VwGH Ra 2014/01/0117

VwGHRa 2014/01/011723.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des M Y in W, vertreten durch Dr. Johannes Jarolim, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/1. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2014, Zl. W123 1404286-2/21E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014010117.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2014 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 5. September 2012, mit denen sein Antrag auf internationalen Schutz vom 19. April 2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z. 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen worden war, gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A I.). Gleichzeitig wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt A II.). Zudem wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

Zur Begründung traf das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Verweis darauf, dass gegenständlich ein Folgeantrag vorliege, - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - folgende Feststellungen zur Person des Revisionswerbers:

Der Revisionswerber sei erstmals mit 19 bzw. 20 Jahren in Kabul mit dem Christentum in Berührung gekommen und sei seit diesem Zeitpunkt "neugierig gewesen" bzw. habe "mehr darüber wissen" wollen. Während seines Aufenthalts in Österreich im Jahr 2008 habe er einen Mitbewohner gehabt, der Christ gewesen sei. Mit diesem sei er einige Male in eine Kirche nach W gefahren. Im Rahmen seines Aufenthaltes in Deutschland habe der Revisionswerber am 18. September 2011 die evangelische Taufe empfangen. Die Angaben des Revisionswerbers, wonach er jeden Sonntag die katholische Messe in der Pfarre A besuche, hätten nicht bestätigt werden können. Die Taufspenderin habe keine konkreten Ausführungen zur Glaubensausübung des Revisionswerbers in W tätigen können. Der Revisionswerber stehe mit einem namentlich genannten Diakon und Flüchtlingsseelsorger in Kontakt. Der Revisionswerber habe einen Bruder in Österreich, der anerkannter Flüchtling sei. Eine Schwester, die Ehefrau und die Schwiegereltern des Revisionswerbers lebten in Kabul.

Im Weiteren traf das Bundesverwaltungsgericht Länderfeststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Kabul bzw. anderen Landesteilen.

Im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung verwies das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst darauf, dass aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruckes vom Revisionswerber sowie der Anfragebeantwortung der Pfarre A davon auszugehen sei, dass die Konversion des Revisionswerbers nicht aus innerster Überzeugung erfolgt sei. Wenn sich der Revisionswerber, wie er angebe, bereits im Alter von 19 oder 20 Jahren bzw. im Zuge seines ersten Aufenthaltes in Österreich im Jahr 2008 für den christlichen Glauben aktiv interessiert habe, so erscheine es nicht nachvollziehbar, warum er nicht bereits damals "wenigstens den Versuch einer Konversion zum Christentum unternommen" bzw. vor den Asylbehörden nicht darauf verwiesen habe, dass er ernsthaft an einer Konversion interessiert sei. Der Revisionswerber habe diesbezüglich keine plausible Erklärung liefern können. Für das Bundesverwaltungsgericht stelle sich die Situation so dar, dass der Revisionswerber nach erfolglosem ersten Asylverfahren in Österreich im offenkundigen Wissen, dass für einen Asylantrag ausschließlich neue Gründe herangezogen werden dürften, in Deutschland die Taufe empfangen habe, um diesen Nachfluchtgrund im nunmehrigen zweiten Asylverfahren in Österreich geltend zu machen.

Zudem hätten die Recherchen des Bundesverwaltungsgerichts die Aussage des Revisionswerbers, ein namentlich genannter Pfarrer (der Pfarre A) könne auf jeden Fall bezeugen, dass er in die Kirche gehe, nicht bestätigt, sondern das Gegenteil ergeben: Weder der Altpfarrer noch der neue Pfarrer würden den Beschwerdeführer, wie aus der Anfragebeantwortung vom 28. Mai 2014 hervorgehe, kennen. Soweit der Revisionswerber einwende, dass er angegeben habe, dass der genannte Pfarrer ihn "vom Sehen her" kenne, in einer Großstadt wie W aber nicht davon ausgegangen werden könne, dass der betreffende Pfarrer alle regelmäßigen Kirchengänger namentlich kennen müsse, sei darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der betreffende Pfarrer auf jeden Fall bezeugen könne, dass er in die Kirche gehe. Würde der Revisionswerber tatsächlich jeden Sonntag sei 1. August 2013 die Messe in der Pfarre A besuchen, dann hätte dieser Umstand im Antwortschreiben der Pfarre A "(höchstwahrscheinlich) in irgendeiner Weise Berücksichtigung gefunden".

