß nicht erkannt werden, wobei abschließend anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer ohnehin nicht aus Mossul stammt.
Das Bundesamt ist als Spezialbehörde (Erk. d. VwGHs vom 11.11.1998, GZ. 98/01/0283, 12.5.1999, GZ. 98/01/0365, 6.7.1999, GZ. 98/01/0602) verpflichtet, sich aufgrund aktuellen Berichtsmaterials ein Bild über die Lage in den Herkunftsstaaten der Asylwerber zu verschaffen. Selbiges gilt für das Bundesverwaltungsgericht. In Ländern mit besonders hoher Berichtsdichte, wozu der Irak zweifelsfrei zu zählen sind, liegt es in der Natur der Sache, dass selbst eine Spezialbehörde nicht sämtliches existierendes Quellenmaterial verwenden kann, da dies ins Uferlose ausarten würde und den Fortgang der Verfahren zum Erliegen bringen würde. Vielmehr wird den oa. Anforderungen schon dann entsprochen, wenn es einen repräsentativen Querschnitt des vorhandenen Quellenmaterials zur Entscheidungsfindung heranzieht. Die der Entscheidung zu Grunde gelegten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers können somit zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG). Die vom BFA getroffene Auswahl des Quellenmaterials ist aus diesem Grunde daher ebenso wenig zu beanstanden.
Eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen ist nur dann erforderlich, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird (vgl. VwGH 2.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da der Beschwerdeführer jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hatte, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Herkunftsstaat nicht geboten.
2.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die vom BFA vorgenommene freie Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).
Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Im Sinne dieser Judikatur ist es dem Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde zutreffend folgert - nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft darzulegen. Im Einzelnen:
2.2.4.1. So ist dem BFA beizupflichten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung in erheblicher Weise andere Angaben als im Rahmen der folgenden Einvernahme vor der belangten Behörde tätigte. So gab er ursprünglich an, seine Heimatregion verlassen zu haben, weil er von einigen unbekannten Milizen bedroht worden sei. Einmal sei er auch aufgrund seiner modernen Kleidung und seiner langen Haare verprügelt worden. Demgegenüber sprach er später in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.11.2016 nicht mehr von einem gewaltsamen Übergriff auf seine Person, sondern erwähnte er lediglich verbale Drohungen und die Verwüstung seines Geschäftes. Nun ist zwar grundsätzlich - wie in der Beschwerde angemerkt - eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der oder den Einvernahme(n) im Hinblick auf Widersprüche nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall war es dem Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.11.2016 jedoch nicht möglich, gleichbleibende Angaben in einem wesentlichen Punkt zu tätigen. So stellt die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Ende 2016 präsentierte Fluchtgeschichte - selbst unter Berücksichtigung der psychischen und körperlichen Situation des Beschwerdeführers - einen anderen Sachverhalt dar als die im Zuge der Erstbefragung erfolgte Erörterung des Ausreisevorbingens, sodass man nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen kann, dass der Beschwerdeführer diese Bedrohung und Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeit als Friseur nicht tatsächlich selbst erlebt hat, andernfalls er diesen gewaltsamen Übergriff auf seine Person - diese Verletzung seiner körperlichen Integrität - auch vor der belangten Behörde erwähnt hätte. Bereits dieser Umstand indiziert, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft anzusehen ist. Vor allem vermag der Beschwerdeführer auch keine substantiierte Erklärung für die Nichterwähnung dieses Vorfalles vor der belangten Behörde zu erbringen. Insbesondere auf Grund dieser klar erkennbaren unterschiedlichen Varianten seines Vorbringens ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.
Ungereimtheiten zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde sind zwar mit Blick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.06.2012, U 98/12, differenziert zu beurteilen. In dieser Entscheidung hielt der VfGH im Zusammenhang mit einem psychisch angeschlagenen und von den Strapazen der Schleppung gezeichneten jugendlichen Afghanen, der über traumatische Ereignisse aus seiner Kindheit berichtete, fest, dass gerade diese Umstände besonders zu berücksichtigen sind. Konkret wurde festgehalten, dass das entscheidende Gericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch seine psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer hat jedoch keine gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt seiner Einvernahmen geltend gemacht, wobei festzuhalten ist, dass von einem volljährigen und psychisch gesunden Antragsteller grundsätzlich zu erwarten ist, dass er seine Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hiezu zu äußern wahrheitsgemäß angibt und in weiterer Folge auch bei den jeweiligen Befragungen in den Grundzügen damit übereinstimmend vorträgt.
