VwGH 95/20/0650

VwGH95/20/06506.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der L in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. September 1995, Zl. 4.329.219/17-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, ist im November 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 11. Dezember 1991 den Asylantrag gestellt. Anläßlich ihrer am 26. Mai 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung hat sie im wesentlichen angegeben, sie habe in den Jahren 1987 und 1988 vorübergehend in Amerika gearbeitet. China hätte sie nicht aus religiösen, sondern aus politischen Gründen verlassen. Sie sei in China bei einer Textilfirma als Kontrollangestellte für sehr niederigen Lohn tätig gewesen, wobei sie oft 13 bis 14 Stunden am Tag hätte arbeiten müssen. Nachdem sie mehr Lohn gefordert hätte, sei sie entlassen worden. Daraufhin habe sie sich aktiv an der Studentenbewegung beteiligt. Aus diesem Grunde hätten Polizisten ihr Haus durchsucht und versucht, sie einzuschüchtern. Bei den Verhören sei sei nach Teilnehmern und Anführern der Studentenbewegung befragt worden. Daher hätte sie Angst bekommen, daß man auch sie einsperren würde, weshalb sie sich entschlossen habe, ihre Heimat zu verlassen. Bei einer Rückkehr habe sie "sicher" eine lange Haftstrafe zu erwarten.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Juni 1992 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung, in der sie erneut darlegte, sie habe die Studentendemonstration in der Stadt San Minh unterstützt, wobei sie ihre Arbeitskollegen und Nachbarn aufgerufen habe, für die Studentenbewegung zu spenden, da sie von der Regierung und der Behörde der Fabrik lange Zeit unterdrückt und ausgebeutet worden seien. Sie habe 14 Stunden täglich trotz schlechter Arbeitsbedingungen für niedrige Löhne arbeiten müssen. Nach dem 4. Juni 1989 sei sie mehrmals von Polizisten verhört worden. Dabei hätte sie verraten sollen, wer ihre Hintermänner seien. Da sie aber geschwiegen habe, hätte man gedroht, sie ins Gefängnis zu werfen. Gleichzeitig sei sie entlassen worden. Danach habe sie jede Arbeitsmöglichkeit verloren, weil sie eine "politisch Unzuverlässige" gewesen sei und es niemand gewagt habe, sie anzustellen. Sie könne nicht mehr China zurückkehren, da sie verhaftet werden würde und mit dem schlimmsten zu rechnen hätte.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1993 wurde diese Berufung abgewiesen. Infolge der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde der damit bekämpfte Bescheid des Bundesministers für Inneres mit hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/0741-13 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, wodurch das Berufungsverfahren wieder anhängig wurde. Mit Schreiben vom 2. Juni 1995 ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Berufungsvorbringen dahingehend, sie habe unter unmenschlicher Behandlung an ihrem Arbeitsplatz in der Textilfabrik gelitten, sie hätte 10 Stunden pro Tag arbeiten müssen, zudem oft Nachtschicht zu leisten gehabt. Wegen der langen und unregelmäßigen Arbeitszeit habe sie eine Lungenerkrankung bekommen. Sie habe sich oft bei ihrem Vorgesetzten über die Belastungen durch ihre Arbeit beschwert, was jedoch nur zu Vorwürfen und Kritik geführt habe. Der Arbeitslohn sei zu niedrig gewesen und habe nicht ihrer Leistung entsprochen. Im Juni 1989 habe es in China eine großartige Studentenbewegung gegeben, an der sie sich auch beteiligt habe. In der Fabrik habe sie ihre Unterstützung für die Studentenbewegung bekanntgegeben, sei auch bei Versammlungen gewesen und habe bei einer Spendenaktion für die Studenten mitgemacht. Damit seien ihre Vorgesetzten nicht einverstanden gewesen, und man habe ihr deswegen einen Verweis erteilt. Die Sicherheitsbeamten hätten sie auch wegen ihrer Beteiligung an der Studentenbewegung festgenommen und 15 Tage eingesperrt, wobei sie während dieser Zeit schwer mißhandelt worden sei. Nachdem sie aus der Haft entlassen worden sei, habe sie auch ihren Arbeitsplatz verloren. Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis sei sie mehrmals von Sicherheitsbeamten zum Verhör vorgeladen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, sie sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968). Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin habe ihre Flüchtlingseigenschaft nicht glaubhaft machen können, weil ihren sich im Laufe des Verfahrens steigernden Angaben keine Glaubwürdigkeit zukommen könne, diese offensichtlich nur hätten dazu dienen sollen, unter allen Umständen zur Asylerlangung zu kommen. Im weiteren führte die belangte Behörde darüber hinaus und nur im Falle der - von ihr grundsätzlich verneinten - Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin aus, könne auch rechtlich diesen Angaben eine Asylrelevanz nicht zukommen, weil die bloß innere Ablehnung eines Asylwerbers gegen das innen- und außenpolitische System in ihrem Heimatland noch keinen Grund bilde, sie als Flüchtling anzuerkennen. Auch Verhöre und Hausdurchsuchungen seien grundsätzlich für sich genommen nicht asylrelevant. Zum Vorbringen, sie sei 15 Tage ins Gefängnis gesperrt und mißhandelt worden, sei auszuführen, daß man die Beschwerdeführerin wieder freigelassen habe, ohne daß der Vorwurf einer strafbaren Handlung gegen sie erhoben worden sei. Dies lasse die schlüssige Folgerung zu, daß die maßgeblichen staatlichen Stellen davon überzeugt gewesen seien, daß zwischen ihr und etwaigen oppositionellen Gruppen keine ernstzunehmenden Verbindungen bestünden. Zur Befürchtung der Beschwerdeführerin, im Falle ihrer Rückkehr schweren und schwersten Strafen ausgesetzt zu sein, handle es sich lediglich um eine subjektive Vermutung, die aus objektiver Sicht gesehen, nicht für die Glaubhaftmachung oder Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausreiche. Ebensowenig seien die von ihr relevierten Arbeitsbedingungen asylrelevant. Darüber hinaus gehe auch aus der Verwendung eines echten und auf die Nationale der Beschwerdeführerin ausgestellen Reisedokumentes jedenfalls hervor, daß sie zumindest zu diesem Zeitpunkt kein subjektiv asylrechtlich relevantes Schutzbedürfnis gehabt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zunächst ist klarzustellen, daß ausgehend von der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und im Sinne des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/0741, die belangte Behörde nicht - wie die Beschwerdeführerin offenbar meint - das Asylgesetz 1991, sondern das Asylgesetz (1968) anzuwenden hatte. Schon aus diesem Grunde war der auf einen Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich der neuen Fassung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 hinzielenden Anregung der Beschwerdeführerin nicht näherzutreten.

