BVwG L508 2169948-1

BVwGL508 2169948-15.2.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2169948.1.00

 

Spruch:

L508 2169948-1/26E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.01.2020, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger des Iran und der persischen Volksgruppe zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 3, 17 f).

 

2. Im Rahmen einer Einvernahme zur Prüfung der Schubhaft, zum Parteiengehör und zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. zur Anordnung der Außerlandesbringung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am Tag der Antragstellung (AS 15 - 19) bestätigte der BF bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt zu haben. Er habe - ohne ihn Österreich um Asyl anzusuchen - nach Deutschland reisen wollen, um sich eine sichere Zukunft aufzubauen und seine arme Familie im Iran zu erhalten.

 

3. Anschließend erfolgte am Tag der Antragstellung eine Erstbefragung (AS 1 - 11). Der Beschwerdeführer verneinte zunächst in einem anderen Land um Asyl angesucht zu haben. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er zu Protokoll, den Iran wegen nicht ausreichender Arbeit verlassen zu haben. Er habe im Iran kein Geld verdienen können und habe sich sein Leben verbessern wollen. Bei einer Rückkehr in den Iran würde er - außer der Rückkehr in die Armut - nichts befürchten. Er sei aus finanziellen Gründen aus dem Iran geflüchtet.

 

Am selben Tag erfolgte auch eine Einvernahme durch das BFA und gab der BF dabei an, dass Zweck seiner Einreise nach Österreich jener gewesen sei, dass er nach Deutschland reisen habe wollen um sich dort eine Zukunft aufzubauen und um dann seine arme Familie im Iran finanziell unterstützen zu können.

 

4. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.03.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in der Folge: Dublin III-VO), gestütztes - den Beschwerdeführer betreffendes - Wiederaufnahmegesuch an Ungarn (AS 27 – 33).

 

5. Mit Schreiben vom 08.04.2016 (AS 29) teilte das BFA der ungarischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung des Wiederaufnahmegesuches gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit von Ungarn zur Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens eingetreten sei.

 

6. Nach Zulassung des Verfahrens legte der BF im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.08.2017 (AS 57 - 61, 95 - 123) in der freien Erzählung seiner Fluchtgründe im Wesentlichen dar, dass ihn sein Bruder am 11.01.2016 an seinem Arbeitsplatz telefonisch von einer Hausdurchsuchung durch drei in Zivil gekleidete Personen verständigt habe. Diese hätten seinen Vater beleidigt und sich nach ihm erkundigt, wobei er als „Ungläubiger“ bezeichnet worden sei. Aus seinem Zimmer habe man CDs und Bücher mitgenommen. Aufgrund seines Ersuchens habe sein Bruder nachgeschaut, ob das Geschäft von XXXX offen sei. Sein Bruder habe ihm mitgeteilt, dass dies geschlossen sei, weshalb er sodann gewusst habe, warum nach seiner Person gesucht werde. XXXX habe ihn mit dem Christentum bekanntgemacht. Dies habe er auch seinem Bruder erzählt und diesen um Hilfe ersucht, um aus dem Land zu gelangen, da er Christ geworden sei. In der Folge habe er sich zwischen XXXX und XXXX zu einem Fischzüchter begeben und sich eine Sim-Karte besorgt. Am selben Tag habe ihm sein Bruder telefonisch mitgeteilt, dass er einen Schlepper gefunden habe. Am folgenden Tag habe ihm sein Bruder am Telefon gesagt, dass neuerlich Uniformierte bei ihnen zu Hause nach seiner Person gesucht hätten. Zudem habe sein Onkel mütterlicherseits seinen Vater angerufen und gesagt, wenn er - der BF - dies gemacht habe und er ihn selber sehen würde, dann würde er ihn persönlich töten lassen und nicht der Regierung übergeben.

Er habe XXXX während seines Militärdienstes in Schiras kennengelernt. Nach der Beendigung des Militärdienstes sei dieser nach XXXX gekommen, wobei er XXXX bei der Eröffnung eines Geschäftes finanziell unterstützt habe. Am 30.03.2015 habe er durch seinen Freund XXXX mit dem christlichen Glauben Bekanntschaft gemacht. Donnerstags habe am Nachmittag unregelmäßig eine Hauskirche in verschiedenen Quartieren stattgefunden. Sie seien samt Pastor insgesamt fünf Personen gewesen. Nach dem Anzünden einer Kerze hätten sie Lieder gesungen und danach aus der Bibel gelesen. Das erste Mal hätte er nicht gewusst, um was es gehe. Er sei lediglich Zuhörer gewesen. Es seien dann alle aufgestanden und hätten sich an den Händen gehalten. Sie hätten die Augen schließen sollen, um ein unbeschreibliches Gefühl zu bekommen. Während das Vater unser gesungen worden sei, habe er mit geschlossenen Augen das Gefühl bekommen, dass jemand vor ihm stünde bzw. in einer anderen Welt zu sein. Anschließend hätten sie gebetet und noch einmal einen Teil aus der Bibel gelesen. Zum Schluss hätten sie die Messe mit einem Lied beendet. Es habe etwa eine Stunde gedauert. Er habe dort Brüderschaft gesehen und es sei eine sehr freundliche Atmosphäre gewesen. Danach habe er mehr Interesse für das Christentum entwickelt. Bevor die Hauskirche aufgeflogen sei, sei er insgesamt zwölfmal in verschiedenen Quartieren in dieser Hauskirche gewesen.

Weitere Angaben zu den behaupteten Problemen machte der Beschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch den Leiter der Amtshandlung. Des Weiteren beantwortete der BF Fragen zu seiner Konversion und zum Christentum.

Im Übrigen wurde dem BF angeboten, in die aktuellen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat Einsicht zu nehmen. Der BF verzichtete auf diese Möglichkeit.

Im Zuge der Einvernahme brachte der BF einen iranischen Führerschein, einen österreichischen Taufschein, eine Aufenthaltsbestätigung und einen Entlassungsbrief einer österreichischen Krankenanstalt, einen Beschluss eines österreichischen Bezirksgerichtes sowie ein Konvolut an Unterlagen und Ablichtungen zur Bescheinigung seiner Konversion in Österreich in Vorlage (AS 63 - 92).

7. Im Zuge einer Stellungnahme vom 16.08.2017 (AS 133 ff) legte der BF zunächst dar, dass das vom BFA herangezogene Länderinformationsblatt hinreichend aktuell, ausführlich und eindeutig sei. In der Folge führte der BF unter Wiederholung seines Vorbringens und unter auszugsweiser Zitierung weiterer Länderberichte zur Situation von Christen/ Konvertiten im Iran aus, dass insbesondere der Abschnitt über die Religionsfreiheit zeige, dass seine Angst vor staatlicher Repression bis hin zu Leibesstrafen angesichts seines Glaubenswechsels und vor dem Hintergrund der Religiosität seiner Familie, die sogar Verbindungen zum Sicherheitsdienst habe, absolut nachvollziehbar sei. Ferner werde bei Beurteilung des Asylantrages die ständige Rechtsprechung des UBAS, des AsylGH und des BVwG zu nachweislich konvertierten Personen zu beachten sein (vgl. etwa das Erkenntnis des AsylGH vom 28.11.2013, E2 424157). Schließlich werde zu beachten sein, dass der BF ein Tattoo in Form eines Kreuzes am Unterarm trage, welches ihn für den Fall seiner Rückkehr in den Iran vor dem Hintergrund der einschlägigen Informationen zur Religionsfreiheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in erhebliche Erklärungsnot, höchstwahrscheinlich auch Lebensgefahr, bringen würde.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017 (AS 157 - 245) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Das BFA stützte sich auf umfangreiche Feststellungen zur Lage im Iran (Seite 19 bis 60 des bekämpften Bescheides).

Dem Vorbringen des BF bezüglich der Gewährung von Asyl wurde im Rahmen der Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit versagt (AS 217 ff).

 

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der vom Antragsteller vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.

9. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017 (AS 147 - 150) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und wurde er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

 

10. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.09.2017 (AS 255 ff) in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

10.1. In dieser werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und wird beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuweisen und für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages festzustellen, dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukomme, sowie festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen würden und dem Beschwerdeführer daher gemäß § 58 Absatz 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei und hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen würden und dem Beschwerdeführer daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Absatz 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen sei. Jedenfalls wird eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

10.2. In der Sache wiederholt der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Des Weiteren wird dargelegt, dass auch im Asylverfahren die AVG-Prinzipien der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehöres gelten würden. Die belangte Behörde habe in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde nicht entsprochen, zumal sie ihre Feststellungen zur Situation im Iran auf veraltete Länderberichte stütze und diese nur unvollständig ausgewertet habe. Die Länderfeststellungen würden sich nur unzureichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Doch selbst die veralteten Berichte im angefochtenen Bescheid würden ein schwarzes Bild für Christen, vom Islam Abgefallene, Regimegegner und „Unislamische“ malen (siehe AS 258 f). In der Folge werden auszugsweise Länderfeststellungen zur Situation von Christen bzw. zum Christentum konvertierten Personen auszugsweise zitiert. Darüber hinaus wird auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.04.2015, 30.03.2015 und 15.03.2017 verwiesen (AS 259 - 272).

10.3. Die Feststellung bezüglich einer fehlenden individuellen Verfolgungssituation basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. Zur Beweiswürdigung wird in der Folge ausgeführt, dass sofern das BFA vermeine, der BF habe seine Zugehörigkeit zum Christentum nicht glaubhaft machen können, so sei dem zu entgegnen, dass die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen objektiv gesehen keinesfalls nachvollziehbar seien. Insoweit das BFA die Unglaubwürdigkeit auf Widersprüche bzw. fehlende Einzelheiten des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen vor dem BFA stütze, werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach Asylwerber im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürfen. Darüber hinaus müsse auch der psychische und physische Zustand des Asylwerbers bei der Erstbefragung berücksichtigt werden. Der BF habe bereits zu Beginn der Einvernahme angegeben, dass seine Angaben in der Erstbefragung nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Abgesehen davon, dass sich der BF in großer Angst befunden habe, postwendend wieder zurück in den Iran geschickt zu werden und dort dem Tod durch seinen Vater, seinen Onkel und den Staat ausgeliefert zu sein, hat sich dieser zum Zeitpunkt des Asylantrages auch unter starkem Alkohol- und Medikamenteneinfluss befunden und sei sich dementsprechend seiner Aussagen und Handlungen auch nicht bewusst gewesen. Dafür spreche auch, dass er seine Strafe, welche er für den Diebstahl eines Parfums erhalten habe, bereits beglichen habe und auch jetzt noch stark bereue.

Die belangte Behörde stelle fest, dass der BF schiitischer Moslem wäre, doch zeige sich diese Feststellung als schlichtweg falsch, da der BF offensichtlich konvertiert sei und dies auch mittels Taufurkunde belegt habe. Auch gehöre der BF laut der belangten Behörde der Volksgruppe der Perser an, dazu meine der BF jedoch „Islam gehört den Araber und ich bin kein Araber, ich mag diese Religion nicht.“ Schon aus diesen beiden Umständen werde klar ersichtlich, dass der BF sich keineswegs mit der Strenggläubigkeit seiner Familie und den generellen Umständen der persischen bzw. arabischen Kultur identifizieren könne bzw. habe können. Dafür spreche auch sehr deutlich, dass der BF bereits im Iran Alkohol getrunken habe und nach wie vor manchmal konsumiere, auch sein Tattoo am Unterarm zeige auf, wie sehr er sich dem kulturellen und religiösen Zwang seines Heimatlandes verwehre. Dem Vorhalt, dass der BF ein überzeugter Moslem sein müsse, weil er in einem strenggläubigen, familiären Umfeld aufgewachsen wäre, könne sohin keineswegs zugestimmt werden. Auch der Bruder des BF vertrete keineswegs den gleichen strengen Glauben wie die Eltern des BF, weshalb es durchaus im Bereich des Möglichen liege, dass der Bruder den BF bei dessen Flucht unterstützt habe. Auch hinsichtlich des Kontaktes mit der Mutter versuche das BFA, den Sachverhalt zu verdrehen, habe doch der BF im Rahmen der Einvernahme recht deutlich vorgebracht, dass seine Mutter ihn liebe und deshalb auch noch Kontakt mit ihm halte, wenngleich der Vater nichts davon wisse und diesen Kontakt auch auf jeden Fall untersagen würde.

Entgegen der Ansicht des BFA, dass wöchentlich (stets an einem Donnerstagnachmittag) eine Messe stattgefunden habe und sich demnach bei der Nachrechnung andere Daten ergeben würden als jene vom BF vorgebrachten und damit die Unglaubwürdigkeit des BF unter anderem belegt wäre, sei auszuführen, dass bei der Nachrechnung dem BF fälschlicherweise einige Tatsachen unterstellt worden seien. So nehme die belangte Behörde an, dass der BF die Hausmesse an zwölf aufeinanderfolgenden Donnerstagen besucht habe, was jedoch nicht der Wahrheit entspreche. Ganz im Gegenteil, der BF habe die Hausmessen etwa ein- bis zweimal im Monat besucht, dies gesamt zwölfmal innerhalb von neun bis zehn Monaten. Die Rechnung des BFA sei sohin falsch und irrelevant und versuche lediglich dem BF Unwahrheiten zu unterstellen.

Objektiv nicht nachvollziehbar sei die Ansicht der belangten Behörde, dass der BF in etwa 25 Jahren durch den Islam geprägt worden sei, im Jahr 2015 erstmalig mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei und sohin von einer Verinnerlichung des Christentums nicht gesprochen werden könne. Dabei klammere das BFA vollkommen aus, dass sich der BF offensichtlich sehr eng mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt habe und diesen auch „lebt“. Dies gehe nicht zuletzt schon aus dem Protokoll der Einvernahme hervor, wonach schon bei einer objektiven Betrachtung desselben deutlich werde, dass der BF sich eingehend mit dem christlichen Glauben befasst habe. Auch sollte es amtsbekannt sein, dass man sich nicht einfach so aus einer Laune heraus taufen lassen könne, sondern dieser Schritt einen sehr langen Vorbereitungsweg erfordere. Das Argument, wonach bei Verinnerlichung von Anfang an trotz vorhandener Geldmittel ein Diebstahl nicht in Frage kommen würde, da dadurch gegen eines der Zehn Gebote verstoßen worden sei, gehe zudem ins Leere, da das BFA dabei unberücksichtigt lasse, dass der BF sich zu diesem Zeitpunkt in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe.

Des Weiteren bestünde ein großer Teil der Beweiswürdigung aus aneinandergereihten Textbausteinen, was unter anderem aus der Anführung hervorgehe, dass der BF „sich in Taufvorbereitung befinde“, wo doch bereits am 11.04.2017 die feierliche Taufe stattgefunden habe.

Die Ausführung des BFA, das die drohende Verfolgung wegen der Konvertierung bzw. wegen Apostasie lediglich ein konstruiertes Fluchtvorbringen darstelle, könne nicht geteilt werden. Bereits im Iran habe der BF seine religiöse Einstellung stark geändert und sich dem Christentum hingegeben. Dafür spreche auch, dass er eine eigene Bibel in persischer Sprache und Tonbandaufnahmen von heiligen Messen besessen habe und auch rund zwölfmal Hauskirchen besucht habe. Die Konvertierung habe (zumindest innerlich) somit bereits im Heimatland stattgefunden und sei in Österreich durch die Taufe nur formal vollendet bzw. vertieft worden. Im vorliegenden Fall sei bereits im Fluchtzeitpunkt von der ernsthaften und von einer nachhaltigen, inneren Überzeugung getragenen Hinwendung des BF zum Christentum auszugehen, weshalb dem BF jedenfalls die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hätte werden müssen. Alles in allem habe der BF sein Vorbringen detailliert und lebensnah vorgebracht und habe über die drohende Verfolgung und über die Erlebnisse im Iran frei und nachvollziehbar gesprochen.

10.4. Im Rahmen rechtlicher Ausführungen wird dargelegt, dass der Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund seiner religiösen Gesinnung durch den iranischen Staat bzw. die Sicherheitskräfte sowie andere Akteure der iranischen Gesellschaft befürchte. Die Angst des BF sei wohlbegründet, da seit dem Beginn seiner Verfolgung rund fünfzehnmal bei dessen Familie nach ihm gesucht worden sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer nicht und seien die iranischen Behörden weder fähig, noch willig, den Beschwerdeführer vor einer solchen Verfolgung zu schützen.

Dem Beschwerdeführer hätte der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen, wenn die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt hätte.

Was Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides betrifft wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer sehr um seine Integration in Österreich bemüht sei. Er beginne nach den Ferien mit einem Deutschkurs A2 und sei in seiner Kirchengemeinde sehr engagiert bzw. habe auch dort bereits ehrenamtlich mitgearbeitet.

10.5. Abschließend wird ausgeführt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geboten sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes betreffend Artikel 47 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (in der Folge als Charta bezeichnet) zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall kommen die Verfahrensgarantien des Artikel 6 EMRK - nach Maßgabe des Artikel 47 der Charta - im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09, zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und eine solche ausdrücklich beantragt wird.

10.6. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

 

11. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 11.06.2019 (OZ 17) gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, 27 Abs. 4 Z 1 SMG wegen mehrerer Vergehen nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil erwuchs am 15.06.2019 in Rechtskraft.

 

12. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 15.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. In diesem Zusammenhang wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur Vorbereitung für die anberaumte mündliche Verhandlung aktualisierte Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Iran übermittelt und wurde ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme bis spätestens in der mündlichen Verhandlung freigestellt (OZ 18).

 

13. Im Rahmen mehrerer Eingaben vom 09.01.2020 (OZ 21, 22, 23, 24) brachte der BF ein Konvolut an Unterlagen zur Bescheinigung seiner Integration in Vorlage.

14. Am 15.01.2020 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher der Beschwerdeführer sowie eine Vertreterin der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen teilnahmen (OZ 25). Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation im Iran sowie ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei. Ferner wurde ein Pfarrsekretär und -helfer einer römisch-katholischen Pfarre als Zeuge zur vorgebrachten Konversion des BF in Österreich befragt.

Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Verhandlung im Übrigen mehrere Unterstützungsschreiben und Ablichtungen von einer Demonstrationsteilnahme in Österreich in Vorlage.

15. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der am 15.01.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

 

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er gehört der persischen Volksgruppe an und wurde als Moslem (Schiit) geboren; mittlerweile bezeichnet er sich als römisch-katholischer Christ.

 

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der BF trägt den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der Vergangenheit einmal kurzzeitig festgenommen, weil er eine andere Person im Zuge eines Streites wegen eines nicht bezahlten Lohnes geschlagen hat. Weitere Konsequenzen gab es nicht und sind auch weder gegenwärtig noch für den Fall der Rückkehr in den Heimatstaat zu erwarten.

 

Der Beschwerdeführer besitzt mehrere Tätowierungen. Er hat unter anderem auf seinem rechten Handrücken eine Tätowierung; es handelt sich um ein Kreuz über einer Krone mit dem Schriftzug „Mama“. Zudem besitzt er eine weitere Tätowierung am rechten Unterarm. Es handelt sich um ein Kreuz mit Schleife. Auf Letzterer befindet sich das Wort „Freiheit“. Die beiden Tätowierungen - sowie eine Wolfskopftätowierung im Bereich der rechten Brust - hat sich der Beschwerdeführer in Österreich machen lassen. Drei weitere Tätowierungen an den beiden Oberarmen und am Rücken - keine christlichen Symbole - ließ sich der BF etwa 20 Tage vor seiner Ausreise im Iran machen. Der Beschwerdeführer hat weder im Rahmen der Einvernahmen vor dem BFA noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG eine Gefährdung respektive Konsequenzen wegen dieser Tätowierungen vorgebracht.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Ausreisegrund (Interesse für das Christentum und Besuch einer Hauskirche samt daraus resultierenden Schwierigkeiten) sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat weder aus Gründen der Religion noch aus anderen Gründen (einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefahr von) intensiven staatlichen Übergriffen oder intensiven Übergriffen von Privatpersonen ausgesetzt. Er hat seinen Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich mit einer behaupteten Bedrohung und/ oder Verfolgung wegen seines angeblichen Interesses für das Christentum begründet.

 

Nach seiner Einreise in Österreich besuchten Mitglieder der Zeugen Jehovas mehrfach die Unterkunft des BF. Mangels Interesses der dort wohnenden Personen sind diese in der Folge nicht mehr erschienen. Der BF fand einige Zeit nach seiner Einreise - etwa Ostern 2016 - Zugang zur römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX und nunmehr nach einem Unterkunftswechsel zur römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX . Der Beschwerdeführer wurde Anfang Oktober 2016 ins Katechumenat aufgenommen, nahm ab August 2016 mehrere Monate an einem Taufvorbereitungslehrgang teil und wurde am 30.04.2017 nach dem Ritus der Römisch-Katholischen Kirche getauft und gefirmt. Der BF erklärte nie formell seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Aktuell ist er Mitglied der römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX . Der BF besuchte längere Zeit die Sonntagsgottesdienste in XXXX und nahm im Jahr 2018 an einer Fußwallfahrt nach Mariazell teil. Der BF übt keine bestimmte Funktion in der Kirche aus. Er begleitete 2018 zwei Taufwerber des Öfteren zum Taufvorbereitungskurs als Übersetzer und nahm auch fast immer an Vorbereitungen für den Gottesdienst teil. Aktuell besucht er regelmäßig den Sonntagsgottesdienst in XXXX . Der Beschwerdeführer half bzw. hilft in den Pfarrgemeinden, z. B. bei der Rasen- und Blumenpflege, beim Aufstellen und Schmücken sowie dem Abbau des Christbaumes und der Krippe, bei der Sperrmüllentsorgung, dem Zurückräumen der Liederbücher nach dem Gottesdienst, beim Schneeschaufeln und dem Zusammenkehren von Laub.

Er hat oberflächliche Kenntnisse vom Christentum und von den Grundlagen des römisch-katholischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer hat sich nicht tatsächlich vom islamischen Glauben abgewandt. In den vergangenen vier Jahren hat er zwar ein gewisses Interesse am Christentum entwickelt, er ist aber nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert und der christliche Glaube ist nicht wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers. Seine Hinwendung zum Christentum erweist sich als eine Scheinkonversion, die der Erlangung des Status des Asylberechtigten dienen soll. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat weiterhin mit dem christlichen Glauben befassen oder nach dem christlichen Glauben leben oder sich privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen würde. Der Beschwerdeführer missioniert nicht und würde in seinem Herkunftsstaat auch nicht christlich missionieren. Der Beschwerdeführer hat auch keine herausragende bzw. exponierte Position innerhalb der evangelischen Gemeinde in Österreich inne.

Wenn von der christlichen Taufe und den christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers jemand, z. B. Familienangehörige, im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Kenntnis hat, kann es sich nur um Personen handeln, die der Beschwerdeführer selbst informiert hat und von denen er nichts zu befürchten hat.

Die Behörden im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers haben von der – nicht aus inneren Überzeugung geschehenen - Konversion keine Kenntnis und es ist auch nicht davon auszugehen, dass sie vom christlichen Engagement und der Taufe des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in den Iran Kenntnis erlangen würden.

Selbst für den Fall, dass weitere Angehörige, das übrige soziale Umfeld, sonstige Privatpersonen oder die Behörden im Herkunftsstaat von der Taufe oder den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich Kenntnis haben oder erlangen sollten, liefe der Beschwerdeführer nicht ernstlich Gefahr, im Zusammenhang damit, im Zusammenhang mit der behaupteten Konversion zum Christentum oder wegen eines allenfalls unterstellten Glaubensabfalls bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein.

Der Beschwerdeführer war weder im Iran, noch ist er in Österreich politisch aktiv. In Österreich hat er Mitte Dezember 2019 zur Unterstützung der iranischen Bevölkerung an einer einzigen Kundgebung teilgenommen. Fotografien von der Teilnahme an diesen Kundgebungen waren im Internet einsehbar.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser Aktivitäten, insbesondere aufgrund der Fotografien, im Falle einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten hat. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat liefe der Beschwerdeführer nicht ernstlich Gefahr, wegen seiner Demonstrationsteilnahme intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Iran asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in der Republik Iran ausgesetzt sein wird.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

 

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer war im Iran medikamentenabhängig (Tramal). In Österreich befand sich der BF am 08.05.2016 und am 09.05.2016 in stationärer Pflege in einem Krankenhaus, zumal er sich aus Traurigkeit, jedoch nach eigener Aussage nicht in Suizidabsicht eine Schnittverletzung am Hals zufügte. Bereits zuvor fügte sich der BF aus diesem Grunde Verletzungen im Bereich des Nackens und der Flanke zu. Etwa Mitte September 2019 befand sich der BF wegen psychischer Probleme bei einem Arzt in Behandlung. Die Medikamente setzte er aufgrund negativer Auswirkungen auf seine Person nach einem Monat wieder ab. Der Gesundheitszustand ist beim Beschwerdeführer nunmehr wieder als positiv zu beurteilen und geht es ihm gemäß seinen eigenen Angaben in der Verhandlung gut (VS Seite 4). Derzeit befindet er sich weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung.

 

Bis März 2019 konsumierte der BF in Österreich für die Dauer von vier bis fünf Monaten Marihuana. Seither nimmt er weder Drogen, noch erhält er einen Drogenersatz.

 

Dafür, dass sich der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt in einem akut selbstgefährdenden Zustand befindet, finden sich keine Hinweise.

 

Physisch weist der Beschwerdeführer keine maßgeblichen körperlichen Einschränkungen oder Erkrankungen auf. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die im Iran nicht behandelbar ist.

 

Die österreichischen Behörden würden eine Abschiebung in der Form gestalten, dass zur Vorbeugung gegen allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen darauf geachtet wird, in Hinblick auf ein allfälliges Suizidrisiko durch entsprechende medizinische Unterstützung besondere Sorge zu tragen.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der XXXX in der Provinz XXXX geboren, wuchs jedoch bis etwa 2005 in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX auf. Anschließend lebte der BF bis zu seiner Ausreise - abgesehen von der Zeit seines Militärdienstes - in der XXXX in der XXXX bei seinen Eltern. Er besuchte in seinem Herkunftsstaat mehrere Jahre die Grund- und Mittelschule. Er arbeitete für etwa vier Jahre als Stukkateur, drei Jahre als Schweißer und ein Jahr als Taxilenker. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsstaat Familie/Verwandte, namentlich seine Eltern, zwei Brüder, einen Großvater und zahlreiche Onkel und Tanten. Dem BF ging es vor seiner Ausreise für sein Alter finanziell gut.

 

Der Beschwerdeführer reiste Mitte bis Ende Jänner 2016 - das genaue Datum kann nicht festgestellt werden - aus dem Iran legal aus und am 10.03.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 11.03.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Er verfügte noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich, ist ledig und kinderlos. Er unterhält in Österreich keine Beziehung.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihm erlauben, eine einfache Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen. Er hat in Österreich mehrere Deutschkurse auf unterschiedlichem Niveau besucht und die Prüfung „ÖSD Zertifikat A1“ positiv bestanden.

 

Er verfügt über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis im Inland, dem auch in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen angehören. Dabei handelt es sich insbesondere um Personen, die der Beschwerdeführer aus den Kirchengemeinden und seiner Unterkunft kennt. Der Beschwerdeführer und seine Bekannten/ Freunde helfen und unterstützen einander gegenseitig. Der Beschwerdeführer trifft sich gerne mit seinen Freunden. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Der Beschwerdeführer hat am 25.08.2016 und am 07.02.2018 an einem Werte- und Orientierungskurs, am 18.04.2018 am Vortrag „Kompetenzen, Fähigkeiten, VHS Vortrag, Lebensberatung“ und am 17.10.2018 am Vortrag „Selbstständige Tätigkeit - Erstinformation zur Unternehmensgründung“, teilgenommen sowie ferner von Oktober bis November 2017 die Workshopreihe „Wissen, was ich kann. Meine Fähigkeiten und Kompetenzen erkennen, feststellen und nutzen“ erfolgreich abgeschlossen. Der BF besucht(e) bis Jänner 2020 den Pflichtschulabschlusslehrgang an der Burgenländischen Volkshochschule und verrichtet(e) ehrenamtlich Tätigkeiten in den Pfarrgemeinden. Abgesehen von seiner Mitgliedschaft in der Römisch-Katholischen Kirche ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen. Er legte mehrere Unterstützungserklärungen vor. Unterstützer des Beschwerdeführers attestieren ihm Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Fleiß, Strebsamkeit, Freundlichkeit, Intelligenz, Bescheidenheit, Kommunikationsfähigkeit sowie Interesse am Erwerb der deutschen Sprache, an Musik und - soziales – Engagement sowie Interesse an einer Möglichkeit zur Arbeit.

