Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Eritrea, reiste am 24. September 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde dazu - nach Weiterreise und Rücküberstellung aus Schweden - am 18. Februar 2005 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, er werde zum einen wegen der Nichtanerkennung einer Entscheidung in einem Grundstücksstreit verfolgt, zum anderen, weil sein inhaftierter Vater Mitglied der "Eritrean Liberation Front" (ELF) gewesen und er selbst Sympathisant dieser Oppositionspartei sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. April 2005 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Eritrea zulässig ist (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 31. März und 19. Juni 2006 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt 1.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Eritrea zulässig ist (Spruchpunkt 2.), und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Eritrea ausgewiesen (Spruchpunkt 3.).
Die belangte Behörde erachtete die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe aus näher dargelegten Gründen für nicht glaubwürdig. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung der ELF, wonach er in Eritrea als deren Mitglied durch das herrschende Regime politisch verfolgt werde, um ein bloßes Gefälligkeitsschreiben handle und er in dieser Organisation nie tätig gewesen sei. Der Beschwerdeführer selbst habe auf Vorhalt angegeben, ein neues Mitglied der ELF zu sein und deshalb noch keine Aktivitäten für die Partei gesetzt zu haben, dies aber künftig tun zu wollen.
Im Rahmen der Länderfeststellungen ging die belangte Behörde unter anderem davon aus, dass eine Person, die im Ausland einen Asylantrag gestellt habe, bei der Rückkehr in der Regel nicht mit staatlichen Repressionsmaßnahmen rechnen müsse, vorausgesetzt, sie werde von der eritreischen Regierung nicht als Regierungsgegner eingestuft. Allein auf Grund der Tatsache, dass eine (von im Ausland lebenden Staatsbürgern abverlangte) "Aufbausteuer" nicht entrichtet werde, erfolge eine solche Einstufung nicht. Bei Nichtbezahlung der Steuer könne es allerdings zu Konsequenzen im Kontakt mit eritreischen Behörden kommen, etwa zu Befragungen bei der Einreise und Schwierigkeiten bei der Beantragung amtlicher Unterlagen. Werde die politische Opposition innerhalb Eritreas aktiv, so führe dies zu "Gegenmaßnahmen" der Regierung. Dass die "bloße" Mitgliedschaft in einer oppositionellen Gruppe wie der ELF Verfolgung nach sich ziehe, könne hingegen nicht festgestellt werden.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde wendet sich unter anderem gegen die Einschätzung der Gefährdung von Rückkehrern nach Eritrea durch die belangte Behörde und zeigt damit im Ergebnis einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Der Beschwerdeführer hat im Rahmen einer im Berufungsverfahren erstatteten schriftlichen Stellungnahme vom 12. April 2006 vorgebracht, es bestehe die Gefahr, dass er bei seiner Rückkehr inhaftiert, gefoltert oder extralegal hingerichtet würde, weil es gängige "Praxis des diktatorischen Regimes in Eritrea (sei), dorthin abgeschobene Staatsbürger oft schon pauschal des Hochverrates zu verdächtigen". Dem - im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 31. März 2006 erörterten - Bericht des britischen "Home Office" vom Oktober 2005 sei zu entnehmen, dass von Malta nach Eritrea abgeschobene Personen verhaftet, gefoltert und zur Zwangsarbeit gezwungen worden seien. Aus dem Ausland zurückkehrende Eritreer stünden unter dem Generalverdacht, die Opposition zu unterstützen, und würden mit Inhaftierung bedroht. UNHCR spreche im März 2005 von einer Verschlechterung der Menschenrechtssituation und empfehle, Menschen aus Eritrea dorthin nicht abzuschieben.
Der genannte Bericht des britischen "Home Office" bezieht sich insoweit (unter anderem) auf ein Positionspapier des UNHCR vom Jänner 2004 ("UNHCR Position on Return of Rejected Asylum Seekers to Eritrea"), das in späteren Stellungnahmen ausdrücklich aufrechterhalten wurde. Darin wird zum erwähnten Vorfall und zur Rückkehr eritreischer Staatsangehöriger aus dem Ausland unter anderem ausgeführt, zwischen 30. September und 3. Oktober 2002 seien 233 Personen von Malta nach Eritrea abgeschoben worden, von denen 170 nicht Asyl beantragt hätten und 53 abgewiesene Asylwerber gewesen seien. Diese Personen seien unmittelbar nach ihrer Ankunft in Asmara festgenommen und in "Isolationshaft" angehalten worden. Eritreische Behörden hätten weder deren Inhaftierung bestätigt noch Angehörige oder die Öffentlichkeit über deren Verbleib informiert. Nachfolgende Berichte seien davon ausgegangen, dass Personen mit Kindern und Personen, die älter als 40 Jahre (der Altersgrenze für eine Einberufung zum Militär) gewesen seien, kurz danach wieder freigelassen worden seien. Die restlichen Personen seien in "Isolationshaft" an geheimen Plätzen, die als Hallen aus Eisenblech und unterirdische Bunker beschrieben worden seien, angehalten worden; diese Personen würden immer noch angehalten. Verschiedenen Quellen zufolge hätten die Inhaftierten ihre persönlichen Besitztümer abgeben müssen, seien Zwangsarbeit unterworfen sowie befragt und gefoltert worden. Einige Inhaftierte seien an ihren Krankheiten und/oder Verletzungen gestorben. Zumindest eine Person sei vermutlich bei einem Fluchtversuch erschossen worden. Vor diesem Hintergrund habe es den Anschein, dass die von Malta nach Eritrea Abgeschobenen Verfolgung auf Grund einer unterstellten politischen Gesinnung, aus Gewissensgründen oder anderen Gründen ausgesetzt gewesen seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass in Zukunft Abgeschobene einem vergleichbaren Risiko ausgesetzt wären.
