BVwG G305 2177022-1

BVwGG305 2177022-12.3.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2177022.1.00

 

Spruch:

G305 2177024-1/15E

 

G305 2177022-1/16E

 

G305 2177027-1/15E

 

G305 2177026-1/15E

 

G305 2177020-1/15E

 

G305 2177016-1/15E

 

G305 2177028-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX, geb. XXXX, 2.) der XXXX, geb. XXXX, 3.) der mj. XXXX, geb. XXXX, 4.) der mj. XXXX, geb. XXXX, 5.) der mj. XXXX, geb. am XXXX, 6.) des mj. XXXX, geb. am XXXX sowie 7.) des mj. XXXX, geb. am XXXX, alle Staatsangehörigkeit IRAK, letztere vertreten durch XXXX und XXXX als gesetzliche Vertreter, alle vertreten durch XXXX, XXXX, gegen die jeweils mit 02.10.2017 datierten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, 1.) Zl.: XXXX, 2.) Zl.: XXXX, 3.) Zl.: XXXX, 4.) Zl.: XXXX, 5.) Zl.: XXXX, 6.) Zl.:

XXXX sowie 7.) Zl.: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.01.2018 und einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2018 zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: so der kurz: BF2) und die durch die BF2 als Mutter gesetzlich vertretenen minderjährigen Kinder, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: so oder kurz: mj. BF3), die minderjährige Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: so oder kurz: mj. BF4), die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden so: oder kurz: mj. BF5) und der minderjährige Sechstbeschwerdeführer (im Folgenden so: oder kurz: mj. BF6) stellten am 11.10.2015 Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes.

 

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: so oder kurz: BF 1) stellte am 26.11.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

1.2. Am 08.11.2016 stellte der BF1 als gesetzlicher Vertreter seines am XXXX in Österreich geborenen Sohnes, des minderjährigen Siebtbeschwerdeführers (im Folgenden so: oder kurz: BF7), einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

2. Am 12.10.2015 fand vor einem Organ der Landespolizeidirektion XXXX, eine niederschriftliche Erstbefragung der BF2 statt. Anlässlich dieser Einvernahme gab diese im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass sie (Anm.: gemeinsam mit den minderjährigen Kindern, sohin der mj. BF3, der mj. BF4, der mj. BF5 und des mj. BF6) am 27.09.2015 mit dem Bus von BAGDAD, Irak kommend an die türkische Grenze gefahren und von dort aus den Irak verlassend über Istanbul nach Izmir gereist sei. Am 02.10.2015 sei sie schlepperunterstützt mit dem Schlauchboot nach Griechenland und von dort aus über Mazedonien, Serbien, Kroatien und vermutlich über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist. Sodann sei sie von Wien bis nach XXXX mit dem Taxi gefahren.

 

Als Fluchtgrund gab die BF2 an, dass sie mit ihrer Familie in Bagdad in einer Mietwohnung gelebt habe. Ihr Mann habe als Kassierer gearbeitet. Da die finanziellen Mittel nicht ausgereicht hätten, habe sie ca. zwei Jahre in einem Kaffeehaus mit dem Namen "XXXX" als Kellnerin gearbeitet. Am 16.04.2015 seien Angehörige einer maskierten, extremistischen irakischen Gruppe in das Lokal gekommen und hätten die BF2 und ihre drei Arbeitskolleginnen geschlagen und ihnen gesagt, dass sie als Frauen diese Tätigkeit nicht ausüben dürften. Daraufhin sei sie aus dem Lokal geflohen. Nach ca. einem Monat sei dann ihre 39-Jährige Arbeitskollegin, XXXX, abgängig gewesen. Nach ungefähr zehn Tagen sei diese dann tot aufgefunden worden. Ebenso sei auch ihre zweite Arbeitskollegin, die 26-Jährige XXXX, verschwunden. Die BF2 berichtete davon, gerüchteweise gehört zu haben, dass auch diese Arbeitskollegin tot sein soll. Die Zweitbeschwerdeführerin selbst habe am 20.09.2015 über ihr Handy einen Anruf von einem Mann erhalten. Dieser habe ihr gedroht, dass sie und ihre Töchter "die nächsten" seien. Aus Angst um ihr Leben hätten sie und der Erstbeschwerdeführer beschlossen, aus dem Irak zu flüchten. Da die Familie nicht genug Bargeld habe auftreiben können, hätten sie und der BF1 beschlossen, dass sie gemeinsam mit den Kindern (der mj. BF3, der mj. BF4, der mj. BF5 und dem mj. BF6) flüchten und der Ehegatte und Kindesvater, der BF1, vorerst in XXXX bleibe. Im Rahmen ihrer Einvernahme äußerte die BF2 die Befürchtung, dass die Extremisten im Falle ihrer Rückkehr ihre Drohung wahrmachen und sie und ihre Töchter umbringen könnten. Ihren Reisepass habe sie in der Türkei verloren.

 

3. Am 26.11.2015 fand vor einem Organ der Landespolizeidirektion XXXX, eine niederschriftliche Erstbefragung des BF1 statt. Anlässlich dieser Einvernahme gab dieser an, er habe am 29.10.2015 in XXXX den Entschluss zur Ausreise aus dem Irak gefasst und das Land am 01.11.2015 mit dem Flugzeug von Bagdad aus in Richtung Istanbul verlassen. Von dort aus sei er mit einem Bus und danach mit einem Schlauchboot weiter zu der griechischen Insel Lesbos gereist. Dort habe er sich "den Behörden gestellt". Danach sei er mit der Fähre nach Athen und von dort aus über Mazedonien nach Serbien, Kroatien, Slowenien und anschließend nach Österreich gefahren. Die Grenze des Bundesgebietes habe er zu Fuß überschritten. Anschließend sei er mit dem Bus zu einem unbekannten Ort gefahren und habe ihm ein Bekannter geholfen, mit dem Zug nach XXXX zu kommen.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der BF1 vor, dass er von Beruf Musiker und Künstler sei. Im Jahr 2008 sei er von Schiitischen Milizen mit einem Messer bedroht und angegriffen worden und seien ihm dabei Schnitte im Gesicht zugefügt worden. Dann habe er für eine gewisse Zeit aufgehört, als Musiker zu arbeiten. Im Jahr 2013 sei er nochmals von den Milizen bedroht und angegriffen worden und habe dabei einen Bruch an der rechten Schulter erlitten. Er habe dann mit der Musik aufgehört und in einem Restaurant als Gehilfe in der Buchhaltung gearbeitet. Seine Frau habe ebenfalls gearbeitet, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Sie sei dann auch von den Milizen bedroht wurden. Sie hätten dann Geld für die Flucht nach Europa gespart und hätten bei der nächsten Gelegenheit die Flucht ergriffen (AS 9). Erläuternd führte er aus, dass ihn schon sein Name als Sunniten verrate, weshalb er nicht mehr in seiner Heimatstadt XXXX bleiben könne, weil er ständig von Milizen bedroht werde. Zu Hause gäbe es keine Sicherheit und in seinem Land herrsche Krieg.

 

4. Am 27.06.2017 fanden sowohl mit dem BF1 als auch mit der BF2 niederschriftliche Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (im Folgenden: belangte Behörde) statt.

 

4.2. Im Rahmen seiner Befragung korrigierte der BF1 zunächst seine in der Erstbefragung angegebene Adresse und gab an, bei seiner Erstbefragung nicht gesagt zu haben, dass seine Familie Geld für die Reise nach Europa gespart hätte. Zudem brachte er im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme Schulzeugnisse und Schulnachrichten der Kinder (und zwar der mj. BF3, der mj. BF4, der mj. BF5 und des mj. BF6) in Vorlage.

 

Zu den Lebensumständen in XXXX befragt, gab er an, er habe einen Bruder und drei Schwestern im Irak, mit welchen er ungefähr einmal pro Monat über das Internet Kontakt habe. Seinen Geschwistern gehe es gut, eine Schwester sei Lehrerin und sein Bruder sei Konditor. Sie hätten in einem Haus gelebt und es sei ihnen wirtschaftlich gut gegangen. Er habe in XXXX fallweise als Musiker gearbeitet, jedoch habe er diese Tätigkeit aufgeben müssen und sei dann in einem Restaurant als Buchhalter tätig gewesen. Den Beschluss aus dem Irak auszureisen, habe er im September gefasst, sei jedoch erst am 01.11.2015 ausgereist, da er "einen Vertrag mit dem Restaurant" gehabt habe, den er erfüllen musste. Seine Gattin sei bereits zuvor ausgereist, da diese direkt bedroht worden sei.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte er vor, er sei Künstler und sei Kunst im Islam nicht akzeptiert und verboten. Im Jahr 2008 sei er zum ersten Mal wegen seines Berufes von Männern der "XXXX" zusammengeschlagen worden. Diese würden versuchen, islamische Gesetze durchzusetzen. Dieser Übergriff habe am 28.05.2008 auf dem Weg von seiner Arbeit nach Hause stattgefunden. Es habe mehrere Checkpoints gegeben, der erste Checkpoint sei von der Polizei, der zweite Checkpoint sei jener der Milizen gewesen. Diese hätten ihn daraufhin zusammengeschlagen. Er sei dabei verletzt worden und habe noch Narben im Gesicht. Daraufhin habe er aufgehört, als Künstler zu arbeiten, habe öffentliche Auftritte gemieden und nur mehr auf privaten Veranstaltungen gespielt. Da sich die Lage nach einiger Zeit beruhigt hätte, habe er seine Tätigkeit als Musiker im Jahr 2013 wieder aufgenommen. Am 21.03.2013 habe man ihn und seinen Fahrer am Weg von der Arbeit nach Hause - der BF 1 habe seine Musikinstrumente bei sich gehabt und sei leicht betrunken gewesen - am Checkpoint aufgehalten. Dort seien Mitglieder von Milizen gewesen, die ihn angeschrien und beschimpft hätten. Als diese Männer seinen Ausweis sahen bzw. dessen Vornamen lasen, hätten sie ihm mit seinem Keyboard auf die Schulter geschlagen und ihm dadurch die Schulter gebrochen. Auch habe er Verletzungen im Gesicht davongetragen. In der Folge habe er seine künstlerische Tätigkeit aufgegeben und als Buchhalter weitergearbeitet. Für die Ausreise aus dem Irak sei jedoch schlussendlich der Vorfall mit seiner Frau ausschlaggebend gewesen. Der BF1 gab weiter an, er habe den Vorfall nicht angezeigt, da er betrunken und zudem Musiker gewesen sei und beides gegen die islamischen Gesetze verstoße. Seine Tätigkeit als Musiker habe er im Kabarett XXXX, oder auf Hochzeiten oder Geburtstagen ausgeübt. An den Checkpoints sei er öfter beschimpft worden. Auf die Frage, warum er keine Namensänderung beantragt habe, gab er an, dass es nicht wegen seines Namen gewesen sei und dass es nicht so gefährlich gewesen sei, als dass er seinen Namen ändern hätte müssen. Zudem gab er an, dass in einem Teil des Herkunftsstaates Sunniten und im anderen Teil Schiiten herrschen würden, er selbst habe mit seiner Familie in einem sunnitischen Viertel in XXXX gelebt, welches beschützt werde. Es werde kontrolliert, wer dort ein- und ausgeht. Sodann brachte er wiederholt vor, dass für die Flucht die Bedrohung seiner Gattin ausschlaggebend gewesen sei. Befragt, ob er im Irak nicht auch an einem anderen Ort leben könne, gab er an, dass er nach Kurdistan nicht gehen könne, da man dort als Araber einen Bürgen brauche. Die Stadt Tikrit sei jedoch eine Ruine und könne er seine Familie nur in XXXX versorgen. Darüber hinaus gab er an, dass die Familie einige Freunde in Österreich habe.

 

4.2. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab die BF2 zu ihren Lebensumständen in XXXX befragt, an, dass sie immer im Irak gelebt hätte. Dort habe sie mit ihrer Familie in einem eigenen Haus in XXXX gewohnt. Die Familie habe ein Auto besessen und es sei ihnen wirtschaftlich gut gegangen. Dazu befragt, wie sie sich die Flucht habe leisten können, gab sie an, sie habe ihr Gold verkauft und sich etwas von ihrer Schwester geliehen. In etwa alle zwei Wochen stehe sie mit ihrer im Irak lebenden Mutter bzw. ihren ebenfalls dort lebenden fünf Schwestern in Kontakt. Zu ihrer beruflichen Tätigkeit befragt, gab sie an, sie habe von 2013 bis 2015 als Kellnerin im Kabarett mit dem Namen "XXXX" in XXXX, in der XXXX, gearbeitet.

 

Am 26.09.2015 habe sie den Entschluss gefasst, den Irak zu verlassen. Am 27.09.2015 sei sie illegal mit dem Bus von Bagdad nach Erbil gefahren und von dort aus über Istanbul nach Izmir weitergereist. In Izmir habe sie sich zwei Tage aufgehalten und ihren Reisepass dorthin geschickt bekommen. Ihren Reisepass habe sie im Mittelmeer verloren, da Wasser ins Schlauchboot gekommen und alles über Bord geworfen worden sei.