 

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er geht keiner geregelten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Der BF war am 29.05.2019, 31.05.2019, 19.06.2019, 22.06.2019, 27.06.2019, 24.07.2019, 12.09.2019, 30.09.2019, 01.10.2019, 07.10.2019, 17.10.2019 und 22.10.2019 im Rahmen einer mit Dienstleistungsscheck entlohnten geringfügigen Beschäftigung erwerbstätig. Es konnte jedenfalls nicht festgestellt werden, dass der BF derzeit als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist.

Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 11.06.2019 wurde der BF gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, 27 Abs. 4 Z 1 SMG wegen mehrerer Vergehen nach dem SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthaltes in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Iran verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Seine Muttersprache, die er in Wort und Schrift beherrscht, ist Farsi. Der Beschwerdeführer hat außerdem Grundkenntnisse in Arabisch.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Iran festzustellen ist.

 

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran war insbesondere festzustellen:

2.1.2.1. Zur Lage in der Republik Iran werden folgende - im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte - Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

 

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day" am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450 , Zugriff 30.4.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 30.4.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf , Zugriff 30.4.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 30.4.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 30.4.2019

- WZ – Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran, https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em_no_split=1 , Zugriff 30.4.2019

 

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html , Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 11.6.2019

 

[…]

 

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alleEntscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen – auch für Ersttäter – vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden beiVerdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf , Zugriff 24.5.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 24.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 24.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf , Zugriff 24.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 24.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html , Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html , Zugriff 24.5.2019

 

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 31.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf , Zugriff 27.5.2019

- DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 27.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 27.5.2019

- Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/ , Zugriff 27.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 27.5.2019

- Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html , Zugriff 27.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html , Zugriff 27.5.2019

 

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen, aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 28.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 28.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 28.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html , Zugriff 28.5.2019

 

[…]

 

Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 12.1.2019).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischen Recht)

- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

- UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

- Konvention über die Rechte behinderter Menschen

- UN-Apartheit-Konvention

- Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 12.1.2019)

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

- Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 12.1.2019).

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können (HRW 17.1.2019).

Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren (AA 15.2.2019a).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 28.5.2019

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450#content_2 , Zugriff 28.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 28.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 28.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html , Zugriff 28.5.2019

 

[…]

 

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019), oder sie müssen auf Gängen oder am Boden schlafen. Laut der NGO „United for Iran“, die sich mit Haftbedingungen beschäftigt, ist die Häftlingspopulation dreimal größer als die Kapazität der Gefängnisse (US DOS 13.3.2019). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfällen mit tödlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 12.2018).

Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Für politische Gefangene sind die Haftbedingungen von Fall zu Fall unterschiedlich und reichen vor allem in der Untersuchungshaft bzw. in irregulärer Haft vor einem Gerichtsverfahren von schlechten hygienischen Bedingungen über unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur Verweigerung lebenswichtiger Medikamente (AA 12.1.2019).

Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 12.2018). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern oder anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören. Gefangene, die sich im Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befinden, müssen routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllt (AI 22.2.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 28.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html , Zugriff 28.5.2019

 

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 12.2018). Nach dieser Änderung sank in Iran die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen (AI 10.4.2019, vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019, HRC 8.2.2019) um circa 50%, von mindestens 507 im Jahr 2017 auf mindestens 253 im Jahr 2018 (AI 10.4.2019). Die Justiz hat die meisten Exekutionen, die wegen Drogenvergehen ausgesprochen worden waren, ausgesetzt, um sie im Einklang mit der Gesetzesänderung zu überprüfen (HRW 17.1.2019). Trotz dieser Rückgänge ist Iran noch immer für mehr als ein Drittel aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International registrierte Umwandlungen von Todesurteilen bzw. Begnadigungen. Trotzdem wurden im Jahr 2018 mindestens 13 Personen in Iran öffentlich hingerichtet und sieben Personen wurden wegen Verbrechen hingerichtet, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten (AI 10.4.2019).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (10.4.2019): Todesurteile und Hinrichtungen 2018, https://www.amnesty.at/media/5416/act50-9870-2019_uebersetzung_at.pdf , Zugriff 31.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 31.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 31.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 31.5.2019

 

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Bahá‘í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten) . Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 23 wegen „Beleidigung des Islam“ und 21 wegen „Korruption auf Erden“ (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 31.5.2019

- BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 31.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 31.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 31.5.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html , Zugriff 31.5.2019

 

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 3.6.2019

- BFA Analyse (23.5.2018): Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 3.6.2018

- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 3.6.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 3.6.2019

- Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 3.6.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html , Zugriff 3.6.2019

 

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 3.6.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 3.6.2019

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 3.6.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 3.6.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html , Zugriff 3.6.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 3.6.2019

- Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 3.6.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html , Zugriff 3.6.2019

 

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Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

Von 2016-2017 konnte sich die iranische Wirtschaft mit Wachstumsraten von 4-4,5% jährlich erholen. Das weitere Wachstum ist angesichts der im August 2018 in Kraft getretenen US-Sanktionen gegen Iran (Edelmetalle, Automobilsektor, Flugzeuge), des dramatischen Währungsverfalls und der importierten Inflation stark gefährdet. Mit den US-Sanktionen u.a. auf Ölexporte seit November 2018 ist mit einer weiteren Verschlechterung der Lage zu rechnen. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2021 eine anhaltende Rezession, der IWF einen Rückgang des BIP um 1,5% im Jahr 2019 und 3,6% im Jahr 2020. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 12.2018).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 12.2018). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 4.2.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2019b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2019b).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 7.6.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html , Zugriff 7.6.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 7.6.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 7.6.2019

 

Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Sfufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 29.4.2019

 

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit(3.2019b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 7.6.2019

- IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101480&vernum=-2 , Zugriff 29.4.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 29.4.2019

 

Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2019a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 12.2018).

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 12.2018). In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2018).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden (In Städten übernehmen sog. „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser) (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 12.2018). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2018).

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und –nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 12.2018). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2019c).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden („Out-of-pocket expenditure“ ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 12.2018).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2018).

Versicherung durch Arbeit:

Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung:

Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung:

Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR20.000). Pro Jahr sollten 2,640.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2018).

Zugang speziell für Rückkehrer

Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/ . Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, FachärztInnen oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es einen privaten Sektor mit variierenden Preisen, für BürgerInnen die Privatkrankenhäuser und Spezialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Diese finden sich vor allem in den größeren Städten. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2018).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (29.4.2019a): Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/iransicherheit/202396 , Zugriff 29.4.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 29.4.2019

 

- IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101480&vernum=-2 , Zugriff 29.4.2019

 

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 29.4.2019

 

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 12.2018).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 12.1.2019). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 12.1.2019).

Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom "Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium" betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 12.1.2019).

 

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 15.6.2018

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf , Zugriff 15.6.2019

 

2.1.2.2. Zur Thematik psychischer Erkrankungen wird zudem Folgendes festgestellt:

 

Medikamente mit den Wirkstoffen Quetiapin, Pregabalin, Duloxetin sind im Iran verfügbar. Bei Medikamenten mit dem Wirkstoff Prothipendyl kommt es zu Lieferproblemen bzw. zu Lieferverzögerungen von vier Wochen. Allerdings ist zu Prothipendyl der alternative Wirkstoff Flupentixol verfügbar. Es werden lediglich die Ausgaben für Medikamente mit dem Wirkstoff Quetiapine unter der Voraussetzung einer ärztlichen Verschreibung ersetzt.

Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema psychische Erkrankung, Medikamente und Kosten im Iran vom 06.11.2019

 

2.1.2.3. Zur Thematik Drogenmissbrauch, Rehabilitationszentren und Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht wird zudem Folgendes festgestellt:

 

Im Iran gibt es Rehabilitationszentren für suchtkranke Menschen. Es sind sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung durch Psychologen und Psychiater verfügbar. Weiters ist Psychotherapie verfügbar und es gibt auch Rehabilitationskliniken. Schließlich sind unterschiedliche Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht verfügbar, etwa Methadon, Buprenorphin, Naloxon und Naltrex Hydrochlorid.

Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema Drogenmissbrauch, Rehabilitationszentren, Konsequenzen bei Drogenmissbrauch im Iran vom 26.07.2017

 

2.1.2.4. Zur Thematik der Doppelbestrafung wird zudem Folgendes festgestellt:

 

Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass auch wenn ein Verbrechen in den Anwendungsbereich des Art. 7 des iranischen StGB fällt, eine Strafverfolgung gemäß der gleichen Anklage jemals erfolgreich war.

Aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten zu in der Praxis diesbezüglich stattfindenden Strafverfolgungen gibt es keine Anzeichen dafür, dass im Allgemeinen ein tatsächliches Risiko von doppelter Strafverfolgung im Iran besteht.

Quelle:

- Country Policy and Information Note Iran: Fear of punishment for crimes committed in other countries (‘Double Jeopardy’ or re-prosecution) des UK Home Office vom Jänner 2018

 

2.2. Das BVwG stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:

2.2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

2.2.2. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesasylamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes sowie der am 15.01.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

2.2.3. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen sowie der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den bereits vor dem BFA im Original vorgelegten Dokumenten (etwa einem iranischen Führerschein).

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers (bei Geburt) sowie dessen persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat bis zur Ausreise ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht als glaubwürdig erachteten widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie vor der belangten Behörde, sie sind im Beschwerdeverfahren - von den nachstehenden im Detail erörterten Aspekten abgesehen - nicht strittig.

Insoweit die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation im Rechtsmittelschriftsatz erstmals erwähnt, der BF sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber (AS 256) und zudem moniert, dass das BFA in den Feststellungen vermeine, dass der BF der Volksgruppe der Perser angehöre, obwohl dieser dazu meine „Islam gehört den Araber und ich bin kein Araber, ich mag diese Religion nicht.“ (AS 109 bzw. 166), so können diese Ausführungen in keiner Weise nachvollzogen werden. Vor allem belegt bereits die von der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation selbst zitierte Aussage des BF, dass dieser eben nicht der arabischen Volksgruppe angehört. Abgesehen von dieser Aussage brachte der BF darüber hinaus selbst mehrfach explizit zum Ausdruck der Volksgruppe der Perser anzugehören (AS 1, 57), weshalb dies auch entsprechend festzustellen ist.

Die Angaben zum aufenthaltsrechtlichen Status ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt.

Wann der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in unbedenklichen Urkunden/ Unterlagen dokumentiert (AS 3, 19) und wurde nicht in Zweifel gezogen. Zum Umstand, wonach die Ausreise aus dem Iran legal erfolgt sei, hat der Beschwerdeführer des Weiteren in der Erstbefragung bereits eindeutige Angaben getätigt, die dementsprechend den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten. Was seine späteren Ausführungen zu einer angeblich illegalen Ausreise betrifft, so darf diesbezüglich auf die nachfolgenden Erläuterungen bezüglich des gesteigerten Vorbringens des BF unter Punkt 2.2.4.6. verwiesen werden, die auch auf die erstmals in der Einvernahme vor dem BFA gemachten Schilderungen bezüglich einer illegalen Ausreise aus dem Iran heranzuziehen sind. Dass der BF vor Mitte bis Ende Jänner 2016 aus dem Iran ausgereist wäre, kann den Angaben des Beschwerdeführers nicht entnommen werden. Die Angaben deuten zwar insgesamt darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Iran Anfang des Jahres 2016 verlassen hat. Das konkrete Datum kann allerdings nicht eruiert werden, zumal der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 11.03.2016 darlegte, den Iran vor etwa 40 Tagen - somit etwa Anfang Februar 2016 - verlassen zu haben (AS 5). In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 10.08.2017 schilderte der BF hingegen, den Iran am 15.01.2016 (AS 107) verlassen zu haben. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung behauptete der Beschwerdeführer schließlich ebenfalls am 15.01.2016 aus dem Iran ausgereist, jedoch nur genau 34 Tage unterwegs gewesen zu sein (OZ 25, S 8). Im Ergebnis kann das Bundesverwaltungsgericht das Datum der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Iran daher nicht zweifelsfrei feststellen.

 

Die Feststellungen zur Gesundheitssituation des Beschwerdeführers und zu dessen früheren Marihuanakonsum sowie den sich daraus allenfalls ergebenden medizinischen Umständen und Erforderlichkeiten ergeben sich daraus, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst schildert, derzeit weder in ärztlicher noch in medikamentöser Behandlung zu stehen, in Verbindung mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen, welche im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegen. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen und den Aussagen des BF lässt sich zum konkreten Entscheidungszeitpunkt keine akute Selbstgefährdung des Beschwerdeführers erschließen. Es konnte jedenfalls nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Iran nicht behandelbar ist. Diesbezüglich wird weiters auf die entsprechenden Länderfeststellungen zur Behandelbarkeit psychischer/ psychiatrischer Erkrankungen im Iran und den Zugang zu Medikamenten verwiesen, wonach eine Behandlung sowohl mit Medikamenten als auch mit Psychotherapie sowie eine Drogenersatztherapie möglich und zugänglich ist. Ferner ist wiederholden darauf hinzuweisen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung angab, dass es ihm gut gehe. Der Gesundheitszustand ist beim Beschwerdeführer nunmehr wieder als positiv zu beurteilen und geht es ihm gemäß seinen eigenen Angaben in der Verhandlung gut (VS Seite 4). Derzeit befindet er sich weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung.

 

Die Feststellungen zum Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet und deren privaten Aktivitäten gründen sich auf die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Aussage von Dipl.-Ing. XXXX , den das Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2020 als Zeugen einvernommen hat, und den im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Bestätigungen, Zeugnissen und Empfehlungsschreiben sowie Fotografien (etwa einem ÖSD-Zertifikat A1, den Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen, an Werte- und Orientierungskursen, an einem Vortrag „Kompetenzen, Fähigkeiten, VHS Vortrag, Lebensberatung“, an einem Vortrag „Selbstständige Tätigkeit – Erstinformation zur Unternehmensgründung“ und an der Workshopreihe „Wissen, was ich kann. Meine Fähigkeiten und Kompetenzen erkennen, feststellen und nutzen“, einer Bestätigung über den Besuch eines Pflichtschulabschlusslehrganges an der Burgenländischen Volkshochschule und den Bestätigungen über die Verrichtung von ehrenamtlichen Tätigkeit(en) sowie den Dienstleistungsschecks u.A.), denen keine gegenteiligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegenstehen.

 

Die Feststellungen betreffend die vom BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich schließlich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Die Feststellung betreffend die strafgerichtliche Verurteilung in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) und dem im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt befindlichen Gerichtsurteil vom 11.06.2019 (OZ 17).

 

2.2.4. Die Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. dessen Fluchtgründen und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem BFA, den Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie den getroffenen Länderfeststellungen.

 

Die Feststellung zum Nichtvorliegen einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Gefährdung des Beschwerdeführers ergibt sich einerseits aus dem seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes - abgesehen von der kurzzeitigen Anhaltung im Iran, der in Österreich erfolgten Teilnahme an einer Demonstration zur Unterstützung des iranischen Volkes und den beim BF bestehenden Tätowierungen - als unglaubwürdig erachteten Vorbringen des Beschwerdeführers sowie andererseits aus den detaillierten, umfangreichen und aktuellen Länderfeststellungen zur Lage im Iran.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Der BF hat zudem im Wesentlichen Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates und Familienangehörigen aufgrund seiner Hinwendung zum christlichen Glauben ins Treffen geführt. Die diesbezüglichen Schilderungen des BF wurden seitens des Bundesamtes für unglaubwürdig qualifiziert und teilt die erkennende Richterin die Ansicht des BFA.

 

Hinweise auf asylrelevante die Person des Beschwerdeführers betreffende Bedrohungssituationen konnte der BF nicht glaubhaft machen.

 

2.2.4.1. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basiert auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das Bundesamt hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des Beschwerdeführers gebracht.

 

Der Beschwerdeführer bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Beschwerdeschriftsatz u. a. vor, die belangte Behörde habe den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen, weil sie diesen als unglaubwürdig erachte, wobei diese Feststellung auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basiere (AS 272). Die Behörde hat sich jedoch - entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers - mit dessen Vorbringen sehr wohl umfassend und konkret auseinandergesetzt und es individuell gewürdigt (AS 217 ff). Ob und inwieweit man die Erwägungen der Behörde teilen mag, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.

 

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen die Annahme sprechen (vgl. zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Der BF wurde im Rahmen seines Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

 

Befragt zu seinen Fluchtgründen schilderte der BF vor dem BFA und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht eine Bedrohungssituation, die als nicht glaubwürdig erachtet wird; dies aus folgenden Gründen:

2.2.4.2. Bevor auf das Ausreisevorbringen des Beschwerdeführers einzugehen ist, ist in Anbetracht der in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgetragenen Beanstandung der Einvernahme des Beschwerdeführers am 10.08.2017 festzuhalten, dass die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes keine diesbezügliche Mangelhaftigkeit des von der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens erkennen kann.

Den in § 39 Absatz 2 und § 45 Absatz 2 AVG normierten Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehöres wurde entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie mehrmalige Belehrung des Beschwerdeführers über die Mitwirkungspflicht sowie der Verpflichtung zur Vervollständigung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes im Wege von darauf gerichteten Nachfragen nachgekommen. Es muss auch berücksichtigt werden, dass dieser Ermittlungspflicht stets auch die Verpflichtung des Antragstellers gegenübersteht, an der Feststellung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes mitzuwirken und ist es nicht der Asylbehörde anzulasten, wenn der Antragsteller durch offenkundig nicht den Tatsachen entsprechende Vorbringen dazu nicht bereit ist.

Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers wurde unter Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers und unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften durchgeführt. Aus der dem Beschwerdeführer rückübersetzten mängelfreien Niederschrift sind keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ersichtlich. Der Beschwerdeführer brachte keine Einwände gegen die Niederschrift vor und hatte der Niederschrift nichts hinzuzufügen (AS 121). Ferner bestätigte er eigenhändig in seiner Muttersprache, dass die Verständigung mit dem Dolmetscher gut war, er alle Fragen verstanden und er alles zu seinem Antrag angeben konnte und die Rückübersetzung der Niederschrift vollständig war (AS 123). Diese Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde liefert vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der Amtshandlung (§ 15 AVG) und konnte demnach der Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden.

Soweit sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gegen zwei Punkte der Niederschrift vom 10.08.2017 wendet (OZ 25, S 4 f), ist dem entgegen zu halten, dass derartige Beanstandungen weder im Anschluss an die Einvernahme im Verfahren erster Instanz vorgetragen wurden und auch nicht aus dem Beschwerdeschriftsatz hervorgehen. Die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes geht davon aus, dass im Falle solcher gravierender Mängel der betroffene Asylwerber spätestens aus Anlass der Rechtsberatung zur Erhebung der Beschwerde davon berichtet und diese als Verfahrensmangel geltend gemacht werden. Derartiges ist nicht erfolgt.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes handelt es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die angeblichen Ungereimtheiten im Zuge der Einvernahme deshalb um bloße Schutzbehauptungen mit dem Ziel, etwa eine Erklärung für mögliche Widersprüche im Vorbringen des BF zu bieten. Dafür spricht vor allem auch, dass der BF in der mündlichen Verhandlung beispielsweise nicht in der Lage war, die in Zusammenhang mit den vom ihm angesprochenen - angeblich nicht korrekt festgehaltenen - Datumsangaben aufgetretenen Widersprüche zum Datum seiner Ausreise, zu einem Telefonat mit seinem Bruder und zum Erstkontakt mit dem Christentum nachvollziehbar zu entkräften, sondern verstrickte sich der BF diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vielmehr in weitere Widersprüche (OZ 25, S 4 f). Der BF wurde diesbezüglich im Zuge der Einvernahme detailliert befragt. Der Beschwerdeführer korrigierte sich in der Folge nicht, sodass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insoweit nicht von einer unrichtigen oder missverständlichen Aufnahme der Angaben des Beschwerdeführers auszugehen ist.

Darüber hinaus weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die belangte Behörde wohl in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen (§ 18 AsylG 2005). Aus dieser Gesetzesstelle kann jedoch keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zur Vorgängerbestimmung VwGH 07.06.2001, Zl. 99/20/0434 mwN). Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der Beendigung der Einvernahme explizit danach gefragt, ob er die Gelegenheit gehabt habe, sein Vorbringen darzustellen, was vom Beschwerdeführer in der Folge bestätigt wurde (AS 121). Für eine mangelhafte Ermittlungstätigkeit besteht sohin kein Anhaltspunkt und liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Insbesondere kann keine Verpflichtung der belangten Behörde erkannt werden, den Beschwerdeführer zu seinem Standpunkt dienlichen Angaben durch zielgerichtete Befragung gleichsam anzuleiten, wie dies in der Beschwerde implizit vorgebracht wird.

2.2.4.3 Probleme wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Perser brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Angaben nicht stimmen sollten. Die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes konnte sie daher ohne Weiteres den Feststellungen zugrunde legen.

Dass der Beschwerdeführer - abgesehen von einer Mitte Dezember 2019 erfolgten Demonstrationsteilnahme - weder im Iran noch in Österreich politisch aktiv war, gab der Beschwerdeführer ebenfalls selbst an. Den Feststellungen zur Demonstrationsteilnahme in Wien liegen seine insoweit glaubhaften Angaben zugrunde und sind durch die in Vorlage gebrachten Fotografien belegt.

Jedoch lassen die Aussagen des Beschwerdeführers eine ernsthafte exilpolitische Tätigkeit schlichtweg nicht erkennen. Der Beschwerdeführer machte nicht den Eindruck, sich mit den Werten und Zielen der von ihm besuchten Demonstrationen intensiv beschäftigt zu haben. Er schilderte in der mündlichen Verhandlung lediglich, dass er sich etwa Mitte Dezember 2019 als einfacher Teilnehmer einer Demonstration zur Unterstützung der im Iran protestierenden Menschen angeschlossen habe. Zudem habe er an der Veranstaltung wegen der angeblich bei einer Demonstration im Iran erfolgten Festnahme seines Bruders teilgenommen. Aus diesen Aussagen des Beschwerdeführers lässt sich eine ernsthafte exilpolitische Tätigkeit in einer führenden Rolle nicht erkennen. Der Beschwerdeführer machte nicht den Eindruck, sich mit den Werten und Zielen der von ihm besuchten Demonstration intensiv beschäftigt zu haben, war er dort doch nur als einfacher Teilnehmer anwesend.

 

Insoweit kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer alleine aufgrund der einmaligen Teilnahme an dieser Demonstration (somit aufgrund von exilpolitischen Tätigkeiten) in einer besonders exponierten Position befinden würde.

2.2.4.4. Ebenso sagte der BF selbst aus, dass er einmal kurzzeitig festgenommen worden sei, weil er eine andere Person im Zuge eines Streites wegen eines nicht bezahlten Lohnes geschlagen habe. Vor dem Hintergrund der aktuellen Länderinformationen geht die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes davon aus, dass derartige Vorfälle durchaus möglich zu sein scheinen. Dass dieses behauptete Ereignis, so es tatsächlich stattgefunden hat, den BF massiv beeinträchtigt hätte, lässt sich aus dem Vorbringen des BF jedoch überhaupt nicht ableiten. Es hat den Beschwerdeführer in seinem täglichen Leben nicht beeinträchtigt - er hatte in diesem Zusammenhang keine weitergehenden Probleme mit Behörden oder Vertretern von Behörden und konnte in der Folge weiter unbehelligt im Iran leben. Dass dieser Vorfall gegenwärtig oder für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nachteilige Folgen für den Beschwerdeführer haben könnte, hat dieser weder vorgebracht noch ist dergleichen sonst ersichtlich. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Angaben nicht stimmen sollten. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sie daher ohne Weiteres den Feststellungen zugrunde legen.

2.2.4.5. Den Feststellungen zu den Tätowierungen des Beschwerdeführers liegen seine insoweit glaubhaften Angaben (AS 59, OZ 25, S 27 f) und das persönliche Bild, das sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2020 machen konnte, zugrunde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 16.08.2017 aufgrund seines am Unterarm befindlichen Tattoos in Form eines Kreuzes bei einer Rückkehr in erhebliche Erklärungsnot und höchstwahrscheinlich in Lebensgefahr zu geraten, ist hingegen nicht glaubhaft, zumal der BF weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme gegenüber der belangten Behörde und auch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung allfällige Schwierigkeiten bei einer Rückkehr in diesem Zusammenhang vorbrachte. Hätte der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Tätowierungen tatsächlich Probleme befürchtet, hätte er diese gewiss von sich aus vor der belangten Behörde oder im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebracht. Auch hätte er in der Stellungnahme konkrete Angaben gemacht und sich nicht auf die zitierte oberflächliche Aussage beschränkt. Insbesondere ist begründend für diese Conclusion festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seine Tätowierungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit keinem Wort erwähnte und diese lediglich erst aufgrund der Befragung des Vertreters der belangten Behörde zu den einzelnen Bildmotiven sowie der Entstehung dieser thematisiert wurden. Aber auch in diesem Zusammenhang wurde weder vom Beschwerdeführer noch von seiner rechtsfreundlichen Vertreterin eine eventuelle Gefährdung respektive Konsequenzen aufgrund dieser vorgebracht (vgl. Seite 27 und 28 der Verhandlungsschrift).

