VwGH 93/05/0173

VwGH93/05/017328.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dipl.Ing. G und der Dr. W, beide in W, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Mai 1993, Zl. MD-VfR - B XIX - 22 u. 23/93, betreffend einen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §70;
BauO Wr §71;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §70;
BauO Wr §71;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer zusammen haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (im folgenden: MA 37) vom 18. Juli 1973, wurde den Beschwerdeführern als Bauwerbern die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohnungen in Wien, E-Gasse 8, erteilt.

Am 22. Februar 1993 führte die MA 37 eine Verhandlung in diesem Haus durch, wobei nachstehnde Abweichungen vom eingangs genannten Konsens festgestellt wurden:

  1. "1) Es wurde an der linken Grundgrenze, beginnend von der E-Gasse, eine ca. 45,00 m lange und ca. 90 cm - 140 cm hohe Stützmauer mit einem darauf montierten Maschendrahtzaun errichtet.
  2. 2) Es wurde vor dem Haus an der Front E-Gasse ca. 2,50 m von der linken Grundgrenze und ca. 3,60 m von der vorderen Grundgrenze entfernt ein ca. 2,20 m x 5,50 m großes Nebengebäude (Müllraum) errichtet.
  3. 3) An der Front E-Gasse wurde ca. 5 m vom Haus entfernt eine bogenförmige ca. 10 m lange und ca. 70 cm bis 1,00 m hohe Stützmauer errichtet.
  4. 4) Es wurde im rechten Seitenabstand im Bereich der vorderen Grundgrenze eine ca. 3,00 m x 4,00 m große befestigte Fläche (in Betonbett verlegte Platten) hergestellt.
  5. 5) Zwischen dem nichtbewilligten Nebengebäude und der vorderen linken Grundgrenze wurde eine ca. 4,00 m x 3,50 m große betonierte Fläche hergestellt.
  6. 6) Gartenseitig wurde im Bereich der Garage und des Hauseinganges eine ca. 11,00 m lange und ca. 14,00 m breite asphaltierte Fläche hergestellt.
  7. 7) Links vom Hauseingang wurde eine ca. 7,00 m breite und eine ca. 5,50 m lange Terrasse mit einer ca. 2,00 m hohen Sichtschutzmauer errichtet.
  8. 8) Vor dem Hauseingang wurde im Kellergeschoß ein

    ca. 1,00 x 3,20 m großer Zubau (Windfang) errichtet. Im Anschluß an den Zubau wurde an der linken Seite eine 2,20 m lange und ca. 2,95 m hohe Betonwand errichtet.

  1. 9) Abweichend vom bewilligten Plan vom 18.7.1973, Zl. MA 37/19 - E-Gasse 624/US/1/72 wurde der gartenseitige Balkon anstatt der bewilligten 1,60 m auf 3,20 m erweitert.
  2. 10) An der Fassade Front E-Gasse wurden im Keller, im Erdgeschoß und im 1. Stock zusätzliche Fenster hergestellt.
  3. 11) An der Nordfassade (Garten) wurden im Erdgeschoß und im

    1. Stock zusätzliche Fenster hergestellt.

  1. 12) Abweichend vom bewilligten Plan wurde im 1. Stock durch Aufstellen und Abtragen von Scheidewänden im Vorzimmer, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und im Bad der Wohnung Nr. 2 die Raumeinteilung abgeändert und Raumumwidmungen vorgenommen."

In der Verhandlung wurde behördlicherseits die Erteilung eines Auftrages gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (im folgenden: BO) in Aussicht gestellt. Der anwesende Erstbeschwerdeführer erklärte, daß er die Firma "Universale" beauftragt habe, innerhalb der festgesetzten Frist die erforderliche Bewilligung zu erwirken.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1993 erteilte die MA 37 den Auftrag, die oben beschriebenen Abweichungen von dem mit Bescheid vom 18. Juli 1973 bewilligten Bauvorhaben, für welche gemäß § 60 Abs. 1 lit. a, b und c der Bauordnung für Wien eine Bewilligung hätte erwirkt werden müssen, binnen 6 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides zu beseitigen bzw. den konsensgemäßen Zustand herzustellen.