 

Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte sie aus, sie habe in einem Kabarett, welches von Männern aufgesucht worden sei, gemeinsam mit zwei weiteren Frauen als Kellnerin gearbeitet und sei sie die einzige verheiratete Kellnerin gewesen. Als dem Besitzer des Lokals ein Drohbrief geschickt wurde, habe er ihr gesagt, dass der Absender unbekannt gewesen sei. Im Drohbrief sei der Lokalbesitzer zum Schließen des Lokals aufgefordert worden, da es "Sünde" sei. Als an einem Abend im XXXX 2015 im Fernsehen ein Fußballspiel übertragen wurde, sei es im Lokal plötzlich sehr laut gewesen. Sie habe die lauten Geräusche vernommen, als sie gerade in der Küche arbeitete und Getränke zubereitete. Sie habe die Küche verlassen und gesehen, dass alles verwüstet sei. Sowohl Tische als auch Sessel seien zerstört und Gläser zerbrochen worden. Im Gastraum hätten sich drei oder vier bewaffnete, schwarz gekleidete männliche Personen aufgehalten, woraufhin sie sich erschrocken und aufgeschrien habe. Einer der Männer habe sie zu Boden gestoßen; dabei habe sie sich an den am Boden liegenden Glasscherben verletzt. Außer den Bewaffneten seien noch fünf Gäste im Raum gewesen, die ihren beiden Kolleginnen geholfen hätten, das Lokal zu verlassen. Einer der bewaffneten Personen habe ihr auf den Kopf geschlagen, woraufhin sie aufgestanden sei, den Mann weggestoßen habe und nach draußen gelaufen sei. Zunächst habe sie niemand mit dem Auto mitgenommen, weshalb sie sich in einem Haus in der Nähe versteckt habe. Schließlich sei sie mit einem Taxi nach Hause gefahren und habe ihre Tasche, ihr Handy und ihr Geld "zurückgelassen". Als Folge dieser Ereignisse habe der Besitzer das Lokal schließlich geschlossen. Einen Monat nach dem Überfall sei dann der Leichnam einer der Arbeitskolleginnen der BF2 aufgefunden worden; der Name der Toten sei "XXXX" gewesen. Ungefähr zwei Monate später sei auch ihre zweite Arbeitskollegin, XXXX, spurlos verschwunden. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme stellte die BF2 die Vermutung auf, dass die Angreifer vielleicht gedacht hätten, dass die Frauen im Lokal mit Männern schlafen würden. Am 25.09.2015 oder am 26.09.2015, habe sie zwischen 19:00 Uhr und 21:00 Uhr den Anruf eines Unbekannten auf ihr Handy bekommen, der ihr gedroht habe, dass man sie nicht vergessen habe und jetzt seien sie und ihre älteste Tochter "an der Reihe". Woher der Anrufer ihre Nummer hatte, wisse sie nicht. Dazu befragt, wie lange sie das Handy schon besaß, gab sie an, der Besitzer des Lokals habe ihr das Handy zwei Tage nach dem Überfall auf das Lokal vorbeigebracht. Die SIM-Karte sei noch im beschädigten Handy gewesen. Insgesamt habe sie die SIM-Karte ca. vier Jahre lang besessen.

 

Weiter gab sie an, zunächst nicht gewusst zu haben, wer die Angreifer waren. Danach haben man ihr gesagt, dass es Männer von der "XXXX" gewesen seien, da nur diese so etwas tun würden. Sie habe den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht, da die Milizen stärker seien, als der Staat. Der Geschäftsführer des Lokals, XXXX, habe den Vorfall zur Anzeige gebracht, jedoch habe niemand etwas getan. Die BF2 führte aus, dass sie nirgends im Irak leben könne, da alle sicheren Ortschaften schiitisch seien und sie einen Mann mit dem Namen "XXXX" und einen Sohn mit dem Namen "XXXX" habe und es mit diesen Namen "unmöglich" sei, in einem anderen Landesteil zu leben. Zu einer Namensänderung befragt, brachte sie vor, sie habe "noch andere Gründe"; im Herkunftsstaat habe sie einen Hijab tragen müssen, was sie nicht wolle. Weiter gab sie an, die Familie könne auch nicht in die Autonome Region Kurdistan reisen, da sie dort einen Bürgen bräuchten. Sie könne dort kein Auto kaufen und es gäbe keine Schulen für Araber. Auch TIKRIT sei keine Option, da die Stadt zerstört worden sei und nicht einmal die Bevölkerung dort Häuser habe. Befragt, ob sie von der Miliz im ganzen Staatsgebiet gesucht werde, gab die BF2 an, dass dies nicht der Fall sei, sie sich jedoch nicht in Gefahr bringen und Kleidungsfreiheit haben wolle. Ihre Kinder würden sich auf die Fluchtgründe des BF1 und der BF2 stützen.

 

5. Im Rahmen des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens wurden am 28.06.2017 auch die mj. BF3 und die mj. BF4, beide gesetzlich vertreten durch den BF1 niederschriftlich befragt.

 

5.1. Zu ihren Lebensumständen im Herkunftsstaat gab die mj. BF3 an, sie habe dort die Grund- und die Mittelschule besucht. In religiöser Hinsicht sei sie moderat. Ihre Mutter (Anm.: die BF2) habe in einem Kabarett gearbeitet, ihr Vater (Anm.: der BF 1) sei Musikant gewesen und habe auch als Buchhalter gearbeitet. Vom Fluchtvorhaben habe sie erst am Ausreisetag erfahren. Da sie religiös-moderat sei, habe sich in der Schule immer gefürchtet. Dort habe es immer wieder Entführungen und Vergewaltigungsvorfälle gegeben und sei das Tragen des Hijabs verpflichtend gewesen. Sie habe nicht alleine aus dem Haus gehen können. Die mj. BF3 erläuterte zudem, sie habe Freunde in Österreich und wolle Krankenschwester werden.

 

5.2. Zu ihren Lebensumständen im befragt, gab die mj. BF4 an, dass sie nicht sehr religiös sei und in Bagdad die Grundschule abgeschlossen und mit dem Besuch der Mittelschule begonnen habe. Darüber hinaus gab sie an, sie sei in der Schule zum Tragen eines Hijabs verpflichtet gewesen und sei ihr der Schulalltag sehr schwer gefallen, da sie nie gewusst habe, ob sie "lebend zurückkommen" werde, da es überall Bomben gegeben habe. Sie habe in Österreich Freunde, gehe zur Schule und boxe in einem Verein.

 

6. Mit den im Spruch näher bezeichneten Bescheiden der belangten Behörde, den beschwerdeführenden Parteien zugestellt am 12.10.2017 (BF2) bzw. am 19.10.2017 (BF1, mj. BF3, mj. BF4, mj. BF5, mj. BF6 und mj. BF7), wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gerichteten Anträge abgewiesen (Spruchpunkt II.), und sprach die belangte Behörde aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Überdies wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

7. Mit Schriftsatz vom 06.11.2017 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre rechtsfreundliche Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde gegen die im Spruch näher bezeichneten Bescheide der belangten Behörde, die sie mit den Anträgen verbanden 1.) den beschwerdeführenden Parteien den Status der Asylberechtigten kraft eigenen Rechts, in eventu unter Anwendung des § 34 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, 2.) den beschwerdeführenden Parteien in eventu der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zuerkannt werde, 3.) in eventu die Bescheide dahingehend abzuändern, dass festgestellt werde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach Art. 8 EMRK und § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei und den beschwerdeführenden Parteien von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG 2005 erteilt wird, 4.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Rechtssache an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen und 5.) jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

 

Begründend führten die beschwerdeführenden Parteien im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die Beweiswürdigung im Bescheid der BF2 mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Die BF2 habe sowohl in der Erstbefragung, als auch in der niederschriftlichen Einvernahme übereinstimmende Angaben zum Überfall auf das Lokal durch maskierte Männer einer extremistischen Miliz im April 2015 und dem weiteren Schicksal ihrer Arbeitskolleginnen gemacht. Eventuelle Widersprüche würden nicht den Kern des Sachverhaltes betreffen und seien auf Übersetzungsfehler, sowie auf die nervliche Belastung der BF2 und die Voreingenommenheit der belangten Behörde zurückzuführen. Deren Vorbringen decke sich mit den von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen über schiitische Milizen in Bagdad, der Ohnmacht der dortigen staatlichen Behörden und der Behandlung von Frauen im Irak.

 

Glaubwürdig sei auch das Vorbringen des BF1, der wegen seiner Tätigkeit als Musiker durch die Miliz "XXXX" verfolgt und im Jahr 2013 wegen seines Namens schwer misshandelt worden sei. Dies sei plausibel und decke sich mit den länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde. Aufgrund der Vornamen des BF1 und des mj. BF6 bestehe im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine erhebliche Gefahr, z.B. am Flughafen und an den zu passierenden Checkpoints in Bagdad, da eine Namensänderung im Irak nicht sofort möglich sei. Zudem könne der BF1 als Sunnit bei einer Rückkehr unter dem Generalverdacht stehen, IS-Sympathisant zu sein. Generell seien Sunniten im Irak eine Minderheit und als solche diskriminiert und verfolgt.

 

Auch sei die älteste Tochter als junge, religiös moderate Frau im Irak besonders gefährdet und wären auch die jüngeren Kinder als soziale Gruppe der Kinder vor einer besonders schwerwiegenden humanitären Lage ausgesetzt. Daher sei die Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK niedriger anzusetzen, als bei Erwachsenen. Zudem sei die Vulnerabilität der Kinder der Familie im Hinblick auf das BVG zum Schutze der Kinder und Art 24 GRC relevant. Zur Interessensabwägung im Rahmen der Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass das Privatleben der Familie auf Österreich konzentriert sei. So müsse der Umstand, dass die mj. BF3 in Österreich eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviere, besonders schwer wiegen. Im Zusammenhang mit der prekären humanitären Lage der Familie im Irak müsse eine Interessenabwägung im Rahmen der Rückkehrentscheidung daher auch mit Blick auf das Kindeswohl zugunsten des Privatlebens der Familie getroffen werden.

 

8. Am 20.11.2017 legte die belangte Behörde die gegen die im Spruch angeführten Bescheide gerichteten Beschwerdeschriften der im Spruch näher bezeichneten Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, sowie die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor. Hier wurden die Beschwerdesachen der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

 

Im Vorlagebericht der belangten Behörde heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass den Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu allfälligen Übersetzungsfehlern und der sprachlichen Unschärfe in den Einvernahmeprotokollen entgegenzuhalten sei, dass diese nach einer Rückübersetzung eigenhändig unterschrieben und keine Protokollrügen geltend gemacht wurden. Allfällig in den Bescheiden enthaltene Widersprüche seien den Angaben der beschwerdeführenden Parteien selbst geschuldet. Auch werde der in der Beschwerdeschrift erhobene Vorwurf über eine Voreingenommenheit oder Befangenheit der Organwalter der belangten Behörde "aufs Schärfste zurückgewiesen".

 

9. Am 19.01.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlungen durchgeführt, anlässlich derer die beschwerdeführenden Parteien in Anwesenheit ihres Rechtsvertreters einvernommen wurden. Die zu dieser Verhandlung ebenfalls als Partei geladene belangte Behörde entsandte keinen Vertreter.

 

10. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde für den 23.02.2018 eine weitere mündliche Verhandlung anberaumt.

 

10.1. Einlangend mit 21.02.2018 wurde seitens der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Parteien ein Schriftsatz übermittelt.

 

10.2. Mit 22.02.2018 langte seitens der beschwerdeführenden Parteien ein weiterer, vorbereitender Schriftsatz zu der am 23.02.2018 anberaumten Verhandlung ein.

 

11. Am 23.02.2018 wurde vor dem erkennenden Gericht eine weitere mündliche Verhandlung in Anwesenheit der beschwerdeführenden Parteien und deren Rechtsvertreters durchgeführt. Die belangte Behörde entsandte abermals keinen Vertreter. Anlässlich der Verhandlung am 23.02.2018 brachten die beschwerdeführenden Parteien weitere länderkundliche Berichte in Vorlage.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien führen die im Spruch genannten Identitäten (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind Angehörige der arabischen Volksgruppe und sind Muslime sunnitischer Glaubensrichtung. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin, sowie des minderjährigen Sechst- und des minderjährigen Siebtbeschwerdeführers. Die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien ist arabisch.

 

Der Erstbeschwerdeführer, sowie die minderjährige Dritt-, die minderjährige Viert- und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin und der minderjährige Sechst- sowie der minderjährige Siebtbeschwerdeführer sind gesund, haben aus medizinischer Sicht keine Leiden und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion, welche jedoch keiner dauerhaften Therapie bedarf und nicht medikamentös therapiert wird. Hinzu kommt ein erhöhter Blutdruck, gegen den sie Blutdruckmedikamente einnimmt.

 

Der BF1 und die BF2 geben sich als arbeitswillig aus und sind sie grundsätzlich auch arbeitsfähig.