Auch sei auf einige widersprüchliche Aussagen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen:

Während der Revisionswerber zunächst ausgesagt habe, dass er mit seinem Freund in S in die Kirche gegangen sei, habe er kurze Zeit später die Frage, ob er in S in der Kirche gewesen sei, verneint; er sei vielmehr "aus S gemeinsam in die Kirche gegangen". Später habe sich herausgestellt, dass der Revisionswerber mit diesem Freund einige Male die Kirche in W besucht habe. Völlig widersprüchlich und nicht schlüssig seien die Aussagen zur Frage, ob er öffentlich zum Christentum stehe. Während er einerseits ausgesagt habe, dass er überzeugter Christ sei und immer dazu stehen werde, selbst wenn er in Afghanistan dafür erhängt würde, habe er kurze Zeit später angegeben, dass er nicht wolle, dass ihn der Pfarrer der Pfarre A kennenlerne, weil er "nicht so ein Christ sei, der seinen Glauben überall präsentieren" wolle, da er "seinen Glauben in seinem Herzen trage". Warum jemand in Österreich de facto Angst vor einer öffentlichen Ausübung der Religion habe, während er in Afghanistan sogar bereit sei, für seinen Glauben zu sterben, sei nicht nachvollziehbar. Auch entspreche es "nicht den Lebensverhältnissen", dass ein vom Glauben überzeugter Christ einerseits - wie vom Revisionswerber angegeben - Menschen gerne kennenlernen wolle, andererseits aber ausgerechnet den Pfarrer der Gemeinde nicht, in der regelmäßig der Gottesdienst besucht werde. Auch die Angaben über seine nicht mehr wahrgenommenen Pflichten als Moslem in der Zeit, als er noch in Afghanistan gelebt habe, seien unschlüssig und entsprächen nicht der Lebenserfahrung. Während der Revisionswerber auf die Pflichten, die ein Moslem öffentlich erbringen müsse, hingewiesen habe, solle es seinen Angaben zufolge in Kabul zum damaligen Zeitpunkt kein Problem gewesen sein, dass er nicht mehr zum Freitagsgebet erschienen sei. Noch unschlüssiger seien die Aussagen gewesen, wonach 85 von 100 Muslimen keine Gebete verrichten würden; in Anbetracht dessen, dass Afghanistan weiterhin als islamische Republik zu qualifizieren sei, in der andere Religionen höchstens geduldet würden, erschienen diese Angaben als nicht der Realität entsprechend.

Zum Antrag des Revisionswerbers, einen namentlich genannten Diakon als Zeugen einzuvernehmen, sei auszuführen, dass eine neuerliche mündliche Verhandlung "keine Änderung im Hinblick auf die Entscheidungsgrundlagen des Bundesverwaltungsgerichtes" mit sich gebracht hätte. Einerseits sei es dem Revisionswerber freigestanden, den nunmehr beantragten Zeugen zur Verhandlung stellig zu machen; andererseits würden auch die "jüngsten Aussagen" des Diakons (gemeint: in einem Schreiben vom Juni 2014) "nichts am Ergebnis der gegenständlichen negativen Entscheidung" ändern. Auch der genannte Diakon habe im Schreiben vom Juni 2014 "nicht hinreichend konkrete Beweise dafür vorlegen" können, dass der Revisionswerber seit seinem Aufenthalt in W seinen Glauben (nach außen hin) praktiziere. Der seitens des Diakons subjektiv gewonnene Eindruck, wonach es sich im Fall des Revisionswerbers um eine "echte Berufungsgeschichte" handle, reiche jedenfalls nicht aus, um im Rahmen einer objektiven Gesamtbetrachtung die erfolgte Konversion des Revisionswerbers (aus innerster Überzeugung heraus) für glaubhaft halten zu können. Dasselbe gelte für die Aussagen der Pfarrerin, die die Taufe gespendet habe. Es möge zutreffen, dass der Revisionswerber zu Beginn seiner Gemeindemitgliedschaft in Deutschland sehr aktiv gewesen sei; dies wohl allein schon deshalb, da er ansonsten nicht die Formalerfordernisse für den Empfang der evangelischen Taufe erfüllt hätte. Entscheidend sei aber, ob er auch nach Empfang der Taufe den christlichen Glauben innerlich aufgenommen und diesen regelmäßig praktiziert habe. In Bezug auf den Aufenthalt in W habe die Zeugin keine konkreten Angaben machen können.