Vom Beschwerdeführer stammt ein "Aktenvermerk" vom 24. Februar 1993, der der MA 37 am 5. März 1993 übermittelt wurde; dem Eingangsstempel ist allerdings kein Hinweis auf Beilagen zu entnehmen. Dort wird dargestellt, daß an der Bauverhandlung auch ein Dipl.Ing. R von der "X-AG" teilgenommen habe. Wörtlich wird dort ausgeführt: "Herr Ing. R als Vertreter der Firma X legt eine Parie Auswechslungspläne vor. Auf einem dieser Pläne ist die Bestätigungsstampiglie der MA 28 vom Jahre 1977 ersichtlich (siehe Beilage). Aus diesem Auswechslungsplan sind:

Müllhäuschen

Teil der Stützmauer zur E-Gasse und Gestaltung des Einganges

ersichtlich". Weiters wird in diesem Aktenvermerk behauptet, der Vertreter der MA 37 hätte eine sechsmonatige Frist erteilt, "um die Auswechslungspläne aus dem Jahr 1977 samt baulicher Veränderungen, die in einer Wohnung vorgenommen wurden, zu vervielfältigen und bei der MA 37 samt den von den Beschwerdeführern gesammelten Befunden neu einzureichen".

In ihrer gegen den Bescheid vom 23. Februar 1993 erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, es sei in der Verhandlung vom 22. Februar 1993 nachgewiesen worden, daß ein Auswechslungsplan betreffend das gegenständliche Bauvorhaben vom Jahre 1977 vorhanden sei, der behördlich genehmigt worden sei, und aufgrund dessen die Ausführung der derzeit bestehenden Baulichkeiten erfolgt sei. Der Vertreter der baudurchführenden Firma X habe eine Parie Auswechslungspläne vorgewiesen und es sei auf einem dieser Pläne auch eine amtliche Bestätigungsstampiglie ersichtlich gewesen. Das Vorliegen eines bei der Behörde eingereichten Auswechslungsplanes, der offensichtlich in Verstoß geraten sei, könne den Einschreitern nicht angelastet werden und es fehle daher an einer Rechtsgrundlage für die erteilten Aufträge. Zum Beweis dieses Vorbringens wurde die Vernehmung des Zeugen Ing. L.R. von der baudurchführenden Firma X beantragt. Weiters wird in der Berufung gerügt, daß den Beschwerdeführern nicht, wie im § 129 Abs. 4 BO vorgesehen, eine angemessene Frist zur Behebung von Baugebrechen eingeräumt wurde. In der Verhandlung sei ja eine sechsmonatige Frist dafür vorgesehen gewesen und hätte erst nach Verstreichen dieser Frist ein Beseitigungsauftrag erteilt werden dürfen.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1993 wies die Bauoberbehörde für Wien diese Berufung als unbegründet ab. Unbestrittenermaßen sei eine baubehördliche Bewilligung für die festgestellten Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben nicht erteilt worden. Bei der Verhandlung vom 22. Februar 1993 sei lediglich ein von der MA 28 vidierter Plan vorgelegt worden. Ein solcher Plan könne einen schriftlichen Bescheid über die Baubewilligung nicht ersetzen. Da die Beschwerdeführer gar nicht behauptet hätten, daß eine Baubewilligung hinsichtlich der im Plan dargestellten Änderung erteilt worden wäre, sei auch eine Befragung des Zeugen Ing. R. entbehrlich gewesen. Die festgesetzte Erfüllungsfrist sei in technischer und wirtschaftlicher Beziehung angemessen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihren Rechten auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und darauf verletzt, daß sie vor Ablauf einer angemessenen Frist gemäß § 129 Abs. 4 BO nicht mit einem Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO belastet werden. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrikgeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach wie vor unbestritten ist die Bewilligungspflicht für die nach den Angaben der Beschwerdeführer in den Jahren 1976 oder 1977 durchgeführten Baumaßnahmen, die den Gegenstand des Abbruchauftrages bildeten. Gemäß § 129 Abs. 10 BO sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Vorschriftswidrig ist jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war (und weiterhin erforderlich ist), für den aber eine Baubewilligung nicht vorliegt. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften2, 557).