 

1.2. Zu den Reisebewegungen und zur Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet:

 

Am 27.09.2015 fuhr die BF2 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, der mj. BF3, der mj. BF4, der mj. BF5 und dem mj. BF 6, ausgehend von Bagdad schlepperunterstützt mit dem Bus nach Erbil. Von dort aus reiste sie mit ihren Kindern über den Landweg nach Izmir (Türkei) weiter und fuhren sie von dort aus mit dem Schlauboot nach Samos (Griechenland), wo die Familie am 02.10.2015 ankam. Ausgehend von Samos reiste die BF2 mit ihren minderjährigen Kindern auf dem Seeweg nach Athen und von hier aus mit dem Bus über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich weiter. Es konnte nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die BF2, die mj. BF3, die mj. BF4, die mj. BF5 und der mj. BF6 in das Bundesgebiet eingereist sind.

 

Ihnen ist der BF1 am 01.11.2015 mit dem Auto ausgehend von Bagdad nachgereist. Die Reise führte ihn nach Erbil, von wo aus er auf dem Luftweg nach Istanbul weiterreise. Danach fuhr er mit dem Schlauchboot nach Mytilini (Griechenland) weiter und von hier aus mit der Fähre nach Athen, um von hier mit dem Bus an die mazedonische Grenze zu gelangen. Von Mazedonien aus setzte er seine Reise mit dem Bus nach Serbien, Kroatien und Slowenien fort und reiste von Slowenien kommend in das Bundesgebiet ein. Auch in seinem Fall konnte der genaue Einreisezeitpunkt nicht festgestellt werden.

 

Der mj. BF7 ist am XXXX in Österreich geboren.

 

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

 

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie die minderjährige Dritt-, die minderjährige Viert- und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin, sowie der minderjährige Sechstbeschwerdeführer sind in Bagdad geboren. Im Jahr 1998 hielt sich der BF1 neun Monate lang in Jordanien auf.

 

Der minderjährige Siebtbeschwerdeführer wurde (wie schon oben ausgeführt) im Jahr XXXX in Österreich geboren. Die anderen beschwerdeführenden Parteien (die BF2, die mj. BF3, die mj. BF4, die mj. BF5 und der mj. BF6) lebten bis zu ihrer Ausreise durchgehend in XXXX.

 

Bis zu ihrer Ausreise lebten die beschwerdeführenden Parteien - bis auf den mj. BF7 - XXXX in XXXX. Dieser Bezirk ist überwiegend von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft bewohnt. Der Stadtteil, in dem die beschwerdeführenden Parteien in XXXX wohnten, ist bewacht und wird geschützt. Ein- und ausgehende Personen werden kontrolliert.

 

Der familiäre und der private Lebensmittelpunkt der beschwerdeführenden Parteien liegt im Irak. Der BF1 hat drei Schwestern, und zwar die im Jahr XXXX geborene XXXX, die im Jahr XXXX geborene XXXX und die im Jahr XXXX geborene XXXX, und einen Bruder, den im Jahr XXXX geborenen XXXX. Die Schwester XXXX und die verheiratete Schwester XXXX leben ebenfalls im Stadtteil XXXX. In XXXX leben auch der Bruder des BF1, XXXX, und dessen Schwester XXXX. Letztere lebt im Stadtteil XXXX in XXXX. Die Eltern des BF1, XXXX und XXXX, sind im Jahr 2011 bzw. im Jahr 2014 an einer natürlichen Todesursache gestorben. Eine der Schwestern des BF1 arbeitete als Lehrerin, der Bruder als Konditor (AS 59).

 

Die BF2 hat fünf Schwestern, und zwar die im Jahr XXXX geborene und bei ihrem Ehemann in Bagdad wohnhafte XXXX, die im Jahr XXXX geborene und bei ihrem Ehemann in Bagdad wohnhafte XXXX, die im Jahr XXXX geborene und bei ihrem Ehemann in Bagdad wohnhafte XXXX, die im Jahr XXXX geborene und bei ihrem Ehemann in Bagdad wohnhafte XXXX und die im Jahr XXXX geborene und bei ihrem Ehemann in Bagdad wohnhafte XXXX. Die im Jahr XXXX geborene Mutter der BF2, XXXX, lebt ebenfalls in XXXX (AS 126f).

 

Die beschwerdeführenden Parteien haben regelmäßig Kontakt zu ihren in XXXX lebenden Familienangehörigen. Folglich haben auch die minderjährigen Kinder der Familie mit ihren in XXXX lebenden Onkeln und Tanten ein familiäres Netzwerk im Irak. Die beschwerdeführenden Parteien wohnten in XXXX an der Anschrift XXXX in einem in deren Eigentum stehenden Einfamilienhaus, besaßen ein Auto und lebten in stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen (AS 127).

 

Der BF1 besuchte im Irak von 1983 bis 1989 die Grundschule und von 1989 bis 1992 die Mittelschule. Von 1992 bis 1996 studierte er an der Universität für schöne Künste in Bagdad Musik, verfügt jedoch über keinen Hochschulabschluss. In XXXX arbeitete er vorerst als Künstler und in der Folge als Buchhalter in einem Restaurant namens XXXX im XXXX und war dann von Juni 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in einem Restaurant namens XXXX im Stadtteil XXXX in XXXX tätig (AS 60).

 

Die BF2 besuchte von 1981 bis 1987 die Grundschule in XXXX. Von 2013 bis 2015 arbeitete die verheiratete BF2 in einem Gastgewerbebetrieb mit der Bezeichnung "XXXX" an der XXXX als Kellnerin und in der Küche. Allerdings musste sie nicht arbeiten, um zum Familieneinkommen beizutragen. Die aus seiner nichtselbständigen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte des BF1 genügten, die Familie zu ernähren (PV des BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018, S. 20).

 

Vor ihrer Ausreise besuchte die mj. BF3 die Grund- und die Mittelschule in XXXX. Die mj. BF4 hat im Herkunftsstaat die Grundschule abgeschlossen und besuchte sie bis zur die Mittelschule.

 

1.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

 

Der BF1 besuchte von 03.10.2017 bis 13.11.2017 einen berufsbezogenen Deutschkurs für Asylwerbende im Bereich der Gastronomie an der Volkshochschule XXXX und legte eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens ab. Eine über seine rudimentären Deutschkenntnisse hinausgehende, tiefergreifende sprachliche Integration des BF1 konnte trotz seines nunmehr zweijährigen Aufenthaltes in Österreich und der absolvierten Deutschkurse nicht festgestellt werden.

 

Im Jänner 2018 meldete er sich beim Hilfswerk des Familien- und Sozialzentrums XXXX als freiwilliger Helfer gemeldet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er in den Jahren 2016 und 2017 ehrenamtliche Tätigkeiten in Angriff genommen hätte oder Mitglied eines Vereins gewesen wäre.

 

Dagegen unternahm die BF2 in Österreich Bemühungen zur Nachholung eines Schulabschlusses der sekundären Bildungsstufe (Handelsakademie) und zur Erlernung der deutschen Sprache gesetzt.

 

Die mj. BF3 hat in Österreich eine Ausbildung zur Pflegefachassistenz am XXXX Landesklinikum begonnen. Sie hat eine nicht näher festgestellte Anzahl an Freunden und Bekanntschaften in Österreich. Auch steht die Identität ihrer Freunde und Bekannten im Bundesgebiet nicht fest. Sie ist gläubig und lebt nach den Vorschriften des Islam.

 

Die mj. BF4 hat die siebte und achte Schulstufe sowie die Hauptschule. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sie Mitglied in einem Verein wäre. Sie hat - nach einem Praktikum in einem Hotel - mit dem Besuch der Tourismusschule in XXXX (Bundesland XXXX) begonnen. Auch sie ist gläubige Muslima und lebt nach den Vorschriften des Islam.

 

Die mj. BF5 und der mj. BF6 besuchen in Österreich die Volksschule in XXXX und haben sie die zweite Schulstufe abgeschlossen.

 

Die mj. BF3, die mj. BF4, die mj. BF5 und der mj. BF6 weisen mittlerweile gute Deutschkenntnisse auf.

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind strafrechtlich unbescholten, doch wurde hinsichtlich der BF2 am 24.04.2017 von der Staatsanwaltschaft XXXX ein Strafantrag gegen sie wegen des Verdachtes nach §§ 15 iVm. 127 StGB eingebracht.

 

Die beschwerdeführenden Parteien weisen im Bundesgebiet seit dem 12.10.2016 durchgehend Wohnsitzmeldungen auf.

 

Sie weisen (bis auf einander), keine (sonstigen) familiären Anknüpfungspunkte in Österreich auf.

 

Vereinsmitgliedschaften, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales Engagement oder intensive Bekanntschaften oder Freundschaften konnten nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtungserklärung wurde nicht abgegeben.

 

Anhaltspunkte für die Annahme einer besonders maßgeblichen Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich in sprachlicher (hier bis auf die mj. BF3, die mj. BF4, die mj. BF5 und den mj. BF6), beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht nicht festgestellt werden.

 

Die beschwerdeführenden Parteien leben von der staatlichen Grundversorgung.

 

1.5. Zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien in Zusammenhang mit ihren Fluchtgründen:

 

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Stadt Mossul, Hauptstadt der Provinz Ninava, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah Al-Din im Zentral- und Südirak voraus.

 

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF) und mit der Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah Al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul.

 

Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht. Im Westteil der Stadt wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt.

 

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

 

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Aktuell richten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave südlich von Kirkuk. So gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS besiegt sei.

 

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohul, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen.

 

Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zur Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und regierungsnahen Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen.

 

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

 

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad ist im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen solle, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

 

Offiziell ist nach wie vor das ca. 70.000 Mitglieder umfassende und sich aus Soldaten aus der regulären Armee, der Militärpolizei, der normalen Polizei und den Geheimdiensten zusammensetzende "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Seitdem der IS im Juli 2017 zurückgedrängt wurde, nahmen die auf Bagdad gerichteten Anschläge kontinuierlich ab. Dennoch kommt es immer wieder zu Selbstmordanschlägen, vor allem in schiitisch dominierten Viertel, wie Sadr City, Shula und Hay Al-Amel als auch an Checkpoints und bei militärischen Einrichtungen. Bagdad erlebte im Jahr 2017 einen Rückgang der Gewalt. Diese Entwicklung wird vor allem der Boc zugeschrieben.

 

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebiete.

 

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks sowie in und um BAGDAD und im Umkreis von KIRKUK. Wesentlich ist dabei die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse sowie die Dokumentation und Relokation der Binnenvertriebenen (IDP). Ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert. Für das Jahr 2017 wurden erstmals mehr Rückkehrer als Vertriebene registriert.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018).

 

1.6. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat:

 

Beschwerdegegenständlich stehen die Fluchtgründe der beschwerdeführenden Parteien, nämlich dass sie Muslime sunnitischer Glaubensrichtung sind und eine behauptete, damit im Zusammenhang stehende Verfolgung durch Milizen, sowie der von BF2 behauptete Angriff einer Miliz, den sie der Miliz Asa'ib ahl al-haqq zuordnete, auf das Kaffeehaus "XXXX" in XXXX im Fokus der Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien.

 

1.6.1. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft in der Stadt Bagdad:

 

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

 

Seit dem Jahr 2003 nahm die Dominanz der schiitischen Gemeinschaft in Bagdad stets zu. Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert. Im Hinblick auf Bagdad kam es seitdem verstärkt zur Spaltung Bagdads in konfessionelle Linien, zu interkonfessioneller Gewalt und Vertreibungen und schließlich zur Bildung von separaten sunnitischen und schiitischen Vierteln. In Bagdad kommt es immer wieder zu Übergriffen und gewaltsamen Akten von schiitischen Milizen an Sunniten. Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung, die nicht untersucht werden. Oftmals kommt es auch zu Drohungen gegenüber Sunniten.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital , 17.05.2017 (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet und mit großer Gewalttätigkeit vorgeht. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

 

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.

 

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in Bagdad gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, sie sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

 

In Bagdad gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere Adhamiya, Mansour und Abu Ghraib genannt.

 

Quellen:

 

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens von Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden. Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

1.5.3.1. Zur Rolle des Vornamens männlicher Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sunniten

 

Es kommt vor, dass Sunniten im Irak am Vornamen als solche erkannt und in weiterer Folge durch schiitische Milizen schikaniert werden.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen Namens", (06.10.2016) https://www.ecoi.net/en/file/local/1029156/5013_1475818794_irak-mr-min-verfolgung-aufgrund-eines-sunnitischen-namens-2016-10-06-ke.doc (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

1.6.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

 

Für den Süden des Irak (Babil, Basra, Kerbala, Najaf, Missan, Muthanna, Qaddisiya, Thi-Qar und Wassit) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind Mossul, Tikrit, Al Faluja oder Anbar.

 

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in Basra zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung XXXX abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR.

 

Quellen:

 

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018).