2.2.4.2. Ferner ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer auch bezüglich weiterer Punkte nicht möglich war, die ausreiserelevanten Ereignisse stringent und widerspruchsfrei darzulegen. So behauptete der Beschwerdeführer ursprünglich in der Einvernahme vor der belangten Behörde bezüglich der Ereignisse im Jahr 2004, seine Verfolger seien insgesamt dreimal an ihn herangetreten und hätten dann sein Geschäft zerstört (AS 49). Im Gegensatz hiezu legte der BF wenig später dar, dass er bis zur Zerstörung seines Geschäftes lediglich zweimal von seinen Verfolgern aufgesucht worden sei (AS 49). In der Einvernahme vor der belangten Behörde schilderte der Beschwerdeführer zudem, dass im Jahr 2013 sowohl sein Arbeitgeber als auch er selbst von Scheich XXXX bedroht worden sei (AS 51), wobei er wiederum nur wenig später erklärte, dass ihn Scheich XXXX ihm Geschäft nicht gesehen und auch nicht mit ihm gesprochen habe (AS 51, 53).
2.2.4.3. Des Weiteren ist dem BFA zuzustimmen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer beispielsweise hinsichtlich der ihn verfolgenden Miliz nicht einmal den vollständigen Namen dieser Organisation - nämlich Asa'ib Ahl al-Haqq - anführen konnte, zumal es sich bei den ausreisekausalen Vorkommnissen - im Falle des Beschwerdeführers Bedrohung und Verfolgung seiner eigenen Person - um evident wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die das eigene Schicksal dergestalt verändern, dass sich dieser letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb ungeplant und überstürzt zu verlassen, weshalb davon auszugehen ist, dass eine präzise Schilderung dieser Ereignisse möglich ist.
2.2.4.4. Ebenso wurde vom BFA richtigerweise angemerkt, dass es im Fall des BF unplausibel erscheint, dass man seitens schiitischer Milizen wegen seiner beruflichen Tätigkeit gegen ihn vorgegangen sei, zumal weder vom BFA noch vom BF in Abrede gestellt wurde, dass in arabischen Ländern, speziell im Irak, Friseure existieren bzw. Männer sich die Haare eben nicht selbst schneiden. Insoweit der BF diesbezüglich in der Beschwerde ausführt, dass seine Tätigkeit als Friseur problematisch gewesen sei, weil er westlich-modische Frisuren geschnitten und ein westlich geprägtes Auftreten und Verhalten an den Tag gelegt habe, so ist dem zu entgegnen, dass der BF auf einen entsprechenden Vorhalt bezüglich der Existenz von Friseuren im Irak in der Einvernahme keine in diese Richtung weisende Antwort geben konnte. Stattdessen beschränkte sich der BF auf die Entgegnung, die Wahrheit gesagt zu haben (AS 51) bzw. brachte er in der Folge zweifelsfrei zum Ausdruck, dass er diese Schwierigkeiten im Jahr 2013 lediglich gehabt habe, weil ihn Scheich XXXX nicht möge (AS 53). In diesem Zusammenhang wurde vom BFA zutreffend angemerkt, dass die schiitische Miliz bei einem tatsächlichen Interesse an der Unterbindung seiner Tätigkeit als Friseur wohl persönlich an ihn herangetreten wäre, blieb der BF doch nach der angeblichen Bedrohung im Jahr 2013 noch für etwa 15 Tage in diesem Friseurbetrieb. Im Übrigen erscheint es auch auffällig, dass man den Arbeitgeber des BF lediglich wegen der Beschäftigung der Person des BF aufgesucht habe, was ebenfalls dagegen spricht, dass die Friseurtätigkeit an sich verpönt sei, andernfalls man dies dem Arbeitgeber - ebenfalls ein Friseur - wohl vorgeworfen hätte. Abschließend ist es nicht nachvollziehbar, wenn der BF erläutert, dass er in der Alkohol verkaufenden Firma der einzige Mitarbeiter mit islamischer Religionszugehörigkeit gewesen sei und man die anderen 150 Mitarbeiter - allesamt Christen - aber aufgrund deren Religionszugehörigkeit im Gegensatz zum BF nicht bedroht habe. Vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, wonach die Christen im Irak eine religiöse Minderheit darstellen, kann diesen Ausführungen des BF richtigerweise kein Glauben geschenkt werden.
