VwGH 2010/18/0226

VwGH2010/18/022629.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des C E in B, vertreten durch Dr. Martin Koroschetz, Rechtsanwalt in 2540 Bad Vöslau, Hauptstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Februar 2010, Zl. E1/21750/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 3. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 6. April 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. April 2004 abgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben, welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20. Oktober 2008, rechtskräftig am 23. Oktober 2008, abgewiesen worden sei. Bis zur Rechtskraft dieses Erkenntnisses habe der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt.

Der Verfassungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 13. Jänner 2009 die Behandlung der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde abgelehnt.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 8. Juni 2009 sei der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme dahingehend verständigt worden, dass beabsichtigt sei, ihn auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes aus dem Bundesgebiet auszuweisen, und er sei zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. In seiner Stellungnahme habe der Beschwerdeführer ausgeführt, sich seit 2004 in Österreich aufzuhalten, gut Deutsch zu sprechen, in Österreich voll integriert zu sein, einen großen Freundes- und Bekanntenkreis zu haben und einer Tätigkeit als Zeitungsverkäufer nachzugehen. Seine Eltern in Nigeria seien bereits verstorben.

In der Folge sei die gegenständliche Ausweisung erlassen und am 23. Juli 2009 zugestellt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 53 Abs. 1 FPG aus, der Beschwerdeführer halte sich auf Grund des rechtskräftigen abweisenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofes seit 24. Oktober 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, daher lägen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vor. In einem solchen Fall könnten Fremde ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit April 2004 im Bundesgebiet, wobei er bis zum 23. Oktober 2008 über eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Seit dem Jahr 2006 sei der Beschwerdeführer einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Zeitungsausträger nachgegangen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein besonders hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse werde durch illegal aufhältige Fremde erheblich beeinträchtigt. Trotzdem dürfe das öffentliche Interesse an der Beendigung eines unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht immer höher bewertet werden als private und familiäre Interessen des Fremden. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 66 FPG sei eine Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit der von seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ausgehenden Beeinträchtigung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen vorzunehmen.

Im Rahmen dieser Abwägung sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit fünfeinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhalte und bis Ende Oktober 2008 über eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet jedoch keine familiären Anknüpfungspunkte. Ihm habe bewusst sein müssen, dass er nur ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer des Asylverfahrens in Österreich gehabt und es sich dabei nicht um einen dauernden Aufenthaltstitel gehandelt habe. Deshalb habe der Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen dürfen, ein dauerndes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erhalten, sondern habe sich während seines Asylverfahrens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Ab November 2008 sei er jedoch unrechtmäßig in Österreich aufhältig, weil er nach dem Ende seines Asylverfahrens und dem Verlust der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung das Bundesgebiet freiwillig nicht verlassen habe. Eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet könne nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer habe über keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung verfügt, sei aber trotzdem einer selbständigen Tätigkeit als Zeitungsausträger nachgegangen, wodurch er sich offenbar nach dem Ende des Erhaltes von Leistungen aus der Grundversorgung seinen Lebensunterhalt finanzieren habe können. Einem Datenauszug der österreichischen Sozialversicherung sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ab 3. Jänner 2010 laufend gemäß § 16 Abs. 1 ASVG selbst versichert sei und somit über eine Kranken- und Unfallversicherung verfüge. Die aus dieser selbständigen Arbeitstätigkeit und dem Wohlverhalten in strafrechtlicher Hinsicht ableitbare Integration des Beschwerdeführers werde durch sein Beharren auf der illegalen Fortsetzung seines Aufenthalts im Bundesgebiet jedoch bedeutend verringert. Das Wohlverhalten sei zudem nicht geeignet, eine Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zu bewirken. Auch wenn die Eltern des Beschwerdeführers in Nigeria bereits verstorben seien, könne dessen Vorbringen, dass auf Grund seines über fünfjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet alle Nahebeziehungen zu Nigeria erloschen seien, nicht gefolgt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr nach Nigeria die Möglichkeit habe, dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und er auch in seinem Heimatstaat durchaus selbsterhaltungsfähig wäre. Auf Grund dieser im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Parameter komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.

Es seien auch keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers sprächen. Die belangte Behörde gehe auch nicht davon aus, dass er bereits ein so stark ausgeprägtes persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich habe, dass ausnahmsweise akzeptiert werden müsse, dass er mit seinem Verhalten, nämlich der Nichtausreise trotz rechtskräftig negativem Asylverfahren, im Ergebnis darauf abgezielt habe, vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Ausweisung des Beschwerdeführers greife zwar in dessen Privatleben ein, dies müsse aber im Interesse eines geordneten Fremdenwesens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages durch die Entscheidung des Asylgerichtshofes im Oktober 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass durch die Ausweisung das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zerstört würde. Das Verhalten des Beschwerdeführers bzw. dessen illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet verletze in keiner Weise einen der im Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten "Tatbestände". Insbesondere werde die öffentliche Ruhe und Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht gestört. Der Beschwerdeführer sei schon fünfeinhalb Jahre in Österreich aufhältig und voll integriert. Er sei der deutschen Sprache mächtig, führe ein intensives Privatleben und verfüge über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Außerdem sei er strafrechtlich unbescholten und gehe seit dem Jahr 2006 einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach. Alle diese Umstände sprächen für ein sehr hohes Ausmaß an Integration des Beschwerdeführers in Österreich.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den fünfeinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine selbständige Erwerbstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen.

Das Gewicht der daraus resultierenden persönlichen Interessen wird allerdings dadurch relativiert, dass dieser Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unbegründet erwiesen hat, erlaubt war und seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrags unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2009/18/0420, mwN). Im Hinblick darauf kommt auch der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers nur ein geringes Gewicht zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0397). Die bei der Interessenabwägung für den Beschwerdeführer als nachteilig zu gewichtenden Gründe können auch nicht durch seine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgewogen werden. Mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und er sei der deutschen Sprache mächtig, macht er keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblich verstärken könnten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2007/18/0311), zumal diese Behauptung auch gänzlich unkonkretisiert blieb. Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ausweisung habe "schlichtweg katastrophale Auswirkungen auf seine Lebenssituation", ist - schon weil es nicht weiter substantiiert wird - ebenfalls nicht geeignet, seinen persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich eine wesentliche Bedeutung zukommen zu lassen.

Diesen nicht besonders ausgeprägten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit Beendigung des Asylverfahrens das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt hat.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 66 FPG zulässig sei, begegnet daher keinen Bedenken.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 29. Juni 2010

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