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

 

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen Erbil als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in Erbil frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

 

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region Al Sulaymaniyah zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In Al Sulaymaniyah ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in Al Sulaymaniyah in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in Al Sulaymaniyah am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

 

Quellen:

 

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

1.6.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak:

 

1.5.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

 

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

 

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

 

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

 

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in Bagdad und Basra, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

 

Quellen:

 

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

 

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

 

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747 , (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

 

1.5.3.2. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene

 

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

 

Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.

 

Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.

 

Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in Bagdad, Erbil oder Basra, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

 

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

 

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

 

1.6.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

 

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

 

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in Erbil sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in Al Sulaymaniyah eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in Basra in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

 

Quellen:

 

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 13.02.2018)

 

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

 

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

 

1.7. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

 

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund des Religionsbekenntnisses, noch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 auf Grund seiner Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung oder auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die BF2 auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit im Irak von schiitischen Milizen individuell und aktuell verfolgt worden wäre. Selbst aus dem Angriff auf jenes Kaffeehaus, in dem die BF2 gearbeitet haben soll, am 16.04.2015 lassen sich keine Konstatierungen dahin treffen, dass dieser unmittelbar gegen die BF2 gerichtet gewesen wäre.

 

Die mj. BF3, die mj. BF4, die mj. BF5, der mj. BF6 und der mj. BF7 haben keine eigenen Fluchtgründe.

 

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte bei keinem der beschwerdeführen Parteien festgestellt werden.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien vor ihrer Ausreise einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihnen genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wären bzw. sie im Falle ihrer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnten.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wären, oder dass sonstige Gründe vorlägen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihren Personen gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte ausgesetzt wären oder die beschwerdeführenden Parteien als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 und der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018.

 

2.2. Zu den beschwerdeführenden Parteien:

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den Lebensumständen, dem Personenstand, den verwandtschaftlichen Verhältnissen sowie zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien, insbesondere dem Gesundheitszustand der BF2, getroffen wurden, beruhen diese auf den jeweils aktenkundigen Kopien der ID-Ausweise der beschwerdeführenden Parteien, der aktenkundigen Kopie der Geburtsurkunde des mj. BF7 vom 25.10.2016 (AS 3 [BF7]) sowie der psychotherapeutischen Stellungnahmen der Caritas, Diözese XXXX vom 16.03.2017 (AS 101 [BF2]) und vom 11.01.2018, dem aktenkundigen neurologisch-psychiatrischen Gutachten der BF2 vom 30.06.2017 (AS 155 ff [BF2]) sowie den Angaben der BF2 in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018.

 

Zudem stützen sich die getroffenen oben genannte Feststellungen auf die Konstatierungen in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, auf die Angaben des Erstbeschwerdeführers in der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe der Landespolizeidirektion XXXX, vom 26.11.2015 und im niederschriftlichen Einvernahmeprotokoll der belangten Behörde vom 27.06.2017, die auch im Einklang mit den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer Erstbefragung durch Organe der Landespolizeidirektion XXXX, vom 12.10.2015 und deren Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme der belangten Behörde vom 27.06.2017 stehen und in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde nicht bestritten wurden. Zu den genannten niederschriftlichen Einvernahmeprotokollen wurden als Beweismittel die entsprechenden Ausführungen des BF1 und der BF2 in den vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlungen vom 19.01.2018 und vom 23.02.2018 herangezogen. Ebenso wurden die Protokolle der niederschriftlichen Einvernahmen der mj. BF3 und der mj. BF4 durch die belangte Behörde vom 28.06.2017, die jeweils in Anwesenheit der gesetzlichen Vertreter durchgeführt wurden, als Beweismittel herangezogen.

 

Die Konstatierungen zur Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien gründen auf deren Kenntnis und der Verwendung der Sprache Arabisch in den oben genannten Einvernahmen und in den vom erkennenden Gericht mündlichen Verhandlungen.

 

Die Konstatierungen zur Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit des BF1 und der BF2, zur Dauer und Art ihrer schulischen Ausbildung und zu deren beruflicher Tätigkeit im Herkunftsstaat gründen auf den jeweiligen Angaben in den Erstbefragungen vom 26.11.2015 (Anm.: BF1) bzw. vom 12.10.2015 (Anm.: BF2) und den damit übereinstimmenden Ausführungen des BF1 und der BF2 in den jeweiligen niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde vom 27.06.2017 und der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 bzw. vom 23.02.2018, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit seitens des erkennenden Gerichtes keine Zweifel aufgekommen sind.

 

2.3. Zu den Reisebewegungen und der Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet:

 

Die Feststellungen zu den Reisebewegungen und zum Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet ergeben sich aus im Wesentlichen aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt, den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde und aus deren Angaben im Rahmen der Erstbefragungen vom 12.10.2015 (Anm.: BF2) und vom 26.11.2015 (Anm.: BF1) und der niederschriftlichen Einvernahmen vom 27.06.2017.

 

Im Hinblick auf die Ausreise des BF1 verfängt sich dieser in einen offen zu Tage tretenden Widerspruch: so gab er bei seiner Erstbefragung an, dass er auf dem Luftweg nach Istanbul gereist sei (AS 7 [BF 1]), bringt demgegenüber in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017 jedoch an, er sei mit dem Auto von Bagdad nach Erbil gefahren und von dort aus nach Istanbul geflogen.

 

2.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

 

Die Feststellung, dass die beschwerdeführenden Parteien (mit Ausnahme des in Österreich geborenen mj. BF7) im Irak geboren und bis zu deren Ausreise im Jahr 2015 in XXXX gelebt haben, basiert auf den glaubhaften Angaben des BF1 und der BF2 in den niederschriftlichen Einvernahmen vom 27.06.2017, sowie auf den nachvollziehbaren Ausführungen der mj. BF3 und der mj. BF4 in den mündlichen Einvernahmen durch die belangte Behörde vom 28.06.2017. Der Aufenthalt des BF1 in Jordanien im Jahr 1998 ergibt sich aus dessen Angaben im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017, die von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurden.

 

Die Konstatierungen zum Wohnbezirk der beschwerdeführenden Parteien im Irak stützen sich einerseits auf die Angaben des BF1 in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017, denenzufolge die Familie in "XXXX" gelebt habe, einem zumindest mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadtviertel XXXX, das nach den Ausführungen des BF1 beschützt wird und jeder, der dort hinein- und hinausgeht auch kontrolliert wird (AS 65 [BF 1]). Diese Angaben des BF1 stehen auch mit den Angaben der BF2 in deren niederschriftlich dokumentierten Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017 und ihren bestätigenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.02.2018 in Einklang. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie (wiederholt) an, dass dieser Stadtteil kontrolliert werde und man ihn nur betreten könne, wenn man sich ausweise.

 

Die zu den im Herkunftsstaat (in concreto in XXXX) lebenden Verwandten des BF1 getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus dessen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017, wonach er in XXXX lebende Geschwister habe, welche zum Teil berufstätig seien und mit denen er auch während seines Aufenthaltes in Österreich ca. einmal im Monat in Kontakt stehe (AS 59 [BF1]). Demnach würden sein Bruder und zwei seiner Schwestern im selben Viertel wohnen, wie die beschwerdeführenden Parteien bis zu deren Ausreise.

 

Die Feststellung der Familienverhältnisse der BF2 im Irak gründen auf ihren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017; demnach sollen sowohl die Mutter der BF2, als auch deren fünf Schwestern in XXXX leben und stehe sie seit ihrem Aufenthalt in Österreich ungefähr alle zwei Wochen über das Internet mit ihnen in Kontakt.

 

Die Wohnsituation der beschwerdeführenden Parteien in XXXX, sowie deren stabile wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat gründen sich auf den Ausführungen des BF1 in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017, wonach es der Familie wirtschaftlich gut gegangen sei, er als Künstler gut verdient habe und die Familie in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus gewohnt habe (AS 59 [BF1]). Diese Angaben stehen mit jenen der BF2 in deren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde im Einklang, wonach die Familie auch ein Auto gehabt haben soll (AS 127 [BF2]). Zudem lassen die Ausführungen des BF1, seine beruflichen Tätigkeiten als Künstler und als Buchhalter betreffend, darauf schließen, dass er durch seine durchgehende Arbeitstätigkeit in der Lage war, für die Familie eine entsprechende Versorgungslage zu schaffen. So sagte er vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig aus, dass seine Frau (die BF2) nicht habe arbeiten müssen, um zum Familieneinkommen beizutragen (PV des BF1 in der Verhandlungsniederschrift des BVwG vom 19.01.2018, S. 20).

 

Die Konstatierungen zum Schulbesuch der mj. BF3 und der mj. BF4 in XXXX gründen auf den entsprechenden Angaben der beiden Beschwerdeführerinnen in den jeweiligen schriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde vom 28.06.2017.

 

2.5. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

 

Die Feststellungen zu den vom BF1 besuchten Sprachkursen, zu der von diesem absolvierten Sprachprüfung und zu dessen Sprachkenntnissen der deutschen Sprache gründen auf der im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Kopie des vom ÖSD (Österreichisches Sprachdiplom Deutsch) ausgestellten Zertifikates (Ausstellungsdatum: 06.12.2016) des Prüfungszentrums XXXX (AS 71 [BF1]), dessen in Vorlage gebrachte Kursbestätigung für den Kurs "Berufsbezogene Deutschkurse für Asylwerbende - Gastronomie" (Ausstellungsdatum: 15.11.2017) der Volkshochschule XXXX (AS 81 [BF1]) und darauf, dass der BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2018 zu erkennen gegeben hat, dass er die deutsche Sprache versteht und teils auch sprechen kann.

 

Seine Aktivitäten in Hinblick auf die Aufnahme einer karitativen Tätigkeit, stützen sich auf das in Vorlage gebrachte Schreiben des Hilfswerkes Familien- u. Sozialzentrum XXXX vom 28.12.2017, sowie auf die vorgelegten Dienstpläne für den Monat Jänner 2018 (AS 85 [BF1]). Nachweise für eine weitere karitative Tätigkeit des BF1 in den vorausgegangenen Jahren 2016 und 2017 wurden nicht erbracht und auch nicht behauptet und war daher davon auszugehen, dass der BF1 vor Jahresende 2017 noch keine Schritte in die Richtung einer ehrenamtlichen Tätigkeit gesetzt hat.

 

Die zu den integrativen Momenten der BF2 getroffenen Feststellungen, insbesondere zu ihren Bemühungen, den Schulabschluss nachzuholen, gründen auf einer psychotherapeutischen Stellungnahme der Leiterin des Programmes "Krisenintervention und Psychotherapie für AsylwerberInnen - SOTIRIA" der Caritas, Diözese XXXX (AS 101 [BF2]).

 

Die Konstatierungen zum Schulbesuch und zur begonnen Ausbildung als Pflegefachassistenz der mj. BF3 gründen auf dem im Akt einliegenden diesbezüglichen Schreiben der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege des XXXX Landesklinikums vom 18.07.2017 (AS 79 [mj. BF3]) und der Schulzeitbestätigung des XXXX Landesklinikums vom 06.12.2017, aus der auch hervorgeht, dass sie den Unterricht durchgehend besucht habe (AS 97 mj. BF3]). Die Konstatierungen zu den bestehenden Freundschaften und Bekanntschaften in Österreich stützen sich auf die Ausführungen der mj. BF3 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 23.02.2018.

 

Die zu den Schulbesuchen der mj. BF4 getroffenen Feststellungen gründen auf den im Akt einliegenden Schulnachrichten, den Schulbesuchsbestätigungen und den Schulnachrichten der NMS und Hauptschule XXXX, jeweils vom Juli 2016 und 2017 und deren diesbezüglich glaubhaften Ausführungen in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.06.2017 (AS 65 ff [mj. BF4]) und ihren ebenfalls diesbezüglich als glaubwürdig zu wertenden Angaben vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018. Eine Konstatierung zu einer etwaigen Mitgliedschaft in einem Boxverein konnte mangels entsprechender Beweismittel (Mitgliedschaftskarte etc.) nicht getroffen werden. Feststellungen zu Freund- und Bekanntschaften sowie ihrem Lebensstil und ihrem Glauben in Österreich gründen sich ebenfalls auf ihren Angaben vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung am 23.02.2018.

 

Die Konstatierungen zu den Schulbesuchen der mj. BF5 und des mj. BF6 und zu deren Kenntnissen der deutschen Sprache ergeben sich aus den jeweils in den Akten einliegenden Schulzeugnissen und Schulnachrichten der XXXX bei XXXX für die Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017 [AS 49 ff [mj. BF5] und AS 68 ff [mj. BF6]) und aus den im Akt einliegenden Schreiben der Direktorin der Volksschule XXXX vom 17.01.2018 (AS 99 [BF1]). Die Konstatierungen zu den Freund- und Bekanntschaften der mj. BF3 und der mj. BF4 und zu deren Lebensstil, zur ihrer westlichen Ausrichtung und zum muslimischen Glauben stützen sich auf die Angaben der mj. BF3 und der mj. BF4 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018.