In Bezug auf die vom Revisionswerber empfangene Taufe sei auf die Rechtsprechung des Asylgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Verwirklichung des Tatbestandes der Apostasie den Vollzug eines ernsthaften, inneren und stabilen Glaubenswechsels voraussetze, der durch die Vorlage eines Taufscheines alleine nicht hinreichend dargelegt werden könne. Im vorliegenden Fall sei offenkundig von einer "Scheinkonversion" auszugehen. Dies werde auch durch den Umstand verdeutlicht, dass der Revisionswerber kein über den Messbesuch hinausgehendes Interesse an einem aktiven christlichen Gemeindeleben zeige. Einzelne Grundkenntnisse über das Christentum, über die er zweifellos verfüge, könnten alleine nicht ausschlaggebend sein, um den Status eines Asylberechtigten zu erlangen. Dass der Revisionswerber beispielsweise das Glaubensbekenntnis aufsagen oder über den Sündenfall in der Genesis berichten könne, führe nicht automatisch zu der Annahme, dass eine Konversion zum Christentum ernsthaft, aus tiefer religiöser Überzeugung heraus, verinnerlicht worden sei, zumal es gerade für den Revisionswerber, der als Arzt in Kabul praktiziert habe, ein Leichtes sei, bestimmte Glaubensinhalte auswendig zu lernen.

Weiters sei darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber angegeben habe, dass er seinem in W lebenden Bruder, der Moslem sei, von seinem Glaubensübertritt erzählt habe, dieser aber "sehr normal" reagiert und damit "kein Problem" gehabt habe. Auch der Umstand, dass seine in Kabul lebende Ehefrau vom Glaubenswechsel wisse, führe zu keiner Gefährdung des Revisionswerbers. Dieser habe zum einen nicht vorgebracht, dass seine Ehefrau oder andere Verwandte seine Konversion nicht akzeptieren würden. Zum anderen gehe aus den Aussagen des Revisionswerbers hervor, dass seine Ehefrau und seine Schwiegereltern den muslimischen Glauben "eigentlich" nicht praktiziert hätten. Offenkundig seien diese "in Bezug auf Glaubensfragen sehr tolerant eingestellt"; diese Toleranz betreffe wohl auch den Übertritt des Revisionswerbers zum Christentum. Es seien auch "keine weiteren Umstände hervorgekommen", dass die erfolgte Konversion des Revisionswerbers den Behörden des Heimatstaates bekannt geworden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht - nach Hinweisen auf die Rechtslage und auf die hg. Rechtsprechung -

im Wesentlichen aus, die behauptete Gefahr einer Verfolgung aus dem Grund der erfolgten Konversion zum Christentum liege schon deshalb nicht vor, da der Übertritt des Revisionswerbers zum Christentum bloß im Hinblick auf die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft erfolgt sei und daher eine "Scheinkonversion" vorliege. Da eine asylrelevante Verfolgungsgefahr auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt sei, sei die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 5. September 2012 gemäß §§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen gewesen.

Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an einer Rechtsprechung; die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die außerordentliche Revision macht zur Zulässigkeit (unter anderem) geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei der Frage, ob dem Revisionswerber wegen der Konversion Verfolgung drohe, nicht näher nachgegangen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung müsse außer Betracht bleiben, ob die Konversion zum Schein oder tatsächlich erfolgt sei, denn auch die zum Schein erfolgte Konversion könne zu Verfolgung führen. Gerade bei "radikalisierten Religionsgruppen" sei nicht davon auszugehen, dass zwischen scheinbar und tatsächlich Konvertierten unterschieden werde. Aufgrund seiner irrigen Rechtsansicht habe das Bundesverwaltungsgericht diesbezügliche Erhebungen unterlassen. In Afghanistan komme es regelmäßig zu Hinrichtungen von zur evangelischen Glaubensgemeinschaft konvertierten Moslems, weshalb der Revisionswerber begründete Furcht vor Verfolgung habe.

