Normen
AsylG 1997 §15 Abs3;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;
AsylG 1997 §15 Abs3;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die erstinstanzliche Entscheidung über die Abweisung des Antrages auf Verlängerung der bis 30. April 2001 befristeten Aufenthaltsberechtigung bestätigt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein am 3. Juli 1998 in das Bundesgebiet eingereister Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Nachdem ein erster Asylantrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Oktober 1998 rechtskräftig abgewiesen worden war (vgl. dazu auch den hg. Ablehnungsbeschluss vom 6. Juli 1999, Zl. 99/01/0166), begehrte der Beschwerdeführer am 25. August 1999 neuerlich die Gewährung von Asyl. Auch dieser Antrag blieb erfolglos, die belangte Behörde stellte jedoch mit Bescheid vom 16. Februar 2000 gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien - Provinz Kosovo" nicht zulässig sei. Außerdem erteilte sie dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31. Dezember 2000. Ihre Entscheidung nach § 8 AsylG begründete die belangte Behörde im Ergebnis damit, dass es für den an einer Erkrankung des Urogenitaltraktes leidenden Beschwerdeführer - im November 1998 war u.a. die operative Entfernung der rechten Niere erforderlich gewesen - im Kosovo an ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten fehle.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 verlängerte das Bundesasylamt die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers bis zum 30. April 2001. Einen Antrag auf weitere Verlängerung wies es hingegen mit Bescheid vom 4. Mai 2001 (spruchgemäß: "Da Ihnen eine Ausreise in den Herkunftsstaat BR Jugoslawien - Provinz Kosovo - zugemutet werden kann") gemäß § 15 Abs. 3 AsylG ab. Ergänzend wurde im Spruch dieses Bescheides "e contrario zu § 8 AsylG" festgestellt, dass eine Abschiebung "in die BR Jugoslawien - Provinz Kosovo" zulässig sei. Diesem Bescheid legte das Bundesasylamt insbesondere zugrunde, dass es zu einer Verbesserung der medizinischen Situation im Kosovo gekommen sei; die Qualität der medizinischen Versorgung entspreche dem Niveau der Nachbarstaaten; die Nachbehandlung von Operationen, auch von Nierentransplantationen, sei häufig möglich, ebenso Ultraschalluntersuchungen und Dialyse.
Die belangte Behörde führte auf Grund der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Mai 2001 erhobenen Berufung eine mündliche Berufungsverhandlung durch. In deren Zuge gab der Beschwerdeführer u.a. Folgendes an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführer):
"BW gibt nach ergänzendem Vorbringen an:
Ich habe eine neue Operation im Februar 2001 hinter mir und die behandelnden Ärzte haben mir damals gesagt, dass in ca. 2 bis 3 Monaten alles stabil sein wird. Aber ich bin nach wie vor krank, ich bin nicht gesund. In diesem Zustand kann ich nicht in den Kosovo zurückkehren. In diesem Zustand kann niemand in den Kosovo zurückkehren. Ich bezeichne mich nach wie vor als kranken Mann, ich bin nicht vollständig gesund.
VL: Welche Behandlungsschritte wurden nach dem Februar 2001 gesetzt?
BW: Seit Februar 2001 bin ich drei Mal beim Arzt gewesen, das erste Mal war ich nach drei Wochen und dann in der Folge 1 1/2 Monate und dann 3 Monate.
VL: Wurde nur eine Kontrolle durchgeführt oder wurden irgendwelche weitere apparative Behandlungen durchgeführt?
BW: Die ersten zwei Untersuchungen erfolgten unter anderem auch mit Ultraschall und dabei wurde mir mitgeteilt, dass mein Zustand nicht in Ordnung ist. Das dritte Mal erfolgte eine Urinabnahme mit einer Spritze.
VL: Wann war dieses dritte Mal?
BW: Vor zwei Monaten.
VL: Im Kosovo gibt es jedoch auch eine Urologie. Einfache
Behandlungen, sind im Kosovo sehr wohl möglich.
BW: Das würde bedeuten, dass ich meine Behandlung in Österreich unterbreche.
VL: Welche Medikamente bekommen Sie?
BW: Ich bekomme momentan keine Medikamente.
... Ich sehe nicht ein, wieso ich die bisherige Behandlung abbrechen soll und zurück in die Ungewissheit zurückkehren soll.
VL: Definieren Sie, was Sie unter Behandlung verstehen.
BW: Ich bin nach wie vor in ärztlicher Untersuchung.
...
BW legt hierauf eine Bestätigung des Krankenhauses der Elisabethinen über einen neuen Kontrolltermin vor, der zum Akt genommen wird.
BW: Warum soll ich diese Kontrolle dann nicht hier machen, sondern im Kosovo? Ich glaube nicht, dass man zustande ist, im Kosovo die selben Untersuchungen zu machen. Es ist folgendes: im Kosovo sind wir 13 Familienmitglieder und eine Spritze kostet durchschnittlich 10 DM im Kosovo.
VL: Es ergibt sich aus den laufenden Befunden, dass Sie nicht laufend Spritzen und Medikamente brauchen; sollte was nicht einmal zwingend eintreten muss neuerlich ein Anfall gegeben sein ist dieses, wie Sie wissen, durch entsprechende Entnahme mit Katheter sanierbar.