 

Die Verwendung der deutschen Sprache in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 lässt zwar auf Grundkenntnisse der deutschen Sprache des BF1 und der BF2 schließen, eine tiefergreifende sprachliche Integration konnte darin jedoch nicht erblickt werden. Mangels konkreter Nachweise sonstiger sozialer bzw. ehrenamtlicher Engagements oder Betätigungen in Vereinen oder Verbänden oder weitergehender dementsprechender Bemühungen in den Jahren 2016 und 2017 konnte den beschwerdeführenden Parteien auch keine besondere Integration konzediert werden.

 

Die zur Unbescholtenheit und zu den Wohnsitzmeldungen der beschwerdeführenden Parteien getroffenen Feststellungen gründen auf Auszügen aus dem österreichischen Strafregister sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die Konstatierungen zu dem die BF2 betreffenden Strafantrag der Staatsanwaltschaft XXXX gründen auf dem aktenkundigen Strafantrag vom 24.04.2017 (AS 67 [BF2]) bzw. auf der polizeilichen Meldung der LPD XXXX vom 14.04.2017 (AS 53 [BF2]).

 

2.5. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak: die dazu getroffenen Konstatierungen sowie jene Feststellungen, dass die beschwerdeführenden Parteien in Kenntnis von innerstaatlichen Fluchtalternativen sind, gründen auf den glaubwürdigen, vollständigen und sehr lebensnahen Angaben der BF2 anlässlich ihrer ergänzenden Einvernahme durch das erkennende BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018. So hatte sie insbesondere angegeben, dass es im Irak Gegenden gebe, die ausschließlich von Sunniten bewohnt werden und dass es Gegenden gebe, die ausschließlich von Schiiten besiedelt sind. Parallel dazu gebe es Umsiedlungen von Schiiten und Sunniten, da es zwischen den Angehörigen dieser Glaubensrichtungen seit dem Jahr 2003 Probleme gegeben hätte. Auf die Frage, ob sie mehrheitlich sunnitisch besiedelte Regionen im Irak kenne, nannte sie gleich mehrere Bezirke und Gegenden, darunter auch den eigenen Herkunfts(stadt)bezirk in XXXX, und weitere Regionen des Herkunftsstaates (PV der BF in der Verhandlungsniederschrift vom 23.02.2018, S. 9).

 

2.6. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat in Zusammenhang mit den vorgebrachten Fluchtgründen:

 

2.6.1. Die Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates Irak und zu deren Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen einerseits auf den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor den Vernehmungsorganen der Sicherheitsbehörde im Rahmen der Erstbefragungen vom 26.11.2015 (BF1) und vom 12.10.2015 (BF2) vor den Organen der Sicherheitsbehörden und auf den Ausführungen des BF1 und der BF2 im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde am 27.06.2017. Zudem erschließen sich die vorgebrachten Fluchtgründe der beschwerdeführenden Parteien aus dem Vorbringen in der verfahrensgegenständlichen verbundenen Beschwerde sowie aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlungen am 19.01.2018 und am 23.02.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht dargelegten Ausführungen und dem in Vorlage gebrachten Beweismaterial.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters der beschwerdeführenden Parteien in der Verhandlung vom 19.01.2018, dass die Protokollierung mangelhaft sei, so ist darauf hinzuweisen, dass nach den Bestimmungen der §§ 14, 15 AVG iVm § 17 VwGVG eine aufgenommene Verhandlungsniederschrift den vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand derselben zu liefern geeignet ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 14 Rz 13 ff [Stand 01.01.2014, rdb.at]). Gemäß § 14 Abs. 4 AVG kann die Beweiskraft dadurch gemindert werden, dass die an der Verhandlung teilnehmenden Personen nach Beendigung der Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten in der Niederschrift einwenden. Einwendungen gegen eine den Parteien vorgelegte Niederschrift nach § 14 Abs. 4 AVG sind vor Unterfertigung derselben zu erheben, um zu verhindern, dass die Niederschrift vollen Beweis im Sinne des § 15 AVG liefert (dazu VwGH vom 02.07.2009, Zl. 2009/12/0083).

 

Gemäß § 14 Abs. 3 AVG können binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verhandlungsschrift Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift erhoben werden. Die Verhandlungsniederschrift über die am 19.01.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien nachweislich am Tag der Verhandlung unmittelbar ausgefolgert und gilt sie damit den beschwerdeführenden Parteien als zugestellt (§ 24 ZustG). Die nach Wochen bestimmte Frist nach § 14 Abs. 3 AVG begann am Freitag, den 19.01.2018, zu laufen und endete am Freitag, den 02.02.2018. Die Frist zur Erhebung von Einwendungen gegen die Verhandlungsniederschrift verstrich, ohne dass Einwendungen erhoben worden wären. Abgesehen davon tätigte die anwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Parteien auch in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 keine Protokollrügen und kamen auch keine Anhaltspunkte für etwaige Verständigungsprobleme zwischen den befragten Parteien und dem Dolmetscher hervor.

 

Mit Schriftsatz vom 20.02.2018, beim BVwG am 22.02.2018 eingelangt, erhoben die beschwerdeführenden Parteien erstmals eine Protokollrüge, auf die wegen der eingetretenen Verfristung nicht weiter einzugehen ist. Die Protokollrüge vom 20.02.2018 ist daher nicht geeignet, den Beweis der Echtheit und Richtigkeit der in der Verhandlungsschrift vom 19.01.2018 dokumentierten Fakten zu erschüttern.

 

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018 keinerlei Anhaltspunkte im Hinblick auf etwaige Verständigungsprobleme zwischen den beschwerdeführenden Parteien und der dem Verfahren beigezogenen Dolmetscherin hervorkamen. Diesfalls gaben sie über Befragen durch den vorsitzenden Richter nachweislich an, die Dolmetscherin im gesamten Verlauf der Verhandlung sehr gut verstanden zu haben und bestätigten sie unter anderen diese Angabe mit der Anbringung ihrer Unterschrift auf der Verhandlungsniederschrift.

 

Wie sich aus der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt, hatten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Fluchtgründe der beschwerdeführenden Parteien mehrfach umfassend und im Detail darzulegen und allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurden sowohl der BF1, als auch die BF2 von der belangten Behörde mehrmals zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert und über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

 

2.6.2. Zu den Fluchtgründen des Erstbeschwerdeführers:

 

In der Erstbefragung vom 26.11.2015, in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017 sowie in seiner Beschwerde legte der BF1 im Wesentlichen zusammengefasst dar, dass er von Beruf Musiker sei und einen sunnitischen Vornamen führe. Er sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als auch aufgrund seines Vornamens mehrfach von schiitischen Milizen angegriffen und verletzt worden.

 

Generell ergeben sich bei der Darstellung der beruflichen Tätigkeit des BF1 als Künstler im Laufe seines Vorbringens einige Ungereimtheiten. So gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 27.06.2017 an, er habe nach dem Vorfall im Jahr 2008 als Künstler aufgehört bzw. sich auf private Veranstaltungen beschränkt und habe die künstlerische Tätigkeit erst um das das Jahr 2013 herum wiederaufgenommen, als sich "die Lage beruhigt" gehabt hätte. Diese Angaben stehen zu jenen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2018 gemachten Angaben, dass er in einem Restaurant von 2008 bis 2013 "mit kürzeren Unterbrechungen" gespielt und gesungen hätte, in einem eklatanten Widerspruch.

 

Zu den einzelnen Vorfällen führte der BF1 aus, dass er am 28.05.2008 wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Musiker an einem Kontrollpunkt von Mitgliedern der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq angegriffen, zusammengeschlagen und mit einem Messer im Gesicht verletzt worden sei (AS 9 [BF1]). In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017 gab er jedoch an, dass sich dieser Vorfall auf dem Weg von der Arbeit nach Hause ereignet hätte (AS 63 [BF1]). In der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er dagegen an, dass er auf dem Weg "von der Wohnung zum Arbeitsplatz" an einem Checkpoint angehalten und mit dem Messer im Gesicht verletzt worden, wodurch in Bezug auf den Übergriff ein die Glaubwürdigkeit der Schilderungen des BF1 in Zweifel ziehender, offener Widerspruch zu Tage tritt. Zudem fällt auf, dass er in der Darstellung dieses Vorfalles aus dem Jahr 2008 in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nicht erwähnte, dass er bei dem Übergriff ein Musikinstrument mit sich führte; in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, dass die schiitischen Milizen bereits aufgrund seines sunnitischen Vornamens auf ihn aufmerksam geworden seien. Somit erscheint es zweifelhaft, dass seine berufliche Tätigkeit als Musiker für den ersten Vorfall ursächlich war, zumal auch nicht nachvollzogen werden kann, wie die Milizen von der beruflichen Tätigkeit des BF1 erfahren hätten sollen. Abgesehen davon ließ er unerwähnt, wie die Milizen auf seinen Vornamen aufmerksam hätten werden sollen. Eine Angabe dazu, dass er zur Ausweisleistung aufgefordert worden wäre, fehlt nämlich. Selbst bei Wahrunterstellung des von ihm geschilderten Vorfalls, woran jedoch schon aufgrund der einsilbigen Schilderungen dieses Vorfalles gegründete Zweifel bestehen, lässt sich nicht ausmachen, was letztlich der Auslöser dieses Vorfalles war.

 

Bei der Schilderung eines zweiten, sich angeblich am 23.03.2013 zugetragen haben sollenden Vorfalles soll ebenfalls sein sunnitischer Vorname ursächlich gewesen sein. In der am 27.06.2017 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde führte der BF1 aus, dass man seinen Ausweis verlangt hätte und es danach zum Übergriff gekommen sei (AS 63 [BF1]). Aus der Schilderung der Ereignisse lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass seine Tätigkeit als Musiker bei diesem Übergriff eine Rolle gespielt hätte.

 

Die Angabe des BF1, wegen seiner Tätigkeit als Musiker Übergriffen durch eine Miliz ausgesetzt gewesen zu sein, kann daher nicht nachvollzogen werden und erscheint nicht glaubwürdig, zumal auch seine allgemein gehaltenen Ausführungen zu seiner beruflichen Tätigkeit als Musiker im Zeitraum von 2008 bis 2013 nicht konsistent sind. Der BF1 vermochte dem erkennenden Verwaltungsgericht eine individuelle Verfolgungsgefahr auf Grund seines Berufes nicht glaubhaft darzustellen.

 

Wenn der BF1 weiter vorbringt, dass er in XXXX wegen seines sunnitischen Vornamens Probleme mit schiitischen Milizen gehabt habe, so erscheinen diese Behauptungen im Lichte der Länderfeststellungen nicht gänzlich unglaubwürdig. Wenn der BF1 sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, dass er von 2008 bis 2015 in dem Restaurant, in dem er auch als Musiker gearbeitet habe, durchgehend als Buchhalter tätig war, so erscheint schon deshalb sein Versuch, glaubhaft zu machen, dass er wegen seiner Tätigkeit als Musiker zwei Angriffen ausgesetzt gewesen sei, als unglaubwürdig. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass der BF1 zwei Jahre nach dem behaupteten letzten Übergriff im Jahre 2013 aus dem Herkunftsstaat ausreiste und er sogar noch im Land weilte, als seine Familie bereits ausgereist war.

 

Im Herkunftsstaat lebte er mit seiner Familie (den weiteren Beschwerdeführern) unbehelligt in einem Eigenheim in einem überwiegend von Sunniten bewohnten Stadtteil XXXX. Dort konnte er - trotz seines sunnitischen Vornamens - nach eigenen Angaben "normal" leben (AS 65 [BF1]).

 

Mit seinen Schilderungen konnte er keine individuelle bzw. keine aktuelle oder eine systematisch gegen ihn gerichtet gewesene Verfolgungsgefahr wegen seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung, seines Vornamens und/oder seiner beruflichen Tätigkeit als Künstler glaubhaft machen, zumal es in den beiden Jahren vor seiner Ausreise zu keinen weiteren diesbezüglichen Vorfällen oder Drohungen kam.

 

Dem steht entgegen, dass der BF1 sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2018 mehrfach betonte, dass seine Situation in Bezug auf den sunnitischen Vornamen bzw. seine Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten bzw. seine musikalische Tätigkeit nicht den Ausschlag für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat gebildet hätten (AS 64 [BF1]). Die widersprüchlichen Schilderungen des BF1 zu seiner individuellen Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation erscheinen daher nicht glaubwürdig.

 

2.6.3. Zu den Fluchtgründen der Zweitbeschwerdeführerin:

 

Die BF2 brachte sowohl in ihrer Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde am 12.10.2015 (AS 9 [BF2]), als auch in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2017 (AS 131 [BF2]), als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass sie von 2013 bis 2015 als eine von drei Arbeitnehmerinnen in einem Gastronomiebetrieb namens "XXXX" gearbeitet hätte. Laut ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht sollen ihre Arbeitskolleginnen freizügiger angezogen gewesen, während sie sich stets "brav" angezogen haben soll, womit sie zum Ausdruck brachte, sich den Vorschriften des Herkunftsstaates entsprechend gekleidet zu haben. Das suchte sie zusätzlich mit der wertfrei vorgetragenen Angabe zu untermauern, dass sie auf dem Weg von der Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz bzw. von hier zur Wohnung stets den Hijab getragen hätte.

