VwGH 94/19/0465

VwGH94/19/046519.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in A, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1993, Zl. 4.326.537/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §46;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §46;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 29. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 1. Juni 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 7. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 24. März 1992 angegeben, er habe 1990 seine Tätigkeit als Buchhalter aufgegeben und habe begonnen Theologie zu studieren. Am 1. Mai 1991 habe sein Praktikum begonnen und sei er von der Schule nach Agbede zum Pfarrhaus der pentikostalen Kirche geschickt worden. Er sei dort missionarisch tätig gewesen und habe einige junge Moslems zum christlichen Glauben bekehren können. Dies habe fanatischen Moslems mißfallen, die daraufhin während einer Glaubensversammlung gewalttätig gegen die pentikostale Kirche in Agbede vorgegangen seien. Der Beschwerdeführer habe sich durch Flucht einer Verwicklung in die Gewalttätigkeiten entziehen können und habe später erfahren, daß der Pastor dieser Kirche getötet worden sei. Aus Furcht, das gleiche Schicksal zu erleiden, habe sich der Beschwerdeführer an den Reverend der "Living Bible Church" in Lagos gewandt, der ihm zum Verlassen seines Heimatlandes geraten habe. Der Beschwerdeführer sei in Nigeria nie "gegen die Bestimmungen der Genfer Konvention" verfolgt oder in Haft genommen worden; er habe lediglich vor den Moslems Angst gehabt. Er sei im Besitz eines gültigen Reisepasses gewesen und der Reverend habe ihm die Reise nach Europa finanziert.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer über sein bisheriges Vorbringen hinaus geltend, an seinem Praktikumsplatz hätten die Moslems dominiert und es sei dort eine christliche Gemeinschaft noch nicht entstanden. Die Bewohner des Dorfes seien mit ihm nicht einverstanden gewesen, weshalb er im Ort keine Schlafmöglichkeit gehabt habe und ihm die Kirche habe als Quartier dienen müssen. Wegen der Teilnahme von Moslemkindern an kirchlichen Zusammenkünften hätten die Moslems diese Zusammenkünfte gestört und die Kinder am Besuch gehindert. Der Beschwerdeführer habe gegen Beschwerden der Moslems bei der Polizei nichts unternehmen können, weil die Polizisten ebenfalls Moslems seien. Bei Abhaltung eines Gottesdienstes und einer größeren Versammlung am 11. August (1991) sei es zu einer blutigen Auseinandersetzung mit Moslems gekommen, bei der viele Menschen gestorben und viele schwer verletzt worden seien. Nach seiner Flucht nach Benin City habe der Beschwerdeführer erfahren, daß bezahlte "Killers" den Pfarrer seiner Kirche ermordet hätten. Die Polizei habe den Beschwerdeführer zu erreichen gesucht, um die Situation klarzustellen, doch habe er gewußt, daß es sein Todesurteil bedeutet hätte, wenn er gefunden worden wäre. In Lagos habe er auf einem Plakat gesehen, daß er von der Polizei gesucht werde.

Gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Lediglich die am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres bereits anhängigen Verfahren sind gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, sie habe bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden gehabt, ergibt sich aus dem Umstand, daß das Verfahren infolge Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 5. Juni 1992 (Zustellungsdatum) am 1. Juni 1992 noch nicht bei ihr anhängig war, weshalb sie verpflichtet gewesen wäre, das Asylgesetz (1968) anzuwenden (vgl. für viele andere insbesondere das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831). Die belangte Behörde wäre daher - anders als nach § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - gehalten gewesen, ihren Sachverhaltsfeststellungen nach Maßgabe des Ergebnisses der Beweiswürdigung das Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren in gleicher Weise zugrunde zu legen wie dessen Vorbringen in erster Instanz. Daraus, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, ist dem Beschwerdeführer, der dieses Vorgehen der belangte Behörde auch gar nicht gerügt hat, aber kein Rechtsnachteil erwachsen, weil die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung inhaltlich auch auf das Berufungsvorbringen eingegangen und zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt ist, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint hat, wobei diese Bestimmung keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff darstellt.

Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers zunächst deshalb keine Folge gegeben, weil aus den vom Beschwerdeführer auf Grund seiner Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft befürchteten Gewalttaten moslemischer Gruppen von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen nicht abgeleitet werden könne. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhaltes im Ergebnis beizupflichten, weil sich aus diesem nicht ergibt, daß es sich bei den von ihm geschilderten Vorfällen in Agbede um staatliches Vorgehen gehandelt hätte. Der Beschwerdeführer hat auch im Rahmen seiner Ersteinvernahme nichts vorgebracht, was in Richtung staatlicher oder vom Staat geduldeter Verfolgung deuten würde.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend macht, er habe vorgebracht, daß die Polizei in seinem Heimatland der moslemischen Mehrheit angehöre, sodaß er bei ihr keinen ausreichenden Schutz gegen Verfolgungshandlungen durch private Moslemgruppen finden könne, ist ihm entgegenzuhalten, daß in diese Richtung gehende Ausführungen in seinem erstinstanzlichen Vorbringen nicht enthalten sind und daß er in seiner Berufung in dieser Hinsicht lediglich geltend gemacht hat, in seinem Heimatland seien die Moslems an der Regierung und auch die Polizisten seien Moslems, sodaß er gegen Beschwerden der Moslems wegen der von seiner Glaubensgemeinschaft entfalteten missionarischen Tätigkeit nichts habe unternehmen können. Diesem Vorbringen kann aber nicht entnommen werden, daß der Versuch, bei staatlichen Stellen vor Übergriffen moslemischer Gewalttäter Schutz zu suchen von vornherein als aussichtslos anzusehen gewesen wäre bzw. daß der Beschwerdeführer einen solchen Versuch erfolglos unternommen hätte. Für die Zurechnung der vom Beschwerdeführer dargestellten Gewalttaten an seinen Heimatstaat bzw. für die Furcht, vor solchen bei staatlichen Stellen keinen Schutz finden zu können, liegen daher keine Anhaltspunkte vor.

Der Ansicht des Beschwerdeführer, die belangte Behörde wäre im Hinblick auf das Vorliegen von Verfolgung aus religiösen Motiven verpflichtet gewesen, zu begründen, warum es ihm zumutbar gewesen sei, sich mit dem bei staatlichen Behörden zu suchenden Schutz zu begnügen, ist entgegenzuhalten, daß eine solche Verpflichtung der belangten Behörde schon allein deshalb nicht vorliegen kann, weil der Beschwerdeführer einen mangelnden Schutz seines Heimatstaates nicht dargetan hat.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß die für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgeblichen §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG wohl die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden vorsehen, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Dem Beschwerdeführer ist aber entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen

(vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere). Aus diesen Gesetzesstellen kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln. Auch zur Heranziehung eines Berichtes von Amnesty International über die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers war die belangte Behörde nicht verpflichtet, weil daraus eine konkrete individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden könnte.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im - im Beschwerdefall nicht anzuwendenden - Asylgesetz 1991 aber auch im Asylgesetz (1968) die Beiziehung eines Amtsdolmetschers nicht verpflichtend vorgesehen. Gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz (1968) ist der Vernehmung eines der deutschen Sprache nicht kundigen Asylwerbers eine der fremden Sprache mächtige Person zuzuziehen. Somit reicht die Beiziehung eines Dolmetschers - also auch eines solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Daß aber der der Vernehmung des Beschwerdeführers unbestritten beigezogene Dolmetscher etwa seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen für den Beschwerdeführer unverständlich übersetzt hätte, hat er selbst nicht behauptet bzw. stellen sich in dieser Richtung gehende, erstmals in der Beschwerde enthaltene und somit dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegenden Ausführungen als bloße Vermutungen dar. Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Bedenken bieten - schon mangels Präjudizialität der in Zweifel gezogenen Bestimmung - für den Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 18 Asylgesetz 1991 zu beantragen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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