 

2.2.4.6. Das Fluchtvorbringen beruht ausschließlich auf der behaupteten Abwendung vom Islam, Hinwendung zum Christentum und angeblich daraus resultierenden Sanktionen. In den verschiedenen Einvernahmen, insbesondere vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht, schilderte der BF, dass er vor seiner Ausreise aus dem Iran eine Hauskirche aufgesucht habe und dadurch im Iran sein Interesse für das Christentum noch verstärkt worden sei. In der Folge sei er von den Sicherheitskräften gesucht und sein Interesse für das Christentum publik geworden.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers erwies sich zwischen den Einvernahmen vor der belangten Behörde sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in mehrfachen Punkten als grob widersprüchlich und generell als divergierend, wenig plausibel, fragmentarisch und inkohärent; dies aus nachfolgend dargestellten Gründen:

 

So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung in erheblicher Weise andere Angaben als im Rahmen der folgenden Einvernahme vor der belangten Behörde tätigte. So gab er ursprünglich an, den Iran wegen nicht ausreichender Arbeit verlassen zu haben. Er habe im Iran kein Geld verdienen können und habe sich sein Leben verbessern wollen. Bei einer Rückkehr in den Iran würde er – außer der Rückkehr in die Armut - nichts befürchten. Er sei aus finanziellen Gründen aus dem Iran geflüchtet. Demgegenüber sprach er später in der Einvernahme vor der belangten Behörde vor allem von einer Bedrohung und Verfolgung wegen seines Interesses für das Christentum durch die staatlichen Behörden, seinen Vater und einen Onkel. Nun ist zwar grundsätzlich - wie in der Beschwerde moniert - eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der oder den Einvernahme(n) im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall war es dem Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde jedoch nicht möglich, gleichbleibende Angaben zu tätigen. So stellt die im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl präsentierte neue Fluchtgeschichte - selbst unter Berücksichtigung der psychischen und körperlichen Situation des Beschwerdeführers - einen anderen Sachverhalt dar als die im Zuge der Erstbefragung erfolgte bloße allgemeine Erörterung seiner wirtschaftlichen Situation im Iran, sodass man nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen kann, dass der Beschwerdeführer diese Bedrohung und Verfolgung wegen seines Interesses für das Christentum nicht tatsächlich selbst erlebt hat, andernfalls er dies bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erwähnt hätte. Bereits dieser Umstand reicht aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft anzusehen. Vor allem vermag der Beschwerdeführer auch keine substantiierte Erklärung für die Nichterwähnung dieses Vorfalles zu erbringen. Insbesondere aufgrund dieser bei Betrachtung der Einvernahmen klar erkennbaren gesteigerten Varianten seines Vorbringens ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Ungereimtheiten zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde sind zwar mit Blick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.06.2012, U 98/12, differenziert zu beurteilen. In dieser Entscheidung hielt der VfGH im Zusammenhang mit einem psychisch angeschlagenen und von den Strapazen der Schleppung gezeichneten jugendlichen Afghanen, der über traumatische Ereignisse aus seiner Kindheit berichtete, fest, dass gerade diese Umstände besonders zu berücksichtigen sind. Konkret wurde festgehalten, dass das entscheidende Gericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch seine psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer hat jedoch keine gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt seiner Einvernahmen glaubhaft geltend gemacht, zumal der BF im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 10.08.2017 zu Beginn der Niederschrift selbst zunächst lediglich behauptete, in der Erstbefragung aus Angst vor seinem Vater und Onkel bzw. den unterwegs erlebten Ereignissen nicht die Wahrheit gesagt zu haben (AS 99). Erst auf einen entsprechenden Vorhalt am Ende der Einvernahme schilderte der BF bei der Erstbefragung nichts von einer Konversion erwähnt zu haben, weil er nicht gewusst habe, dass diese Befragung im Zusammenhang mit dem Asylantrag stünde. Ergänzend legte er auf Nachfrage dar, damals nicht in einem normalen Zustand gewesen zu sein. Er habe sich gedacht, dass diese Einvernahme wegen seines Diebstahles sei (AS 113). Im Rechtsmittelschriftsatz erwähnte der BF dann nochmals ergänzend, im Zeitpunkt der Erstbefragung unter starken Alkohol- und Medikamenteneinfluss gestanden zu sein (AS 275), wobei er dies in der mündlichen Verhandlung wieder unerwähnt ließ. Stattdessen führte der BF in dieser erneut aus, aus Angst vor seinem Vater und seinem Onkel seinen Fluchtgrund in der Erstbefragung nicht erwähnt zu haben. Zudem sei ihm nicht bewusst gewesen, dass diese Einvernahme schon Teil des Asylverfahrens gewesen sei bzw. habe er gehört, dass man seinen Fluchtgrund beim Hauptrichter sagen müsse (OZ 25, S 5 f). Diese Erklärungsversuche vermögen jedoch in keiner Weise zu überzeugen. Abgesehen vom Umstand, wonach der BF seine Begründung, weshalb er seinen „wahren“ Fluchtgrund nicht geschildert habe, mehrfach mäandrierend abänderte, weshalb diesen Schutzbehauptungen schon aus diesem Grund kein Glauben zu schenken ist, darf des Weiteren festgehalten werden, dass der BF jedenfalls schon zu Beginn der Erstbefragung ausdrücklich aufgefordert wurde, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (AS 3). Hinzu tritt, dass der Erklärungsversuch, aus Angst etwas verschwiegen zu haben, nicht plausibel ist, denn der BF gibt vor, dass er gerade mit dem Ziel und zu dem Zweck nach Österreich gekommen ist, um hier Asyl zu beantragen. Daraus ist zu schließen, dass es sich bereits nach seiner anfänglichen Vorstellung bei Österreich um einen Staat handelt, der zur Schutzgewährung bereit und dazu auch in der Lage ist und in dem für ihn gerade keine Bedrohung besteht. Es konnte also auch nach der subjektiven Vorstellung des BF keinen nachvollziehbaren Grund dafür geben, gerade bei der Asylantragstellung am Zufluchtsort aus Angst etwas zu verschweigen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass der BF am selben Tag als seine Erstbefragung stattfand, auch bereits vor dem BFA von nicht uniformierten Personen einvernommen wurde und er im Zuge dieser Befragung eine Bedrohung und Verfolgung wegen des Interesses für das Christentum unerwähnt ließ und sich hinsichtlich des Zweckes seiner Einreise auf wirtschaftliche Aspekte beschränkte (AS 17, OZ 25, S 5 f). Zur Vollständigkeit erlaubt sich die erkennende Richterin bezüglich der physischen und psychischen Verfassung des BF bei der Erstbefragung schließlich darauf hinzuweisen, dass der BF zu Beginn der Erstbefragung verneinte, an Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an dieser Einvernahme hindern würden (AS 5). Ebenso wenig wurden vom Leiter der Amtshandlung der Erstbefragung (oder auch der zuvor erfolgten Einvernahme vor dem BFA) Beeinträchtigungen des BF durch Alkohol- oder Medikamenteneinnahme festgestellt, andernfalls dies im Protokoll vermerkt bzw. die Einvernahme abgebrochen worden wäre. Abschließend ist festzuhalten, dass von einem volljährigen und psychisch gesunden Antragsteller grundsätzlich zu erwarten ist, dass er seine Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hierzu zu äußern wahrheitsgemäß angibt und in weiterer Folge auch bei den jeweiligen Befragungen in den Grundzügen damit übereinstimmend vorträgt, was im gegenständlichen Fall unterblieben ist und ein gewichtiges Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des BF darstellt.

Die im gegenständlichen Fall nicht stringente Darlegung der Fluchtgründe bei der Erstbefragung, der Befragung durch die belangte Behörde am Tag der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde weckt daher erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu den ausreisekausalen Ereignissen (zur Zulässigkeit derartiger Erwägungen bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verschaffung eines persönlichen Eindruckes vom Beschwerdeführer VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0143; zur Maßgeblichkeit solcher Widersprüche vgl. VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168). Da der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung den Grund für diese grobe Disparität im Vorbringen nicht entkräften konnte, fällt ihm der dargelegte und trotz Gelegenheit nicht aufgeklärte erhebliche Widerspruch zum Fluchtvorbringen zur Last.

Des Weiteren gilt es zu beachten, dass die Angaben des Beschwerdeführers zur Asylantragstellung in anderen Ländern keine Deckung mit dem Abgleich im Eurodac-System finden. So gab der BF nämlich im Rahmen der Erstbefragung an, in keinem anderen Land um Asyl angesucht zu haben (AS 7), obwohl er dies kurz zuvor in der Einvernahme vor dem BFA noch bejahte (AS 17). Eine Abfrage im Eurodac-System ergab jedenfalls eine Asylantragstellung in Ungarn im März 2016. Folglich erweist sich sein Vorbringen in der Erstbefragung, in keinem anderen Land einen Asylantrag gestellt zu haben, als nicht korrekt respektive nicht der Wahrheit entsprechend. Zudem darf auch nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass der BF in der Erstbefragung bezüglich des Verbleibs seines Reisepasses schilderte, das Dokument unterwegs weggeschmissen zu haben, wobei er nicht mehr genau wisse, in welchem Land oder wo genau dies gewesen sei (AS 7). In der Einvernahme vor dem BFA behauptete der BF hingegen, vom Schlepper aufgefordert worden zu sein, seinen Reisepass zu vernichten. Während der Überfahrt nach Griechenland habe er den Pass zerrissen (AS 107). Auch in diesen Diskrepanzen ist sohin ein nicht unmaßgebliches Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu erkennen.

Hervorzuheben ist in der Folge eine weitere eklatante Ungereimtheit im Vorbringen, welche sich dergestalt erweist, dass der BF, befragt wann er durch seinen Freund mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei, im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA explizit den 30.03.2015 (nach iranischer Zeitrechnung 10.01.1394) nannte (AS 109). In der mündlichen Verhandlung schilderte der BF hingegen etwa sechs Monate vor seiner Ausreise - also im Sommer 2015 (OZ 25, S 10 f) - mit dem Christentum in Kontakt gekommen zu sein. Auf Vorhalt dieser Ungereimtheiten behauptete der BF in der mündlichen Verhandlung, dass es sich beim 10.01.1394 um jene Datumsangabe handle, die er zu Beginn der mündlichen Verhandlung korrigiert hätte. Er wisse nicht wie diese zustande gekommen sei, zumal er seinen christlichen Erstkontakt in Zeiträumen/ Monatsangaben angegeben habe. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu den angeblichen Protokollierungsfehlern ist diese Erklärung als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren, wobei es im Übrigen auffällig erscheint, dass der BF in der mündlichen Verhandlung nunmehr in nicht nachvollziehbarer Weise behauptet, die Ereignisse hätte nicht wie in der Einvernahme vor dem BFA dargestellt im Jahr 1393, sondern im Jahr 1394 stattgefunden (OZ 25, S 5).

 

Eine weitere Disparität im Vorbringen ist hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Hauskirchenbesuche zu erkennen. So gab der BF in der Einvernahme vor dem BFA zu Protokoll, am 30.03.2015 durch seinen Freund in einer Hauskirche mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen zu sein (AS 109), womit er die Hauskirche bis zu seiner Ausreise etwa rund neun Monate besucht hätte. Entsprechendes bestätigte der BF auch im Rechtsmittelschriftsatz (neun bis zehn Monate, vgl. AS 275). In der mündlichen Verhandlung führte der BF hingegen mehrfach aus, die Hauskreise lediglich fünf bis fünfeinhalb Monate besucht zu haben (OZ 25, S 11). Hinzu tritt, dass der BF vor dem BFA behauptete, dass der erste Kontakt am 30.03.2015 stattfand, wobei die Hauskirchenversammlungen unregelmäßig donnerstags abgehalten worden wären (AS 109). Bei einer Nachschau in einem Kalender für das Jahr 2015 zeigt sich allerdings, dass der 30.03.2015 ein Montag gewesen ist, was - wie bereits vom BFA festgehalten - ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des BF darstellt, zumal er diesen Umstand in der Beschwerde nicht zu entkräften versuchte. Stattdessen verblieb der BF auch im Rechtsmittelschriftsatz dabei, dass die Hauskreise stets donnerstags stattgefunden hätten (AS 274 f).

 

Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA und BVwG zur Frage, wie oft er eine Hauskirche besucht habe, als divergierend darstellten. So legte der BF in der Einvernahme vor dem BFA zunächst dar, insgesamt zwölfmal in der Hauskirche gewesen zu sein (AS 109). In der Beschwerde (AS 275) und in der mündlichen Verhandlung (OZ 25, S 11) wiederholte der BF in der Folge, zwölfmal in der Hauskirche gewesen zu sein, wobei er in der Beschwerde gleichzeitig behauptete, dass er die Hauskirche über einen Zeitraum von neun bis zehn Monaten etwa ein- bis zweimal pro Monat besucht habe (AS 275). In der mündlichen Verhandlung erläuterte der BF abweichend hiervon, über einen Zeitraum von fünf bis fünfeinhalb Monaten grundsätzlich wöchentlich die Hausmessen besucht zu haben. Gelegentlich kam es auch vor, dass in einem Monat ein Treffen ausgefallen sei (OZ 25, S 11). Selbst wenn man nun - entgegen den Schilderungen des BF in der Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde - davon ausgehen würde, dass er lediglich fünf Monate die Hauskirche besucht habe und hierbei pro Monat ein Treffen ausgefallen sei, so würde der BF zumindest aber etwa fünfzehnmal die Hauskirche besucht haben. Insoweit sind diese Angaben des BF wiederum nicht mit seinen Angaben, zwölfmal in der Hauskirche gewesen zu sein, in Einklang zu bringen.

Ebenso divergieren die Angaben des Beschwerdeführers zur angeblichen Ausstellung eines Haftbefehles. So führte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Sie seien mit diesem Papier zu ihm nach Hause gekommen (AS 111). Aus den Ausführungen im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung ging jedoch abweichend hervor, dass Haftbefehle, wie man sie in Europa kenne, nicht ausgestellt würden. Demnach sei sein Onkel mütterlicherseits - selbst ein Mitglied des Geheimdienstes - zu seinen Eltern gekommen und habe diesen gesagt, dass die Behörden wüssten, dass er Christ geworden und seine Strafe die Exekution sei (OZ 25, S 13). Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch konnte der BF in der mündlichen Verhandlung nicht erbringen. Eine stringente Schilderung der wesentlichen Fluchtgründe kann hier nicht erkannt werden.

Zudem erlaubt sich die erkennende Richterin auf die folgenden divergierenden Angaben des BF zum Ablauf der Hauskirche hinzuweisen:

 

So gab der BF im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 10.08.2017 an, dass sie bei den Hauskreisen insgesamt fünf Personen gewesen seien und eine Kerze angezündet worden sei (AS 109). Dem entgegenstehend brachte er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass sie im Schnitt fünf oder sechs Personen gewesen seien. Im Hauskreis seien zudem immer so viele Kerzen angezündet worden, wie Personen anwesend gewesen seien (OZ 25, S 12).

 

Auch die Angaben des BF zum Ende der Hauskirchensitzungen erweisen sich als grob widersprüchlich: Während er nämlich im Rahmen der Einvernahme durch das BFA anführte, dass die Messe mit einem Lied beendet worden sei (AS 109), schilderte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG hingegen, dass am Ende des Hauskreises das „Vater unser“ gebetet worden sei und man sich anschließend umarmt und verabschiedet habe (OZ 25, S 12). Auf einen entsprechenden Vorhalt dieses Widerspruches entgegnete der BF in der mündlichen Verhandlung, dass er mit dem Lied das „Vater unser“ gemeint habe, zumal das gesamte Treffen immer unter leiser Musikuntermalung abgehalten worden sei. Deshalb habe er mit Lied auch das „Vater unser“ gemeint, weil alles musikalisch begleitet gewesen sei. Diese Argumentation vermag aber nicht zu überzeugen, andernfalls hätte der BF letztlich schildern müssen, dass das gesamte Treffen nur aus dem Singen von Liedern bestanden hätte. Der BF differenzierte jedoch eindeutig zwischen dem Singen von Liedern, dem Lesen aus der Bibel und dem Sprechen von Gebeten.

 

Auch waren die Angaben des Beschwerdeführers zum Inhalt/ Gegenstand der christlichen Hauskirchensitzungen, die er angeblich im Iran besucht haben soll, vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung eher banal und oberflächlich. Er tätigte in der Einvernahme vor dem BFA und in der Verhandlung vor dem BVwG Angaben (vgl. AS 109, OZ 25, S 12), welche im Wesentlichen vergleichbar sind mit jenen, welche iranische Asylwerber über Kirchenbesuche in Österreich schildern und sind daher diese Ausführungen kein Beleg dafür, dass er diese tatsächlich in einer Hausmesse im Iran erlebt hätte; dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er selbst behauptet, erst in Österreich begonnen zu haben, die Inhalte des christlichen Glaubens auch tatsächlich zu verstehen (OZ 25, S 12). Darüber hinaus ist diesbzgl. festzuhalten, dass man um solche Angaben machen zu können, keinesfalls tatsächlich eine Hauskirche besucht oder sich anderweitig näher mit dem Christentum befasst haben muss. Der Beschwerdeführer hat nunmehr schon über mehrere Jahre lang am Leben einer christlichen Gemeinde in Österreich teilgenommen, sodass es überhaupt keine Schwierigkeit darstellen konnte, den Gegenstand von kirchlichen Sitzungen genauso einleuchtend wie nichtssagend anzugeben, ohne jemals im Iran Hauskirchensitzungen besucht zu haben.

Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung nunmehr in neuerlicher Steigerung des Vorbringens vor, dass nicht nur sein Vater und ein Onkel (AS 111), sondern auch sein älterer Bruder gesagt habe, dass er ihn bei einer Rückkehr in den Iran töten werde (OZ 25, S 7). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist diese Steigerung des Vorbringens in einem Kernpunkt der vorgebrachten Asylgründe ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit der geltend gemachten Ausreisegründe, hatte doch der Beschwerdeführer bereits in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die umfassende Möglichkeit, sämtliche Ausreisegründe vorzubringen. Bei diesen erstmals im Beschwerdeverfahren geschilderten Angaben handelt es sich um eine klare Steigerung des Vorbringens des Beschwerdeführers, vermutlich zu dem Zweck, um seinem Asylantrag – nach Kenntnisnahme der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – mehr Substanz zu verleihen.

Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer keine Bescheinigungsmittel bezüglich dieses Vorbringens einer staatlichen Verfolgung übermittelte, was ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht. Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt sich hierbei anzumerken, dass es sich gerade bei den vom Beschwerdeführer geschilderten Vorkommnissen (etwa einer behördlichen Verfolgung in Form einer Hausdurchsuchung und eines Haftbefehles (AS 111) wohl auch um im Iran verifizierbare Ereignisse handelt. Angesichts der vorliegenden Fakten (Handlungsabläufe, Name des Beschuldigten etc.) erscheint eine Beischaffung von Unterlagen (etwa auch eines Haftbefehles, eines Hausdurchsuchungsbefehles, von Polizeiberichten etc.) jedenfalls möglich. Bei tatsächlichem Zutreffen dieses Vorbringens könnte doch vorausgesetzt werden, dass der Beschwerdeführer entsprechende Unterlagen, welche dieses Vorbringen belegen können, in Vorlage gebracht hätte, wie es auch von anderen Beschwerdeführern aus seinem Heimatland praktiziert wird. Entgegen seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung (OZ 25, S 13) werden nämlich auch im Iran sehr wohl Dokumente, wie etwa Haftbefehle, ausgestellt.

Gegen die behauptete staatliche Verfolgung bzw. eine Verfolgung durch seinen bei den Sicherheitskräften tätigen Onkel spricht ferner, dass dem Beschwerdeführer ohne Schwierigkeiten die legale Ausreise auf dem Luftweg mit einem Flugzeug in die Türkei (AS 5 ff) gelang. Wäre die – seitens des Beschwerdeführers in den Raum gestellte – enge Verflechtung zwischen seiner Familie in Form seines Onkels und den iranischen Sicherheitskräften indes tatsächlich gegeben, hätte der Beschwerdeführer indes damit rechnen müssen, dass er auf die Fahndungsliste gesetzt und bei der Ausreisekontrolle festgenommen wird. Dass derartiges nicht erfolgte, spricht gegen eine Verfolgung durch staatliche Organe. Auf Vorhalt dieses Umstandes wiederholte der BF in der mündlichen Verhandlung lediglich wiederum seine nicht für glaubhaft qualifizierten Aussagen aus der Einvernahme vor dem BFA bezüglich einer illegalen Ausreise, wonach er mit Hilfe eines von einem Schlepper organisierten Reisepasses den Iran verlassen habe.

 

Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht auch, dass er in der Erstbefragung am 11.03.2016 angegeben hat, den Entschluss zur Ausreise aus dem Iran vor rund einem Jahr - also etwa Mitte März 2015 - gefasst zu haben (AS 5). Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch laut seinem eigenen Vorbringen erst erstmals über seinen Freund mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen (AS 109). Die von ihm vorgebrachten Verfolgungshandlungen, nämlich beispielsweise die Hausdurchsuchung und die Suche nach seiner Person im Jänner 2016 (AS 108 f), haben also zum Zeitpunkt dieses Entschlusses zum Verlassen des Herkunftsstaates noch gar nicht stattgefunden. Auch in der mündlichen Verhandlung war es dem BF nicht möglich, seinen frühen Entschluss zur Ausreise näher zu erläutern, sondern beschränkte er sich auf die bloße Behauptung, dass diese Angabe falsch gewesen sei.

Abschließend ist nochmals darauf zu verweisen, dass aus dem Aufenthalt in der Türkei und Griechenland sowie aus der kontinuierlichen Weiterreise des Beschwerdeführers quer durch Europa bis Ungarn (AS 7) ohne Antragstellung der Schluss gezogen werden kann, dass es dem Beschwerdeführer nicht darum ging, einer Verfolgung in seinem Heimatland zu entgehen, sondern er seinen Antrag in einem konkreten europäischen Land stellen wollte (vgl. AS 5, 119). Andernfalls wäre es wohl zu erwarten gewesen, dass die Türkei als erstes Ziel ausreichend gewesen wäre, der Verfolgung zu entkommen. Der Beschwerdeführer musste auf seiner Reise nach Ungarn bzw. in der Folge Österreich zudem auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.

Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer selbst eingestand, dass sein Zielland die Bundesrepublik Deutschland oder England gewesen wäre (AS 5, 119) und insbesondere eine Einreise oder ein Erhalt eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer für die nächstgelegene Bundesrepublik Deutschland nach den fremdenrechtlichen oder niederlassungsrechtlichen Bestimmungen offenbar nicht möglich war, erhärtet sich die Ansicht der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer den Iran primär rein aus wirtschaftlichen Interessen verlassen hat und die Asylantragstellung lediglich zum Zwecke des Erhaltes eines Aufenthaltstitels für Österreich erfolgte. Aus diesem Grund ist daher davon auszugehen, dass gegenständlicher Asylantrag unter Umgehung der fremdenrechtlichen Bestimmungen einzig zur Erreichung eines Aufenthaltstitels für Österreich nach dem Asylgesetz eingebracht wurde.

 

2.2.4.7. Zum behaupteten Interesse für das Christentum:

Des Weiteren teilt das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen vermochte, dass er sich tatsächlich nachhaltig ernstlich und aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt.

 

Dazu ist zunächst der rechtliche Rahmen, nämlich unter welchen Voraussetzungen eine Konversion überhaupt einen asylrelevanten Verfolgungsgrund darstellen kann, näher zu beleuchten: Die drei dafür essentiellen Komponenten sind zum einen die Verfolgungsrelevanz im Herkunftsstaat, ferner die Praktizierung des neuen Glaubens im Herkunftsland sowie die ernsthafte Zuwendung zum neuen Glauben, dh. der Religionswechsel muss aus innerer Überzeugung erfolgt sein. Was das Erfordernis der Verfolgungsrelevanz im Herkunftsstaat betrifft, so bedeutet dies, dass für die Konversion im Heimatland ein entsprechendes Verbot bestehen muss; jedoch sind auch schwere Diskriminierungen denkbar und kann auch einer nichtstaatlichen Verfolgung Relevanz zukommen. Dazu ist es sinnvoll, sich den Verfolgungsbegriff der Status-RL näher anzusehen: Gemäß diesem (Artikel 9 Absatz 2 Status-RL) ist eine (drohende) Strafverfolgung aufgrund der Konversion nur dann als eine Verfolgungshandlung von ausreichender Schwere zu beurteilen, wenn sie unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Dabei genügt es nicht, dass die Apostasie oder die Konversion im Herkunftsstaat generell unter Strafe gestellt ist, sondern muss diese auch vom Staat in unverhältnismäßiger oder diskriminierender Weise exekutiert respektive vollzogen werden. Ein ähnlicher Tenor findet sich auch im aktuellen Urteil des EuGH vom 04.10.2018, Fathi, C-56/17 wieder, wo es wie folgt heißt: Der Umstand, dass Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung der Religionsfreiheit nach dem Recht des Herkunftslandes mit unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Sanktionen geahndet werden, reicht für die Annahme des Vorliegens einer Verfolgung im Sinne des Artikel 9 Status-RL aus, wenn erwiesen ist, dass solche Sanktionen tatsächlich angewandt werden und der Antragsteller nachweislich Gefahr läuft, ihnen bei Rückkehr in das Herkunftsland ausgesetzt zu sein). Dem allem liegt zu Grunde, dass der Staat Kenntnis vom Religionswechsel erlangen muss und wird dies primär durch die Ausübung der neuen Religion erfolgen, womit auf die zweite Komponente, nämlich das Praktizierung des neuen Glaubens im Herkunftsstaat anzuschließen ist. Auch dafür ist es ratsam sich am Verfolgungsbegriff zu orientieren und ist dazu speziell auf das Urteil des EuGH vom 05.09.2012 (Bundesrepublik Deutschland vs. Y. und Z., C71/11 und C99/11) hinzuweisen. In diesem wurde judiziert, dass einem Asylsuchenden der Verzicht auf die Religionsausübung nicht zumutbar ist und es sohin irrelevant ist, wenn er der Gefährdung durch Verzicht auf die religiöse Betätigung entgehen könnte. Ferner wurde darin auch judiziert, dass nicht jeder Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit, der gegen Artikel 10 GR-Charta verstößt, eine Verfolgungshandlung darstellt; dazu ist nämlich zu prüfen, ob der Asylsuchende bei der Ausübung seiner Religionsfreiheit tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt zu sein.

Der Ausübung der Religion kommt somit immense Bedeutung bei der Beurteilung der Frage nach der Asylrelevanz zu, was wiederum indiziert, dass die Intensität der Glaubenspraktizierung maßgeblich zu berücksichtigen sein wird, weswegen stets zu differenzieren ist, wie der Asylsuchende seinen neuen Glauben lebt; entweder aktiv durch öffentliche Glaubensbetätigung, sei es im Wege der Teilnahme an christlichen Veranstaltungen, sei es durch die Verkündung des Glaubens oder durch Missionierungstätigkeiten oder eben passiv, indem er den neuen Glauben nicht nach außen trägt (vgl. EuGH Urteil vom 05.09.2012 (Bundesrepublik Deutschland vs. Y. und Z., C71/11 und C99/11): Darin hat sich der EuGH mit der Abgrenzung zwischen dem Eingriff in die Religionsfreiheit und einer Verfolgungshandlung sowie zur Vermeidung der Verfolgungsgefahr durch Verzicht der Ausübung auseinandergesetzt. (Die Behörden und Gerichte haben aufgrund der persönlichen Umstände des Asylsuchenden zu prüfen, ob er aufgrund der Ausübung der Religion in seinem Heimaland tatsächlich Gefahr läuft verfolgt oder unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Ferner ist Artikel 2 Buchstabe c der Status-RL dahingehend auszulegen, dass sobald feststehe, dass sich der Asylsuchende im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in einer Art und Weise religiös betätigt, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzt, ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dass er die Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen vermeiden könnte, ist grundsätzlich irrelevant.)

Die dritte Komponente ist die ernsthafte Zuwendung zum neuen Glauben, dh der Religionswechsel muss aus innerer Überzeugung erfolgt sein respektive identitätsprägend sein.

 

Zur Prüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion ist nun auf die ständige höchstgerichtliche Judikatur hinzuweisen. Aus dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215, „Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend.“ Auch die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung setzt diese Judikaturlinie fort (vgl. VfGH 27.02.2018, E2958/2017, VwGH vom 02.09.2015, Ra 2015/19/0091, VwGH vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0076, VwGH vom 07.05.2018, Ra 2018/20/0186, VwGH vom 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH vom 26.03.2019, Ra 2018/19/0530, VwGH vom 26.08.2019, Ra 2019/20/0400, VwGH vom 28.08.2019, Ra 2019/14/0129, VwGH vom 29.08.2019, Ra 2019/19/0303, VwGH vom 30.09.2019, Ra 2019/20/0437, VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0538). Dementsprechend haben sich Prüfkriterien zur Überprüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion entwickelt, wie etwa die Motivation für den Religionswechsel, welche Rolle die Religion im früheren Leben des Asylsuchenden gespielt hat und wie intensiv er sich damit auseinandergesetzt hat, der Zeitpunkt der Konversion, die Taufe sowie der Ablauf des Konversionsprozesses, die Kenntnisse über die neue Religion bzw. das Christentum, Zeugenberichte von Amtsträgern christlicher Einrichtungen sowie insbesondere die religiöse Aktivität des Asylsuchenden aber auch die generelle Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden im Verfahren, welche stets in einer Gesamtschau zu beurteilen sind, und die es den Gerichten und Behörden ermöglichen können zu eruieren, ob ein Asylsuchender tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist bzw. das Christentum seine Identität nachhaltig geprägt hat.