Insoweit die Beschwerdeführerin Verletzungen der amtswegigen Ermittlungspflicht der belangten Behörde sowie Verletzung des Parteiengehörs lediglich in allgemein gehaltenen Wendungen geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, daß zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren die Angaben des Asylwerbers selbst sind und es bei Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention nicht auf die Feststellung allgemeiner Verhältnisse ankommt, sondern auf die vom Asylwerber glaubhaft zu machenden konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei befindet sich die belangte Behörde auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie weiters ausführt, als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluß aufdrängten, daß sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprächen. Diesen letzten Fall sah jedoch die belangte Behörde als gegeben an, da die Beschwerdeführerin, die noch in ihrer erstinstanzlichen Angabe lediglich die Befürchtung geäußert hatte, wegen der Teilnahme an der Studentenbewegung einmal eingesperrt zu werden und dies auch noch ihrer Berufung wiederholte, erst in Berufungsergänzung vom 2. Juni 1995 erstmals die Behauptung aufstellte, für 15 Tage bereits inhaftiert und in dieser Zeit darüber hinaus schwer mißhandelt worden zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich außerstande, der an diese sich in einem wesentlichen Punkte steigernden Angaben der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde geknüpften Schlußfolgerung, ihren diesbezüglichen Angaben könne Glaubwürdigkeit nicht zuerkannt werden, im Rahmen der ihm obliegenden Schlüssigkeitsprüfung entgegenzutreten. Auch im Rahmen der Amtswegigkeit im Sinne des § 37 in Verbindung mit § 39 AVG geht die Manuduktionspflicht der belangten Behörde nicht so weit, Asylgründe, die der Asylwerber anläßlich seiner Ersteinvernahme gar nicht behauptet hat, amtswegig erforschen zu müssen. Im übrigen erweist sich der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen nicht bzw. nicht ausreichend auseinandergesetzt, als unberechtigt, geht doch die belangte Behörde nicht nur auf das erstinstanzliche, sondern auch auf das Berufungsvorbringen samt Ergänzung detailliert ein. Andere Beweisergebnisse lassen sich auch den allgemein gehaltenen Ausführungen in der Beschwerde nicht entnehmen. Daß aber die belangte Behörde - wie bereits oben dargelegt - den sich steigernden Angaben der Beschwerdeführerin insgesamt Glaubwürdigkeit versagte, lag ausschließlich in diesem Grunde, nicht aber im Fehlen von Erhebungsergebnissen, die allgemeine Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin betreffend. Ausgehend davon erweisen sich die - grundsätzlich zutreffenden - Ausführungen zur Inhaltsrüge als nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren, d. h. auch unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung, abzuweisen.

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