2.2.4.5. Im Übrigen ist dem BFA - entgegen der unsubstantiierten Behauptung in der Beschwerde - nicht entgegenzutreten, wenn es festhält, dass die vorgelegten UNHCR-Bestätigungen aus Syrien und der Türkei nicht geeignet waren, eine anderslautende Entscheidung des Bundesamtes herbeizuführen. So wurde vom BFA zutreffend festgehalten, dass eine Anfrage beim UNHCR zunächst ergeben hat, dass die UNHCR-Büros in Damaskus und Ankara keine individuellen Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft durchführten (AS 133, 134). Der BF erhielt in der Folge zwar in Syrien im Jahr 2007 ein Flüchtlingszertifikat, jedoch hat sich in den vergangen Jahren die Lage im Irak wesentlich verändert. Dies zeigt sich auch daran, dass der BF im Jahr 2013 freiwillig in den Irak zurückgekehrt ist. Diese Tatsache spricht zudem ebenfalls gegen die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die in Syrien ausgestellten Dokumente lediglich temporäre Gültigkeit besessen haben und mittlerweile abgelaufen sind (AS 35, 36, 133). Was letztlich die Registrierung in der Türkei betrifft, so erhielt der BF dort kein entsprechendes Zertifikat. Am 15.07.2015 (AS 33) hätte erst eine Befragung des BF stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der BF allerdings bereits in Österreich auf.
In diesem Zusammenhang ist zur Vollständigkeit bezüglich der vom BF vorgelegten Bestätigungen des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten Nationen, wonach dieser den BF in Syrien entsprechend seinem Mandat registriert habe, noch ergänzend anzumerken, dass in einem vergleichbaren Fall (VwGH 30.09.2004, 2001/20/0121) der Verwaltungsgerichtshof auf die rechtliche Bedeutung einer solchen Anerkennung nicht weiter einging, sondern den damals angefochtenen Bescheid aus anderen Gründen behob. Das Bundesverwaltungsgericht geht nun davon aus, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Registrierung durch den Flüchtlingshochkommissar in Syrien die österreichischen Behörden nicht in die Richtung bindet, dass dem Beschwerdeführer allein deshalb Asyl zu gewähren wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Empfehlungen internationaler Organisationen "Indizwirkung" zu (VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453), insbesondere auch jenen des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten Nationen (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0021; 16.7.2003, 2003/01/0059; 24.8.2004, 2003/01/0463;
29.9.2005, 2003/20/0228; 24.11.2005, 2003/20/0118; 20.4.2006, 2005/01/0556; 16.1.2008, 2006/19/0182; 17.9.2008, 2008/23/0588;
19.3.2009, 2006/01/0930 bis 0931; 26.5.2009, 2006/01/0462;
10.12.2009, 2006/19/1197; 8.9.2010, 2006/01/0320; 13.12.2010, 2008/23/0976; 16.12.2010, 2006/01/0788; 16.12.2010, 2007/01/0980;
6.7.2011, 2008/19/0994 bis 1000; 10.12.2014, Ra 2014/18/0103; der Sache nach auch VwGH 8.3.2005, 2004/01/0027; 2.3.2006, 2004/20/0240;
17.3.2011, 2008/01/0047). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf gleichsam generelle Empfehlungen, nicht auf individuelle Akte wie die vorliegende Registrierung. Darüber hinaus kommt die Indizwirkung nicht einer Bindungswirkung gleich, sondern verpflichtet die Asylbehörde bloß zu einer Auseinandersetzung mit den Empfehlungen (VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453; 19.3.2009, 2006/01/0930; 13.12.2010, 2008/23/0976; 16.12.2010, 2006/01/0788). Will man die Rechtsprechung auf Fälle wie die vorliegende Registrierung übertragen, so ist dieser Verpflichtung durch das Ermittlungsverfahren und die Beweiswürdigung Genüge getan, die das BFA und das Bundesverwaltungsgericht durchgeführt bzw. geleistet haben.
2.2.4.6. Neben diesen die gegenständliche Entscheidung tragenden Erwägungen der belangten Behörde wie auch des erkennenden Gerichtes ist ergänzend (zur Zulässigkeit derartiger ergänzender Gründe, die das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebend sind, vgl. VwGH 18.06.2014, Ra 2014/20/0002) darauf zu verweisen, dass der BF seine Ausführungen bezüglich der Zerstörung seines Geschäftes divergierend gestaltete. So erwähnte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung mit keinem Wort die Zerstörung seines Geschäftes bei den Ereignissen im Jahr 2004 (AS 9). In der Einvernahme vor der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer jedoch dar, dass sein Friseurgeschäft von der schiitischen Miliz verwüstet worden sei (AS 49).