 

Fluchtauslösend sei ein am 16.04.2015 von Milizen durchgeführter Überfall auf den oben näher bezeichneten Gastronomiebetrieb gewesen, bei dem sie und ihre Kolleginnen beschimpft, geschlagen und verletzt worden seien. Ihnen sei zum Vorwurf gemacht worden, in diesem Lokal als Frauen als Kellnerinnen gearbeitet zu haben, was sie jedoch nicht gedurft hätten (AS 9 [BF2]). Den Schilderungen zufolge ging dem Überfall ein an den Lokalbesitzer adressierter Drohbrief (Beilage ./A) voran, worin dieser zum Schließen des Gastgewerbebetriebes aufgefordert wurde, da dort (wörtlich) "Hurerei und Unzucht" betrieben worden seien (AS 65 [BF1]).

 

Der Angriff soll von schwarz gekleideten Personen ausgeführt worden sein, die die BF2 später der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq zuordnete. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 gab sie an, sich zu Beginn des Angriffes in der Küche aufgehalten haben; als sie aus dem Gastraum laute Geräusche vernahm, begab sie sich dorthin, um nachzusehen. Dort habe sie gesehen, wie schwarz gekleidete Männer das Lokal verwüsteten und Beschimpfungen ausstießen. Sodann habe sie erschrocken aufgeschrien, wodurch die Männer auf sie aufmerksam geworden seien und sie angegriffen hätten. Dadurch sei sie zu Boden gefallen. Danach sei sie aufgestanden und aus dem Lokal geflüchtet. Die im Lokal verbliebenen Gäste hätten ihr und auch ihren Arbeitskolleginnen beim Verlassen des Lokals geholfen. Unmittelbar nach diesem Vorfall sei das Lokal "XXXX" geschlossen worden. In den darauffolgenden Wochen soll eine der ehemaligen Arbeitskolleginnen der BF2 verschwunden sein. Sie soll einige Zeit später ermordet aufgefunden worden sein. Gerüchten zufolge sei der BF2 zu Ohren gekommen, dass auch ihre zweite Arbeitskollegin verschwunden sein soll. Schließlich habe sie Ende September 2015 selbst einen Drohanruf erhalten. Darin seien sie und ihre Töchter mit dem Tod bedroht worden. Dies habe sie dazu veranlasst (ohne ihren Ehegatten, den BF1), gemeinsam mit den Kindern den Herkunftsstaat zu verlassen.

 

Anlässlich ihrer am 27.06.2017 vor der belangten Behörde durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab sie an, dass es sich bei dem Lokal mit der Bezeichnung "XXXX", in dem sie gearbeitet habe, um ein Kabarett für Männer gehandelt habe (AS 131 [BF2]). Anlässlich ihrer am 19.01.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten PV gab sie dagegen an, in einem Kaffeehaus gearbeitet zu haben, das zwar vorwiegend von Männer frequentiert wurde, doch sollen dort auch weibliche Gäste verkehrt haben. Im Widerspruch dazu sprach der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien davon, dass das Kaffeehaus "nur von Männern besucht" worden sei.

 

Neben der Zielgruppe des Lokals vermochte die BF2 auch das Angebot des Lokals nicht widerspruchsfrei darzustellen. So gab sie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 an, dass sich Kaffeehäuser und Kabaretts im Irak durch die angebotene Livemusik und den Ausschank von alkoholischen Getränken voneinander unterscheiden würden. Den zwischen ihren Angaben bestehenden Widerspruch, in einem Kabarett (Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017) bzw. in einem Kaffeehaus gearbeitet zu haben (Angabe vor dem BVwG am 19.01.2018), versuchte die BF2 mit einem Übersetzungsfehler zu erklären. Das überzeugt insofern nicht, als sie in dem über ihre Befragung durch die belangte Behörde angefertigten Protokoll mit ihrer Unterschrift bestätigte, den Dolmetscher immer gut verstanden zu haben (AS 134 unten [BF2]). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sind am 19.01.2018 keine Anhaltspunkte für etwaige Verständigungsprobleme zwischen ihr und dem Dolmetsch hervorgekommen. In Anbetracht der widersprüchlichen Angaben der BF2 ist daher zweifelhaft ob sie tatsächlich in einem Gastgewerbebetrieb gearbeitet hat.

 

Nach ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 gemachten Angaben will sie in einem Kaffeehaus gearbeitet haben und sei dort keine Livemusik dargeboten worden; es seien dort ausschließlich alkoholfreie Getränke angeboten worden. Im weiteren Verlauf dieser Verhandlung gab sie jedoch an, dass in diesem Lokal auch Alkohol ausgeschenkt wurde und sich dieses dadurch deutlich von den übrigen Lokalen in der Umgebung unterschieden habe. Dann sprach sie wiederum davon, dass es sich bei diesem Lokal um ein "ganz normales" Gasthaus gehandelt habe. Anhand der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Ausführungen der BF2 zu ihrem Arbeitsplatz sind Widersprüche zu Tage getreten, die an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Zweitbeschwerdeführerin generell Zweifel aufkommen lassen.

 

Aus den Schilderung der BF2, den Angriff betreffend, ergibt sich nicht, dass dieser wegen des dort beschäftigten weiblichen Personals ausgeführt worden wäre. In der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde gab die BF2 an, man habe während des Überfalles gerufen, dass Frauen diese Arbeit nicht verrichten dürften (AS 9 [BF2]). In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab sie an, dass sie und ihre Kolleginnen zwar beschimpft worden seien, jedoch ließ sie unerwähnt, dass die Angreifer ein Motiv für den Überfall genannt hätten. Diese Ungereimtheit versuchten die beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerdeschrift damit zu erklären, dass es bei der Übersetzung der freien Erzählung der BF2 durch den Dolmetscher zu Ungenauigkeiten gekommen sei. Das ist schon aus den dargestellten Gründen nicht glaubwürdig.

 

Die BF2 stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen darauf, als arbeitende Frau bzw. als Kellnerin/Köchin in besagtem Lokal einer Verfolgung durch die genannte Miliz ausgesetzt gewesen zu sein. Aus dem vorgelegten Drohbrief (er richtet sich ausschließlich an den Lokalbetreiber und nicht auch an die weiblichen Mitarbeiterinnen) geht im Kern hervor, dass er wegen der weiblichen Mitarbeiterinnen, denen unzüchtiges Verhalten zum Vorwurf gemacht wird, das Lokal zu schließen habe, widrigenfalls er bestraft würde. Eine direkt gegen die weiblichen Mitarbeiterinnen des Lokalbetreibers (darunter die BF2) gerichtete Drohung lässt sich dem vorgelegten Drohbrief dagegen nicht entnehmen. In Zusammenschau mit den Länderberichten ist daher auch denkbar, dass der Lokalbetreiber (wie in diesen Gegenden üblich) Opfer einer Schutzgelderpressung geworden sein könnte und nicht gezahlt haben dürfte und der im Drohbrief geäußerte Vorhalt für die Schließung des Lokals nur einen Vorwand gebildet hat.

 

Es ist auch weder nachvollziehbar, noch schlüssig zu erklären, dass der Überfall auf das Kaffeehaus "XXXX" direkt der BF2 oder einer ihrer Arbeitskolleginnen gegolten hätte. Im Zeitpunkt des Überfalls auf das Lokal war die BF2 gerade in der Küche beschäftigt und befand sich nicht im Gastraum, wo der Überfall stattfand. In der PV vor dem BVwG am 19.01.2018 gab sie überdies an, dass sie erst durch den Lärm im Gastraum Nachschau gehalten hätte und so zufällig als Beteiligte in den Überfall einbezogen wurde. Die Verletzungen, die sie beim Überfall davontrug, sind allein ihrer Nachschau und dem Aufschrei geschuldet, der die den Angriff ausgeführt habenden Personen erst auf sie aufmerksam gemacht hatte. Aus ihren Angaben vor dem erkennenden BVwG, dass keiner der schwarz gekleideten Männer in die Küche kam, ist zu schließen, dass sie von den Angreifern nicht gesucht wurde. Sie wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ungeschoren geblieben, wenn sie sich weiter in der Küche aufgehalten hätte.

 

Aus den Schilderungen der BF2 lässt sich auch nicht glaubwürdig entnehmen, dass Angehörige der schiitischen Miliz Asa'ib ahl al Haqq den Angriff ausführten. So hatte sie stets angegeben, dass die Angreifer schwarz gekleidet und nicht erkennbar gewesen wären. Auch erweisen sich ihre Angaben vor der belangten Behörde und vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht als in sich widersprüchlich und daher als unglaubwürdig. So hatte sie in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben, zum Zeitpunkt des Angriffes nicht gewusst zu haben, um wen es sich bei den Angreifern gehandelt hätte (AS 131 [BF 2]); man habe ihr das erst nachher gesagt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG dagegen gab sie an, sie habe diese Miliz im Internet gesehen und "als diese am 16.04.2015 in das Gasthaus kamen" habe sie angenommen, dass es sich um die Männer dieser Miliz handle. Das impliziert, dass die BF2 schon im Zeitpunkt des Überfalls wusste bzw. wissen musste, dass es sich bei den Angreifern um Angehörige der Miliz Asa'ib ahl al Haqq gehandelt habe.

 

Als widersprüchlich erweisen sich auch ihre Schilderungen, was das Prozedere des Angriffs auf das Kaffeehaus "XXXX" betrifft. So gab sie anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass sie einige Zeit nach dem Überfall noch in einem Haus in der Nähe ihres Arbeitsplatzes geblieben wäre, bevor sie mit dem Taxi nach Hause gefahren sei (AS 131 [BF 2]); in der Niederschrift über ihre Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017 findet sich jedoch kein Hinweis, dass sie sich nach dem Überfall in Krankenhausbehandlung begeben hätte. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren legte sie einen zum 17.04.2015 datierten Arztbefund des Krankenhauses XXXX (Beilage ./B) vor, aus dem sich ergibt, dass sie am 16.04.2015 im Krankenhaus aufgenommen und am 17.04.2015 entlassen wurde. In ihrer PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gab sie jedoch an, einen Tag nach dem Vorfall im Krankenhaus gewesen zu sein (PV der BF2 in der Verhandlungsniederschrift vom 19.01.2018, S. 17). Das muss nach ihren Angaben jedoch der 17.04.2015 gewesen sein. Sowohl die Schilderungen vor der belangten Behörde als auch jene vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht lassen sich jedoch nicht mit der vorgelegten Urkunde in Einklang bringen und sind geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der BF2 zu erwecken.

 

Die BF2 stützt ihr Vorbringen, sie werde von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq verfolgt, auf die mit dem Überfall auf das Lokal vermeintlich in Zusammenhang stehende Ermordung einer ihrer ehemaligen Arbeitskolleginnen. Bis die von ihr geäußerte diesbezügliche Vermutung vermochte die BF2 ihre Vermutungen im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft zu machen, dass die Ermordung einer ihrer Arbeitskolleginnen mit dem Überfall im April 2015 in Zusammenhang stehe.

 

Die BF2 konnte im Zuge des Verfahrens zwar eine Sterbeurkunde einer ihrer Arbeitskolleginnen (Beilage ./C) in Vorlage bringen. Daraus ergibt sich, dass diese Kollegin am 13.05.2015 mit Kopfschüssen aufgefunden wurde. Aus der Urkunde ergeben sich jedoch keine Hinweise auf mögliche Täter, sodass nicht gesagt werden kann, ob die Tötung dieser ihrer Arbeitskollegin mit dem Attentat vom 16.04.2015 auf das Kaffeehaus "XXXX" in unmittelbarem Zusammenhang steht. Abgesehen davon waren die Forderungen der Angreifer vom 16.04.2015 (siehe dazu die Beilage ./A) mit der unverzüglich erfolgten Schließung des Kaffeehauses die BF2 erfüllt. Der BF2 ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass zwischen dem gewaltsamen Tod der einen Arbeitskollegin und dem angeblichen, durch nichts belegten Verschwinden der anderen Arbeitskollegin ein Kausalzusammenhang stehe. Die Information, dass auch die zweite Arbeitskollegin der BF2 getötet worden sei, gründet sich nach den eigenen Angaben der Zweitbeschwerdeführerin auf ein Gerücht (AS 9 [BF 2]).

 

Die BF2 stützt diese Annahmen lediglich auf die zeitliche Nähe der vermeintlichen Geschehnisse zum Überfall auf ihren Arbeitsplatz, sie selbst sei jedoch erst im September 2015 bedroht worden. Wenn sie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 23.02.2015 angegeben hat, dass alle Kaffeehäuser in der Gegend, in der sie früher gearbeitet hatte, von der Miliz geschlossen worden seien (Arg.: "Alle diese Kaffeehäuser werden auch in anderen Provinzen geschlossen" (VH vom 23.02.2018)), so steht diese Angabe in einem eklatanten Widerspruch zu ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 19.01.2018, wonach es "jetzt mehr" Kaffeehäuser gäbe, als jenes, in dem sie gearbeitet habe (Arg.: "Ganz normale Speiserestaurants, und Kaffeehäuser, wo lediglich Kaffee und Tee ohne Wasserpfeifen angeboten wird, gibt es genug" [VH 19.01.2018]). Es ist hervorzuheben, dass die beiden Verhandlungen nur etwas mehr als einen Monat auseinander liegen. Ihr Vorbringen, dass zur Zeit alle Kaffeehäuser geschlossen worden wären, kann auch vor der Angabe der BF2 nicht nachvollzogen werden, dass sie diese Informationen einem Video auf einem irakischen Kanal, den sie jedoch nicht zu benennen vermochte, entnommen habe. Die in der letzten Verhandlung erhobenen Behauptungen vermochte sie dem erkennenden Gericht nicht glaubhaft zu machen.