 

Was die Motivation für den Glaubenswechsel betrifft, so werden allgemeine und klischeehafte Ausführungen, wie bspw. das Christentum gefalle einfach besser, im Islam gebe es viel Krieg und Gewalt, im Islam ist alles streng und zwanghaft, im Christentum gibt es viel Liebe oder der Wunsch nach kultureller Zugehörigkeit wohl nicht ausreichend sein um eine innere Glaubenshaltung darzulegen und sind schon wegen zu häufiger Nennung respektive stereotyper Vorbringen eher negativ besetzt. Generell sollte der Entwicklungsprozess mehr im Fokus stehen und sollte der Asylsuchende in der Lage sein diesen Entwicklungsprozess nachvollziehbar darzustellen und nicht bloß in fragmentarischer Art und Weise. Auch sollte eine gewisse Affinität zu religiösen und spirituellen Erfahrungen vorhanden sein und sollte der Glaube auch schon im bisherigen Leben dominiert haben.

 

Was den Zeitpunkt der Konversion betrifft, so wird differenziert zu beurteilen sein, in welchem Verfahrensstadium die Konversion geltend gemacht wird, denn es macht einen Unterschied, ob das Interesse für das Christentum bereits im Herkunftsland bestanden hat und der Asylsuchende mitunter auch schon im Herkunftsstaat Verfolgungshandlungen aufgrund der Konversion ausgesetzt war, er folglich vorverfolgt ausgereist ist, oder ob das Interesse für das Christentum erst als subjektiver Nachfluchtgrund geltend gemacht wird oder überhaupt erst nach erfolgloser (oft mehrfacher) Asylantragstellung. Selbstverständlich wird es nicht vertretbar sein, der Konversion, wenn sie als subjektiver Nachfluchtgrund geltend gemacht wird, schon vorweg weniger Beweiswert respektive Substanz beizumessen, aber gerade wenn sie erst nach mehrfacher erfolgsloser Asylantragstellung erstmals vorgebracht wird, wird es – wiederum in einer Gesamtschau – vertretbar sein, Opportunitätserwägungen hinter diesem Verhalten zu vermuten (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 23.03.2016, F.G. vs. Schweden 43611/11, in welcher der EGMR auch die Frage des Zeitpunktes des Konversionsvorbringens (sowie das Spannungsverhältnis zwischen initiativem Vorbringen und amtswegigen Ermittlungen) behandelt hat. In diesem Urteil hat der EGMR die Feststellung des schwedischen Gerichtes für vertretbar erachtet, dass aufgrund von interessierten Tätigkeiten die einzig und allein dem Zweck dienen, eine Aufenthaltserlaubnis im dem Staat zu erhalten, in dem der Asylantrag gestellt worden ist, keine begründete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat des Antragstellers vorliege, wenn die opportunistische Natur dieser Tätigkeit für jedermann, einschließlich der Behörden des Landes, offensichtlich sei. Dieses Argument findet sich auch im Urteil des EGMR vom 19.12.2017 (Urteil des EGMR vom 19.12.2017, Zahl: 60342/16, A. gg. die Schweiz).

 

Bei der Taufe selbst wird es eine Rolle spielen, ob der Asylsuchende beschreiben kann, was die Taufe grundsätzlich bedeutet, was sie für ihn ganz persönlich bedeutet und wie er den Taufprozess erlebt hat. Von besonderer Relevanz ist zweifelsohne auch die Dauer der Taufvorbereitung. Es macht einen Unterschied, ob der Schutzsuchende ein einjähriges Katechumenat bis zur Taufe absolviert hat oder ob die Taufe bereits einige Tage oder Wochen nach dem ersten Kontakt mit einer Glaubensgemeinschaft, welcher gelegentlich auch nur über das Internet besteht bzw. aufrechterhalten wird, vollzogen wird. Gelegentlich kommt auch ein gehäufter Kirchen- und Glaubensrichtungswechsel vor und könnte auch aufgrund eines volatilen Verhaltens auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit geschlossen werden. Zu beachten gilt stets auch die Entscheidung des VwGH aus dem Jahr 2006, der zufolge es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, sondern lediglich auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624); Mutatis-Muntandis bedeutet dies aber auch, dass lediglich der Formalakt der Taufe für die Asylgewährung nicht ausreichend sein kann.

 

Da mit der Konversion neue Glaubensgrundsätze, religiöse Traditionen und Bräuche übernommen werden, kann auch vorausgesetzt werden, dass sich eine zum Christentum konvertierte Person intensiver mit der neuen Glaubenslehre auseinandersetzt und sollten daher gewisse religiöse Grundkenntnisse vorhanden sein. Wesentlich ist auch die Beurteilung, ob das Katechismus- bzw. Bibelwissen auswendig eingelernt wirkt oder ob der Asylsuchende den Sinn dahinter versteht. Von Relevanz wird sein, dass der Asylsuchende erklären kann, was bestimmte Glaubenssätze im Christentum für ihn nun persönlich bedeuten und ob er den spirituellen Hintergrund des Bibelwissens bzw. dessen Sinn versteht und welche Erfahrungen er mit der neuen Religion gemacht hat und wie sich die Religion in seinem Leben manifestiert hat.

 

Der religiösen Aktivität kommt zweifellos eine immense Bedeutung zu; dies insbesondere unter Beachtung des Umstandes, dass die Gefährdungsprognose das Praktizieren des neuen Glaubens im Herkunftsstaat voraussetzt (vgl. EUGH-Urteils vom 05.09.2012). Für die Gefährdungsprognose wird es maßgeblich darauf ankommen, wie der Asylsuchende gegenwärtig, in einem Land in welchem er vor Sanktionen sicher ist, seinen neuen Glauben lebt, denn daraus kann abgeleitet werden, ob und wie er im Falle einer Rückkehr diesen leben wird. Es kommt bei der Prüfung daher ganz wesentlich darauf an, wie sich der christliche Glaube in äußerlichen Aktivitäten manifestiert hat (Beleuchtung der aktiven Mitgliedschaft in der christlichen Gemeinde, regelmäßige und aktive Besuche von christlichen Veranstaltungen und Gottesdiensten, Motiv für den Kirchenbesuch (Gründe wie: durch Freunde aufmerksam gemacht, Treffen von Freunden, Pflege von sozialen Kontakten, Möglichkeit sich mit Leuten zu unterhalten, Leute sind dort sehr nett und man hat dort die Liebe der Menschen empfunden, werden wohl kein Indiz für eine gelebte innere Überzeugung darstellen. Damit beschreibt der Asylsuchende nämlich lediglich, dass er sich in der Gemeinschaft dieser Menschen wohl und respektiert fühlt; keineswegs macht er damit jedoch deutlich, dass er von den religiösen Lehren der jeweiligen Kirche überzeugt ist und vor allem nicht, dass er von einem religiösen Glauben erfasst ist). Einen hohen Stellenwert wird sicherlich ein exponiertes öffentliches religiöses Wirken sowie auch der Proselytismus einnehmen. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des EGMR vom Dezember 2017 (Urteil des EGMR vom 19.12.2017, Zahl: 60342/16, A. gg. die Schweiz), in welcher dieser einen Verstoß gegen Art. 2 und 3 EMRK ausgeschlossen hat und die Beurteilung der schweizerischen Behörden als nicht unangemessen angesehen, wonach konvertierte Personen, die bei den iranischen Behörden – auch wegen anderer Taten als ihrem Glaubensübertritt – nicht bereits bekannt seien und beabsichtigten, ihren Glauben diskret zu praktizieren, keiner Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien. Im gegenständlichen Fall hat der iranische Asylsuchende, nach einem bereits abgelehnten Asylantrag, eine Konversion zum Christentum geltend gemacht. Das Schweizer Gericht hat die abweisende Entscheidung, unter Bezugnahme auf Herkunftsländerquellen begründet, aus denen sich ergibt, dass nur besonders exponierte Personen einer Verfolgung ausgesetzt sind, da den iranischen Behörden bekannt sei, dass Konversionsvorbringen in manchen Fällen im Ausland nur zu Asylerlangung erstattet würden und wurde insbesondere festgehalten, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Asylsuchende seinen Glauben öffentlich ausübe oder gar missioniere. Der EGMR hat diese Begründung in diesem konkreten (Einzel-)Fall für unbedenklich erachtet.

 

Letztlich kommt auch den Zeugenberichten eine gewisse Bedeutung zu und kommt es gerade beim Vorbringen der Konversion häufig vor, dass Amtsträger christlicher Einrichtungen (Pfarrer oder Dekane) als Zeugen namhafte gemacht werden. Die Judikatur des VwGH zur Zeugenbefragung ist grundsätzlich relativ restriktiv und wird es generell als relevant erachtet, in der Beschwerde namhaft gemachte Pfarrer als Zeugen zu befragen. Jedoch betont der VwGH auch, dass die Angaben des Zeugen stets in einer Gesamtschau zu beurteilen sind (VwGH vom 22.02.2018, RA 2017/18/0426, VwGH vom 23.05.2017, Ra 2017/18/0028, VwGH vom 23.06.2015, Ra 2014/01/0117, VwGH vom 21. Juni 2018, Ra 2017/01/0381). Zeugen können sicherlich dahingehend mitwirken, indem sie Angaben zum christlichen Leben des Asylsuchenden machen können, sie bekanntgeben können, wie oft er den Gottesdienst besucht, ob und inwiefern er sich in die Arbeit der Religionsgemeinschaft einbringt und wie aktiv sich sein christliches Leben gestaltet. Die Relevanz der Zeugenaussage wird sicherlich auch von der Aussagekraft des Zeugen abhängen, ob er bspw. nur angibt, den Asylsuchenden getauft zu haben und ihn gelegentlich in der Kirche zu sehen oder ob er Angaben zu einer langjährigen Begleitung und gemeinsamen Arbeit in der Kirche machen kann. Was für den Zeugenbeweis gilt, gilt grundsätzlich auch für Bestätigungsschreiben über die religiöse Identifizierung von kirchlichen Amtsträgern und ist deren Beweiswert ebenso im Rahmen einer Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen.

 

In ihrer Entscheidung, namentlich auch in der Beweiswürdigung und bei der Feststellung des Sachverhaltes, sind die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht nach dem geltenden Recht jedoch nicht an die Erwägungen Dritter gebunden – und zwar auch nicht an die Erwägungen von Pfarrern, Pastoren, Geistlichen und sonstigen kirchlichen oder religiösen Repräsentanten, die im Rahmen ihrer Funktion darüber befinden, ob jemand die Voraussetzungen dafür aufweise, das Sakrament der Taufe zu empfangen (vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538; siehe auch VwGH vom 11.10.2019, Ra 2019/01/0367, zu als „pastorales Gutachten“ titulierten Schreiben).

 

Auch der generellen Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden im Verfahren kommt Bedeutung zu und ist auch dieses Kriterium bei der Prüfung heranzuziehen. Dieses Prüfkriterium aber als prioritäres Argument für die Unglaubwürdigkeit der Konversion heranzuziehen, wird wohl nicht ausreichend sein, wie dies auch der VwGH in ständiger Rechtsprechung judiziert (vgl. auch VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0091).

 

Gemessen an der höchstgerichtlichen österreichischen und europäischen Judikatur kommt es bei der Prüfbarkeit der inneren Überzeugung ganz maßgeblich auf eine schlüssige Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Prüfelemente an und nimmt dabei das religiöse Verhalten bzw. die religiöse Aktivität des Asylsuchenden eine prioritäre Rolle ein; dies auch im Hinblick auf die generelle Asylrelevanz und Verfolgungsprognose (Glaubenspraktizierung im Herkunftsstaat).

 

Für den gegenständlichen Fall ergibt sich demnach Folgendes:

 

Vorab ist festzuhalten, dass die Feststellungen, wie und wann der Beschwerdeführer (in Österreich) mit dem christlichen Glauben in Berührung kam und insbesondere zur Römisch-Katholischen Kirche Zugang fand und inwieweit er an deren Gemeinschaftsleben in den jeweiligen Gemeinden teilnahm bzw. teilnimmt und sich engagiert(e), aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers und des vom Bundesverwaltungsgericht als Zeugen einvernommenen Dipl.-Ing. XXXX sowie der Bestätigungsschreiben der katholischen Stadtpfarre XXXX vom 08.08.2017 und vom 30.12.2019 sowie des Zeugen vom 28.12.2019 zu treffen waren. Grundlagen für die Feststellungen zur Taufe und Firmung sowie der Vorbereitung darauf sind ebenfalls die Aussagen des Beschwerdeführers und die diesbezüglichen Ausführungen in den Bestätigungsschreiben der katholischen Stadtpfarre XXXX vom 08.08.2017 und vom 30.12.2019; der Beschwerdeführer hat einen Taufschein vorgelegt. Dass der Beschwerdeführer nicht formal gegenüber den österreichischen Behörden aus der Islamischen Religionsgemeinschaft ausgetreten ist, ergibt sich aus dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und der Nichtvorlage entsprechender Bescheinigungsmittel.

Zu den religiösen Kenntnissen:

Es wird zwar nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer die Gesetzesbücher bzw. die fünf Bücher Moses - Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium – korrekt benannte. Ebenso wenig wird angezweifelt, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung laut seinen Ausführungen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht das wichtigste Gebet der Christen, nämlich das Vater unser, das Glaubensbekenntnis und das Ave Maria kennt. Mag der BF im Übrigen vor dem Essen das Vater unser sprechen, so konnte er in der mündlichen Verhandlung jedoch ansonsten kein Tischgebet benennen. Bezüglich ihm bekannter Kirchenlieder musste der BF zudem eingestehen, diese nicht auswendig zu kennen. Der Beschwerdeführer konnte auch die zweimalige Frage nach christlichen Symbolen nicht beantworten, sondern stellte die Gegenfrage, ob damit die christlichen Feiertage gemeint seien bzw. ließ die Frage gänzlich unbeantwortet. Insoweit war der Beschwerdeführer nicht in der Lage christliche Symbole, wie beispielsweise die Taube, den Fisch, die Buchstaben A & O (Gott ist der Anfang und das Ende), das Wasser, das Kreuz oder den Baum (Halt, Heimat, Geborgenheit und Sicherheit) zu benennen. Folglich war es dem BF auch - nach Wiederholung der Frage - nicht möglich, dass Symbol „Taube“ korrekt zu erläutern, wonach die Taube den Heiligen Geist darstellen solle. Stattdessen schilderte der BF, wie Jesus getauft worden sei und sich hierbei eine Taube auf dessen Schulter gesetzt habe. Der BF wusste ebenso wenig, dass es sich beim Fisch um ein altes christliches Erkennungszeichen und Symbol für Jesus Christus handelt, sondern erwähnte er wiederum eine Passage aus der Bibel in Zusammenhang mit einem Fisch. Der Beschwerdeführer konnte des Weiteren kein Wissen über den Begriff „ICHTHYS vorweisen. Es war dem Beschwerdeführer nicht möglich auszuführen, dass dieser für I = Jesus, CH = Christus, TH = Gott, Y = Sohn und S = Retter steht. Die inhaltlichen Aussagen des BF zur Offenbarung des Johannes waren zudem dürftig, wobei der BF auch keine Kenntnis davon hatte, dass Streitigkeiten darüber bestehen, ob es sich beim Verfasser der Offenbarung auch um den Evangelisten Johannes handelt. Darüber hinaus vermeint der BF fälschlicherweise, dass sämtliche vier Evangelisten zu den Jüngern von Jesus Christus gehörten. Der BF verfügte kaum über Wissen hinsichtlich der Evangelisten Lukas und Johannes. So hatte der BF keine Kenntnis, dass der Evangelist Lukas nicht den Aposteln angehörte, er Arzt und Begleiter des Paulus sowie der Verfasser der Apostelgeschichte war. Hinsichtlich des Evangelisten Johannes wusste der BF wiederum nicht, dass dieser Apostel und Lieblingsjünger von Jesus Christus war. Zudem war dem BF nicht bekannt, dass es umstritten ist, ob dieser auch der Verfasser der Offenbarung bzw. der Johannesbriefe ist. Hinsichtlich der rituellen Bedeutung des letzten Abendmahles befragt, erwähnte der BF einzig die von Jesus an seine Jünger gesprochenen und bei der Wandlung wiedergegebenen Worte. Von der rituellen Bedeutung des letzten Abendmahles wusste er hingegen nichts zu berichten. Insoweit qualifizierte er dies weder als die Einsetzung eines neuen Bundes mit Jesus Christus als Mittler, noch erwähnte er, dass das Teilen von Brot und Wein in den liturgischen Ablauf der christlichen Eucharistiefeier bzw. Abendmahlfeier übernommen wurde und für die heutigen Christen eine zweifache Dimension hat: Zum einen die Gemeinschaft mit Jesus Christus und zum anderen die Gemeinschaft der Glaubenden untereinander. Dem BF war es – entgegen den Ausführungen in der Beschwerde – daher nicht möglich solche Kenntnisse über seine neue Religion vorzuweisen, die von einem aus innerer Überzeugung zur christlichen Religion Konvertierten erwartet werden können.

 

Zudem ist anzumerken, dass letztlich auch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung mit denen der Beschwerdeführer den Ablauf der Zusammenkünfte in der Hauskirche beschrieben hat, - wie bereits in der Einvernahme vor dem BFA - den Eindruck erwecken, dass er nur über oberflächliche Kenntnisse von der christlichen Religion verfügt: „[…] Wir waren im Schnitt fünf oder sechs Personen. In dem Hauskreis waren immer so viele Kerzen, wie Personen anwesend waren. Der Hauskreis dauerte 40 bis 60 Minuten. Er bestand aus Gebeten und Bibellesungen. Am Ende des Hauskreises haben wir das Vater Unser gebetet. Wir umarmten uns und verabschiedeten uns.“ bzw. „Um ehrlich zu sein, kann ich ihnen die Inhalte heute nicht mehr wiedergeben. Ich weiß, dass wir hauptsächlich im Matthäus Evangelium gelesen haben. Da meine Schulbildung aber sehr gering ist, habe ich meistens, dass was vorgelesen wurde, nicht verstanden. Es war schwierig diesen biblischen Inhalt zu verstehen. Es war wie Jesus gesagt hat, manche schauen zwar und sehen nicht, hören aber verstehen nicht. Erst in Österreich habe ich angefangen, diese Inhalte auch tatsächlich zu verstehen. Meiner Meinung nach bin ich erst seit meiner Taufe ein richtiger Christ.“

Wenngleich die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes der Frage, über welches Wissen ein angeblicher Konvertit über seinen angeblichen neuen Glauben verfügt, kein überzogenes Gewicht beimessen will, ist es doch bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer, der sich (laut eigener, allerdings unzutreffender Aussage) bereits mehrere Monate vor seiner Ausreise aus dem Iran mit dem Christentum befasste und nach seiner Einreise Anfang März 2016 tatsächlich am Leben in christlichen Gemeinden in Österreich teilnimmt, bislang nur oberflächliche Kenntnisse über das Christentum und den römisch-katholischen Glauben hat (vgl. die obigen Ausführungen). Dass er, wie bereits ausgeführt, auch jetzt nur oberflächliche Kenntnisse über das Christentum hat, spricht nicht für eine eingehende Auseinandersetzung mit dem angeblichen neuen Glauben.

Zur Motivation für den Glaubenswechsel:

Größeres Gewicht als fehlendes Wissen hat freilich der Umstand, dass der Beschwerdeführer – trotz eingehender Befragung – in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht schlüssig darlegen konnte, dass er sich aus Überzeugung vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt habe sowie dass und aus welchen Gründen er sich mit dem Christentum identifiziere. So hat er Fragen, die auf seine persönliche Glaubensüberzeugung und seinen persönlichen Bezug zum Christentum oder zum römisch-katholischen Glauben gerichtet waren, weitgehend oberflächlich und gerade ohne erkennbaren persönlichen Bezug zur Religion und zu seiner Glaubensüberzeugung beantwortet.

Beispielsweise wurden die Fragen, was damals im Iran ausschlaggebend gewesen sei, dass er sich für das Christentum interessiert habe, vom BF nur oberflächlich beantwortet. So gab der BF zu Protokoll: „Mein Interesse im Iran am Christentum hatte seinen Ursprung hauptsächlich aus der Beobachtung von XXXX , wie er sich verändert hatte. Mein Interesse am Christentum habe ich durch die Hauskreise und durch das Lesen der Bibel gesucht zu stillen. Aber um ehrlich zu sein, habe ich sehr selten in der Bibel gelesen, weil ich die Inhalte nicht verstehen konnte.“ Die Frage, ob es ein Schlüsselerlebnis für seine Hinwendung zum neuen Glauben gegeben habe, wurde vom BF überhaupt verneint. Es sei eine langsame Hinwendung gewesen. Diese Antwort bezüglich eines Schlüsselerlebnisses überrascht auch insofern als der BF in der Einvernahme vor dem BFA noch behauptete, in Österreich Jesus vor seinem Fenster gesehen zu haben und dass sein Gebet bezüglich eines baldigen Ladungstermins von Gott erhört worden sei. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der BF diese Vorfälle in diesem Zusammenhang erwähnt hätte, würden sie doch allenfalls als derartige Schlüsselerlebnisse für die Hinwendung zum Christentum angesehen werden können. Darüberhinaus ist aber auch festzuhalten, dass sich die Aussage des BF, er habe Jesus vor seinem Fenster gesehen, als geradezu absurd darstellt, ist es doch wenig erklärlich warum gerade dem Beschwerdeführer Jesus erschienen sein sollte, wo es sich doch bei einer Gotteserscheinung um einen wohl unerfüllten Wunsch vieler Christen handeln mag. Ebenfalls dürftig fiel seine Antwort auf die Frage aus, weshalb er sich dem Christentum und nicht einer anderen Religion zugewandt habe: „Ich habe mich über keine anderen Religionen erkundigt. Um ehrlich zu sein, nicht ich habe das Christentum erwählt, sondern das Christentum mich.“ Hinzu tritt, dass der BF weder die Unterschiede zu anderen Religionen, noch erklären konnte, weshalb er sich nicht für eine dieser Religionen entschieden habe. Tatsächlich musste der BF eingestehen, die Unterschiede zu anderen Religion – abgesehen von den Unterschieden zum Islam - nicht zu wissen und beschränkte sich abermals auf eine oberflächliche Antwort („Es gibt andere Religionen, aber, wenn ich von Religionen spreche, akzeptiere ich das der Islam eine Religion ist, dass das Judentum eine Religion ist, aber Christentum ist keine Religion, sondern Gott selbst. Die Unterschiede zu anderen Religionen kann ich ihnen nicht sagen, da ich diese nicht kenne. Ich kann den Unterschied zum Islam sagen, den kenne ich.“). Es ist nicht nachvollziehbar, dass jemand, der seinen alten Glauben ablegen und einen neuen annehmen will, nicht umfassend wiedergeben kann, was sein Interesse geweckt habe, was das Christentum für ihn persönlich ausmache und was das Sinnstiftende am christlichen Glauben sei. Die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes geht davon aus, dass jemand, der vom Islam abfällt und dabei angeblich behördliche Verfolgung und den Tod zu fürchten hat, vor seiner inneren Konversion einen gewissen Nachdenk- und Findungsprozess durchläuft. Diesen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, sondern schilderte der Beschwerdeführer nur oberflächlich, emotionslos und vage, was angeblich sein Interesse am Christentum geweckt habe. Gerade im Falle einer Konversion, die wohl ein tiefgreifendes Ereignis im Leben eines gläubigen Menschen darstellt, ist davon auszugehen, dass der auslösende Moment, warum ein Mensch sich von seinem bisherigen Glauben abwendet, mit Emotionalität und Genauigkeit geschildert wird. Genau das konnte der Beschwerdeführer dem BVwG nicht vermitteln. Ferner ist in diesem Zusammenhang auch auf die festgestellte Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens und die dazu ergangene Beweiswürdigung hinzuweisen, fußt dieses doch unmittelbar auf den Gründen für die Motivation, da der Beschwerdeführer, unglaubwürdig, vorbrachte, sein Interesse für das Christentum bereits im Iran gefunden zu haben.

 

Zur Taufe und zum Konversionsprozess in Österreich:

 

Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich erst nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im März 2016 mit dem Christentum in Berührung kam, ist nicht plausibel, dass seiner - mag diese auch erst rund ein Jahr nach seiner Einreise erfolgt sein - Taufe am 30.04.2017 eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben voranging und dass sich der Beschwerdeführer aus religiöser Überzeugung in einer christlichen Religion taufen ließ. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der BF in der mündlichen Verhandlung nicht von sich aus über den Taufunterricht berichtete und es sich bei den getroffenen Ausführungen um lediglich allgemeine Phrasen handelte. Demnach habe er einen mehrmonatigen Taufunterricht - unter Beiziehung eines Dolmetschers - erhalten. Aufgefordert von diesem Taufunterricht zu berichten, beschränkte sich der BF jedoch auf die Schilderung, sich meistens einmal in der Woche in der Kirche oder in einem Cafe in der Nähe der Kirche getroffen zu haben. Dort hätten sie über das Christentum gesprochen und diesbezüglich Fragen stellen können.

 

Die Schlussfolgerung, dass sich der Beschwerdeführer nicht eingehend mit seiner angeblich neuen Glaubensrichtung auseinandergesetzt hat, muss das Bundesverwaltungsgericht auch daraus ziehen, dass der Beschwerdeführer befragt, ob er sich auch mit anderen christlichen Strömungen befasst habe und wenn ja, warum er sich nicht für eine dieser entschieden habe lediglich anführte: „Im Iran war der Hauskreis evangelisch. Als wir hier waren, kamen zwei Wochen lang die Zeugen Jehovas. Danach bin ich zur katholischen Kirche.“ Auch auf die anschließend gestellte Frage der erkennenden Richterin „Warum?“, sagte der Beschwerdeführer wiederum einzig: „Weil rund um uns keine andere Kirche war.“ Ähnlich brachte der BF bereits zuvor mehrfach zum Ausdruck, dass die Kontaktaufnahme mit der Römisch-Katholischen Kirche lediglich erfolgt sei, weil es die nächstgelegene Einrichtung gewesen sei („Mein erster Kontakt mit der katholischen Kirche war im Ort in XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass mein erster Kontakt nach Tage nach meiner Ankunft in der Unterkunft war. Ich bin im dritten oder vierten Monat in der Gemeinde XXXX angekommen. Dann ging ich zur katholischen Kirche des Ortes. Es war drei bis vier Wochen nach meiner Ankunft in der Unterkunft. Es war die nächstgelegene Kirche von der Unterkunft aus.“ bzw. „Als wir in der Unterkunft waren, wurden wir von den Zeugen Jehovas aufgesucht. Diese sind immer mit dem Auto zu uns gekommen. Aber nachdem sich keine in unserer Person wirklich für sie interessiert hat, sind sie nicht mehr zu uns gekommen. Wir sind dann selbstständig zur nächstgelegenen Kirche gegangen. Das war eine katholische Kirche. In unserem Dorf gab es keine protestantische Kirche.“). Insoweit zeigten sich die Antworten des Beschwerdeführers auf diese Fragen weithin oberflächlich und spiegelt sich auch in den anschließenden Aussagen wider, dass sich der Beschwerdeführer nicht umfassend mit den verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen auseinandersetzte, bevor er der Römisch-Katholischen Kirche beitrat. So konnte der BF nicht erklären, weshalb er sich gerade für diese Glaubensrichtung entschieden habe. In dieses Bild passt es auch, dass der BF die Frage, ob er sich auch mit dem Katholizismus beschäftigt habe, unbeantwortet ließ. Stattdessen legte der BF dar, dass er zwar gewusst habe, dass die Mehrheit der Österreicher Katholiken seien, wobei es für ihn wichtig gewesen sei, in eine christliche Kirche zu gehen. Ob dies eine katholische oder evangelische Kirche gewesen sei, sei ihm egal gewesen. Warum sich der Beschwerdeführer für die Römisch-Katholische Kirche entschieden habe, konnte der Beschwerdeführer hiermit aber nicht schlüssig erörtern; er beschränkte sich in seinen Antworten letztlich auf den Umstand, wonach die römisch-katholische Kirche örtlich am nächsten gelegen sei, womit sich zeigt, dass der Inhalt christlicher Lehren für den Beschwerdeführer bedeutungslos ist.