Hinzu tritt, dass der BF auch widersprüchliche Aussagen bezüglich seiner letztmaligen Ausreise aus dem Irak bzw. seinen Aufenthaltsorten in den vergangen Jahren zu Protokoll gab. So legte der BF im Zuge der Erstbefragung am 28.05.2015 dar, seinen Herkunftsstaat vor ca. einem Monat - also Ende April 2015 - legal von Bagdad ausgehend in die Türkei verlassen zu haben, wo er ca. 15 Tage verblieben sei (AS 5, 7). Insoweit im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde auch ein Datenblatt auszufüllen war, führte der BF aus, von 2004 bis Juli 2013 in Syrien, von Juli 2013 bis 28.11.2013 in Bagdad und vom 28.11.2013 bis November 2014 in der Türkei gewesen zu sein und sich anschließend über Griechenland und weitere Länder nach Österreich begeben zu haben (AS 23). In weiterer Folge erklärte der BF wiederum von seiner Geburt bis zum 21.09.2004 in Bagdad und anschließend von 2004 bis Juli 2013 in Syrien gelebt zu haben. Nach einem anschließenden zweimonatigen Aufenthalt in Bagdad sei er in die Türkei gereist, wo er ein Monat verblieben sei. Anschließend habe er sich nach Österreich begeben (AS 43).
Des Weiteren erlaubt sich der erkennende Richter darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer trotz Nachfragen nicht gewillt oder in der Lage war, nähere Angaben zu den geschilderten Vorfällen zu tätigen. Die wenigen getroffenen Schilderungen wurden vom Beschwerdeführer insoweit auch nur nach und nach getätigt. Jedenfalls beschränkte sich die Darlegung des Beschwerdeführers im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt diesbezüglich auf einige Eckpunkte, ohne diese durch spezifische detaillierte Angaben anzureichern. Illustrierend wird auf folgende Passage aus der Einvernahme vor der belangten Behörde bezüglich der Ereignisse im Jahr 2004 verwiesen (AS 49 - 51): "F:
Was war bei diesen dreimaligen Kontakten? A: Das erste Mal war dieser Scheich XXXX mit seiner Gruppe bei mir im Geschäft. Beim zweiten Mal schickte diese Gruppe jemanden zu mir. Beim dritten Mal wurde das Geschäft zerstört. V: Zuvor gaben Sie an, dass Sie drei Mal aufgesucht wurden bis das Geschäft zerstört wurde! A: Ich wurde bis zur Zerstörung des Geschäfts nur zwei Mal aufgesucht. F: Wie lange hielten sich die Personen bei Ihnen im Geschäft auf? A: Zehn Minuten. F: Was war in diesen zehn Minuten? A: Beim ersten Mal sagte Scheich XXXX , heute bin ich bei dir, das zweite Mal schicke ich jemanden und beim dritten Mal bekommst du ein großes Problem. F: Was sagte die Person, die von Scheich XXXX geschickt wurde? A: Er warf mir vor, warum ich das Geschäft offen habe, zumal mir Scheich XXXX sagte, dass ich das Geschäft schließen müsse. Ich würde auch ein Problem bekommen."
Bereits aus diesem Auszug ist ersichtlich, dass eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse auch auf konkretes Nachfragen nicht erfolgte. Auch unter Einbeziehung des Umstandes, dass Menschen unterschiedliche Erzählstile, darunter auch sehr knappe, aufweisen, wäre bei einem derartigen Ereignis, nämlich der Bedrohung und Verfolgung der eigenen Person, eine stärkere Personalisierung in Form eines größeren Detailreichtums zu erwarten gewesen. Es war dem Beschwerdeführer trotz eingehender und ausführlicher Befragung nicht möglich, eine Mehrzahl von persönlich wahrgenommenen Details der Handlungsabläufe sowie allenfalls Interaktionen handelnder Personen ins Treffen zu führen oder auch über seine eigene diesbezügliche Gefühlslage zu berichten und so den Eindruck zu vermitteln, dass er das Fluchtvorbringen selbst höchstpersönlich durchlebt hat. Dies lässt den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer zu diesen Sachverhaltspunkten deshalb nichts sagen konnte oder wollte, weil es sich um keine real erlebte Situation handelte.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Eltern und mehrere Geschwister des Beschwerdeführers immer noch problemlos im Irak in der Heimatstadt des Beschwerdeführers leben (AS 23). Insbesondere war der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch nicht in der Lage, eine plausible Erklärung dafür zu erbringen, weshalb ausgerechnet er und nicht beispielsweise auch seine Eltern den Irak verlassen mussten.
Schließlich darf nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass hätte der Beschwerdeführer tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen befürchtet, so hätte er seine Heimatstadt nicht erst auf Anraten seines Vaters verlassen (AS 49). Dass der Beschwerdeführer das Bedrohungspotential selbst offenbar nicht sehr hoch eingeschätzt hat, weist daher ebenfalls auf eine Ausreise wegen eines nicht asylrelevanten Grundes hin.
