VwGH 90/01/0196

VwGH90/01/019630.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1990, Zl. 4.296.496/3-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Sowjetunion, reiste am 24. Mai 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 25. Mai 1990 Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 26. Juni 1990 gab der Beschwerdeführer an, das Regime in seinem Heimatland wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt zu haben und deshalb 1988 der "Demokratischen Initiative" beigetreten zu sein. Aus diesem Grund habe er seinen Arbeitsplatz bei der Feuerwehr verloren. Als der Beschwerdeführer im Sommer 1989 anläßlich einer Demonstration eine Resolution gegen die kommunistische Partei unterschrieben habe, sei er mit anderen Sympathisanten von der Polizei zehn Tage lang inhaftiert worden. Da sich in der Folge weder die wirtschaftliche noch die politische Lage geändert habe, habe sich der Beschwerdeführer zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen. Er habe für seine Ersparnisse Goldschmuck gekauft, der ihm aber in Ungarn von einem polnischen Staatsbürger gestohlen worden sei. Als der Beschwerdeführer deswegen Anzeige erstattet habe, sei ihm von der ungarischen Polizei sein Reisepaß abgenommen und gegen ihn ein Strafverfahren wegen illegaler Schmuckeinfuhr eingeleitet worden. Unter Verwendung eines gefälschten polnischen Passes sei der Beschwerdeführer nach Österreich gelangt. Im Falle seiner Rückkehr in die UdSSR drohe dem Beschwerdeführer eine mindestens zehnjährige Haftstrafe. Bei einer Rückkehr nach Ungarn sei mit der Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimtland zu rechnen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer über seine bisherigen Angaben hinaus ergänzend vor, er habe den Dienst in der Roten Armee verweigert und auch andere Personen hiezu anstiften wollen. Wegen der deshalb angedrohten Gefängnisstrafe habe er sein Heimtland verlassen müssen. Da Ungarn noch kein demokratisches Land sei, müsse der Beschwerdeführer für den Fall, daß er dorthin zurückgeschickt werde, mit seiner Deportation in die UdSSR rechnen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die Angaben des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig, weil sein Berufungsvorbringen gegenüber seinen Angaben vor der Behörde erster Instanz eklatante Widersprüche aufweise. So habe der Beschwerdeführer einerseits angegeben, in Ungarn seinen Militärdienst abgeleistet zu haben, während er ohne jegliche weitere Erklärung in der Berufung behauptet habe, den Militärdienst verweigert zu haben. Der Beschwerdeführer habe auch die Gründe, aus denen er im Fall seiner Rückkehr eine zehnjährige Haftstrafe zu befürchten habe, nicht konkretisiert, weshalb sich diese Befürchtung als bloße Annahme darstelle. Die dem Beschwerdeführer gestattete legale Ausreise und die Ausstellung eines internationalen Führerscheines im Jänner 1990 seien ein Indiz dafür, daß der Beschwerdeführer keiner politschen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht der Privilegien von Mitgliedern der kommunistischen Partei teilhaftig geworden sei, reiche für das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung nicht aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, auf die von ihm behauptete Verfolgung einzugehen und entsprechende Sachverhaltserhebungen z. B. im Wege der österreichischen Vertretungsbehörden durchzuführen. Es sei wohl richtig, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1976 und 1978 seinen Militärdienst abgeleistet habe, doch hätte er im Jahre 1990 im Rahmen eines außerordentlichen Militärdienstes gegen den Aufstand in den baltischen Staaten eingesetzt werden sollen, was er jedoch verweigert habe. Die befürchtete zehnjährige Haftstrafe würde den Beschwerdeführer deshalb treffen, weil die illegale Ausreise aus der UdSSR ein Strafdelikt darstelle. Über einen Bekannten in Ungarn habe der Beschwerdeführer erfahren, daß der KGB bereits auf ihn "warte".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Es trifft zu, daß die belangte Behörde auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte zehntägige Inhaftierung wegen der Unterfertigung einer Resolution im Anschluß an die Teilnahme an einer Demonstration nicht gesondert eingegangen ist. Da der Beschwerdeführer aber nicht ausgeführt hat, daß etwa über diese Inhaftierung hinausgehend weitere, konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen aus in der Flüchtlingskonvention angeführten Gründen gesetzt worden wären - eine aus Anlaß der Teilnahme an einer Demonstration erfolgende Verhaftung stellt für sich allein noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichteter Verfolgung dar -, hätte die belangte Behörde auch bei Eingehen auf diese Inhaftierung des Beschwerdeführers zu keinem anderen Bescheid kommen können.

Die erstmals in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe den Militärdienst verweigert, hat die belangte Behörde angesichts der Ausführungen des Beschwerdeführers bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme über die Ableistung des Militärdienstes in den Jahren 1976 bis 1978 in Ungarn zu Recht als widersprüchlich und daher unglaubwürdig erachtet. Mit dem nun erst in der Beschwerde enthaltenen Erklärungsversuch, es hätte sich bei dem verweigerten Militärdienst um einen außerordentlichen Militäreinsatz im Zusammenhang mit den Unruhen in den baltischen Republiken gehandelt, unterliegt der Beschwerdeführer dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe seine Angaben über die gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen nicht im Wege der österreichischen Vertretungsbehörden in der UdSSR auf ihre Richtigkeit überprüft, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere).

Zu der vom Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde geäußerten Befürchtung, wegen der Übertretung von den Aufenthalt sowjetischer Staatsbürger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, ist - abgesehen davon, daß auch dieses Vorbringen eine unzulässige Neuerung darstellt - festzuhalten, daß eine allenfalls aus diesen Gründen drohende Bestrafung eines Asylwerbers für die Frage seiner Anerkennung als Flüchtling ohne Bedeutung ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0252, und vom 31. März 1989, Zl. 89/01/0102).

Der belangten Behörde ist auch zuzustimmen, wenn sie die in einem Land allgemein herrschenden politischen Verhältnisse, im vorliegenden Fall insbesondere die Benachteiligung derjenigen Personen, die nicht der kommunistischen Partei angehören, für sich allein nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen hat (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0102).

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

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