BW: Ich sehe es trotzdem nicht ein, warum ich nicht hier bleiben darf. Ich habe nur eine Niere, es gibt in Österreich viele sogar auch straffällige Flüchtlinge, die hier bleiben dürfen."
Gemäß einer von der belangten Behörde in der Folge eingeholten Auskunft des behandelnden Arztes vom 13. Februar 2002, der seinerseits in dieser Frage über die Österreichische Botschaft, Außenstelle Prishtina, mit der Universitätsklinik Prishtina Rücksprache gehalten hatte, seien die "korrekten technischen Voraussetzungen" zur notwendigen Nachkontrolle des Beschwerdeführers an der Universitätsklinik Prishtina gegeben; ein weiterer Aufenthalt in Österreich sei von medizinischer Seite daher nicht notwendig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Mai 2001 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 8, § 15 und § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997" als unbegründet ab. Sie führte im Ergebnis aus, dass die der Entscheidung vom 16. Februar 2000 zu Grunde liegenden Übergangsschwierigkeiten in der medizinischen Versorgung im Kosovo nicht mehr gegeben seien. Da es sich nicht um eine "Asylentziehung" gemäß § 14 AsylG handle, sondern "um Wegfall des Non-Refoulement-Grundes", komme "dem Argument der Zumutbarkeit" mangels gesetzlicher Verankerung keine Relevanz zu.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist auf die umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung betreffend die - von ihm verneinte - Befugnis der Asylbehörden, einen "e contrario"- Ausspruch zu § 8 AsylG zu fällen, nicht näher eingegangen. Sie hat allerdings den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vollinhaltlich bestätigt und damit auch die "e contrario"- Feststellung zum Gegenstand ihres Bescheides gemacht. Die Beschwerde hält dem im Grundsätzlichen nur mehr kursorisch entgegen, dass die Asylbehörden zu einem solchen "e contrario"- Ausspruch nicht zuständig seien.
Mit der Frage, welche Behörden bei einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung (gegebenenfalls) zur Abänderung "positiver" § 8-Aussprüche berufen sind, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, beschäftigt (vgl. auch das Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/01/0555, über das Verhältnis dieser Judikatur zu derjenigen des Verfassungsgerichtshofes). Demnach ist es Sache der Asylbehörden, derartige "Änderungsbescheide" zu erlassen, weshalb sich die im vorliegenden Fall gewählte Vorgangsweise grundsätzlich - entgegen der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vertretenen Auffassung - als richtig erweist. Vor dem Hintergrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (zur Maßgeblichkeit dieser Judikatur im gegebenen Zusammenhang vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443, oder zuletzt - auf Basis der im Beschwerdefall allerdings noch nicht anzuwendenden neuen Rechtslage nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 126/2002 - das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059) teilt der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall aber auch die behördliche Ansicht, dass die nunmehrige Situation des Beschwerdeführers in Anbetracht der Verhältnisse im Kosovo einen solchen "Abänderungsbescheid" rechtfertigt. Das ergibt sich insbesondere aus der oben wiedergegebenen Äußerung des den Beschwerdeführer behandelnden Arztes, die - gedeckt durch eine dieser Äußerung beigeschlossene Stellungnahme der Universitätsklinik Prishtina - deutlich zum Ausdruck bringt, dass medizinisch betrachtet einem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Kosovo nichts entgegen steht. Soweit die Beschwerde die mit einer Behandlung im Kosovo verbundene finanzielle Belastung ins Treffen führt, wird kein im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK wesentlicher Aspekt angesprochen. Die Behauptung wiederum, mangels ausreichender Verfügbarkeit wäre eine medizinische Versorgung des Beschwerdeführers in Prishtina nicht hinreichend gegeben, wird nicht näher ausgeführt und vermag die behördliche Beurteilung angesichts der erwähnten ärztlichen Auskunft nicht in Frage zu stellen. Dem Umstand schließlich, dass der Beschwerdeführer auch unter medizinischen Gesichtspunkten im Kosovo schwierigere Verhältnisse vorfinden würde als in Österreich, kommt unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. insbesondere das Urteil des EGMR vom 6. Februar 2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Case of Bensaid v. The United Kingdom).
Ist nach dem Gesagten die Feststellung, dass (nunmehr) eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo zulässig sei, nicht zu beanstanden, so ist damit noch nicht gesagt, dass ihm zu Recht die Verlängerung der bis 30. April 2001 gewährten befristeten Aufenthaltsberechtigung versagt wurde. Neuerlich ist auf das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof in diesbezüglicher Anknüpfung an die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes festhielt, dass bei der Frage der Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung im Sinn der ausdrücklichen Regelung für den Widerruf in § 15 Abs. 3 AsylG auch dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Ausreise in den Herkunftsstaat Bedeutung zukommt, wobei insbesondere mittlerweile gewonnene persönliche und soziale Bindungen im Inland im Verhältnis zur nunmehrigen Beziehung zum Herkunftsstaat Beachtung zu finden haben (vgl. zuletzt auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 2002, B 156/02, und das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0017). Die belangte Behörde hat demgegenüber in ihrem Bescheid ausdrücklich die Ansicht vertreten, dass "dem Argument der Zumutbarkeit" keine Relevanz zukomme. Insoweit hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er in diesem Umfang (Abweisung des Antrags auf Verlängerung der bis 30. April 2001 befristeten Aufenthaltsberechtigung) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde jedoch im Hinblick auf das eingangs Ausgeführte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 7. Oktober 2003
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