 

Dazu hält das erkennende Gericht ferner fest, dass der Beschwerdeführer eben nicht bestrebt war, dass er aus Interesse für eine bestimmte Glaubensrichtung den Kontakt mit einer christlichen Religionsgemeinschaft in Österreich herstellte, sondern dass er sich für jenen christlichen Zweig entschied, welcher örtlich am nächsten gelegen war und da es dort eben viele Afghanen und Iraner geben habe bzw. es dort eine persische Gruppe gegeben habe. Konkrete Antworten, warum er sich gerade diese Religionsgemeinschaft aussuchte, was ihm dort aus religiöser Sicht mehr gefallen hätte als in anderen Kirchen, konnte der Beschwerdeführer nicht geben, insbesondere ließ der Beschwerdeführer Ausführungen vermissen, dass er sich auch aus religiösen Gründen für die eine oder die andere Kirche entschieden hätte. Dass der Beschwerdeführer jene Gemeinde auswählte, die am nächsten zu seiner Unterkunft lag, ist zwar naheliegend, lässt jedoch keine Rückschlüsse zu, weswegen ihm diese Religionsgemeinschaft derart wichtig wäre und er sich dort zugehörig fühle. Auf alle Fälle brachte der Beschwerdeführer keine Gründe vor, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass ihm die Auslegung "evangelisch" oder „römisch-katholisch“ des Christentums besonders wichtig wäre oder er sich besonders mit dieser auseinandergesetzt hätte.

 

Dass sich der Beschwerdeführer nicht eingehend mit seiner angeblich neuen Glaubensrichtung auseinandergesetzt hat, ergibt sich zudem auch aus dem Umstand, wonach der BF die Unterschiede zwischen den einzelnen christlichen Strömungen nicht näher bzw. korrekt beschreiben konnte. Der BF erwiderte auf diese Aufforderung lapidar: „Die Evangelische Kirche ist eine protestierende, aus einem Protest entstanden. Die Katholische, Katholik bedeutet Gemeinschaft. Orthodox bedeutet „Alt hergebracht“.“ Es wird von der erkennenden Richterin zwar nicht in Abrede gestellt, dass der BF im Rahmen zweier Folgefragen einige - nach außen erkennbare - Unterschiede zwischen dem christlichen Glauben nach römisch-katholischen und evangelischen Ritus benennen konnte. So konnte der BF darlegen, dass die römisch-katholische Bibel aus 73 und die evangelische Bibel aus 67 Büchern besteht, für die römisch-katholischen Priester das Zölibat besteht, in der Römisch-Katholischen Kirche der Marienfeiertag begangen wird und es in der Römisch-Katholischen Kirche die Einzelbeichte gibt, während in der Evangelischen Kirche das Sündenbekenntnis stellvertretend für die versammelte Gemeinde formuliert wird. Ferner beschreibt der BF laienhaft die in der Römischen-Katholischen Kirche - im Gegensatz zur Evangelischen Kirche - vorherrschende Transsubstantiationslehre. Auch diese Antworten zeigen jedoch, dass es dem Beschwerdeführer - mag er auch einige Unterschiede zwischen dem christlichen Glauben nach römisch-katholischen und evangelischen Ritus benennen können - an einem persönlichen Bezug zu seinem angeblichen neuen Glauben fehlt. Er kann sich für diesen Glauben daher nicht aus innerer Überzeugung entschieden haben, wobei zur Vollständigkeit anzumerken ist, dass der BF hinsichtlich der Unterschiede zwischen dem christlichen Glauben nach römisch-katholischen und evangelischen Ritus weder die Kindstaufe noch die besondere Funktion des Papstes in der Römisch-Katholischen Kirche erwähnte. In dieses Bild passt es im Übrigen auch, dass es dem Beschwerdeführer nach Aufforderung, den Ablauf des Gottesdienstes in seiner katholischen Gemeinde und die religiöse Bedeutung der einzelnen Abschnitte zu beschreiben, nicht möglich war, die religiöse Bedeutung der einzelnen Abschnitte des Gottesdienstes darzulegen, wobei er dies in nicht nachvollziehbarer Weise mit seinen mangelnden Deutschkenntnissen zu erklären versuchte. Auch die Antwort auf die Frage, welche Sakramente der Römisch-Katholischen Kirche er kenne, zeigt, dass der Inhalt christlicher Lehren für den Beschwerdeführer bedeutungslos ist: „Ich kenne das persische Wort für Sakrament nicht. Meinen Sie die 10 Gebote?“ Selbst auf Wiederholung der Frage erwiderte der BF erneut lediglich, das persische Wort für Sakrament nicht zu kennen, wobei festzuhalten ist, dass der erkennenden Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes bekannt ist, dass anderen iranischen BF das Wort Sakrament in der Sprache Farsi durchaus geläufig ist und diese die katholischen Sakramente Taufe, Firmung, Buße, Eucharistie, Salbung, Priesterweihe und Ehe nennen können.

 

Ferner ist anzumerken, dass der BF zwar sein persönliches Empfinden bei der Taufe darlegen konnte, dem Beschwerdeführer war es jedoch nicht möglich, vor dem Bundesverwaltungsgericht die rituelle Bedeutung der Taufe zu schildern. Wörtlich führte der BF dürftig aus: „Nach der Beichte ist das der Weg, um frei von Sünde zu werden. Es ist der Tod, die Wiederauferstehung. Man erlangt über die Taufe die Unsterblichkeit der Seele.“ Dies verwundert, zumal es sich bei der Taufe - einem Glaubenswechsel bzw. der Aufnahme in eine neue Glaubensgemeinschaft - doch um ein einschneidendes Ereignis, welches eine deutliche Zäsur im Leben eines Menschen darstellt, handelt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der BF die Taufe als christliche Feier der Aufnahme eines neuen Mitgliedes in die christliche Gemeinschaft benennen kann, zumal Aufnahmeriten oder rituelle Waschungen in vielen Religionen üblich sind. Auch in anderen Bereichen wie Vereinen, Organisationen usw. gibt es Feste oder Feiern, bei denen neue Mitglieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass der BF nicht in der Lage war, die Symbole der Taufe, nämlich Wasser, Kerze und Taufkleid, zu benennen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung nannte der Beschwerdeführer diesbezüglich Glaube, Beichte und Wiedergeburt. Anschließend konnte der BF zwar im Wesentlichen erläutern, dass das Taufkleid für die Reinheit (von der Sünde) stehe, er wusste hingegen nicht, dass das Wasser das Leben und die Kerze das Licht symbolisiert. Dies zeigt auch, dass der Beschwerdeführer diesem Moment keine besondere Wichtigkeit beigemessen hat, andernfalls ihm dies noch präziser erinnerlich wäre. Schließlich gab sich der BF zwar einen christlichen Taufnamen, womit jedoch gleichsam kein nennenswerter persönlicher Bezug zum Ausdruck kommt, zumal er ergänzte, dass er sich diesen christlichen Namen lediglich auf Aufforderung ausgewählt habe und dessen Bedeutung nicht wisse.

Es ist hierbei ebenso verwunderlich, dass der Beschwerdeführer zwar bereits am 30.04.2017 getauft wurde und insoweit dem christlichen Glauben beitrat, eine Absage vom Islam jedoch nie schriftlich erklärte.

 

Eine aus Überzeugung geschehene Abwendung vom Islam oder eine grundsätzliche Ablehnung des Islams hat er insgesamt nicht glaubhaft gemacht. So erscheint es auffällig, dass der BF die an ihn gerichteten Frage, wie es für ihn möglich gewesen sei, von der strenggläubigen Einstellung seiner Familie abzuweichen, nicht beantworten konnte. Stattdessen führte er lediglich aus, dass er nach einiger Zeit von der religiösen Einstellung seiner Familie abgestoßen gewesen sei. Hinzu tritt, dass der BF die Fragen bezüglich allfälliger Kritikpunkte am Islam bzw. der Vorzüge des Christentums nur allgemein beantwortete und flache, phrasenhaft wirkende Kritik am Islam übte, obwohl von jemandem, der als Moslem geboren wurde, in einem islamischen Land aufwuchs, dort mehrere Jahre die Schule besuchte und von sich selbst behauptet, aus einer strenggläubigen Familie zu stammen, Gegenteiliges erwartet werden könnte. Insoweit wird auf folgende Passage aus der mündlichen Verhandlung verwiesen: „VR: Was ist im Christentum besser als im Islam? BF: Im Islam gibt es keine Barmherzigkeit und kein Verzeihen. In der Sure Mohammad, Kapitel 4 heißt es, dass die Ungläubigen zu köpfen sind und deren Blut zu vergießen ist. Innerhalb des Islam gibt es auch eine Ungleichheit von Menschen. Das bekannteste ist die Ungleichheit der Geschlechter, sei es, dass ein Mann vier Frauen haben kann oder dass die Zeugenaussage einer Frau nur halb so viel wert ist. Ein Apostat droht im Islam, gemäß der Sure Kuh die Todesstrafe. VR: Nennen Sie zwei konkrete Merkmale dafür, weshalb aus Ihrer Sicht das Christentum besser zu Ihnen passt als der Islam! BF: Ich habe die Frage nicht richtig verstanden. VR wiederholt die Frage. BF: Die zwei Sachen, die am meisten zu mir passen sind, dass Gott ein sehr direkter Gott ist, ein verzeihender Gott ist und dass man sich direkt an ihn wenden kann. VR: Was bedeutet dies für Sie? BF: Es hat die Bedeutung diesen Bezug auf mich, dass ich für diesen verzeihenden Gott mein ganzes Leben hinter mir gelassen habe. Alles was ich hatte, vergessen habe. Meine Heimat verlassen habe, damit ich diesem Gott folgen kann.“ Seine Angaben blieben letztlich oberflächlich und lassen eine Abwendung vom Islam aus Überzeugung nicht erkennen, sondern geben großteils lediglich allgemein bekannte Kritikpunkte am Islam, etwa zur Stellung der Frau und dem Verhalten gegenüber „Ungläubigen“, wieder.

Zur religiösen Aktivität und dem Leben entsprechend der christlichen Werte:

 

Dass der Beschwerdeführer eine Bibel besitzt und diese (zumindest im Rahmen von Kursen und dergleichen) liest, bezweifelt das Bundesverwaltungsgericht nicht. Dieser Umstand kann jedoch ebenso wenig als Hinweis auf eine Konversion zum Christentum aus innerer Überzeugung gewertet werden, zumal der Beschwerdeführer die mit der Bibel in Zusammenhang stehenden Fragen in der mündlichen Verhandlung nur teilweise bzw. nur oberflächlich beantworten konnte. Dies spricht jedenfalls gegen eine eingehende Auseinandersetzung mit der Bibel. Ebenso wenig wird in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer auf die Fragen, wie er seinen neuen Glauben in Österreich lebe und welche christlichen Werte sein Leben prägen, eine Antwort gab, in der er einen persönlichen Bezug herzustellen versuchte. Bisweilen wirkten die Ausführungen jedoch beliebig und mit Blick auf die Biografie des Beschwerdeführers unglaubhaft, wenn dieser etwa behauptete, seit seiner Taufe nach den christlichen Werten zu leben und deren Vorschriften zu befolgen, zumal er nach seiner Taufe im Zeitraum von Oktober 2017 bis Februar 2019 mehrere Vergehen nach dem SMG beging und in der Folge wegen dieser Delikte auch verurteilt wurde. Auch hat er die Fragen, warum er in die Kirche gehe bzw. welches Motiv er für den Kirchenbesuch habe, weitgehend oberflächlich beantwortet. So gab er zur Antwort, dass er damit ein Teil der Gemeinschaft der Gläubigen sei und man gemeinsam Gott anbete. Darüber hinaus findet sich in der diesbezüglichen Aussage kein erkennbarer persönlicher Bezug zur Religion und zu seiner Glaubensüberzeugung.

 

Ebenso wenig war es dem BF möglich, ein außergewöhnliches Engagement in einer christlichen Gemeinde oder ein intensives Leben seines Glaubens anzuführen. Der BF beschränkte sich diesbezüglich auf die Ausführungen, wonach er sonntags die Kirche besuche. Darüber hinaus führt er Hilfstätigkeiten in der Pfarre aus. Beispielsweise hilft er beim Aufstellen und Schmücken sowie dem Abbau des Christbaumes, beim Zurückräumen der Liederbücher nach dem Gottesdienst, beim Schneeschaufeln und dem Zusammenkehren von Laub.

Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass von einer christlichen Ausrichtung des Lebens respektive der Beachtung der christlichen Werte durch den Beschwerdeführer auch schon aufgrund folgenden Umstandes nicht gesprochen werden kann: So wurde der Zeuge, der Pfarrsekretär und -helfer der römisch-katholischen Pfarre XXXX , in der mündlichen Verhandlung befragt, ob er über die vom BF begangenen Straftaten informiert sei, was dieser jedoch verneinte. Der Zeuge gab aber auch an, dass wenn man eine Sünde begehe, es in der katholischen Kirche die Möglichkeit der Beichte gäbe; wenn man dies tue und man die Sünde bereuen würde, dann würde einem die Buße auferlegt und die Sünde sei dann von Gott verziehen (vgl. VS Seite 30 und 31). Die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Verfehlungen gebeichtet habe, wurde von diesem jedoch dezidiert verneint (vgl. VS Seite 31), was eine tiefgehende Ausrichtung anhand christlicher Werte jedenfalls verneinen lässt.

 

Dass der Beschwerdeführer ernsthaft versuche, zu missionieren und anderen Personen die christliche Religion - etwa auch auf Facebook oder Instagram - näherzubringen (AS 105, OZ 25, S 6, 23 f, 27, 31 f), ist angesichts der mangelnden persönlichen Identifikation des Beschwerdeführers mit dem christlichen Glauben und seinem nur oberflächlichen Wissen weder plausibel noch glaubhaft. Der Beschwerdeführer selbst gab zunächst lediglich an, einen Bruder und einen Freund per Instagram und Telefon im Iran missioniert zu haben. Eine Missionierungstätigkeit in Österreich bzw. an Österreich lebenden Personen erwähnte der BF hingegen nicht (OZ 25, S 23 f). Erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung erwähnte der BF auf Befragung durch die Vertreterin der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation erstmals, mit einem Afghanen aus seiner Unterkunft ebenfalls Gespräche geführt zu haben (OZ 25, S 31 f). Auffällig erscheint ist diesem Zusammengang vor allem, dass sich die vom Beschwerdeführer als Missionierung bezeichneten Gespräche in Österreich letztlich auf eine in seiner Unterkunft lebende Person beschränkten, was zeigt, dass der Beschwerdeführer von keinem wirklichen Missionierungsgedanken erfüllt ist, andernfalls er nicht nur in seiner Unterkunft, sondern an den unterschiedlichsten Orten versucht hätte, zahlreiche andere Menschen von seiner Religion in Österreich zu überzeugen. Aus den bisherigen Erwägungen ist auch auszuschließen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran dort missionarisch tätig werden würde. Dies folgt auch aus den ausgesprochen vagen Angaben des Beschwerdeführers zur Vorgehensweise bei seiner angeblichen Missionierung, wonach er mit Freunden über das Christentum sprechen würde. Konkrete Angaben diesbezüglich fehlen allerdings (OZ 25, S 23 f).

 

Die nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten des BF, wie der Gottesdienstbesuch und sonstiger Veranstaltungen der christlichen Gemeinden, vermögen nach Ansicht der erkennenden Richterin nicht, die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel des BF sprechen, zu kompensieren. Das Bundesverwaltungsgericht geht hierbei von reinen Scheinaktivitäten des BF aus, um sich im Asylverfahren einen Aufenthaltsstatus zu erschleichen.

 

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zudem an, auf Facebook und Instagram zu posten, weshalb mittlerweile jeder wisse, dass er konvertiert sei (OZ 25, S 6). Aufgrund der auf Instagram und Facebook unter seinem eigenen Namen geposteten Beiträgen sei im Fall der Rückkehr in den Iran mit Sanktionen des Regimes zu rechnen, zumal soziale Medien vom Regime streng überwacht werden würden. Zu diesen Ausführungen bezüglich der Beiträge in den sozialen Medien ist festzuhalten, dass diese als Element der Scheinkonversion und nicht als Ausdruck einer inneren Überzeugung zu qualifizieren sind. Unter Berücksichtigung der sonstigen Erwägungen erwecken diese Ausführungen in diesem späten Verfahrensstadium den Eindruck „nachgeschoben“ worden zu sein, um dem Vorbringen des Beschwerdeführers mehr Gewicht zu verleihen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es auch eine gänzlich unsubstantiierte und damit unglaubhafte Behauptung des Beschwerdeführers ist, dass jetzt jeder wisse, dass er Christ geworden sei.

 

Auch die vom BF angesprochenen Interneteinträge auf Facebook und Instagram sind daher kein hinreichendes Indiz für eine ernsthafte christliche Identitätsprägung.

 

Überdies kann nicht davon ausgegangen werden, dass der iranische Staat sämtliche Aktivitäten iranischer Staatsbürger im Internet überwacht und dazu auch nicht die faktischen Möglichkeiten hat. Der BF hat den Herkunftsstaat nicht vorverfolgt verlassen, hat sich in keiner Weise exponiert und kann aufgrund des bisherigen Vorbringens des BF nicht davon ausgegangen werden, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten oder für diese von irgendeinem Interesse sein könnte.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik exilpolitische Feststellungen und Apostasie/ Konversion, welche insgesamt davon ausgehen, dass vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen, im Fokus stehen; auch wird darin festgehalten, dass es einige Geistliche waren, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, und zuvor im Ausland zum Christentum konvertiert waren. Bei der Person des BF handelt es sich jedoch nicht um einen Geistlichen.

 

Hervorzuheben ist explizit auch folgende Feststellung der Staatendokumentation des BFA: Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/ sie nicht verfolgt werden. Außerdem können Konvertiten problemlos zum Islam zurückkehren. Dazu genügt es, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

 

Im Lichte dieser Ausführungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF, der vor dem Verlassen des Iran keine Verbindung zum Christentum hatte (vgl. dazu die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen), aufgrund seiner vagen und niederschwelligen Aktivitäten auf Facebook und auf Instagram im Rückkehrfall einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre.

 

Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Beschwerdeführer derart in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten wäre, sodass er unter Beobachtung steht und diese seine Betätigung im christlichen Umfeld insofern registrieren möchten, um ihn - im Falle der Rückkehr - wegen Abfalls vom Glauben ("Apostasie") zu belangen, woran auch der formale Akt der Taufe in Österreich nichts zu ändern vermag, ist doch nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle im Ausland vorgenommenen Taufen beobachten und registrieren, was auch deren faktische Möglichkeiten bei weitem übersteigen würde.

 

Unter Berücksichtigung der vagen, allgemeinen und kurz gehaltenen Schilderungen zu den Beweggründen für die Hinwendung zum christlichen Glauben, zu seinen religiösen Aktivitäten und zum Praktizieren seines Glaubens in Österreich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seinen Glauben gewechselt hat.

 

Da es bei einem Glaubenswechsel um eine enge persönliche Gottesbindung mit dem dauerhaften und ernsthaften Bedürfnis geht, ein durch und durch christlich geprägtes Leben zu führen, gelingt es dem BF durch seine Ausführungen und seinen Lebenswandel nicht, eine innerlich vollzogene Konversion glaubhaft zu machen. Hinsichtlich seines Lebenswandels muss auf die rechtskräftige Verurteilung des BF wegen mehrerer Vergehen nach dem SMG verwiesen werden. Dass er sich zu diesen Straftaten hinreißen lässt, obwohl er sich in einem laufenden Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz befindet, in dem er Verfolgung aus religiösen Gründen wegen Wechsels der Religion vom Islam zum Christentum behauptet, zeugt von besonders geringer Wertschätzung der ihm eröffneten Möglichkeiten und lässt die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels stark bezweifeln.

Zu den Zeugenberichten:

Auch unter Berücksichtigung der Aussagen des vom Bundesverwaltungsgericht einvernommenen Zeugen und der vorgelegten Bestätigungsschreiben der beiden vom BF besuchten christlichen Pfarrgemeinden ist - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - weder ein Abfall vom Islam noch eine echte, innere Konversion zum Christentum glaubhaft.

Wie zuvor ausgeführt, legte das Bundesverwaltungsgericht die Aussagen im Hinblick darauf, wie und wann der Beschwerdeführer Zugang zur Römisch-Katholischen Kirche bzw. deren Pfarrgemeinden fand, wann er Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche wurde, inwieweit er an einer Vorbereitung zur Aufnahme in die Römisch-Katholische Kirche teilnahm und wann seine Taufe erfolgte, inwieweit er am Gemeinschaftsleben in den verschiedenen christlichen Gemeinden teilnahm bzw. teilnimmt und sich engagiert(e), ohnedies den Feststellungen zugrunde.

Die Bestätigungsschreiben der beiden vom BF besuchten christlichen Pfarrgemeinden sagen ansonsten über die Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers wenig aus, sondern lässt sich den Schreiben darüber hinaus hauptsächlich – abgesehen von erneuten Schilderungen des Ausreisevorbringens - entnehmen, dass der Beschwerdeführer durchwegs über positive Charaktereigenschaften verfügt.

Auch die Angaben des vom Bundesverwaltungsgericht als Zeugen einvernommenen Pfarrsekretärs und -helfers der römisch-katholischen Pfarre XXXX lassen nicht den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich vom Islam ab- und aus Überzeugung dem Christentum zugewandt habe. So legte der Zeuge dar, dass er den BF erst seit Sommer 2017 kenne, wobei er das Jahr nicht auswendig wisse. Glaublich seien es schon mehr als zwei Jahre. Er habe den BF durch einen anderen Perser in der Pfarre kennengelernt. Der BF sei dann laufend in die Kirche gekommen und habe er sich um ihn angenommen. So habe er den BF zu Kulturausflügen mitgenommen und zu Pfarrveranstaltungen eingeladen. Im Jahr 2018 hätten sie sich wöchentlich getroffen. Er habe damals zwei Taufwerber betreut. Der BF sei bei diesen Personen bei der Taufvorbereitung und der Vorbereitung für den Gottesdienst immer wieder - als Übersetzer - dabei gewesen. Insoweit traf der Zeuge lediglich eine allgemeine Charakterisierung seines Verhältnisses zum Beschwerdeführer, was überrascht zumal er diesen im Bestätigungsschreiben vom 28.12.2019 als „sehr guten Freund“ bezeichnet, was wiederum auch die sonstigen dort getroffenen Ausführungen erheblich relativiert. Dass diese im Schreiben dargelegte enge Beziehung zwischen dem BF und dem Zeugen nicht besteht, zeigt sich etwa auch daran, dass der Zeuge nichts von den vom BF begangenen Straftaten wusste, was aber bei einer intensiven Freundschaft zu erwarten gewesen wäre. Die Angaben des Zeugen, auf die Aufforderung, das christliche Leben des Beschwerdeführers zu beschreiben, sind vielfach allgemein gehalten und erlauben nur wenig Rückschlüsse auf die tatsächliche Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers: „Er kommt manchmal nach der Schule bei mir in der Kanzlei vorbei. Beim Angelusläuten, das ist immer um 12:00 Uhr, da bete ich, er kniet sich dann auch hin und betet mit. Bei der Messe sehe ich ihn auch regelmäßig., wenn er nicht kommt, rufe ich ihn an und er sagt mir z.B. dass er in Wien ist. Nach der Messe räumt er die Gotteslob-Bücher zusammen.“ Die Frage, ob der BF eine bestimmte Funktion innerhalb seiner Kirche einnehme, verneinte der Zeuge, wobei er ergänzend ausführte, dass der BF auf sein Ersuchen Hilfstätigkeiten, etwa beim Auf- und Abbau der Weihnachtskrippe, übernehme. Insoweit erwähnte der Zeuge in diesem Zusammenhang weder eine besondere religiöse Überzeugung des Beschwerdeführers, noch besondere Kenntnisse bezüglich ihres gemeinsamen Glaubens. Vor allem ist auch darauf hinzuweisen, dass der Zeuge bestätigte, dass das in Österreich gesetzte strafbare Verhalten nicht im Einklang mit der christlichen Lebensform stünde, wobei in der Römisch-Katholischen Kirche die Möglichkeit des Bereuens und der Beichte bestünde. Diese Möglichkeit nahm der BF jedoch ebenso wenig in Anspruch, was ebenfalls zeigt, dass der BF keine besondere religiöse Überzeugung vorweisen kann. Letztlich konnte der Zeuge anführen, dass der Beschwerdeführer regelmäßig an den Sonntagsgottesdiensten teilnimmt, in der Vergangenheit an den Bibelstunden der Gemeinde (als Übersetzter) teilgenommen hat, er ihn gelegentlich zu Mittag besucht und der BF dann mit ihm beim Angelusläuten betet und der BF in der Pfarre Hilfstätigkeiten übernimmt. Hier gilt, dass die – wenn auch regelmäßige und häufige – Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen keineswegs Ausdruck einer (tiefen) religiösen Überzeugung sein muss und konkret im Falle des Beschwerdeführers auch nicht ist, mag der Zeuge diesen äußeren Vorgängen auch eine größere Bedeutung beimessen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht stellt nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer eine entsprechende Entscheidung kommuniziert und öffentlichkeitswirksam religiöse Erklärungen abgegeben hat. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt diese Aussagen des Zeugen und die Ausführungen in den Bestätigungsschreiben somit zur Kenntnis, muss aber darauf hinweisen, dass es im Beschwerdeverfahren, wie oben ausgeführt, grundsätzlich allein ihm obliegt, in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, ob eine echte, innere Konversion oder eine Scheinkonversion vorliegt. Generell ist zu bedenken, dass derartige Äußerungen naturgemäß nur den persönlichen Eindruck, den der Verfasser eines Schreibens oder der Zeuge vom Beschwerdeführer hat, wiedergeben können. Das Bundesverwaltungsgericht trifft seine Feststellungen auf einer wesentlich breiteren Grundlage an Beweismitteln und hat sich ein umfassendes Bild von der aktuellen (!) Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers gemacht. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen, der Aussagen und des Aussageverhaltens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und aller sonstigen Beweismittel und Erwägungen musste das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass sich der Beschwerdeführer nicht tatsächlich vom Islam abgewandt hat sowie dass er nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert und dass der christliche Glaube nicht wesentlicher Bestandteil seiner Identität ist (vgl. auch VwGH 30.09.2019, Ra 2019/20/0437).

 

Abschließende bzw. generelle Ausführungen zur festgestellten Scheinkonversion:

Abschließend wird nochmals auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Ausreisegründe aus dem Iran hingewiesen, die nach Meinung der erkennenden Richterin umso mehr darauf hindeuten, dass der Beschwerdeführer auch bei seiner angegebenen Konversion nicht glaubwürdig ist, ansonsten er nicht schon zu Verfolgungshandlungen im Iran unglaubwürdige Sachverhalte geschildert hätte. Die Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben zeigt, dass der Beschwerdeführer bereit ist, unwahre Angaben zu tätigen, nur um ein eventuell asylrelevantes Vorbringen zu präsentieren.

 

Schließlich ist bezüglich der behaupteten Hinwendung zum Christentum bzw. der Konversion nochmals darauf hinzuweisen, dass es nicht genügt, sich auf die Aneignung von Allgemeinwissen zu einer bestimmten Glaubensrichtung zu beschränken, sondern kann von einer Person, welche für sich in Anspruch nimmt, zu einem anderen Glauben konvertiert zu sein, erwartet werden bzw. müsste es dieser geradezu ein Anliegen sein, von sich aus frei und eigeninitiativ über Glaubensinhalte zu sprechen und zu diskutieren, was im vorliegenden Fall jedoch deutlich zu verneinen ist. Nochmals ist zu betonen, dass eine Person, die, wie der BF behauptet, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein, ein größeres Engagement und eine größere Begeisterung auf die gestellten Fragen zeigen müsste und kann davon ausgegangen werden, dass die Antworten substantiierter und detailreicher erfolgen als die Ausführungen des BF.

 

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0530, sowie VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0303-6 mwN).

 

Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung und damit zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus (vgl. auch VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076).