Die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides eingeräumte Frist, die Maßnahmen binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides durchzuführen, gründet sich auf § 59 Abs. 2 AVG, wonach im Falle des Ausspruches der Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder Herstellung zu bestimmen ist. Keinesfalls gründet sich diese Fristsetzung, wie die Beschwerdeführer meinen, auf § 129 Abs. 4 BO; die Baubehörden sind ausschließlich von einer Konsenswidrigkeit und nicht etwa von einem Baugebrechen ausgegangen. Die Beschwerdeführer legen selbst nicht offen, aus welcher Gesetzesbestimmung sie ihre Auffassung ableiten, daß der Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 BO eine VORANGEGANGENE Fristsetzung zur Voraussetzung hätte.

Die Beschwerdeführer behaupten weiters, die Voraussetzung der Konsenswidrigkeit sei nicht gegeben, weil sie sich auf eine Baubewilligung gestützt hätten und einen Zeugen dafür angeführt hätten; das Unterbleiben dieser Vernehmung stelle eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dar.

Weder dem Verhandlungsprotokoll noch dem von den Beschwerdeführern verfaßten Aktenvermerk noch dem Berufungsvorbringen kann die Behauptung entnommen werden, die Beschwerdeführer könnten sich auf eine - gemäß § 70 Abs. 2 BO mit schriftlichem Bescheid zu erteilende - Baubewilligung berufen. Im Aktenvermerk vom 24. Februar 1993 ist nur von Auswechslungsplänen die Rede, von denen einer eine Bestätigungsstampiglie der MA 28 enthalten habe; ein solcher Plan sei bei der Verhandlung vom 22. Februar 1993 vorgelegt worden. Auf die bei dieser Verhandlung offenbar hergezeigten Auswechslungspläne, von denen einer einen Bestätigungsvermerk der MA 28 enthalten haben soll, verweist auch die Berufung, und alleine zur Bestätigung dieser Tatsache wurde die Vernehmung des Zeugen Ing. L.R. beantragt.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde mit, daß bei der Baubehörde erster Instanz ein Auswechslungsplan aus dem Jahre 1977, der einen Vidierungsvermerk der MA 28 enthalten solle, nicht aufliege. Es wurde aber ein Auswechslungsplan vorgelegt, der eine Einverständniserklärung der MA 30-Kanalisation vom 23. September 1976 enthält. Die Beschwerdeführer kamen einer an sie gerichteten Aufforderung, den in der Beschwerde genannten, behördlich genehmigten Auswechslungsplan aus dem Jahr 1977 vorzulegen, nicht nach.

Gemäß § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Angebotene Beweise dürfen nur dann von vornherein abgelehnt werden, wenn die angebotenen Beweismittel an sich nicht geeignet sind, über den Gegenstand einen Beweis zu liefern; kann aus der Art des angebotenen Beweismaterials für die Sachentscheidung von vornherein nichts gewonnen werden, weil das Beweisthema für die Sachentscheidung unerheblich ist, dann ist die Behörde nicht verpflichtet, sich damit auseinanderzusetzen. Es kommt allein darauf an, ob das angebotene Beweismaterial objektiv geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, d.h. zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (siehe die Nachweise aus der hg. Rechtsprechung bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 413).

Mit der Behauptung, es gäbe Auswechslungspläne, von denen einer einen Bewilligungsvermerk einer für Bausachen nicht zuständigen Magistratsabteilung enthalte, mußten sich die Verwaltungsbehörden nicht auseinandersetzen. Konsenswidrig ist der Bau bereits, wenn keine Baubewilligung vorliegt; ob andere behördliche Bewilligungen vorliegen, ist ohne Belang (vgl. das bei Geuder-Hauer aaO, 563, wiedergegebene hg. Erkenntnis vom 26. September 1990, Zl. 87/05/0104, wonach eine gewerbebehördliche Bewilligung eine Baubewilligung nicht ersetzten könne).

Damit erwies sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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