Die belangte Behörde hat demgegenüber zur Frage der Gefährdung von Rückkehrern lediglich darauf abgestellt, dass eine Person, die im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, nicht mit staatlichen Repressionsmaßnahmen zu rechnen habe, solange sie nicht als Regierungsgegner eingestuft werde; die bloße Nichtbezahlung der Aufbausteuer führe nicht zu einer solchen Einstufung, alleine aus der formalen ELF-Mitgliedschaft sei ebenfalls keine Verfolgungsgefahr abzuleiten. Diese Annahmen stützte die belangte Behörde auf einen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea zum Stand März 2005 (samt einer diesbezüglichen Ergänzung vom 4. Mai 2005) sowie auf eine - durch die österreichische Botschaft in Kairo übermittelte - Anfragebeantwortung der deutschen Botschaft in Eritrea vom 25. April 2006 im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens.
Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass der zitierte Bericht des UNHCR keine eindeutige Aussage über den Grund der Inhaftierung der über 200 aus Malta abgeschobenen eritreischen Staatsangehörigen enthält und sich daraus nicht im Einzelnen ablesen lässt, anhand welcher Maßstäbe die Einstufung als (vermuteter) Regierungsgegner tatsächlich erfolgt ist. Der dargestellte Vorfall (Inhaftierung einer größeren Gruppe rückgeführter Personen und nachträgliche Freilassung Einzelner) legt aber gerade nicht nahe, dass nur einzelne Rückkehrer auf Grund spezifischer, in der jeweiligen Person gelegener Gründe (etwa wegen herausragender exilpolitischer Betätigung) Übergriffe zu befürchten hätten, sondern stützt vielmehr die Behauptung des Beschwerdeführers, es bestehe insofern ein Generalverdacht der Gegnerschaft zum herrschenden Regime.
Vor diesem Hintergrund durfte die behauptete Rückkehrgefährdung aber nicht alleine mit dem beweiswürdigenden Argument verneint werden, es seien (nach den von der belangten Behörde herangezogenen Unterlagen deutscher Behörden) "keine Fälle bekannt (...), dass die Asylantragstellung im Ausland oder die Nichtentrichtung der so genannten Aufbausteuer zu Verfolgungsmaßnahmen geführt hätten". Abgesehen davon, dass sich dazu in den erwähnten Stellungnahmen deutscher Behörden keine weiteren Belege finden, sondern nur auf nicht näher ausgeführte "mündliche Erkenntnisse" verwiesen wird, behandeln diese Stellungnahmen eine mögliche Rückkehrgefährdung ausschließlich unter dem Aspekt einer im Ausland erfolgten Asylantragstellung bzw. der Nichtentrichtung der genannten Steuer. Eine Beurteilung der Rückkehrgefährdung losgelöst davon ist diesen Stellungnahmen hingegen nicht zu entnehmen; mit dem konkreten Vorfall, auf den der Beschwerdeführer seine Verfolgungsbehauptungen stützte - der Inhaftierung über 200 aus Malta abgeschobener eritreischer Staatsangehöriger -, befassen sich diese Stellungnahmen nicht.
Die belangte Behörde hätte sich daher im Hinblick auf die behauptete (generelle) Verfolgung von Rückkehrern wegen einer unterstellten oppositionellen Gesinnung mit der Berichtslage - insbesondere den Stellungnahmen des UNHCR (vgl. zur Indizwirkung von Empfehlungen internationaler Organisationen etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zlen. 2006/01/0930, 0931, mwH) - eingehender auseinandersetzen und dazu begründete Feststellungen treffen müssen. Diesem Mangel kommt auch Relevanz zu, da die belangte Behörde im Falle des Zutreffens der darauf gerichteten Behauptungen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 8. September 2010
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