 

Nach Ansicht der erkennenden Richterin ist in den allgemeinen und oberflächlichen Angaben des BF kein plausibler Grund für die Hinwendung des BF zum Christentum erkennbar. Eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit einem anderen, neuen Glauben geht naturgemäß mit einer längeren Zeitspanne, in der man sich intensiv mit Inhalten und Standpunkten der betreffenden Glaubensinhalte beschäftigt, einher und ist eine tatsächliche Hinwendung zu diesem Glauben erst der darauffolgende Schritt.

 

Dass sich der BF mit den Inhalten des neuen Glaubens tiefgreifend auseinandergesetzt hat, bevor er den Wunsch äußerte, diesen neuen Glauben anzunehmen, geht jedoch aus seinen diesbezüglichen Angaben nicht hervor.

 

Die erkennende Richterin kommt daher ebenso klar und zweifelsfrei zu dem Schluss, dass bei Gesamtbetrachtung die genannten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion auszugehen; auf die im hg. Erkenntnis wiedergegebenen Ausführungen des BF sei verwiesen, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass sich der BF intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sich in weiterer Folge ernsthaft und nachhaltig dem Christentum zugewandt hat bzw. im Falle einer Rückkehr im Iran deshalb in das Blickfeld der Behörden geraten oder missionierend bzw. in einer herausgehobenen Position tätig sein wird.

 

Der Beschwerdeführer begründete das angebliche Ende des Kontaktes zu seiner Familie - mit Ausnahme seines kleinen Bruders, zu dem der Kontakt etwa Anfang Dezember 2019 aufgrund dessen Festnahme bei Protesten gegen die Benzinteuerung abgebrochen sei - mit dem von seinem Vater diesbezüglich ausgesprochenen Verbot (OZ 25, S 6 f). Insoweit verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die umfassenden - obigen - Erwägungen zu dem nicht glaubhaften Vorbringen des BF bezüglich seines Interesses für das Christentum im Iran und den daraus resultierenden Schwierigkeiten im Iran.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers haben iranische Behörden zudem Kenntnis von seiner angeblichen Hinwendung zum Christentum erlangt. Dieses Vorbringen ist, wie das Bundesverwaltungsgericht ebenso umfassend dargelegt hat, nicht glaubhaft.

Dass die Behörden nach seiner Ausreise von den in der Folge entfalteten christlichen Aktivitäten und seiner Scheinkonversion erfahren hätten, hat der Beschwerdeführer weder glaubhaft vorgebracht noch gibt es Hinweise darauf. Anknüpfend an die bisherigen Erwägungen ist festzuhalten, dass es eine gänzlich unsubstantiierte und damit unglaubhafte Behauptung des Beschwerdeführers ist, dass mittlerweile jeder - auch seine Familienangehörigen in Europa - von seiner Hinwendung zum Christentum wüssten (OZ 25, S 6). Im Ergebnis muss die Aussage als der Versuch betrachtet werden, ein enormes Bedrohungsszenario zu konstruieren, um eine Verfolgungsgefahr vorzugeben.

Das Bundesverwaltungsgericht muss daher davon ausgehen, dass nur Personen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers von seinen christlichen Aktivitäten in Österreich Kenntnis haben können, die dieser selbst informiert hat. Dass es sich hierbei um Personen handeln könnte, von denen der Beschwerdeführer etwas zu befürchten haben könnte, widerspräche jeglicher Lebenserfahrung. Der Beschwerdeführer könnte seinen Angehörigen oder seinem Umfeld schließlich glaubhaft und plausibel darlegen, dass seine christlichen Aktivitäten in Österreich keineswegs Ausdruck innerer Überzeugung oder Identifikation mit diesem Glauben waren, sondern allein der Erlangung des Status des Asylberechtigten dienen sollten.

Nach den von der erkennenden Richterin herangezogenen Länderinformationen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019) sind konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die Behörden nicht von Interesse. Zwar wird das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit im Iran massiv systematisch verletzt und die Abtrünnigkeit vom Islam („Apostasie“) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen und Todesstrafe bedroht, nicht jedem Konvertiten droht aber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Verfolgung. Verfolgungsgefahr setzt in der Regel vielmehr voraus, dass weitere Umstände hinzutreten, z. B. missionarische Aktivitäten, Organisation von Hauskirchen. Die Rückkehr in den Iran ist außerdem kein Problem, wenn der (konvertierte) Rückkehrer den Behörden bei seiner Ausreise noch nicht bekannt war. Ein Rückkehrer, der vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird auch nicht verfolgt werden. Dass er vor der Ausreise Verbindungen zum Christentum gehabt habe, hat der Beschwerdeführer behauptet, ist aber nicht glaubhaft. Dass der Geheimdienst den Beschwerdeführer bei der Rückkehr befragen könnte, ist gewiss nicht ausgeschlossen. Mit einer derartigen Befragung ginge aber keine psychische und auch keine physische Folter einher. Vor diesem Hintergrund war festzustellen, dass der Beschwerdeführer selbst dann, wenn (weitere) Angehörige, das soziale Umfeld, sonstige Privatpersonen oder die iranischen Behörden von seinen religiösen Aktivitäten in Österreich Kenntnis erlangen sollten, keiner Verfolgung(sgefahr) ausgesetzt wäre. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer nicht aus echtem Interesse und innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat und der christliche Glaube nicht wesentlicher Bestandteil seiner Identität ist. Er würde daher den christlichen Glauben im Iran in keiner Weise weiterverfolgen. Er könnte daher auch gegebenenfalls ohne Weiteres, insbesondere ohne seine persönliche Glaubensüberzeugung zu verleugnen, erklären, nach wie vor dem islamischen Glauben zu folgen.

 

„Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend.“ Auch die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung setzt diese Judikaturlinie fort (vgl. VfGH 27.02.2018, E2958/2017, VwGH vom 02.09.2015, Ra 2015/19/0091, VwGH vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0076, VwGH vom 07.05.2018, Ra 2018/20/0186, VwGH vom 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH vom 26.03.2019, Ra 2018/19/0530, VwGH vom 26.08.2019, Ra 2019/20/0400, VwGH vom 28.08.2019, Ra 2019/14/0129, VwGH vom 29.08.2019, Ra 2019/19/0303, VwGH vom 30.09.2019, Ra 2019/20/0437, VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0538).

 

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0426; 23.05.2017, Ra 2017/18/0028; 18.10.2018, Ra 2018/19/0236). Eine Zeugeneinvernahme ist allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof mehrmals ausgesprochen hat, keineswegs in allen Fällen geboten (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453, und VwGH 21.06.2018, Ra 2017/01/0381). Auch ist das Verwaltungsgericht nicht an Erwägungen Dritter (hier: katholische Kirche) gebunden VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0538 bis 0539-3).

 

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Verbindung mit einer (beabsichtigten) Konversion nur dann in Betracht kommt, wenn die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht nur auf Opportunitätserwägungen beruht.

Nur, wenn die Konversion des Betroffenen die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise prägt, kann ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die Religionsausübung zu verzichten, um staatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen.

Eine derartige Prägung ist unter anderem aufgrund eines nicht existenten eigeninitiativen Agierens hinsichtlich der Aneignung christlicher Glaubensinhalte entschieden zu verneinen. Gerade von einer Person, welche von einem Glauben so überzeugt ist, dass sie zu diesem konvertiert, ist jedoch zu erwarten, dass diese von sich aus darüber spricht und es ihr geradezu ein Anliegen ist, diesbezügliche Ausführungen zu machen und ihre Begeisterung kundzutun, was jedoch im vorliegenden Fall nicht glaubhaft geschehen ist.

 

Daran vermag auch der Formalakt der Taufe nichts zu ändern, kann alleine aus solchen äußeren Faktoren, welche jedoch nichts über die tatsächliche innere Haltung des BF aussagen, doch keine Konversion des BF mit allen bereits mehrfach umschriebenen Voraussetzungen und Folgewirkungen abgeleitet werden.

 

Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur, der zufolge es für die Beurteilung der Frage, ob eine Konversion vorliegt, nicht auf den Formalakt der Taufe, welcher im gegebenen Fall zwar vorliegt, sondern auf die religiöse Einstellung des Asylwerbers ankommt (vgl. zuletzt VwGH vom 21.12.2006, 2005/20/0624).

 

Im Übrigen brachte der BF auch keine sonstigen Bescheinigungsmittel in Vorlage und wurden auch keine weiteren Zeugen geltend gemacht, zu denen der BF in Verbindung mit der behaupteten Konversion steht respektive welche Auskunft über sein religiöses Leben geben könnten.

 

Konversion (lat.: conversio ‚Umwendung, Umkehr‘) bedeutet die Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person. Die Angaben des Beschwerdeführers zu einer Konversion zum Christentum sind aus den dargelegten Erwägungen der erkennenden Richterin nicht als glaubwürdig zu qualifizieren und ist daher davon auszugehen, dass die Konversion des BF zum Christentum lediglich vorgebracht wurde, um Vorteile im Asylverfahren zu erwirken.

 

Somit bleibt festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall lediglich eine Scheinkonversion vorliegt, da der BF zwar getauft ist, das Vorbringen hinsichtlich eines Interesses für das Christentum jedoch in keiner Weise substantiiert erstattet wurde.

 

Hinsichtlich der Konversion ist schließlich auch nochmals auf das aktuelle Urteil des EGMR vom 19.12.2017, Zahl: 60342/16, A. gg. die Schweiz zu verweisen, in welchem dieser festhält, dass eine Konversion nur bei Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit zu Verfolgung im Iran führt:

Der Tenor dieses Urteils lautet wie folgt:

1. Die Ablehnung des Asylantrags des zum Christentum übergetretenen Beschwerdeführers ist fehlerfrei. Er wurde zu seinem Glaubensübertritt persönlich befragt und sein Asylantrag in mehreren Verfahren von zwei Instanzen geprüft (in Abgrenzung zu EGMR, Urteil F.G. gegen Schweden vom 23.3.2016, Nr. 43611/11, wo keine Prüfung der Konversion stattgefunden hatte - siehe EGMR-Rechtsprechungsübersicht in Asylmagazin 4-5/2016).2. Unter Berücksichtigung einschlägiger Berichte über die Situation von zum Christentum konvertierten Muslime im Iran ist die Einschätzung der Schweizer Behörden adäquat, dass Konvertiten im Iran nur dann dem Risiko einer Misshandlung ausgesetzt sind, wenn sie durch die öffentliche Ausübung ihres Glaubens die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden erregen. Zum Christentum Übergetretene, die ihren Glauben diskret pflegten, hätten demgegenüber kein Risiko zu befürchten.3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass für ihn die öffentliche Ausübung wesentlich ist. Daher unterscheidet sich seine Situation von dem Fall, der dem Urteil des EuGH vom 5.9.2012 in der Rechtssache Deutschland gegen Y. und Z. (C-71/11 und C-99/11 – asyl.net: M19998) zugrunde lag. In diesem Fall war für die Betroffenen die öffentliche Ausübung ihres Glaubens essentiell für die Bewahrung ihrer religiösen Identität.4. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran würde nicht zu einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK führen.

 

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass der Beschwerdeführer aufgrund bloßer Scheinkonversion und zumal das Vorbringen hinsichtlich eines Interesses für das Christentum in keiner Weise substantiiert erstattet wurde, auch nicht in der Lage ist, seinen Glauben öffentlich zu leben und dadurch die Aufmerksamkeit der iranischen Behörden zu erregen, geschweige denn andere Muslime zu missionieren, weswegen im gegenständlichen Fall eine Gefährdung des Beschwerdeführers nicht erkannt werden kann (vgl. auch VwGH vom 12.12.2018, Ra 2018 19 0368-10).

 

Bei Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschwerdeführers und der hier dargelegten Beweiswürdigung, welche in Einklang mit der zitierten aktuellen Judikatur steht, war daher von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF zu seinem erstatteten Asylgrund der Hinwendung bzw. Konversion zum Christentum auszugehen.

 

2.2.4.8. Weder in der Beschwerdeschrift noch in der mündlichen Verhandlung wurde der festgestellten Unglaubwürdigkeit sowie der fehlenden Asylrelevanz substantiiert entgegengetreten:

 

2.2.4.8.1. Die in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie die dahingehende Kritik, dass sich das Bundesamt, insbesondere mangels Aktualität und Vollständigkeit der vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen, nicht ausreichend mit dem Vorbringen des BF und den herkunftsstaatsspezifischen Informationen auseinandergesetzt habe, geht schon deshalb ins Leere, da nunmehr seitens des BVwG eine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde und dem Beschwerdeführer nunmehr im Rahmen der mündlichen Verhandlung Gelegenheit geboten wurde, sämtlich Fluchtgründe abermals umfassend darzulegen und auch zu den getroffenen Länderfeststellungen umfassend Stellung zu nehmen.

 

Im Übrigen ist festzuhalten, dass das Protokoll der Einvernahme vom 10.08.2017 den Eindruck vermittelt, dass der zuständige Organwalter den Beschwerdeführer ausführlich und objektiv zu seinem behaupteten Herkunftsstaat und seinem Vorbringen befragt und ihn mit entscheidungswesentlichen Fragen konfrontiert hat. Bei Betrachtung der gegenständlichen Niederschrift kann dieser Vorwurf bezüglich eines mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens daher ohnehin nicht nachvollzogen werden. Die Asylbehörde hat die materielle Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Hierbei kann oftmals nur auf eine genaue Befragung des Asylwerbers zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der Fragestellung lassen sich aber keine Besonderheiten feststellen und bei genauer Betrachtung hinterlässt die Niederschrift den Eindruck, dass sie den konkreten Verlauf wiedergibt. Der Niederschrift ist weiters nicht zu entnehmen, dass der BF während der Einvernahme seine nunmehrige Beanstandung kundtat, was aber seiner Mitwirkungsverpflichtung entsprochen hätte. Zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass der BF nach erfolgter Rückübersetzung am Ende der Einvernahme vor dem BFA am 10.08.2017 keine Einwendungen gegen die Niederschrift vorbrachte. Des Weiteren bestätigte der BF, dass er den Dolmetscher während der Einvernahme gut verstanden habe (AS 121 ff).

 

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Asylverfahrens umfassend niederschriftlich vom BFA einvernommen, wobei er in dieser Einvernahme die Gelegenheit hatte, sich zu seinen Verfolgungsgründen und Rückkehrbefürchtungen zu äußern. Das BFA beließ es dabei nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Grund seiner Furcht und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht der erkennenden Richterin auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221).

 

Die Behörde ist auch im Rahmen der Refoulementprüfung nur in dem Umfang zu amtswegigen Ermittlungen verhalten, in dem ein ausreichend konkretes, eine maßgebliche Bedrohung aufzeigendes Vorbringen erstattet wird, nicht aber zur Prüfung, ob die Partei denkbarerweise irgendwelchen Gefährdungen ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 19.11.2002, 2002/21/0185, 3.9.1997, 96/01/0474, 30.9.1997, 96/01/0205).

 

2.2.4.9. In einer Gesamtschau war dem Beschwerdeführer aufgrund sämtlicher zuvor getroffener Ausführungen sowie auch des persönlichen Eindruckes in der mündlichen Verhandlung die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

 

Es ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht hat glaubhaft machen können.

 

2.2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

2.2.5.1. Die getroffenen Feststellungen zur Situation im Iran gründen sich nunmehr auf die, im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörterten aktuellen Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation im Iran, denen der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegentreten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

 

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.

 

Bei Berücksichtigung der soeben angeführten Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen unter Berücksichtigung der Natur der Quelle und der Intention derer Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin um ausreichend ausgewogenes Material.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

2.2.5.2. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel kann nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung der Art 2 oder 3 EMRK oder des 6. und des 13. ZPEMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Der Beschwerdeführer hätte auch nicht um sein Leben zu fürchten, es würde ihm nicht jegliche Existenzgrundlage oder notwendige medizinische Versorgung fehlen. Vgl. die folgenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Die vom Beschwerdeführer geäußerten Befürchtungen für den Fall der Rückkehr fußen in erster Linie auf der - nicht zutreffenden - Prämisse einer echten, inneren Konversion zum Christentum. Festgehalten wird, dass sich aus den dem Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergibt, dass Konvertiten Verfolgung und Bestrafung, bis hin zur Todesstrafe drohen kann. Eine tatsächliche Konversion des Beschwerdeführers wurde im gegenständlichen Fall verneint.

 

Auch ansonsten hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen erstattet und hat nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachgewiesen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 2 oder 3 EMRK oder dem 6. und dem 13. ZPEMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers in den Iran bedeutet nicht allein wegen der dort vorherrschenden allgemeinen Situation eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte.

 

Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bestehen zwar latente Spannungen und es kommt verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie (vor allem in Minderheitenregionen) zu terroristischen Zwischenfällen, im gesamten Iran herrscht aber nicht ein derart hohes Niveau an willkürlicher Gewalt, dass der Beschwerdeführer allein durch seine Anwesenheit einem realen Risiko für seine körperliche Unversehrtheit oder sein Leben ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX ; mehrere Familienangehörige leben dort nach wie vor ohne Probleme.

 

Allein der Umstand, dass eine Person (im Ausland) einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr in den Iran keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Im gegebenen Fall ist den iranischen Behörden nicht bekannt, dass und mit welcher Begründung der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Wenn Rückkehrer in einzelnen Fällen zu ihrem Auslandsaufenthalt befragt werden, geht damit keine psychische und auch keine physische Folter einher. Selbst Personen, die das Land illegal verlassen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren, jedenfalls wenn sie sonst keine weiteren Straftaten begangen haben.

 

Ungeachtet der angespannten Wirtschaftslage und der ebenso angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt ist die Grundversorgung jedenfalls durch staatliche Hilfe und das islamische Spendensystem gesichert. Im Iran besteht ein differenziertes Sozialversicherungssystem; kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Das Gesundheitssystem ist fast flächendeckend, in Städten haben 100 % der Bevölkerung Zugang zu ärztlicher Versorgung. Seit der islamischen Revolution hat sich das Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. Freilich ist die spezialisierte, medizinische Versorgung in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard.

 

Weiters ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen, dass die Menschenrechtssituation im Allgemeinen zwar unbefriedigend ist, die Grundversorgung für die Bevölkerung aber gesichert ist. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern. Der Beschwerdeführer hat durch seine Familienangehörigen (Eltern, zwei Brüder, Großvater sowie Tanten und Onkel) auch weiterhin ein soziales Netz im Iran.

 

Dass dem Beschwerdeführer aufgrund sonstiger Umstände (schwere Erkrankung, sonstige besondere Vulnerabilität) die Gründung einer neuen Existenz im Iran nicht möglich wäre, ergibt sich aus den Feststellungen ebenfalls nicht. Zusammengefasst ergibt sich daher aus den Länderfeststellungen kein Hindernis an der Durchsetzung einer negativen Asylentscheidung gegen den Beschwerdeführer.

 

Unter Bedachtnahme auf die festgestellte Lage im Herkunftsstaat und auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers (insbesondere Schulbildung, Arbeitsfähigkeit, Berufserfahrung, Gesundheitszustand, Sozialisation im Herkunftsstaat, familiäre Anknüpfungspunkte) ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr die wirtschaftliche Wiedereingliederung möglich sein wird. Er wird in der Lage sein, jedenfalls die notdürftigsten Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz, auch in medizinischer Hinsicht, zu decken. Außergewöhnliche Umstände, die dem entgegenstünden, sind weder in Bezug auf die allgemeine Lage im Iran noch auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers feststellbar.

 

2.2.5.3. Weder der BF noch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation traten den Quellen und deren Kernaussagen konkret und substantiiert entgegen (OZ 25, S 32).

 

Insoweit in der Stellungnahme vom 16.08.2017 und der Beschwerde auszugsweise die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation von Christen und Konvertiten im Iran, sowie im Umfang von etwa sechseinhalb Seiten weitere Berichte zur Situation von Christen und Konvertiten im Iran zitiert bzw. in Form der Wiedergabe von Verweisungen im Internet angesprochen werden, erlaubt sich die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes darauf hinzuweisen, dass diese Berichte aus dem Juli 2017 und älter stammen und daher als veraltet zu qualifizieren sind. Diese Berichte sind mangels Aktualität für die Lageeinschätzung nicht (mehr) maßgeblich. Im Übrigen ist die Entscheidungsrelevanz dieser Quellen - was die Situation von Christen und Konvertiten im Iran betrifft - zu verneinen, geht die Argumentation in der Beschwerde doch davon aus, der Beschwerdeführer sei aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Dies trifft jedoch, wie festgestellt, nicht zu.

 

Soweit sich der Beschwerdeführer bezüglich der Thematik „Konversion im Iran“ auf die in der Stellungnahme und der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2013, 30.03.2015, 07.04.2015 und 15.03.2017 beruft, ist festzuhalten, dass es sich bei den einzelnen Asylverfahren stets um Einzelfallentscheidungen handelt. Es ist dennoch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich eine Revision gegen eine Entscheidung zurückwies, in der das Bundesverwaltungsgericht betreffend einen iranischen Staatsangehörigen eine innere Konversion zum Christentum und eine Verfolgung für nicht glaubhaft befand und dementsprechend die Beschwerde abwies (vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2019/01/0071).

 

Eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen ist nur dann erforderlich, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird (vgl. VwGH vom 02.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da der Beschwerdeführer jedoch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hatte, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Herkunftsstaat nicht geboten. Selbiges gilt im Übrigen für die Frage bezüglich des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

 

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht. Vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist. Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG auch auf so genannten objektiven oder subjektiven Nachfluchtgründen beruhen.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN, VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine Verfolgung, die bereits stattgefunden hat („Vorverfolgung“), für sich genommen nicht hinreichend (vgl. VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).

 

3.1.2. Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst (vgl. z. B. jeweils mwN VwGH 24.10.2001, 99/20/0550 und VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675). Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (vgl. VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544 und VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210, zum Herkunftsstaat Marokko).

 

Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend (vgl. insbesondere VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215). Auch die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung setzt diese Judikaturlinie fort (vgl. VfGH 27.02.2018, E2958/2017, VwGH vom 02.09.2015, Ra 2015/19/0091, VwGH vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0076, VwGH vom 07.05.2018, Ra 2018/20/0186, VwGH vom 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH vom 26.03.2019, Ra 2018/19/0530, VwGH vom 26.08.2019, Ra 2019/20/0400, VwGH vom 28.08.2019, Ra 2019/14/0129, VwGH vom 29.08.2019, Ra 2019/19/0303, VwGH vom 30.09.2019, Ra 2019/20/0437, VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0538).

 

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 können beim Erstantrag die subjektiven Nachfluchtgründe – müssen aber nicht – Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sein (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 3 AsylG 2005, K64). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrunds der Konversion eines iranischen Staatsangehörigen zum Christentum nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675).

 

3.1.3. Art 10 Abs. 1 lit b der Statusrichtlinie definiert Religion insbesondere als theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Geschützt ist die Entscheidung aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen. Der einzelne darf sich zu seiner religiösen Grundeinstellung nach außen bekennen und an religiösen Riten im öffentlichen Bereich teilnehmen (OVG Sachsen, 03.04.2008, B 36/06, zitiert nach Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 3 AsylG 2005, K40).

 

Im Sinne der Statusrichtlinie liegt eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (vgl. EuGH 05.09.2012, C-71/11 bzw. C-99/11 ).

 

Ferner kommt es nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs darauf an, ob der Asylwerber aufgrund der Ausübung der Religionsfreiheit in seinem Herkunftsland u. a. tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (vgl. EuGH 05.09.2012, C-71/11 bzw. C-99/11 ). Das mit Todes- oder Freiheitsstrafe bewehrte Verbot von Handlungen, die der Staatsreligion des Herkunftslands der Person, die internationalen Schutz beantragt, zuwiderlaufen, kann eine „Verfolgungshandlung“ iSd Art 9 der Statusrichtlinie darstellen, sofern die Behörden dieses Landes Verstöße gegen dieses Verbot in der Praxis mit solchen Strafen ahnden (vgl. EuGH 04.10.2018, C-56/17 ).

 

3.1.4. Subsumiert man den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt den relevanten und im Lichte der zitierten Judikatur auszulegenden Rechtsvorschriften, ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers war in seiner Gesamtheit bezüglich seines Religionswechsels - wie in der Beweiswürdigung detailliert ausgeführt - nicht als glaubwürdig zu qualifizieren, weshalb es auch nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist (vgl. VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

 

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsstaat nämlich nicht verfolgt und er hat diesen auch nicht aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung im oben genannten Sinn verlassen. Hervorzuheben ist noch einmal, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im Iran eine Hauskirche besucht und sei deswegen von den iranischen Sicherheitskräften gesucht und von Familienangehörigen bedroht worden, nicht glaubhaft ist. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer derartigen Verfolgungsgefahr ausgesetzt.

 

Eine Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG 2005 wegen einer tatsächlichen Abwendung vom Islam und einer echten inneren Konversion zum Christentum scheidet im Falle des Beschwerdeführers jedenfalls aus, weil sich dieser, wie festgestellt, weder (wahrhaftig) vom Islam abgewandt noch aus echter innerer Überzeugung zum Christentum hingewandt hat.

 

Durch die von ihm tatsächlich ausgeübten christlichen Aktivitäten, die Taufe, die bloß formale Zuwendung zum Christentum ohne innere Überzeugung (Scheinkonversion) droht dem Beschwerdeführer, sollten Angehörige, das soziale Umfeld, sonstige Privatpersonen oder die Behörden im Herkunftsstaat davon Kenntnis erlangen oder haben, im gegebenen Fall und im Lichte der Lage im Herkunftsstaat, wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls begründet festgestellt hat, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung iSd des § 3 Abs. 1 AslyG. Auch ein allenfalls unterstellter Glaubensabfall vermag gegenständlich keine asylrelevante Verfolgungsgefahr bzw. wohlbegründete Furcht vor einer solchen zu begründen.

 

Im Lichte der in das Verfahren integrierten Länderinformationen ist der Schluss zu ziehen, dass aus der lediglich formalen, bzw. zum Schein erfolgenden Konversion zum christlichen Glauben - wie sie in casu allenfalls vorliegen mag - ohne dem Vorliegen einer exponierten Tätigkeit bzw. außenwirksamen Praktizierung des christlichen Glaubens, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiert.

 

Auch ist im Lichte der Scheinkonversion des BF, nicht davon auszugehen, dass der BF das Bedürfnis hat, im Rückkehrfall die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder gar missionarisch tätig zu sein.

 

Der Beschwerdeführer nimmt in Österreich - wie viele iranische Konvertiten - an kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa Gottesdiensten und Bibelstunden, teil. Der BF hat sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert und kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dieser missionierend tätig ist.

 

Dass dies dem BF im Rückkehrfall in asylrelevanter Weise zum Nachteil gereicht, kann aufgrund der in der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen, wonach nicht davon auszugehen ist, dass die Person des BF für die iranischen Behörden in irgendeiner Weise von Interesse ist und unter Beobachtung steht und es somit keinen ersichtlichen Grund gibt, wie die Aktivitäten des BF den iranischen Behörden bekannt werden sollten, nicht festgestellt werden.

 

Auch gemäß den in das Verfahren aufgenommenen Länderfeststellungen, betreffen Repressionen vor allem missionierende Christen und sehen sich christliche Konvertiten aufgrund der Ausübung ihres Glaubens willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen ausgesetzt. Dass der BF, welcher lediglich zum Schein konvertiert ist, den christlichen Glauben ausübt, ist naturgemäß auszuschließen und kann auch umso weniger davon ausgegangen werden, dass es dem BF ein Anliegen ist, missionierend tätig zu sein.

 

Aus den Länderfeststellungen sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Iran betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ist letztlich auch zu schließen, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer missionarischen Betätigung für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (Kirchenführer, in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen), Gefahr laufen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen.

 

Im Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten.

 

Das Verhalten des BF erweist sich aber nicht als derart markant, dass es geeignet erscheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen. Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko ist nach Ansicht der erkennenden Richterin daher nicht gegeben.

 

Eine Verfolgungsgefahr aus einem anderen Grund oder in einem anderen Zusammenhang war auch nicht festzustellen.