Daraus ergibt sich im Folgenden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Irak keiner individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war, zumal eine solche vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft vorgebracht wurde und sich eine mögliche zukünftige Bedrohung seitens schiitischer Milizen oder des Islamischen Staates nicht individuell manifestieren konnte.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist - dem BFA folgend - in Anbetracht der aufgezeigten Unstimmigkeiten nicht von einer tatsächlichen Bedrohung und Verfolgung des Beschwerdeführers durch schiitische Milizen auszugehen. Vielmehr liegt ein auf die Erlangung des Status des Asylberechtigten konstruiertes Vorbringen vor. Folglich kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von schiitischen Milizen bedroht und verfolgt wurde. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer sonstigen individuellen Gefährdung oder Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Irak aufgrund der schlechten Sicherheitslage und auch aufgrund der religiösen Spannungen verließ, ohne jedoch selbst eine individuelle Gefährdung oder Verfolgung durch staatliche Organe oder durch schiitische Milizen oder den Islamischen Staat erlitten zu haben.
2.2.4.7. Da der Beschwerdeführer keine staatliche Strafverfolgung im Irak aufgrund eines Kapitalverbrechens in den Raum gestellt hat, war dem Folgend zur Feststellung zu gelangen, dass er im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würde. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften vorgebracht wurden.
Der Beschwerdeführer führte keine von ihm zu erwartenden Probleme wegen der allgemeinen Lage im Irak detailliert an. Auch hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie, weshalb anzunehmen ist, dass die Familie in Bagdad nicht von gravierenden Sicherheitsproblemen im Irak betroffen war, andernfalls dies dem Beschwerdeführer in den privaten Gesprächen mitgeteilt worden wäre und der Beschwerdeführer dies in der Folge in der Einvernahme erwähnt hätte.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im Übrigen im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad und Umgebung nicht, dass der Großraum Bagdad regelmäßig Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten ist und ausweislich der statistischen Daten zu den unsichersten Provinzen gehört. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte in der Provinz Bagdad jedoch nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser Opfer eines Anschlages werden würde (vgl. hiezu auch VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad im Übrigen nicht statt. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer Opfer von terroristischen Anschlägen wird, kann in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage nicht erkannt werden.
2.2.5. Ebenso weist das erkennende Gericht auf folgende Umstände hin:
2.2.5.1. Sofern in der Beschwerde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorgetragen wird, wird abschließend festgestellt, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Nach der Judikatur des VwGH (vgl. 20.01.1993, 92/01/0752; 19.05.1994, 94/19/0465; VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356) obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen sowie Bescheinigungsmittel vorzulegen und ist die Behörde nicht verpflichtet, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.
Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung des Vorbringens ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221). Es ist in erster Linie Obliegenheit des Asylwerbers auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung grds. nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).
Auch ist auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren Bedacht zu nehmen (§ 15 AsylG 2005, § 13 BFA-VG) und im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069). Dabei darf in diesem Zusammenhang aber nicht übersehen werden, dass auf Grund der Spezifika eines Asylverfahrens, unbeschadet dessen, dass es als antragsgebundenes Verwaltungsverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz abgeführt wird, die Anforderungen an einen Asylwerber insbesondere bei der Beschaffung von Bescheinigungsmitteln auf Grund von fluchttypischen Sachzwängen nicht überzogen werden dürfen. Dennoch sieht der das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habende § 18 Asylgesetz 2005 keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Bestimmung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 18 Asylgesetz nicht (vgl. schon die Judikatur zu § 28 AsylG 1997, VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494).
Im Lichte der oa. Ausführungen ist es dem BF nicht gelungen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das BFA ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.
2.2.5.2. Insoweit im Rahmen der Beschwerde zudem ausführt wird, dass sich das BFA nicht ausreichend mit dem konkreten Fall befasst habe, zumal sich das BFA in der Beweiswürdigung auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine beschränke, so ist dem nochmals zu entgegnen, dass sich dieses Vorbringen in der Beschwerde letztlich darauf beschränkte, unsubstantiiert die Ermittlungstätigkeit des Bundesamtes zu kritisieren und etwa Argumente für das Fehlen einer innerstaatlichen Fluchtalternative oder der Schutzfähigkeit und -willigkeit des irakischen Staates, für die Gewährung von subsidiärem Schutz und für eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich darzustellen, ohne dass hierbei aber ein Vorbringen erstattet worden wäre, welches jeweils zu einer anderen Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz, des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt hätte (siehe unten Punkte II.3.1. - II.3.3.).