2. Die Revision ist zulässig und begründet.

2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zur Frage einer drohenden Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierter Muslime - vor dem Hintergrund der Situation im Iran - Stellung genommen. Er hat dabei etwa im Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369, fallbezogen festgehalten, die belangte Behörde sei nicht davon ausgegangen, dass der dortige Beschwerdeführer nur zum Schein konvertiert sei, weshalb es auf die Frage, welche Konsequenzen der (dortige) Beschwerdeführer wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten habe, nicht ankomme. Vielmehr sei maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2003/20/0544, mwN).

Im vorliegenden Fall geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Revisionswerber nur zum Schein konvertiert sei. Zur Frage, welche Konsequenzen der Revisionswerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten habe, hat das Bundesverwaltungsgericht weder Ermittlungen durchgeführt noch Feststellungen getroffen. Dem angefochtenen Erkenntnis, das überhaupt keine Länderfeststellungen zur Situation von Konvertiten in Afghanistan enthält, lässt sich daher nicht entnehmen, dass eine bloß vorübergehende, der Asylerlangung dienende Annahme des christlichen Glaubens von staatlicher Seite oder von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung nach sich zieht.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht ausführt, es seien "keine weiteren Umstände hervorgekommen, dass die erfolgte Konversion ... den Behörden des Heimatstaates bekannt geworden" sei, ist dem angefochtenen Erkenntnis eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit den gegenteiligen Angaben des Revisionswerbers, wonach seine Konversion in Afghanistan deshalb bekannt sein könne, weil in Deutschland viele von seiner Konversion erfahren hätten und er auch von anderen Afghanen attackiert worden sei, nicht zu entnehmen.

Hinzuweisen ist darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht - das, wie ausgeführt, keine Feststellungen zur Frage getroffen hat, ob aufgrund einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens von einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat auszugehen ist - seine Entscheidung nicht auf § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 gestützt und auch keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen hat, sodass auf diese Bestimmung hier nicht weiter einzugehen ist.

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. das Erkenntnis vom 24. September 2014, Zl. Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, Zl. 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, Zl. 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die Pfarrerin, die den Revisionswerber im Jahr 2011 (in Deutschland) getauft hat, als Zeugin einvernommen, deren Aussagen aber insbesondere deshalb kein Gewicht beigemessen, weil diese über Aktivitäten des Revisionswerbers (ab 2013) in W keine konkreten Aussagen habe machen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings dem Beweisantrag des Revisionswerbers auf Einvernahme eines namentlich genannten Diakons, der zum Beweis dafür, dass der Revisionswerber regelmäßige Kontakte zu diesem pflege und sich mit religiösen Inhalten befasse bzw. weiterhin ein aktives, nach außen gerichtetes Leben als Christ führe, geführt wurde, mit der Begründung nicht entsprochen, dass eine neuerliche mündliche Verhandlung "keine Änderung im Hinblick auf die Entscheidungsgrundlagen des Bundesverwaltungsgerichtes" mit sich gebracht hätte, der Revisionswerber den nunmehr beantragten Zeugen zur Verhandlung stellig machen hätte können und auch die "jüngsten Aussagen" des Diakons (gemeint: in einem nach der Verhandlung erstellten Schreiben vom Juni 2014) "nichts am Ergebnis der gegenständlichen negativen Entscheidung" ändern würden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die "freie Beweiswürdigung" gemäß § 45 Abs. 2 AVG erst nach einer vollständigen Beweiserhebung durch die Behörde einsetzen; eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2012, Zlen. 2011/04/0212 und 0213, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 6. März 2008, Zl. 2006/09/0043). Die Vorgangsweise des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich demnach im Sinne des Gesagten als rechtswidrig, weil es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig ist, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen.

3. Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargelegten Gründen - wegen rechtlicher Untrennbarkeit auch in Bezug auf die aufbauenden Entscheidungen betreffend den subsidiären Schutz und die Zurückverweisung nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 - zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Juni 2015

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