 

3.1.5. Was die vom Beschwerdeführer vorgebrachte - kurzzeitige - behördliche Anhaltung betrifft, so erreicht diese nicht die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungshandlung (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dass diese Handlung überschießend, diskriminierend oder sonst ausschließlich gegen den Beschwerdeführer gerichtet gewesen wäre, hat dieser darüber hinaus auch nicht vorgebracht. Diesem Vorbringen im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA, kann daher keine Asylrelevanz beigemessen werden; erneut ist darauf hinzuweisen, dass der BF diesen Vorfall auch nicht als ausreisekausal benannte und er eine diesbzgl. Gefährdung auch nicht vorbrachte.

 

3.1.6. Sofern der Beschwerdeführer angibt, in Österreich einmal - etwa Mitte Dezember 2019 - in Wien eine Demonstration gegen die iranische Regierung besucht zu haben, so ist darauf hinzuweisen, dass vom BF zum Ausdruck wurde, keine wesentliche oder führende Funktion hierbei ausgeübt zu haben (OZ 25, S 7). Er sei einfacher Demonstrationsteilnehmer gewesen.

 

Aus der seitens des BF geschilderten Demonstrationsteilnahme ergibt sich nach Ansicht der erkennenden Richterin daher keine asylrelevante Gefährdung. Denn vom Beschwerdeführer wurde nicht dargetan, dass er sich in irgendeiner Form in leitender Funktion exponiert hat, welche ihn für die iranische Botschaft in Österreich bzw. die iranischen Sicherheitsbehörden interessant gemacht hätte, vielmehr hat der BF ein einziges Mal an einer Demonstration teilgenommen, weshalb keine Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr in den Iran anzunehmen ist, was sich auch aus den aktuellen Länderfeststellungen ergibt, zumal demnach die Gefahr von Repressionen bei Rückkehrern vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus im Iran abhängt. Die Aktivitäten des BF in Österreich sind nun aber zweifelsfrei als gering anzusehen.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass der iranische Staat realistischer Weise nicht jede Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich das Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsbürger und eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran würden sich daher solche führende Persönlichkeitsgruppen der Opposition aussetzen, die öffentlich und medienwirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder Organisator) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Das Verhalten des Beschwerdeführers erweist sich keinesfalls als derart markant, dass es geeignet scheint, einen erhöhten Ermittlungsaufwand bei den iranischen Behörden auszulösen.

 

Die erkennende Richterin lässt zwar die länderkundlichen Feststellungen nicht unberücksichtigt, wonach Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, von Repressionen bedroht sein können. Es ist jedoch aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinen exilpolitischen Aktivitäten, welche sich in einer einzigen Teilnahme an einer Demonstration, erschöpfen, nicht davon auszugehen, dass dies allein für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung (die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht - VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069) durch die iranischen Behörden im Rückkehrfall des Beschwerdeführers in den Iran ausreicht und ist diese Aktivität nicht einer öffentlichen regimekritischen Äußerung, wie in den Länderfeststellungen erwähnt, gleichzuhalten.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern", die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte.

 

Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Asylwerber auffällig "regimekritisch" in Erscheinung getreten ist, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden konnte (VwGH, 22.05.2001, 2000/01/0076; VwGH, 14.01.2003, 2001/01/0398; VwGH, 08.04.2003, Zl. 2002/01/0078)

 

In das Blickfeld der Sicherheitskräfte können zwar exponierte Personen geraten, nicht jedoch Personen, die Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung verrichten (exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils).

 

Zu den exilpolitischen Aktivitäten niedrigen Profils, zählen unter anderem die mit einer schlichten Vereinsmitgliedschaft verbundene regelmäßige Zahlung von Mitgliedsbeiträgen sowie von Spenden, schlichte Teilnahme an Demonstrationen, Ordnertätigkeit bei Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden, Informationsveranstaltungen oder Schulungsseminare, Verteilung von Flugblättern und Verkauf von Zeitschriften, Helfertätigkeit bei Informations- und Bücherständen, Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln und Leserbriefen in Zeitschriften (Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 273/04.A.19.04.2005; OVG Münster, Urteil vom 27.06.2002, Az.: 15. A 373/01.A).

 

Eine Möglichkeit, aufgrund der genannten, in Österreich gesetzten, Aktivitäten des Beschwerdeführers, in das Blickfeld der iranischen Behörden zu gelangen und im Rückkehrfall asylrelevanter Gefährdung ausgesetzt zu sein, ist im Lichte der obzitierten Judikatur und auch der einschlägigen Länderfeststellungen zu verneinen.

 

Ferner reicht auch allein die mögliche Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers nicht zur Annahme aus, er hätte deswegen bei einer Rückkehr in den Iran eine Verfolgung zu befürchten, zumal im bisherigen Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass sich der Beschwerdeführer besonders hervorgetan oder exponiert hätte. In diesem Zusammenhang sei auch auf nachfolgend zitierte deutsche oberverwaltungsgerichtliche Judikatur verwiesen: Nach der Rechtsprechung ist - allgemein - maßgeblich für eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen oder umgekehrt. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner einwirken lässt (OVG NRW, B.v.16.01.2017 - 13A 1793/16.A - juris; BayVGH, B.v.29.07.2013 - 14ZB 13.30084-juris; B.v.06.01.2014 - 13 A 1474/13.A -Juris).

 

3.1.7. Was nun die Tätowierungen des BF betrifft, so ergibt sich in Anbetracht der vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Iran betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen zwar, dass Tätowierungen im Iran verboten sind, wobei die meisten Tätowierungen von iranischen Sicherheitskräften nicht besonders beachtet werden. Dies gilt insbesondere im städtischen Umfeld. Sehr auffällige Tätowierungen können allerdings nachteilig sein, weil bei Kontrollen durch Sepah Pasdaran, Bassij oder sonstige Polizei jegliche Auffälligkeit des Aussehens und Verhaltens von Nachteil sein kann. Außerdem können besonders dekorative Tätowierungen mit einem westlichen Lebensstil in Verbindung gebracht werden und insofern nachteilig sein. Den betroffenen Personen drohen im Allgemeinen jedoch keine gravierenden Sanktionen, namentlich keine Misshandlungen. Es kann aber vorkommen, dass Sicherheitskräfte Träger von Tätowierungen geringschätzig-aggressiv auf die Motive ansprechen. Wenn sich die betroffene Person dann engagiert verbal verteidigt oder die Sicherheitskräfte am übrigen Verhalten oder der Kleidung Anstoß nehmen, sind körperliche Misshandlungen und einige Tage Haft nicht ausgeschlossen. Selbst wenn die Personen ein Kreuz tragen oder im Auto aufgehängt haben, wird eine Kontrolle wahrscheinlich glimpflich verlaufen, wenn sie z. B. rein optische/ ästhetische Gründe dafür angeben. Zudem haben dekorative Tätowierungen im Iran keine spezifische soziale Aussage. Iranische Behörden und Sicherheitskräfte werten Tätowierungen nicht als Beleg für eine Konversion. Wenn eine kontrollierte oder beschuldigte Person versichert, Moslem (geblieben) zu sein, sind keine weiteren Schritte oder gar Sanktionen zu erwarten. Ansonsten wären Misshandlungen und Haft von einigen Tagen allerdings nicht ausgeschlossen.

Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer seine Tätowierungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit keinem Wort erwähnte und diese lediglich erst aufgrund der Befragung des Vertreters der belangten Behörde zu den einzelnen Bildmotiven sowie der Entstehung dieser thematisiert wurden. Aber auch in diesem Zusammenhang wurde weder vom Beschwerdeführer noch von seiner rechtsfreundlichen Vertreterin eine eventuelle Gefährdung respektive Konsequenzen aufgrund dieser vorgebracht (vgl. Seite 27 und 28 der Verhandlungsschrift). (Vgl. dazu auch die näheren beweiswürdigenden Ausführungen unter Punkt 2.2.4.5. des gegenständlichen Erkenntnisses).

 

Der Beschwerdeführer wäre daher wegen seiner Tätowierungen im Falle der Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt. Auch in Kombination mit seinen religiösen Aktivitäten in Österreich, seiner behaupteten Konversion zum Christentum oder wegen eines allenfalls unterstellten Glaubensabfalls würde sich keine persönliche und konkrete Verfolgung, Bedrohung oder sonstige Gefährdung des Beschwerdeführers ergeben.

 

3.1.8. Abschließend ist festzuhalten, dass auch eine dem Beschwerdeführer allenfalls drohende „Doppelbestrafung“ wegen der verübten Strafrechtsdelikte zu keiner anderslautenden Entscheidung führen kann. Obwohl der Beschwerdeführer weder vor dem BFA noch in der Beschwerdeverhandlung eine ihm drohende Doppelbestrafung im Iran vorbrachte, wird dennoch nachfolgend dazu Stellung genommen:

 

Aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich, dass zwar das Verbot der Doppelbestrafung im neuen Strafgesetz aufgenommen wurde, dieses aber nur stark eingeschränkt gilt. Nach dem iranischen StGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und im Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von Hudud-, Qesas- oder Blutgeldstrafen, also den islamischen Strafen, haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. Die Wahrscheinlichkeit einer Doppelbestrafung nimmt zu, wenn der Inhaftierte von der iranischen Botschaft oder einem iranischen Generalkonsulat betreut wurde und die iranischen Behörden in diesem Zusammenhang von der Straftat Kenntnis erlangt haben oder, wenn den iranischen Behörden im Zusammenhang mit der Rückführung entweder direkt mitgeteilt oder durch die Umstände der Rückführung nahe gelegt wird, dass es sich bei der Person um einen Straftäter handelt. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt, dass auch wenn ein Verbrechen in den Anwendungsbereich des Art. 7 des iranischen StGB fällt, eine Strafverfolgung gemäß der gleichen Anklage jemals erfolgreich war. Aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten zu in der Praxis diesbezüglich stattfindenden Strafverfolgungen gibt es schließlich keine Anzeichen dafür, dass im Allgemeinen ein tatsächliches Risiko von doppelter Strafverfolgung im Iran besteht.

 

Der Beschwerdeführer machte zu keiner Zeit seines Verfahrens eine allfällige Doppelbestrafung geltend und gab er folglich auch zu keiner Zeit an, dass die in Österreich begangenen Strafrechtsdelikte seinem Heimatstaat bekannt sind bzw. wurden. Es ist auch nicht bekannt, dass der Beschwerdeführer während einer Haft, zumal die Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen wurde, von der iranischen Botschaft oder einem iranischen Generalkonsulat betreut wurde und die iranischen Behörden in diesem Zusammenhang von den Straftaten Kenntnis erlangt haben. Selbst im Falle einer Rückführung ist nicht davon auszugehen, dass den iranischen Behörden im Zusammenhang mit der Rückführung entweder direkt mitgeteilt oder durch die Umstände der Rückführung nahegelegt wird, dass es sich bei der Person um einen Straftäter handelt. In einer Gesamtschau ist daher davon auszugehen, dass dem BF mangels Kenntnis der iranischen Behörden über seine begangenen Strafrechtsdelikte auch keine Doppelbestrafung in seinem Heimatland droht, zumal aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten zu in der Praxis diesbezüglich stattfindenden Strafverfolgungen es keine Anzeichen dafür gibt, dass im Allgemeinen ein tatsächliches Risiko von doppelter Strafverfolgung im Iran besteht.

 

Selbst wenn den iranischen Behörden die Verurteilung des BF in Österreich bekannt werden sollte, was aber insbesondere aufgrund der zuvor getroffener Ausführungen nicht evident ist, wäre die entscheidende Frage zudem, ob in einer allenfalls drohenden Doppelbestrafung, auch Asylrelevanz zu erblicken wäre.

 

Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Verfolgung, um asylrelevant zu sein, in einem kausalen Zusammenhang mit einem Konventionsgrund stehen muss.

An einem derartigen Zusammenhang fehlt es jedoch gegenständlich, weil nicht zu erkennen ist, dass dem Beschwerdeführer droht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Die ihm allenfalls drohende Doppelbestrafung würde jedem anderen iranischen Staatsangehörigen unabhängig von dessen Volksgruppenzugehörigkeit bzw. dessen Religionsbekenntnis gleichermaßen bevorstehen. Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargelegt, welcher Konventionsgrund bei ihm einschlägig wäre.

 

Es ist ferner das Kriterium der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht zu erkennen.

Bei dem in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Asylgrund der „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen „Rasse, Religion und Nationalität“ überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine – nicht sachliche gerechtfertigte – Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/01/0197). Nach herrschender Auffassung kann eine solche soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. etwa die UNHCR-Richtlinie zum internationalen Schutz: „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“, Feßl/Holzschuster, AslyG 2005, 107; James C. Hathaway/Michelle Foster, "Membership of a Particular Social Group", International Journal of Refugee Law Vol. 15 No. 3 (Juli 2003), 479; Guy S. Goodwin-Gill/Jane McAdam, The Refugee in International Law3 (2007), 79f).

Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) umschreibt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Die (angebliche) Eigenschaft des Beschwerdeführers als „verurteilter Straftäter“ zu gelten, reicht nicht aus, um ihm aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Asylschutz zu gewähren. Diese Eigenschaft stellt weder ein (im Sinne der obigen Definitionen) besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal dar, noch macht sie den Fremden zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Judikatur handelt es sich bei drohender Doppelbestrafung um einen Umstand, der nicht für die Frage der Asylgewährung, sondern lediglich im Rahmen der Beurteilung der Gewährung von subsidiärem Schutz relevant sein kann. Es besteht nämlich kein Anhaltspunkt dafür, dass diese angebliche Bestrafung aus einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Gründe erfolgen würde (in diesem Sinne auch VwGH 19.02.2004, 99/20/0573).

Auch das (deutsche) Verwaltungsgericht Arnsberg hat in seinem Urteil vom 05.12.2008, 13 K 1397/08.A, die in Deutschland erfolgte Verurteilung eines iranischen Staatsbürgers wegen Drogendelikten lediglich in Zusammenhang mit Abschiebeschutz, nicht jedoch im Zusammenhang mit Asylgewährung behandelt.

Ebenso wenig sah sich das Verwaltungsgericht Stuttgart beispielsweise in seinem Urteil vom 30.06.2008, A 11 K 1399/08, veranlasst, bei einem wegen Drogenhandels in Deutschland rechtskräftig verurteilten Iraner die Frage einer Asylgewährung zu prüfen.

Auch das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (vgl. z.B. dessen Urteile jeweils vom 04.12.2008, Abteilung V, E-6618/2006/ame sowie E-6622/2006) sah in derartigen Fällen keinen Anlass zur Gewährung von Asyl.

 

Die hier getroffene Würdigung zur Doppelbestrafung im Iran entspricht sohin auch der überwiegenden Entscheidungspraxis, respektive Rechtsprechung in Deutschland und der Schweiz (angesichts des notorischen Prozesses der Vergemeinschaftung des Asylrechts können solche Umstände jedenfalls nicht (mehr) als für die österreichische Rechtsordnung gänzlich unbeachtlich angesehen werden) und steht auch nicht mit der bekannten österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur in Widerspruch.

 

3.1.9. Was den Wunsch nach einer Arbeitsaufnahme in Österreich bzw. Europa betrifft (vgl. AS 9, 17), ist wie folgt auszuführen:

 

Der geltend gemachte Wunsch nach Arbeitsaufnahme bzw. nach einer Zukunft in Österreich und Europa weist keinen GFK-Konnex auf.

 

Der Beschwerdeführer nahm mit diesem Vorbringen auf keinen in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Grund Bezug. Dies kann insoweit nicht zu einer Asylgewährung führen, setzt eine solche doch konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung voraus. Nachteile, die auf die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes dar und sind auch, da eine Existenzbedrohung, respektive wirtschaftliche Nachteile nicht basierend auf den Gründen der GFK vorgebracht wurde, nicht asylrelevant; derartiges (mangelnde Lebensgrundlage) wäre ausschließlich unter Spruchpunkt II. zu prüfen.

 

Zu einer allfällig existenziellen Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr ist zusätzlich auszuführen, dass unter Berücksichtigung der vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen, jedenfalls keine existentiellen Gefährdungen von Angehörigen seiner Volksgruppe festgestellt werden kann. Darüber hinaus stünde es dem Beschwerdeführer offen, sich in einem anderen Landesteil des Iran, insbesondere in der Hauptstadt Teheran, niederzulassen und ist aus den getroffenen Länderfeststellungen weder ersichtlich, dass er dort einer existentiellen Gefährdung noch einer anderweitigen Gefährdung ausgesetzt wäre, noch asylrelevante Gefährdung zu befürchten hätte. Zum Entscheidungszeitpunkt sind auch keine Umstände notorisch sind, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen Lage oder der wirtschaftlich-sozialen Lage im Iran ergeben würde.

 

3.1.10. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es schließlich keine Anhaltspunkte dafür, dass Iraner, die aus dem Ausland in den Iran zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass ein Asylantrag allein nach vorliegenden Erkenntnissen keine staatlichen Repressionen auslöst. Bei Rückkehr kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch iranische Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, besonders zu Kontakten während dieser Zeit. Eine asylrelevante Verfolgung ist darin aber nicht erkennbar.

 

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall nicht existent ist.

 

In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides somit abzuweisen.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

3.2.2. Weder auf der Grundlage der im gegenständlichen Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen, welchen der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist, noch vor dem Hintergrund des persönlichen Vorbringens des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass er bei einer Rückführung in sein Heimatland in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Gefährdung im Sinne des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. Im Iran erfolgen weder grobe, massenhafte Menschenrechtsverletzungen unsanktioniert, noch ist nach den seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, weshalb auch kein „real Risk“ (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist.

 

Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen.

 

3.2.2.1. Der Beschwerdeführer hat weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Der BF war zwar in der Vergangenheit im Iran medikamentenabhängig (Tramal) und befand er sich in Österreich am 08.05.2016 und am 09.05.2016 in stationärer Pflege in einem Krankenhaus, zumal er sich aus Traurigkeit, jedoch nicht in Suizidabsicht eine Schnittverletzung am Hals zufügte. Bereits zuvor fügte sich der BF aus diesem Grunde Verletzungen im Bereich des Nackens und der Flanke zu. Zuletzt befand sich der BF etwa Mitte September 2019 wegen psychischer Probleme bei einem Arzt in Behandlung. Die Medikamente setzte er aufgrund negativer Auswirkungen auf seine Person nach einem Monat wieder ab. Derzeit befindet er sich weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung.

 

Insoweit muss festgestellt werden, dass es dem BF gegenwärtig gesundheitlich gut geht.

Er befindet er sich weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung.

 

Dennoch ist auf die in der Vergangenheit aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie folgt einzugehen:

 

Die in der Vergangenheit aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen nicht zur Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Falle der Abschiebung. Dazu ist zudem auf die ständige Judikatur der Höchstgerichte zu verweisen, dass kein Fremder ein Recht hat, in einem Aufenthaltsstaat zu bleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist grundsätzlich unerheblich, solange es Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil von diesem gibt. Nur bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, Zl. B 2400/07, VwGH 23.09.2009, 2007/01/0515).

 

Wie den aktuellen Länderfeststellungen entnommen werden kann, ist die medizinische Versorgung im Iran gewährleistet. Aus den von der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen ergibt sich, dass fast alle Iraner flächendeckend Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land) haben, aber die Qualität schwankt. Das iranische Gesundheitssystem hat sich seit der islamischen Revolution konstant stark verbessert. Speziell in Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich. Laut der eingeholten Anfragebeantwortung vom 26.07.2017 betreffend Drogenmissbrauch, Rehabilitationszentren und Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht sind sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung durch Psychologen und Psychiater verfügbar. Weiters gibt es auch Rehabilitationskliniken für suchtkranke Menschen. Zudem sind folgende Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht verfügbar: Methadon, Buprenorphin, Naloxon und Naltrexon Hydrochlorid. Alle diese Medikamente unterstehen der Aufsicht des Gesundheitsministeriums. Man kann diese nicht einfach in einer normalen Apotheke kaufen. Patienten, die diese Medikamente brauchen, sollen ein Rezept des Arztes haben.

 

Darüber hinaus ist auszuführen:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in den Iran dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, B 2400/07-9, zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Diese "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR in seiner Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192) nunmehr präzisiert.

 

Im vorliegenden Fall konnten vom Beschwerdeführer keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise auf unzumutbare Verschlechterungen der Krankheitszustände im Falle einer Abschiebung in den Iran, belegt werden.

 

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es daher für entscheidend, welche Haltung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Frage von krankheitsbedingten Abschiebehindernissen und einer ausreichenden medizinischen Versorgung in den Zielstaaten unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK im Rahmen seiner authentischen Interpretation dieser Konventionsbestimmung einnimmt. Zu diesem Zweck ist auf die jüngere einschlägige Rechtsprechung des EGMR in den folgenden Judikaten abzustellen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht denselben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).[...]

 

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

 

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

 

Die beiden letztgenannten Entscheidungen beinhalten somit, dass bei körperlichen Erkrankungen im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht zB für AIDS in Tansania sowie Togo und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant sind.

 

In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und PTBS mit suizidaler Einengung, haben auch nachfolgende, sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende, Überlegungen (vgl. auch VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen:

 

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung.

 

Im Falle einer diagnostizierten PTBS, die auf traumatische Erlebnisse im Herkunftsstaat zurückzuführen ist, wird diese umso unbeachtlicher respektive unglaubwürdiger, je später im Verfahren die dieser Erkrankung behauptetermaßen zugrunde liegenden Erlebnisse vorgebracht werden. Nach Ansicht des EGMR kann zwar die Erkrankung erst nach Jahren ausbrechen bzw. erkannt werden, vom Asylwerber kann aber erwartet werden, dass er den traumakausalen Sachverhalt bereits in einem frühen Verfahrensstadium erstmals erwähnt.

 

Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.

 

Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete risikominimierende Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reiche hierzu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrerer vorangegangener Suizidversuche.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Im vorliegenden Fall war der BF zwar in der Vergangenheit im Iran medikamentenabhängig (Tramal) und befand er sich in Österreich am 08.05.2016 und am 09.05.2016 in stationärer Pflege in einem Krankenhaus, zumal er sich aus Traurigkeit, jedoch nicht in Suizidabsicht eine Schnittverletzung am Hals zufügte. Bereits zuvor fügte sich der BF aus diesem Grunde Verletzungen im Bereich des Nackens und der Flanke zu. Zuletzt befand sich der BF etwa Mitte September 2019 wegen psychischer Probleme bei einem Arzt in Behandlung. Die Medikamente setzte er aufgrund negativer Auswirkungen auf seine Person nach einem Monat wieder ab. Derzeit befindet er sich jedoch weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung und ist gesund.

 

Insoweit muss daher festgestellt werden, dass es dem BF gegenwärtig gesundheitlich gut geht. Eine Behandlung der in der Vergangenheit aufgetretenen Krankheitsbilder des Beschwerdeführers wäre aber grundsätzlich auch im Iran möglich und zugänglich.

 

Aktuell liegen dem erkennenden Gericht jedenfalls keine aktuellen ärztlichen oder therapeutischen Unterlagen vor, wonach der Beschwerdeführer sich zum Entscheidungszeitpunkt in einem akut selbstgefährdenden Zustand befindet. Den Schilderungen des BF ist zu entnehmen, dass er sich derzeit weder in ärztlicher, noch in medikamentöser Behandlung befindet.

 

Die in der Vergangenheit liegenden gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers weisen keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist nicht anzunehmen, dass sich der Beschwerdeführer in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Laut den schon dargestellten Länderfeststellungen steht im Iran für die beim Beschwerdeführer in der Vergangenheit vorgelegenen Erkrankungen eine medizinische Heilbehandlung zur Verfügung. Im Iran ist jedenfalls eine medizinische Grundversorgung gewährleistet und sind auch allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

 

Durch eine Abschiebung des BF wird Art. 3 EMRK nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was im Iran jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung im Iran den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant.

 

Nach den herangezogenen Länderfeststellungen und den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Iran betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ist die medizinische Versorgung im Iran gewährleistet. Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass fast alle Iraner flächendeckend Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land) haben, aber die Qualität schwankt. Das iranische Gesundheitssystem hat sich seit der islamischen Revolution konstant stark verbessert. Speziell in Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich. Laut der eingeholten Anfragebeantwortung vom 26.07.2017 betreffend Drogenmissbrauch, Rehabilitationszentren und Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht sind sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung durch Psychologen und Psychiater verfügbar. Weiters gibt es auch Rehabilitationskliniken für suchtkranke Menschen. Zudem sind folgende Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht verfügbar: Methadon, Buprenorphin, Naloxon und Naltrexon Hydrochlorid. Alle diese Medikamente unterstehen der Aufsicht des Gesundheitsministeriums. Man kann diese nicht einfach in einer normalen Apotheke kaufen. Patienten, die diese Medikamente brauchen, sollen ein Rezept des Arztes haben.

 

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

 

Im gegenständlichen Fall mag es somit zwar sein, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat hinter denen in Österreich zurückbleiben, aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens ist jedoch bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen festzustellen, dass hierdurch im gegenständlichen Fall die vom EGMR verlangten außerordentlichen Umstände nicht gegeben sind (vgl. hierzu insbesondere auch weiters Urteil des EGMR vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599, Case of Bensaid v. The United Kingdom oder auch VwGH v. 7.10.2003, 2002/01/0379).

 

Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR keinesfalls um einen "ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend sind" ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"), fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D./Vereinigtes Königreich lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, nämlich wegen AIDS im letzten Stadium bereits stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, dass zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und dass drittens mangels Angehöriger im Herkunftsstaat seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.

 

Demzufolge könnte auch ein wie in der Vergangenheit beim BF bestandener Gesundheitszustand gemessen am hohen Eingriffsschellenwert („high threshold“) von Artikel 3 EMRK einer Überstellung in den Herkunftsstaat des BF nicht entgegenstehen. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Artikel 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Abschiebungsschutz als Realisierung der Rechte aus Artikel 3 EMRK soll einem Fremden nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes des Aufenthaltsstaates sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leib und Leben bewahren (vgl. hiezu zB. auch das Urteil des OVG NRW vom 20.9.2006, Zahl 13 A 1740/05.A). Diese Restriktion leuchtet nicht zuletzt aus der Absolutheit hervor, mit der Artikel 3 EMRK das Recht eines jeden, nicht gefoltert oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, garantiert. Dadurch, dass der EGMR in seiner Judikatur zur Artikel 3 EMRK regelmäßig auf den hohen Eingriffschwellenwert („high threshold“) dieser Bestimmung hinweist (und deshalb letztlich auch viele Beschwerden verwirft), bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass Artikel 3 EMRK lediglich einen – aber dafür absoluten und unverbrüchlichen – Mindestschutzstandard garantiert, den er trotz der Fortentwicklungen in den modernen Gesellschaften und sich ändernder sozialer Bedürfnisse offenkundig nicht erweitert.

 

Wendet man die einschlägige Judikatur des EGMR auf den gegenständlichen Fall an, so kann das Bundesverwaltungsgericht, auch bei dem in der Vergangenheit beim BF bestanden Gesundheitszustand, somit keinen Grund für ein Abschiebungshindernis erkennen.

Abermals ist jedoch festzuhalten, dass der BF mittlerweile gesund ist und weder ärztliche noch medikamentöse Behandlungen in Anspruch nimmt.

 

Den Länderberichten zufolge ist der Umgang mit drogenabhängigen Personen im Iran als problematisch anzusehen. Gleichzeitig geht aus der vom BFA eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema Drogenmissbrauch, Rehabilitationszentren und Wirkstoffe hervor, dass zur Behandlung von Drogensucht sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung durch Psychologen und Psychiater verfügbar ist. Weiters gibt es auch Rehabilitationskliniken für suchtkranke Menschen. Zudem sind folgende Wirkstoffe zur Behandlung von Drogensucht verfügbar: Methadon, Buprenorphin, Naloxon und Naltrexon Hydrochlorid. Alle diese Medikamente unterstehen der Aufsicht des Gesundheitsministeriums. Man kann diese nicht einfach in einer normalen Apotheke kaufen. Patienten, die diese Medikamente brauchen, sollen ein Rezept des Arztes haben. Aus den von der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen geht auch hervor, dass im Jänner 2018 eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft trat. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet das Folgendes: Der Beschwerdeführer konsumierte bis März 2019 für die Dauer von vier bis fünf Monaten Marihuana. Seither nimmt er keine Drogen. Ebenso wenig befindet er sich in einer Drogenersatztherapie.