Ausgehend davon kann das Bundesverwaltungsgericht den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf, das Bundesamt habe es verabsäumt, sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Situation im Herkunftsstaat auseinanderzusetzen, nicht nachvollziehen. Wohl hat die belangte Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen (§ 18 AsylG 2005). Aus dieser Gesetzesstelle kann jedoch keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zur Vorgängerbestimmung VwGH 07.06.2001, Zl. 99/20/0434 mwN). Insoweit verneinte der Beschwerdeführer vor der belangten auch, noch etwas zu berichtigen oder ergänzen zu wollen (AS 55). Für eine mangelhafte Ermittlungstätigkeit besteht sohin kein Anhaltspunkt und liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
2.2.5.3. Der Beschwerdeführer bringt zudem vor, die fluchtauslösenden Ereignisse durchaus nachvollziehbar - mit einer ausführlichen und konkreten Schilderung von Details, wie Zeit- und Ortsangaben oder Wahrnehmungen und Emotionen - dargestellt zu haben. Seine Befürchtungen seien daher nicht spekulativ, sondern realistisch und würden durch die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte bestätigt werden. In der Beschwerde wird damit aber kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Diese Behauptungen vermögen die Beweiswürdigung der belangten Behörde demgemäß nicht zu erschüttern.
2.2.5.4. Wenn in der Beschwerde des Weiteren moniert wird, dass es sich jeglicher Verifizierbarkeit entziehe, wenn das BFA vermeine, der BF wäre aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der zuständige Organwalter gewonnen habe, nicht glaubwürdig, so ist diesbezüglich anzumerken, dass sich in der Beweiswürdigung des BFA keine entsprechenden Ausführungen in Zusammenhang mit dem vom Organwalter gewonnenen persönlichen Eindruck finden.
2.2.5.5. Wenn bezüglich der vagen Angaben des Asylwerbers in der Beschwerde erläutert wird, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um traumatische Ereignisse gehandelt habe und dies bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit besonders zu berücksichtigen sei, so bleibt festzuhalten, dass die belangte Behörde und das entscheidende Gericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch die psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit eines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen.
Der volljährige Beschwerdeführer hat jedoch keine gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt seiner Einvernahmen geltend gemacht, wobei festzuhalten ist, dass von einem volljährigen und psychisch gesunden Antragsteller grundsätzlich zu erwarten ist, dass er seine Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hierzu zu äußern wahrheitsgemäß angibt und in weiterer Folge auch bei den jeweiligen Befragungen in den Grundzügen damit übereinstimmend und möglichst detailreich vorträgt.
2.2.5.6. Von Seiten des Beschwerdeführers wurde der Antrag gestellt, einen länderkundigen Sachverständigen zu beauftragen, sich mit der aktuellen Situation im Irak zu befassen.
Hiezu ist auszuführen, dass derartige Schritte nicht erforderlich waren, zumal die Schlüssigkeit und Richtigkeit der vom BFA bzw. von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entkräftet wurde. Der Sachverhalt ist auf Grund der obigen Ausführungen als geklärt anzusehen, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).
Das Bundesveraltungsgericht darf ein angebotenes Beweismittel dann ablehnen, wenn dieses an sich, also objektiv nicht geeignet ist, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 15.11.1983, 82/11/0084; 16.12.1992, 92/02/0257; 28.11.1995, 93/05/0173).
Im Falle des Beschwerdeführers ist auch keine derart spezielle Situation gegeben, welche weitere konkrete Erhebungen erforderlich machen würde. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers war daher abzuweisen.
Im Übrigen käme dies auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
2.2.5.7. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerdeschrift eine mündliche Verhandlung bzw. persönliche Einvernahme. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - persönlichen Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (z.B. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der Beweiswürdigung des BFA, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.
2.2.5.8. Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war, das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht.