 

Ende September 2015 will die BF2 einen Drohanruf von einer unbekannten Person bekommen haben, die ihr erklärt haben soll, dass sie (Anm.: die BF2) und ihre Töchter "die nächsten seien". Dieser Anruf würde nach dem Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin ihre individuelle Verfolgung im Irak untermauern. Über Befragung durch den vorsitzenden Richter räumte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 ein, dass sie den Anrufer nicht erkannt habe. Selbst wenn die behaupteten - zeitnah nach dem Überfall auf das Kaffeehaus vom 16.04.2015 erfolgten - Übergriffe auf die beiden Arbeitskolleginnen der BF2 im Zusammenhang mit dem Überfall gestanden wären, kann nicht nachvollzogen werden, weshalb ausgerechnet die BF2, die seit dem 16.04.2015 nicht mehr gearbeitet hatte, zur Adressatin eines Drohanrufes wurde. Abgesehen davon hatte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.01.2018 angegeben, sie habe sich bei der Arbeit im Lokal der Norm entsprechend gekleidet und es sei auch bekannt gewesen, dass sie verheiratet ist. Auch habe sie nach ihren eigenen Angaben auf dem Weg zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause stets den Hijab getragen. Die BF 2 führte dazu in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018 aus, dass sie - sieht man vom Vorfall vom 16.04.2015 ab - dort selbst nie Probleme wegen ihrer Arbeit und ihres Erscheinungsbildes gehabt hätte. Auch ergeben sich aus ihrem Vorbringen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie während der Zeit, in der sie im Kaffeehaus beschäftigt war, wegen dieser Tätigkeit Probleme (z.B. Drohungen, Aufforderungen die Arbeit zu beenden) - auch außerhalb der Arbeit - gehabt hätte. Die Beschwerdebehauptung, dass sie Monate nach dem Überfall von der Miliz wegen eines vermeintlich unzüchtigen Verhaltens verfolgt werde, zumal es in den Jahren davor - während ihres aufrechten Arbeitsverhältnisses - niemals zu Schwierigkeiten diesbezüglich gekommen war, erscheint dem erkennenden Gericht weder plausibel, noch glaubwürdig.

 

Zusammenfassend ist somit auszuführen, dass der Überfall auf das Lokal, indem die BF2 gearbeitet hatte, im Lichte der einschlägigen Länderberichte schlicht nicht gänzlich unglaubwürdig erscheint.

 

Allerdings stützen sich ihre Ausführungen zu dem sich nach dem Überfall angeblich entwickelt habenden Verfolgungs- und Bedrohungsszenario durch die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq auf Vermutungen, wie die BF2 selbst einräumt. Bis auf die Darstellung von vagen zeitlichen Zusammenhängen zwischen dem Überfall auf das Kaffeehaus und der Ermordung einer ihrer Arbeitskolleginnen vermochte sie - wie schon ausgeführt - eine Kausalität zwischen diesen Ereignissen nicht glaubhaft zu machen, zumal sie sich bei ihren Ausführungen in den bereits dargelegten Widersprüche verstrickte bzw. in Vermutungen verfing. Hinsichtlich des Verwindens ihrer zweiten Arbeitskollegin räumte sie selbst ein, dass sie davon nur von Dritten gehört habe.

 

Ungeachtet dessen leitete sie für sich ein konkret auf ihre Person gerichtetes aktuelles Verfolgungsszenario ab, das jedoch bereits in seinen Prämissen - dem Überfall auf das Lokal - konturlos bleibt.

 

Der BF2 ist es nicht gelungen, das Vorliegen eines konkreten, individuellen und aktuellen Bedrohungs- und Verfolgungsszenarios glaubhaft zu machen bzw. eine wohlbegründete Furcht nachvollziehbar zu veranschaulichen.

 

2.5.4. Aus den angeführten Gründen waren die Konstatierungen zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien im Rahmen der dem Gericht zukommenden freien Beweiswürdigung zu treffen.

 

Festzuhalten ist weiter, dass es den beschwerdeführenden Parteien nicht gelang, die von ihnen behaupteten Verfolgungs- bzw. Bedrohungsszenarien glaubhaft darzulegen.

 

Anlassbezogen konnte weder eine konkret gegen die beschwerdeführenden Parteien gerichtete Bedrohung noch eine gegen sie aktuell bestehende Gefahr der Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine mögliche Verfolgung wahrscheinlich erscheinen ließen.

 

2.7. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, von den beschwerdeführenden Parteien selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen den beschwerdeführenden Parteien drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

 

3.2.1. Zum Familienverfahren

 

Stellt ein Familienangehöriger eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder eines Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten oder den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, zuzuerkennen.

 

Der mit "Familienverfahren im Inland" betitelte § 34 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

 

3.2.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt einer kausaler Zusammenhang mit einem oder mehrerer dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN und vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0094).

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459 und vom 28.05.2009, Zl. 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286; vom 10.11.2015, Zl. Ra 2015/19/0185 und vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074 und vom 10.11.12015, Zl. Ra 2015/19/0185).

 

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 StatusRL (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes), worunter - unter anderen - Handlungen fallen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK festgelegte Verbot der Folter (VwGH vom 15.12.2016, Zl. Ra 2016/18/0083; vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0113 und vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/18/0080).

 

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, das bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und VwGH vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212 und vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ra 2015/20/0048; vom 21.02.2017, Zl. Ra 2016/18/0171 und vom 23.02.2017, Zl. Ra 2016/20/0089).

 

Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

 

Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 und vom 01.09.2005, 2005/20/0357). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0503; vom 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459; vom 19.10.2016, Zl. 2006/19/0297 mwN; und VwGH vom 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118).

 

Der mit "Innerstaatliche Fluchtalternative" betitelte § 11 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und VwGH vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0036; und vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH vom 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534).

 

Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH vom 29.03.2001, Zl. 2000/20/0539; vom 16.12.2010, Zl. 2007/20/0913 und vom 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH vom 08.09.1999, Zl. 99/01/0126 und vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative ist es Sache der Behörde, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen, und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH vom 09.09.2003, Zl. 2002/01/0497 und vom 08.04.2003, Zl. 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH vom 02.10.2001, B 2136/00).

 

Aufgrund eines "sich Versteckthaltens" kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0295 und vom 20.03.1997, 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH vom 29.10.1998, 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (in etwa VwGH vom 24.01.2008, 2006/19/0985-10 und vom 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

 

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- sowie Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (siehe VwGH vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0620 und vom 26.06.1996, Zl. 95/20/0427).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH vom 21.03.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH vom 19.02.2004, Zl. 2002/20/0075 und vom 24.06.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet (VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; in etwa auch VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0233 und vom 14.11.2017, Zl. Ra 2017/20/0142). Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein, seine politischen oder religiösen Überzeugungen sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH vom 19.12.2001, Zl. 98/20/0299).

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass die beschwerdeführenden Parteien zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat vorbringen, dass sie von schiitischen Milizen bedroht würden und dass selbst bei Wahrunterstellung dieses Vorbringens diese Verfolgung nicht von staatlichen Organen ausgehen würde, oder sonst dem Herkunftsstaat zurechenbar wäre. Bei einer Verfolgung durch Privatpersonen handelt es sich weder um eine von einer staatlichen Behörde ausgehende, noch um eine dem Staat zurechenbare Verfolgung, die von den staatlichen Einrichtungen geduldet würden. Dass sie durch staatliche Behörden verfolgt worden seien bzw. ihnen eine Verfolgung durch staatliche Behörden drohe, haben die beschwerdeführenden Parteien zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erschließt sich, dass die behauptete Furcht des BF1 und der BF2, aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht begründet ist:

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind Angehörige der arabischen Volksgruppe und gehören der muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung an. Als solche sind sie zwar in XXXX im Verhältnis zu den Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft in der Minderheit, jedoch konnte eine systematische Verfolgung und Diskriminierung der Sunniten im Irak durch staatliche Stellen oder Privatpersonen im Lichte der vorliegenden aktuellen Länderberichte nicht festgestellt werden. Im Parlament, als auch generell auf politischer Ebene sind Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vertreten. Sunniten nehmen, trotz der überwiegenden Präsenz schiitischer Milizen, am gesellschaftlichen und politischen Leben im Irak bzw. in XXXX nach wie vor teil. Auch wenn die Kriegsgeschehnisse der vergangenen Jahre zu starken Ressentiments der Glaubensgruppen untereinander geführt haben, welche sich in XXXX schließlich auch in die Bildung von "sunnitischen" und von "schiitischen" Vierteln niedergeschlagen hat, ist es für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft dennoch möglich, im Irak zu leben, zu arbeiten, staatliche und politische Posten zu besetzen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

 

Wenn in der Beschwerdeschrift eine Gefährdung der ganzen Familie im Zusammenhang mit den sunnitischen Vornamen des BF1 und des mj. BF6 behauptet wird, so ist darin nicht nur ein die Glaubwürdigkeit erschütterndes, gesteigertes Vorbringen zu erblicken, sondern ist den beschwerdeführenden Parteien zudem noch entgegen zu halten, dass der BF1 - von zwei behaupteten Vorfällen im Zeitraum zwischen 2008 und 2013 - trotz seines sunnitischen Vornamens ein normales Leben geführt, sich in XXXX frei bewegt und mit seiner beruflichen Tätigkeit ein ausreichendes Familieneinkommen erwirtschaftet hat. Auch räumte er selbst ein, dass eine etwaige Bedrohung auf Grund der Zugehörigkeit seiner Familie zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft für die Flucht nicht ausschlaggebend gewesen sei. In Anbetracht dessen sind die geäußerten Befürchtungen der beschwerdeführenden Parteien vor einer Verfolgung auf Grund ihrer Angehörigkeit zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft - auch im Lichte der sich in der Vergangenheit aufgrund der Glaubenszugehörigkeit zugetragenen Ereignisse - objektiv nicht nachvollziehbar. Außerdem fehlt es an der Aktualität, da sich die letzten relevanten Vorfälle in diesem Zusammenhang im Jahr 2013 zugetragen haben und es dem BF1 zwischen diesen Vorfällen und auch seit dem letzten Vorfall problemlos möglich war, regelmäßig Checkpoints zu passieren, um seiner Arbeit außerhalb seines - zumindest überwiegend von Sunniten bewohnten - Stadtteils nachzugehen.

 

Auch die BF2 vermochte ein individuelles Bedrohungs- und Verfolgungsszenario wegen ihrer Tätigkeit als Kellnerin bzw. als Frau mit westlicher Orientierung durch schiitische Milizen nicht glaubhaft machen. Wenn sie vorgebracht hat, sie sei von der schiitischen Miliz auf Grund ihrer Tätigkeit als Kellnerin verfolgt worden, so ist ihr entgegen zu halten, dass sich der Überfall auf das Kaffeehaus "XXXX" vom 16.04.2015 und die von ihr behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse in keinen Kausalzusammenhang bringen lassen. Ihr ist weiter entgegen zu halten, dass sie während ihrer Tätigkeit im vorbezeichneten Kaffeehaus nie irgendwelchen Problemen ausgesetzt war, dies nicht zuletzt deshalb, da sie sich nach ihren eigenen Angaben den Normen ihres Herkunftsstaates entsprechend verhielt und als verheiratete Muslima bekannt war und sich im Gegensatz zu ihren Kolleginnen geschlossener und weniger "freizügig" kleidete, was ihr auch vor etwaigen Problemen bewahrte. Auch ergibt sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderberichten über die Beschäftigung von Frauen im Irak, dass eine Teilnahme am Arbeitsmarkt grundsätzlich möglich und auch rechtlich zulässig ist, sich als Frau beruflich zu betätigen und dass die Tendenz, im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien Frauen am Arbeitsmarkt zu integrieren, seit dem Jahr 2010 steigend ist. Dem stehen zwar noch gesellschaftliche Ressentiments gegenüber Frauen im Gastgewerbe gegenüber, doch ist auch angesichts dessen, dass sich die BF2 im Rahmen ihrer Arbeit in dem Kaffeehaus an die gesellschaftlichen Bekleidungsvorschriften hielt und sie wegen ihrer Arbeit nie einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt war, nicht davon auszugehen, dass sie auf Grund der von ihr ausgeübten Tätigkeit noch Monate oder gar Jahre nach der Beendigung derselben einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte.