 

Da er ohnehin seit bald einem Jahr keine Drogen mehr zu sich nimmt, sich in keiner Drogenersatztherapie befindet und eine Therapie bei Drogenabhängigkeit ebenso wie Psychotherapie im Iran verfügbar wäre, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr erneut auf Drogen zurückgreifen würde bzw. müsste und in Folge strafgerichtlicher Konsequenzen ausgesetzt wäre.

 

3.2.2.2. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung in den Iran dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlte. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen, welchen von Seiten des Beschwerdeführers nicht substantiiert entgegengetreten wurde, ist zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung im Iran - mag die Wirtschaftsleistung aufgrund der Sanktionen der USA auch zurückgegangen sein - gewährleistet ist und ist diesbezüglich zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Verschlechterung bekannt.

 

Der Beschwerdeführer ist weiters ein gesunder, aktiver und junger Mann von 30 Jahren, der im Iran nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einer Rückkehr auch mit der Unterstützung seiner Familie rechnen könnte. In concreto leben seine Eltern, zwei Brüder, ein Großvater, mehrere Tanten und Onkel in seinem Herkunftsstaat und ist es diesen Verwandten des Beschwerdeführers sicherlich möglich, den Beschwerdeführer zu unterstützen und ihm zumindest vorübergehend Unterkunft zu gewähren. Triftige Gründe, weshalb ihm beispielsweise seine Eltern nicht helfen könnten, konnte der BF nicht darlegen. Im Übrigen wird der BF nach allgemeiner Lebenserfahrung darüber hinaus über einen Bekannten- und Freundeskreis verfügen, gab er doch nicht zu Protokoll, vor seiner Ausreise in völliger sozialer Isolation gelebt zu haben. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist somit jedenfalls ein soziales Netz vorhanden. Aus der Reise des Beschwerdeführers nach Österreich ist ersichtlich, dass er mobil und in der Lage ist, auch in einer für ihn fremden Umgebung sein Leben zu meistern. Er spricht die Sprache der Majoritätsbevölkerung Farsi und zudem ein wenig Arabisch. Im Übrigen verfügt der Beschwerdeführer über eine mehrjährige Schulausbildung sowie Berufserfahrung als Stukkateur, Schweißer und Taxifahrer. Es ist daher nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung im Iran, auch an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen des Iran, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Es wäre dem Beschwerdeführer letztlich auch zumutbar, durch eigene und notfalls wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandte, sonstige ihn schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können. Der Beschwerdeführer brachte auch selbst vor, vor seiner Ausreise im Iran als Stukkateur, Schweißer und Taxifahrer tätig gewesen zu sein und es bestehen keine substantiierten Hinweise dafür, dass er hierzu nach seiner Rückkehr nicht wiederum in der Lage sein sollte.

 

Aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich, dass die Grundversorgung der Bevölkerung im Iran sehr wohl gesichert ist. Der Beschwerdeführer ist nach allgemeiner Lebenserfahrung arbeitsfähig und ist daher davon auszugehen, dass er ohne jedes substantiierte Vorbringen nicht als im Sinne der EMRK gefährdet anzusehen ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation im Iran schlechter darstellt als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

 

Wiederum ist festzuhalten, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine Umstände notorisch sind, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen (alle unterschiedslos treffenden) Sicherheitslage oder der wirtschaftlich-sozialen Lage im Iran ergeben würde; auch hierzu ist seitens des Beschwerdeführers in der Beschwerde kein konkretes Vorbringen erfolgt.

 

3.2.2.3. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in den von der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen bleibt bezüglich des Themenkomplexes "Doppelbestrafung" festzuhalten, dass es nicht evident ist, dass die in Österreich erfolgte strafgerichtliche Verurteilung des BF den Behörden im Herkunftsland bekannt geworden ist. Insoweit hat dieser bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer ihn treffenden Doppelbestrafung zu rechnen und besteht insoweit auch keine Gefährdung des BF, zumal es aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten zu in der Praxis diesbezüglich stattfindenden Strafverfolgungen keine Anzeichen dafür gibt, dass im Allgemeinen ein tatsächliches Risiko von doppelter Strafverfolgung im Iran besteht.

 

3.2.2.4. Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit auch nicht so dar, dass nun bereits ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 3) gegeben ist. Gegenteiliges ist auch dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14. Juni 2019 nicht zu entnehmen. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bestehen zwar latente Spannungen und es kommt verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie (vor allem in Minderheitenregionen) zu terroristischen Zwischenfällen, im Iran herrscht aber nicht ein derart hohes Niveau an willkürlicher Gewalt, dass der Beschwerdeführer allein durch seine Anwesenheit einem realen Risiko für seine körperliche Unversehrtheit oder sein Leben ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX ; mehrere Familienangehörige leben dort nach wie vor ohne Probleme. Insoweit sich der Konflikt zwischen den USA und dem Iran in den vergangenen Wochen durch die gezielte Tötung von General XXXX zugespitzt hat, bleibt abschließend festzuhalten, dass sich der Iran als Reaktion auf dieses Vorgehen auf den Beschuss zweier US-Militärbasen im Irak mit Raketen beschränkte. Allein aus diesem Umstand lässt sich nun aber nicht ableiten, dass die allgemeine Sicherheitslage im Iran besonders prekär ist, zumal seitens der USA von weiteren Eskalationsschritten abgesehen wurde.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 20. September 2010, U 1863/09-12, unter Hinweis auf das im Vorabsatz erwähnte Urteil des EGMR, dass bei einer Rückkehr in den Iran bezüglich der Prüfung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung neben der zuvor erwähnten Berücksichtigung der angespannten Situation auch die speziellen Risiken bedacht werden müssen, denen Iraner ausgesetzt sind, wenn sie, ohne über Beweismittel für ihre legale Ausreise aus dem Iran zu verfügen, in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen. Auf Grund aktueller Länderberichte stehe fest, dass diese besonders leicht einer genauen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Ausreise aus dem Iran unterzogen werden. Diesfalls wäre es wahrscheinlich, dass ein Iraner ohne gültige Ausreisepapiere die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsbehörden auf sich ziehen und seine Vergangenheit dabei offengelegt würde. Diese beiden Gesichtspunkte zusammen können dazu führen, dass die Ausweisung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat angesichts der gegenwärtigen Umstände eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung darstellt. Dieses Judikat ist im konkreten Fall nun aber nicht einschlägig, da der Beschwerdeführer Mitte bis Ende Jänner 2016 - im Unterschied zur genannten VfGH-Judikatur – den Herkunftsstaat offenbar legal verlassen hat, und zu keinem Zeitpunkt ins Blickfeld des iranischen Staates geraten ist, den Iran nicht vorverfolgt verlassen hat und sein Vorbringen bezüglich des ernsthaften Interesses am Christentum als unglaubwürdig gewertet wird, weshalb letztlich keine Gefährdung vorliegt.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das jüngste Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137-14 zur Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz, in welchem sich der VwGH mit der Frage einer Rückkehrgefährdung iSd Art. 3 EMRK aufgrund der bloßen allgemeinen Lage (hier: Irak), insbesondere wegen wiederkehrenden Anschlägen und zum anderen einer solchen wegen – kumulativ mit der allgemeinen Lage – zu berücksichtigenden individuellen Faktoren, befasst hat und die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Wie bereits oben ausgeführt, besteht für den Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall weder von staatlicher noch von privater Seite eine Verfolgungsgefahr aufgrund seines behaupteten Ausreisevorbringens, da dieses als nicht glaubhaft erachtet wurde.

 

Die erfolgte Konversion zum Christentum wurde als bloße Scheinkonversion erachtet. Es wird von Seiten der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass Personen, welche aus Sicht des iranischen Regimes dessen absoluten Machtanspruch nicht anerkennen - etwa weil sie erfolgreich missionarisch tätig sind - durchaus in Gefahr schweben können, unmenschlich und erniedrigend behandelt bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden; eine allgemeine Gefahr - als ein auch den Beschwerdeführer treffendes reales Risiko einer relevanten Verletzung der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK unterworfen zu werden - ist aber im gegebenen Fall - mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens - nicht zu sehen. Den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen kann schließlich entnommen werden, dass sogar Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Auslandsvertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren können.

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abzuweisen.

 

3.3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 57 AsylG und § 52 FPG):

3.3.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

3.3.2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit März 2016 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

3.3.3.1. Der Beschwerdeführer ist als iranischer Staatsangehöriger kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

3.3.4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Sohin blieb zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf ein Privatleben in Österreich darstellt.

 

3.3.4.2. Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

 

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen „kann“ und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. VwGH 05.06.2019, Ra 2019/18/0078, mwN).

 

Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.04.2019 Ra 2019/18/0049, mwN).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; dort auch zur Bedeutung einer Lehre iZm Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013; vgl zum unsicheren Aufenthaltsstatus zuletzt auch die Entscheidungen des VwGH vom 27.6.2019, Ra 2019/14/0142 und vom 4.4.2019, Ra 2019/21/0015).

 

Für den gegenständlichen Fall ergibt sich Folgendes:

Die bisherige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers beträgt seit Anfang März 2016 etwas weniger als vier Jahre, womit diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch relativ kurz ist, um bereits jetzt von einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration zu sprechen. Dass das Asylverfahren in Österreich, welches ab März 2016 Grundlage für den hiesigen Aufenthalt des BF gewesen war, etwas weniger als vier Jahre bis zur nunmehrigen Entscheidung andauerte, kann dem BF aber nicht angelastet werden; es handelt sich um keine Folgeantragsstellung. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet war, er versuchte diesen mit einem nicht glaubhaften/ nicht asylrelevanten Sachverhalt zu begründen und der Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist war, sind aber gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib, selbst wenn er im Bundesgebiet soziale Kontakte knüpfte, er Deutschkurse besucht(e) und alltagstaugliche Deutschkenntnisse erlangt hat, an Werte- und Orientierungskursen, an einem Vortrag „Kompetenzen, Fähigkeiten, VHS Vortrag, Lebensberatung“, an einem Vortrag „Selbstständige Tätigkeit – Erstinformation zur Unternehmensgründung“ und von Oktober bis November 2017 an der Workshopreihe „Wissen, was ich kann. Meine Fähigkeiten und Kompetenzen erkennen, feststellen und nutzen“ teilnahm, bis Jänner 2020 den Pflichtschulabschlusslehrgang an der Burgenländischen Volkshochschule absolvierte, ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet, in seiner Freizeit am kulturellen Leben teilnimmt, am 29.05.2019, 31.05.2019, 19.06.2019, 22.06.2019, 27.06.2019, 24.07.2019, 12.09.2019, 30.09.2019, 01.10.2019, 07.10.2019, 17.10.2019 und 22.10.2019 im Rahmen einer mit Dienstleistungsscheck entlohnten geringfügigen Beschäftigung erwerbstätig war, sein zukünftiges Leben hier gestalten will und ihm die Dauer des Verfahrens nicht zuzurechnen ist. Private Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN). Der Beschwerdeführer reiste März 2016 in das Bundesgebiet ein, bereits im August 2017 erging der erste - abweisende - Bescheid des BFA. Der Beschwerdeführer durfte daher gemäß der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz bereits rund 17 Monate nach seiner Einreise seinen zukünftigen Aufenthalt nicht mehr als gesichert betrachten und nicht mehr darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können (vgl. VwGH 29.04.2010, 2010/21/0085).

 

Der BF hielt sich ab Anfang März 2016 für etwas weniger als vier Jahre in Österreich auf. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich und befindet sich hier in keiner Lebensgemeinschaft.

 

Der BF besitzt einen normalen Freundes- und Bekanntenkreis, was auch durch die vorgelegten Unterstützungsschreiben belegt ist. Er hat verschiedene soziale Kontakte, darunter auch einige zu österreichischen Staatsangehörigen beziehungsweise zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen. Es bestehen keine über übliche Bekanntschafts- und Freundschaftsverhältnisse hinausgehende innige Verhältnisse, geschweige denn Abhängigkeitsverhältnisse. Ferner ist zu bedenken, dass ein beträchtlicher Teil der sozialen Kontakte in Kontakten zu Kirchenmitgliedern im Zusammenhang mit den - zum Zwecke der Asylerlangung aufgenommenen - Aktivitäten des Beschwerdeführers in christlichen Gemeinden besteht. Abgesehen von seiner Mitgliedschaft bei diesen Gemeinden und Teilnahme an deren Gemeinschaftsleben besteht keine Integration in hiesige Vereine oder Organisationen. Diese Freundschaften sind zudem erst während des unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthalts entstanden und macht er hiermit keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblich verstärken könnten (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 26. November 2009, Zl. 2007/18/0311).

 

Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Iran gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer - zumal über ihn (soweit ersichtlich) auch kein Rückkehrverbot verhängt wurde - bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).

 

Was die Deutschkenntnisse des BF betrifft, so brachte der BF Unterlagen über den Besuch und erfolgreiche Absolvierung sprachlicher Qualifizierungsmaßnahmen (Niveau A1) in Vorlage und war in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2020 eine einfache Unterhaltung in deutscher Sprache möglich. Allerdings benötigte der BF für die mündliche Verhandlung am 15.01.2020 weiterhin einen Dolmetscher.

In diesem Zusammenhang sei auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Der Umstand, dass der BF am 29.05.2019, 31.05.2019, 19.06.2019, 22.06.2019, 27.06.2019, 24.07.2019, 12.09.2019, 30.09.2019, 01.10.2019, 07.10.2019, 17.10.2019 und 22.10.2019 im Rahmen einer mit Dienstleistungsscheck entlohnten geringfügigen Beschäftigung erwerbstätig war, kann seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.06.2010, 2010/18/0226), zumal sich der BF seit seiner Einreise ohnehin in der Grundversorgung befindet und von staatlicher Unterstützung lebt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF durch diese Tätigkeit als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist. Insgesamt ist keine ins Gewicht fallende Integration des BF in die österreichische Gesellschaft, insbesondere durch eine (ausreichende) Erwerbstätigkeit beziehungsweise ein reguläres Beschäftigungsverhältnis, erkennbar. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

 

Diesbezüglich ist der Vollständigkeit halber auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den Betroffenen ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob ihnen diese objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH 19.04.2012, Zl 2010/21/0242). Eine berufliche Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt ist sohin nicht zu erkennen.

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Privat- und Familienleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen lassen würde.

Für die beschwerdeführende Partei spricht jedenfalls, dass diese unzweifelhaft über Ansätze einer sozialen Integration verfügt, die durch mehrere Referenzschreiben und ihre absolvierten Deutschkurse belegt wurden. Hieraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in seinem unmittelbaren Lebensumfeld nicht in sozialer Isolation lebt, sondern mit einem überschaubaren Personenkreis in Kontakt steht beziehungsweise zum Teil Freundschaften aufbaute, was zumindest eine ansatzweise Integration in sozialer Hinsicht begründet. Wie bereits erwähnt, wird auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer an Werte- und Orientierungskursen, an einem Vortrag „Kompetenzen, Fähigkeiten, VHS Vortrag, Lebensberatung“, an einem Vortrag „Selbstständige Tätigkeit – Erstinformation zur Unternehmensgründung“ und von Oktober bis November 2017 an der Workshop-Reihe „Wissen, was ich kann. Meine Fähigkeiten und Kompetenzen erkennen, feststellen und nutzen“ teilnahm, bis Jänner 2020 den Pflichtschulabschlusslehrgang an der Burgenländischen Volkshochschule absolvierte und ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet.

Insgesamt ist jedoch keine die Interessen am Verbleib im Bundesgebiet entscheidend verstärkende Integration festzustellen, weil der Verwaltungsgerichtshof eben davon ausgeht, dass selbst die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache sowie eine vielfältige soziale Vernetzung und Integration noch keine über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale bedeuten (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029). Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise durchgängig auf Leistungen aus der Grundversorgung angewiesen war und er auch aufgrund der 2019 im Rahmen der mit Dienstleistungsscheck entlohnten geringfügigen Beschäftigungen als nicht selbsterhaltungsfähig anzusehen ist.

Insoweit schließlich aus den Unterstützungsschreiben hervorgeht, dass der Beschwerdeführer strebsam, höflich, hilfsbereit, freundlich, fleißig, intelligent, bescheiden und kommunikationsfähig sei, bleibt festzuhalten, dass Werte wie Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Fleiß, Strebsamkeit, Freundlichkeit, Intelligenz, Bescheidenheit, Kommunikationsfähigkeit etc. nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen sind und werden diese gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, von der erkennenden Richterin als selbstverständlich vorausgesetzt.

Insbesondere sind dem BF seine strafgerichtliche Verurteilung anzulasten. Der BF wurde mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 11.06.2019 gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1, 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, 27 Abs. 4 Z 1 SMG wegen mehrerer Vergehen nach dem SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Auf Grund seiner Straffälligkeit und seines bisherigen rechtswidrigen Verhaltens stellt der Beschwerdeführer nach Ansicht der erkennenden Richterin eine nicht unbeachtliche Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Österreich dar.

 

Aus dieser Feststellung resultiert ein außerordentlich hohes öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei schweren Verbrechen weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einer fremdenpolizeilichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: einem Aufenthaltsverbot) entgegenstehen (vgl. u.a. VwGH, 19.01.2012, 2011/23/0255; VwGH, 25.04.2013, 2013/18/0056). Diese Judikatur ist nach Ansicht des BVwG auch auf die Frage der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung übertragbar (vgl. dazu die Ausführungen des VwGH, 20.03.2012, 2011/21/0298, zur Umsetzung der europ. Rückführungsrichtlinie im FrÄG 2011).

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung zu U536/11 zur Zulässigkeit der Ausweisung von Personen, die im Aufenthaltsstaat geboren sind bzw. seit frühester Kindheit in diesem Staat leben, festgehalten, dass selbst wenn sich für diese Personen ein besonderer, stärkerer Schutz aus Art 8 EMRK ergibt, der auch dann gilt, wenn Straftaten begangen wurden (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5, 2012, §22 Rz 68), deren Ausweisung nach der Rechtsprechung des EGMR verhältnismäßig sein kann. Insbesondere hat der EGMR bei der Begehung von Drogendelikten die Zulässigkeit der Ausweisung wiederholt bejaht (vgl. etwa jüngst EGMR 13.10.2011, Fall Trabelsi, Appl. 41.548/06). Der Umstand, dass sich in diesem Fall der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2012 wohlverhalten hat, vermochte am Ergebnis der Abwägung nichts zu ändern, hatte der Beschwerdeführer doch - anders als in EGMR 23.6.2008 [GK], Fall Maslov, Appl. 1638/03, - sämtliche Delikte nicht als Jugendlicher, sondern als Erwachsener begangen. Hingewiesen wurde auch auf hinreichende Kenntnisse der serbischen Sprache, die der Beschwerdeführer im Zuge wiederholter, wenn auch kurzer Aufenthalte in Serbien nutzte (anders in EGMR 12.1.2010, Fall Khan, Appl. 47.486/06, Z42; vgl. auch EGMR 13.10.2011, Fall Trabelsi, Appl. 41.548/06, Z63 f.).

Hingewiesen wird auch auf den Fall Vasquez, EGMR Nr. 1785/08:

Der BF, ein StA von Peru, hielt sich 1992-2008 in der Schweiz auf, 1992 heiratete er eine Staatsbürgerin der Schweiz und erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung. 2001 erfolgte eine Verurteilung wegen eines schweren Sexualdelikts zu 3 Jahren Haftstrafe, außerdem wurden 1995 und 2006 weitere Verfahren wegen sexueller Übergriffe, allerdings ohne Verurteilung, gegen ihn eingeleitet. 2002 erfolgte in erster Instanz eine Ausweisung und wurde ein unbefristetes Einreiseverbot verhängt, dass 2007 in letzter Instanz bestätigt wurde. Im Dezember 2002 wurde der BF auf Bewährung entlassen. 2003 erfolgte eine Eheschließung mit der 2. Ehefrau, welche die Schweizer und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Die 2. Ehefrau lebte bis 2005 in Deutschland und zog dann zum BF in die Schweiz, seit 2008 leben beide in Frankreich.

Der EGMR wog die mehr als 15-jährige Aufenthaltsdauer in der Schweiz mit den Verfehlungen des BF ab. Der BF arbeitete in der Schweiz und lebte mit der 1. und dann mit der 2. Ehefrau zusammen, auch seine Geschwister leben in der Schweiz. Dem standen das Sexualdelikt und die zwei weiteren Verfahren wegen sexueller Übergriffe gegenüber, weshalb auf eine Rückfallgefahr geschlossen wurde. Die 2. Ehefrau wusste bei Eingehen der Beziehung von der Vorstrafe und dem unsicheren Aufenthaltsstatus, außerdem bestünde wegen deren Doppelstaatsbürgerschaft die Möglichkeit des Zusammenlebens in einem EU-Staat. Der BF zeigte keine besonders nahe Beziehung zu seinen Geschwistern in der Schweiz auf und konnte diese Beziehung auch aus Frankreich, nahe der Schweizer Grenze, leicht aufrechterhalten werden. Der BF reiste erst als 27-Jähriger in die Schweiz ein und es bestanden noch familiäre, soziale und kulturelle einschließlich sprachlichen Bindungen zu Peru. Darüber hinaus hätte der BF auch die Möglichkeit gehabt, das unbefristete Einreiseverbot innerstaatlich überprüfen zu lassen oder als Tourist um eine Einreisegenehmigung für die Schweiz anzusuchen. Der EGMR sah nach Interessensabwägung in diesem Fall keine Verletzung des Art. 8 EMRK.

In Zusammenhang mit der Straffälligkeit des Beschwerdeführers ist auch auf einen Ablehnungsbeschluss des VfGH vom 30.11.2009, U 2541/09-3, mit welchem die Behandlung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.08.2009, Zl. C10 407392-1/2009/3E, bestätigt wurde, zu verweisen. In diesem wurde eine seit ca. 29 Jahren in Österreich aufhältige Person ausgewiesen, welche elf strafgerichtliche Verurteilungen aufwies.

Auch der Verwaltungsgerichtshof erklärte die Ausweisung im Falle eines seit 15 Jahren (seit seinem 10. Lebensjahr) aufhältigen Fremden für zulässig, welcher wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten und wegen gefährlicher Drohung und Nötigung zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war (14.6.2007, 2004/18/0062).

Weiters erklärte der VwGH Aufenthaltsverbote bei einem 17-jährigen Aufenthalt (seit dem 3. Lebensjahr) und einer Verurteilung wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (16.10.2007, 2007/18/0294), bei einem Aufenthalt seit dem 7. Lebensjahr und einer Verurteilung wegen schweren Raubes zu Freiheitsstrafe von sechs Jahren (24.10.2007, 2007/21/0369) für zulässig.

Ebenso erklärte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.851 ein Aufenthaltsverbot bei einem 15-jähriger Aufenthalt (seit dem 6. Lebensjahr) und Verurteilungen wegen Raubes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten und wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für zulässig.

 

Zum Überwiegen der öffentlichen Interessen des Staates an der Ausweisung und der Zulässigkeit des Eingriffes in das Privatleben und Familienleben ist des Weiteren auch auf die Entscheidung des EGMR vom 18.02.1991, Moustaquim, 12.313/86 (Ausweisung straffälliger Fremder), zu verweisen.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das aktuelle Erkenntnis des VwGH vom 22.03.2017, Ra 2017/19/0028, in welchem dieser die Revision gegen eine Rückkehrentscheidung trotz 17jährigem Aufenthalt im Bundesgebiet unter dem Sachverhalt von vier unbegründeten Anträgen auf internationalen Schutz, dem Versuch die Behörden durch Angabe unterschiedlicher Daten zu seiner Person mehrfach über Identität und Herkunft zu täuschen um eine Außerlandesbringung zu verhindern, der Missachtung des Aufenthaltsverbotes sowie zweimaliger rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung wegen versuchten Diebstahls, zurückwies, obzwar der BF an Deutschkursen teilnahm und gelegentlich soziale und berufliche Tätigkeiten verrichtete.

 

Letztlich ist die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu verneinen, zumal der VwGH in seiner Entscheidung vom 20.12.2018, Ra 2018/21/0213, einen Zeitraum von acht Jahren zwischen der erstmaligen erstinstanzlichen Aberkennung des Status des Asylberechtigten in Verbindung mit der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der verfahrensgegenständlichen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Bundesverwaltungsgericht als außerordentlich lange Verfahrensdauer iSd § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG erachtete.

 

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

 

Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.04.2019 Ra 2019/18/0049, mwN).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; dort auch zur Bedeutung einer Lehre iZm Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK).

Im gegenständlichen Verfahren befindet sich der BF seit etwas weniger als vier Jahren in Österreich. Zwischen der Antragstellung durch den Beschwerdeführer und der Entscheidung durch die belangte Behörde liegen etwas mehr als 17 Monate. Von der Vorlage der Beschwerde bis zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vergingen etwa zwei Jahre und fünf Monate. In dieser Zeit führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer und ein Zeuge einvernommen wurden.

 

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass, wie der Verwaltungsgerichthof anerkannt hat, die im Jahr 2015 einsetzende extrem hohe Zahl an Verfahren für die belangte Behörde – ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung – sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation darstellt, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet. Für den Verwaltungsgerichtshof ist es notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen kann, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen muss (vgl. VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).

 

Unter Bedachtnahme auf die zitierten Entscheidungen kann nicht erkannt werden, dass die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist. Ferner darf nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum keine Schritte setzte, welche zur Beschleunigung des Verfahrens hätten beigetragen, etwa indem er sein Vorbringen richtigstellte. Hierzu ist auch anzuführen, dass es auch einem Asylwerber mit dem Wissen, Ausbildungsstand, bisherigen Lebensweg und den Kenntnissen des BF aus seiner Laiensphäre erkennbar war oder erkennbar sein musste, dass die Erstattung eines wahrheitswidrigen Vorbringens nicht zur Beschleunigung des Verfahrens, sondern zu dessen Gegenteil beiträgt.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen kosovarischen (ehemaligen) Asylwerber keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers erkennen: Der Beschwerdeführer beherrscht nach wie vor die Sprache Farsi, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Eltern, zwei Brüder, ein Großvater und mehrere Tanten sowie Onkel leben. Insoweit kann trotz der bereits etwas längeren Abwesenheit (rund vier Jahre) aus seinem Heimatland Iran nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde, zumal der BF vor seiner Ausreise auch als Stukkateur, Schweißer und Taxifahrer tätig gewesen ist. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Iran - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055). Zur Resozialisierung im Heimatland hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt festgestellt: Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in mehreren (mit dem vorliegenden vergleichbaren) Fällen zum Ausdruck gebracht, die von Fremden geltend gemachten Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern seien vielmehr - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass im Falle des Beschwerdeführers zwar durchaus Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet sowie eine ansatzweise erfolgte Integration erkannt werden können, welche sich vor allem in den Bemühungen des Beschwerdeführers um eine soziale Eingliederung in die Gesellschaft manifestieren.

Von einer nachhaltigen und außergewöhnlichen Integration, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung im Sinne oben zitierter Judikatur ausnahmsweise überwiegen würde, kann im Falle des Beschwerdeführers jedoch keinesfalls gesprochen werden und mindert - wie dargelegt - insbesondere der Umstand, wonach die nunmehr vorgebrachten Integrationsschritte zu einem Zeitpunkt gesetzt wurden, als er nicht auf einen gesicherten Verbleib vertrauen konnte, und die von ihm in Österreich verübten Straftaten das Gewicht seiner Bemühungen.

Würde sich darüber hinaus ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

 

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt somit, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 unterlassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

3.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 3. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht der erkennenden Richterin auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zur Frage der Konversion, zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht.

 

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

 

Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ergeben sich aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.

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