3.1.3. Bezüglich der vermeintlichen Bedrohung aufgrund einer Tätigkeit als Friseur, Alkoholkonsums bzw. einer westlich orientieren Lebenseinstellung und einem westlich orientierten Auftreten verkennt der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichts nicht, dass der Konsum bzw. der Ausschank von Alkohol oder eine Tätigkeit als Friseur bzw. ein westlicher Lebensstil bei Teilen der Bevölkerung aus religiösen Gründen Ablehnung erfährt und Kritik sowie weitergehende Repressionen nicht ausgeschlossen werden können. Auch Gewalttaten sind dokumentiert. Angesichts der dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund von im Zuge der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Irak betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen bezüglich der Anzahl von Geschäften mit Alkoholverkauf in Bagdad und der Problemlosigkeit einer ausreichenden Versorgung mit Alkohol ist indes noch nicht von systematischen Übergriffen auf Personen auszugehen, die Alkohol konsumieren. Ohne das Dazutreten weiterer Umstände begründet der Genuss von Alkohol aus Sicht des erkennenden Richters des Bundesverwaltungsgerichtes keine unter dem Gesichtspunkt des § 3 AsylG 2005 maßgebliche Gefährdung. Dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise als Friseur tätig war und dass er sich als westlich orientierten Menschen ansieht, begründet ausweislich der getroffenen Feststellungen ebenso wenig eine maßgebliche Gefährdung im Rückkehrfall. So hat zwar die jahrelange Gewalt und der offenkundige Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Irak ein Klima geschaffen, das einen Anstieg des religiösen Extremismus und der Anwendung von Stammesbräuchen ermöglicht hat, sodass Personen von sunnitischen und schiitischen bewaffneten Gruppen sowie ihren eigenen Familien wegen ihrer "säkularen Orientierung" oder wegen Nicht-Befolgung konservativer islamischer oder sozialer Normen ins Visier genommen worden sind. Beispielsweise sind auch Spirituosenverkäufer oder Friseure wegen ihres Verhaltens, ihrer Kleidung oder ihres Berufs, die als "unislamisch" oder "westlich" wahrgenommen worden seien, gebrandmarkt worden. Übergriffe in maßgeblicher Intensität und Anzahl können aus den getroffenen Feststellungen jedoch nicht abgeleitet werden. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Lebensstils sowie seines beruflichen Engagements im Rückkehrfall eine individuelle Gefährdung oder psychische und/oder physische Gewalt drohen würde, kann angesichts dessen nicht erkannt werden.
Die vom Islamischen Staat nach wie vor ausgehende Anschlagskriminalität ist vornehmlich gegen schiitische Viertel gerichtet und trachtet danach, eine möglichst hohe Anzahl an Opfern zu treffen. Eine erhebliche individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers als Friseur bzw. Alkoholkonsument mit einem westlichen Lebensstil durch den Islamischen Staat ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel.
Spezifische weitere Feststellungen zur Lage von Personen, welche die herrschenden Sitten und religiöse Gebote ablehnen, konnten in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen unterbleiben.
Soweit der BF im Rahmen des Asylverfahrens daher vorbrachte aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit oder westlichen Geisteshaltung in seinem Herkunftsstaat Verfolgung fürchten zu müssen, ist es ihm nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Aus den vorhandenen Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ist nicht ableitbar, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.1.4. Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, Zl. 95/20/0329 mwN).
3.1.5. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK liegt somit nicht vor und es braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden.
3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).
Nach der ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der EGMR aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).
3.2.2. Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).
3.2.3. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. EGMR U 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (VfSlg 13.314/1992; EGMR GK 07.07.1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 14038/88). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein ausreichend reales Risiko für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (EGMR U 04.07.2006, Karim gegen Schweden, Nr. 24171/05, U 03.05.2007, Goncharova/Alekseytev gegen Schweden, Nr. 31246/06).
3.2.4. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen (EGMR U 02.05.1997, D. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 30240/96; U 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 44599/98; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).
Unter außergewöhnlichen Umständen können auch lebensbedrohende Ereignisse (etwa das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137). Außergewöhnlicher Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VwGH 11.11.2015, Ra 2015/20/0196, mwN).
3.2.5. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführer so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen:
ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).
Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).
Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).
3.2.6. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zunächst nicht, dass die Sicherheitslage in Teilen des Irak prekär ist und Anschlagskriminalität in Bagdad nach wie vor zu gewärtigen ist. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann jedoch in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte in der Provinz Bagdad nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich Opfer eines Anschlages werden würde (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad im Übrigen nicht statt.
Zum anderen hat weder der Beschwerdeführer selbst ein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, noch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Anschlagskriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände Ereignisse ausgesetzt wäre.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer ist vielmehr ein erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann mit hinreichender mehrjähriger Schulbildung. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Beschwerdeführers vorausgesetzt werden, zumal dieser im Irak auch bereits als Friseur beruflich tätig gewesen ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Irak grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit seiner damals ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften.
Darüber hinaus konnte davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK hat kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland einer Abschiebung nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142; 11.11.2015, Ra 2015/20/0196, mwN). Ausweislich der getroffenen Feststellungen leidet der Beschwerdeführer nicht an einer schweren Erkrankung.
3.3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 57 AsylG sowie § 52 FPG):
3.3.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
3.3.2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende Mai 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.
3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
3.3.3.1. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger des Irak kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
3.3.4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,
Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.
In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Die bisherige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers beträgt seit Ende Mai 2015 rund zwei Jahre und neun Monate, womit diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch relativ kurz ist, um bereits jetzt von einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration zu sprechen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet ist, er versuchte diesen mit einem nicht glaubhaften Sachverhalt zu begründen und der Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist war, sind gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib, selbst wenn er in Österreich soziale Kontakte knüpfte, einen Deutschkurs in seiner Asylunterkunft besucht(e) und dem BF die Dauer des Verfahrens nicht zuzurechnen ist. Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).
Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.
Der BF übte bislang in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und befand sich in der Grundversorgung. Er konnte keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Erst am 01.02.2018 meldete der BF nunmehr das reglementierte Gewerbe "Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)" beim zuständigen Bezirksamt der Stadt Wien an. Es gibt jedoch keinen Nachweis dafür, dass er dieses Gewerbe tatsächlich ausübe. Aufgrund der erst vor rund drei Wochen erfolgten Anmeldung kann jedenfalls noch nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit gesprochen werden, wie sie der Verfassungsgerichtshof in seinem Kriterienkatalog erwähnt. Was mittlerweile erworbene Deutschkenntnisse betrifft, so sei in diesem Zusammenhang auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Zudem hat der BF klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht Mitglied in einem Verein ist.
Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt im Irak, wo seine Eltern und mehrere Geschwister leben und er somit über ein soziales Netz verfügt, zumal der BF in Bezug auf sein Lebensalter erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig ist und kann auch aufgrund der nicht übermäßig langen Abwesenheit (allenfalls rund vier Jahre) aus seinem Heimatland Irak bzw. dem arabischen Kulturraum nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine völlige Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit bestehen nach wie vor Bindungen des BF zum Irak bzw. dem arabischen Kulturraum.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Familien- und Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.
Es wurde in der Beschwerde kein anderweitiger und relevanter Sachverhalt betreffend Privat- und Familienleben geltend gemacht. Auch wurde dies nicht etwa im Rahmen einer Beschwerdeergänzung dargelegt.
Dazu wäre der BF, welcher im Beschwerdeverfahren auch durch einen Verein und dessen Obmann - einem Rechtsanwalt - vertreten ist, bei geänderten Umständen aber gegebenenfalls im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verhalten, sind doch gerade dem persönlichen Bereich des BF zugehörige Sachverhalte, wie etwa private und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich, für die Behörde [das Gericht] nicht ohne entsprechendes Vorbringen erkennbar (vgl. VwGH 30.1.2001, 2000/18/0001; VwGH 14.2.2002, 99/18/0199; 24.4.2001, 98/21/0399) und hat die Glaubhaftmachung im Wesentlichen auch durch entsprechende Bescheinigungsmittel, z.B. Bescheinigungen über den Abschluss von Deutschprüfungen, Heiratsurkunde, Beschäftigungsnachweis oder konkrete Beweisanbote etc. zu erfolgen, da idR eine bloße Behauptung zur Glaubhaftmachung im Asylverfahren nicht ausreicht.
Durch die im Asylverfahren erfolgte Belehrung über die Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren, die einschlägigen Fragestellungen in den Einvernahmen, der Begründung des Bescheides des BFA, ist für den BF deutlich erkennbar, dass solche, alleine in seiner persönlichen Sphäre liegenden Punkte, für die Entscheidung im Asylverfahren von Relevanz sind. Die Verpflichtung des BF zur initiativen Mitteilung bzw. zum entsprechenden Nachweis an das Bundesverwaltungsgericht ist etwa auch aus § 15 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 abzuleiten, wonach der Asylwerber für das Verfahren relevante Unterlagen, soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, dem BVwG "unverzüglich" zu übergeben hat.
Der BF hat bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Änderung von relevanten Umständen in Bezug auf seine privaten und familiären Anknüpfungspunkte mitgeteilt.
Das Gericht war daher diesbezüglich zu keinem ergänzenden Ermittlungsverfahren verpflichtet und kann das Bundesverwaltungsgericht aus dem Verschweigen des BF vertretbar schließen, dass es seit der Beschwerdeeinbringung keine relevante Änderung hinsichtlich seiner privaten und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich gibt.
Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen kosovarischen (ehemaligen) Asylwerber keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).
Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers erkennen: Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat bzw. dem arabischen Kulturraum verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort noch die engsten Familienangehörigen des BF leben. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Irak - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).
Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.
Die belangte Behörde hat es in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend unterlassen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu prüfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt somit, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.
3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
3.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.
Die in § 24 Abs. 4 VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des § 67d Abs. 4 AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält § 24 Abs. 4 VwGVG nicht (mehr).
Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch:
trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.
Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:
* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und
* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen
* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und
* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen
* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Verfahren den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.
Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung (vgl. diesbezüglich die auch unter Punkt 2.2.4. wiedergegebene Argumentation des BFA).
Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA vom 30.06.2017 immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.
Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.
Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.
Letztlich ist auch nochmals auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7 hinzuweisen, in welchem dieser nunmehr auch explizit festhält, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.
Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.
Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ergeben sich aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.
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