 

Bereits gesetzte Verfolgungshandlungen können als wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr herangezogen werden, doch gelang es der BF2 nicht, gegen sie unmittelbar gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft zu machen. Vielmehr ist anhand der Schilderungen der BF2 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 19.01.2018 davon auszugehen, dass die im Zeitpunkt des Beginns des Angriffs auf das Kaffeehaus in der Küche aufhältige BF2 durch Zufall in die Angriffshandlungen hineingezogen und dabei verletzt wurde. Das ist nicht zuletzt ihrem Verhalten geschuldet, da sie - durch den Lärm im angrenzenden Gastraum aufmerksam geworden - die Küche verließ, um Nachschau zu halten. Aus ihrer Erzählung und auch aus dem Drohbrief (Beilage ./A) ergibt sich, dass Adressat des Angriffs nur der Betreiber des Kaffeehauses "XXXX" bzw. der Arbeitgeber der BF2 sein konnte. Dabei erstreckte sich das Verlangen der Drohbriefschreiber auf die schnellstmögliche Schließung des Kaffeehauses. Eine Schließung der Betriebsanlage konnte, was der Diktion des Drohbriefes zufolge auch den Drohbriefschreibern bewusst war, nur vom Betreiber des Kaffeehauses selbst und nicht auch von den dort tätig gewesenen Kellnerinnen (darunter der BF2) erfolgen. Ihren Aussagen zufolge hatte weder sie, noch ihre Arbeitskolleginnen die Befugnis, über die Öffnung des Kaffeehauses zu disponieren. Nachdem das Kaffeehaus unmittelbar nach dem Angriff geschlossen und nicht mehr geöffnet wurde, waren die Forderungen der Drohbriefschreiber erfüllt (Beilage ./A).

 

Das Verschwinden einer ihrer Arbeitskolleginnen und der Umstand, dass diese im Mai 2015 mit Kopfschüssen tot aufgefunden wurde, sowie der Umstand, dass unbekannt geblieben ist, wer sie erschoss, und die Angabe der BF2, dass sie gehört habe, dass auch ihre zweite Arbeitskollegin verschwunden sei, vermag keinen Konnex zum Überfall auf das Kaffeehaus "XXXX" vom 16.04.2015 bzw. zu einer etwaigen Beteiligung der Miliz Asa'ib ahl al Haqq herzustellen. Gegen die BF2 und die übrigen Familienangehörigen wurden weder vor dem Überfall auf das Kaffeehaus, noch danach irgendwelche Verfolgungshandlungen verübt. Im Hinblick auf den angeblichen Drohanruf, den die BF2 der Miliz Asa'ib ahl al Haqq zuordnen möchte, ist der BF2 entgegen zu halten, dass sie nicht angeben konnte, wer sie überhaupt angerufen hat. Sie vermochte auch nicht glaubhaft zu machen, wie der Anrufer in Kenntnis ihrer Telefonnummer kommen hätte sollen.

 

Im Bewusstsein dessen, dass die politische Lage im Irak und speziell auch in XXXX angespannt und die Sicherheitsverwaltung in XXXX stark schiitisch geprägt ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich beschwerdegegenständlich keine konkrete Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die örtlichen Sicherheitskräfte des Herkunftsstaates der BF2 gegenüber nicht schutzfähig oder schutzwillig gewesen wären. Selbst wenn die Sicherheitsverwaltung XXXX stark schiitisch geprägt sein sollte, gereicht es ihr zum Vorwurf, dass sie keinen Versuch unternahm, sich hinsichtlich des behaupteten Drohanrufes an die örtlichen Sicherheitsbehörden zu wenden. Wenn die beschwerdeführenden Parteien vorbringen, dass die Inanspruchnahme der Hilfe örtlicher Sicherheitsbehörden ohnehin ohne Aussicht geblieben wäre, so ist ihnen zu entgegnen, dass die Einleitung diesbezüglicher Schritte von den beschwerdeführenden Parteien nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen wurde.

 

Wenn der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018 auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung bzw. Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von "westlich orientierten Frauen", die islamische Moralvorstellungen ablehnen, in Zusammenhang mit den minderjährigen Beschwerdeführerinnen abzielte, so ist deren bisherige persönliche Einstellung und Wertehaltung bzw. deren bisheriges Verhalten sowie deren individuelles Fluchtvorbringens zu beachten, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der mj. Beschwerdeführerinnen ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die auf Grund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat verfolgt würden (dazu VwGH vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017-0018 mwN). Damit ist eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, gemeint. Voraussetzung dafür ist, dass diese Lebensführung zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen in einer Art und Weise geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen der Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren. Es sind daher konkrete Feststellungen zur Lebensweise der Asylwerberinnen im Entscheidungszeitpunkt zu treffen und ist ihr diesbezügliches Vorbringen einer Prüfung zu unterziehen.

 

Unter Berücksichtigung der Lebensumstände der minderjährigen weiblichen beschwerdeführenden Parteien im Irak ist zunächst zu bemerken, dass diese allesamt im Irak die Schule besuchten und kein Vorbringen dahingehend erstatteten, dass die Familien väter- oder mütterlicherseits die Ausbildung der beschwerdeführenden Parteien nicht befürworten und unterstützen würden. Aus dem Vorbringen der Eltern der Beschwerdeführerinnen - und zwar des BF1 und der BF2 - geht zudem deutlich hervor, dass diese Lebensstile westlicher Prägung und die Auslebung eines moderaten Islam befürworten und fördern, was zuletzt durch die Berufstätigkeit der BF2 in der Vergangenheit und deren Einstellung zur Kleidungsfreiheit unterstrichen wird. Hinzu kommt, dass auch andere weibliche Familienmitglieder der Familie der Beschwerdeführerinnen berufstätig sind; so übt die Schwester des BF1 den Beruf der Lehrerin aus. Zudem bezeichnen sich die Beschwerdeführerinnen nach wie vor als Angehörige eines (moderaten) Islams sunnitischer Ausrichtung, was auch in Zusammenhang damit zu sehen ist, dass das Durchsetzen von streng konservativ-religiösen Grundsätzen vor allem vermehrt in schiitischen und in vom IS besetzten Gebieten vorkommt. Die beschwerdeführenden Parteien lebten im Irak (XXXX) jedoch in einem überwiegend sunnitischen Viertel. Zudem vermochte sich die BF2 zwei Jahre lang regelmäßig in ein anderes Viertel zu begeben um dort zu arbeiten. Letztlich konnte auch nicht festgestellt werden, dass - trotz des Umstandes, dass das Kaffeehaus, in dem die BF2 beruflich tätig war, überfallen wurde - für sie eine konkrete und individuelle Verfolgungsgefahr auf Grund ihrer Berufstätigkeit oder ihres Lebensstiles mit Ansätzen zu einer westlichen Prägung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit besteht. Im Zusammenhang mit den minderjährigen Beschwerdeführerinnen wurden auch keine entsprechenden Vorkommnisse in der Vergangenheit geschildert, weshalb letztlich auch in Bezug auf diese eine Verfolgungsgefahr aufgrund eines westlich geprägten Lebensstiles nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

 

Im eigenen Vorbringen hat die BF2 hervorgehoben, sie habe im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch Angst um ihre Kinder, vor allem um die Mädchen, da diese gerade in schiitischen Gebieten stets der Gefahr einer Zwangsheirat ausgesetzt seien. Dabei sind vom erkennenden Gericht jedenfalls die dazu ergangenen einschlägigen Länderberichte zu berücksichtigen, denenzufolge im Irak tatsächlich auch Zwangsheiraten von Mädchen unter 15 Jahren - vor allem in ländlichen und schiitisch geprägten Gebieten - vorkommen. In diesem Zusammenhang ist den beschwerdeführenden Parteien jedoch zu entgegnen, dass sie in Bagdad in einem sunnitischen Viertel lebten, in denen die Gefahr einer Zwangsheirat im Lichte der länderkundlichen Berichte am geringsten ist. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Zwang, Mädchen früh zu verheiraten, vor allem von den jeweiligen Familien der Kinder ausgeht. Im gegenständlichen Verfahren sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dahin hervorgekommen, dass die Eltern der minderjährigen BF3, BF4 und BF5 die Intention haben könnten, ihre Kinder in einem frühen Alter zu verheiraten und spricht auch das Vorbingen der BF2 und des BF1 grundlegend gegen eine etwaige Gefahr, dass sie einer Zwangsverheiratung ihrer minderjährigen Töchter zustimmen könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF1 und die BF2 alles daran setzen werden, ihre mj. Töchter vor einer Zwangsverheiratung zu schützen. Auch sind im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte dahin hervorgekommen und auch nicht behauptet worden, dass der BF1 und die BF2 im Irak von Dritten konkret bedrängt worden wären, ihre Töchter gegen deren Willen zu verheiraten.

 

In den allgemein gehaltenen Angaben der beschwerdeführenden Parteien, dass es in den Schulen des Herkunftsstaates zu Beschimpfungen und Gewalt gekommen wäre und die Kinder der Familie im Falle ihrer Rückkehr aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Probleme bekommen könnten, ist kein substantiiertes Vorbringen in Hinblick auf eine individuelle und konkrete Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung zur erblicken.

 

Eine gegen die beschwerdeführenden Parteien gerichtete Verfolgung aus oben genannten Gründen wurde weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

 

3.2.4. Selbst bei einer Wahrunterstellung des Bedrohungs- und Verfolgungsszenarios der beschwerdeführenden Parteien ist zudem relevant, ob derartige Szenarii im gesamten Staatsgebietes des Iraks gegeben sind.

 

Über Befragung gab die BF1 an, dass sie nicht davon ausgehe, dass sich das von ihr vorgebrachte Verfolgungsszenario auf den gesamten Irak erstrecken würde (AS 133 [BF 2]). Die Gründe, die sie gegen eine innerstaatliche Fluchtalternative geltend machte, beziehen sich darauf, dass die beschwerdeführenden Parteien im Nordirak nicht Fuß fassen könnten, da sie dort keinen Bürgen hätten. Zudem würde es ihre sunnitische Glaubensangehörigkeit unmöglich machen, sich in anderen Teilen des Herkunftsstaates niederzulassen. Somit ist festzuhalten, dass seitens der BF2 keine wohlbegründete Furcht im Hinblick auf eine individuelle Verfolgung der beschwerdeführenden Parteien durch die genannte Miliz vorliegt und eine solche Verfolgungsgefahr durch Dritte wegen ihrer Tätigkeit auch bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens objektiv nicht nachvollziehbar ist.

 

Aus den länderkundlichen Feststellungen ergibt sich für das erkennende Gericht zunächst, dass die beschwerdeführenden Parteien weder im südlichen Teil des Irak, z.B. Basra, noch in dem von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten autonomen Teil des Nordirak, der u. a. die Provinzen Erbil und Al Sulaimaniya umfasst, der Gefahr einer individuellen Verfolgung aus religiösen Gründen, sei es ausgehend von staatlichen Organen oder von Dritten, oder allenfalls aus anderen Gründen, ausgesetzt wären. Die angeführten Regionen können nach den aktuellen Länderberichten von irakischen Staatsangehörigen frei betreten werden, was sich in Bezug auf den Nordirak bereits aus den vom BF1 und der BF2 gewählten Fluchtwegen durch diesen Teil des Herkunftsstaates zweifelsfrei ergibt. Um in diese Regionen einreisen zu können, ist es auch nach den länderkundlichen Berichten nicht zwingend notwendig, das Stadtgebiet von Bagdad zu durchreisen, da beide Regionen eigene Flughäfen aufweisen und Flüge über oder von Bagdad aus möglich sind. Auch ist hervorzuheben, dass die BF2 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 23.02.2018 selbst angegeben hat, dass die Provinzen Tikrit, Mossul, Al Faluja und Anbar Gegenden sind, in denen vor allem Sunniten leben und dass auch in diesen - trotz der aufgrund der Kriegshandlungen der vergangenen Jahre wirtschaftlich bislang schwachen Situation in diesen Gegenden - mögliche Fluchtalternativen zu sehen sind.

 

Wenn die beschwerdeführenden Parteien vorbringen, dass es ihnen aufgrund ihrer sunnitischen Glaubenszugehörigkeit in anderen Teilen des Irak nicht möglich wäre, sich dort niederzulassen, so darauf hinzuweisen, dass auch im schiitisch dominierten Südirak eine große Anzahl von Sunniten lebt und arbeitet und dass im Lichte der einschlägigen Länderberichte - auch wenn es stellenweise zu glaubensbedingten Diskriminierungen kommt und in BASRA generell eine höhere Kriminalitätsrate herrscht - eine systematische Verfolgung oder Diskriminierung aufgrund der Glaubensangehörigkeit dort mit maßgeblich hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

 

Wenn die BF2 vermeint, dass im Nordirak zwingend ein Bürge für eine Niederlassung erforderlich wäre, so ist zum einen auf die Länderfeststellungen hinzuweisen, wonach die geforderten Voraussetzungen für die Niederlassung im Nordirak nicht verallgemeinerungsfähig sind. Zum anderen konnte seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen der Länderberichte, z.B. jener der UNHCR, festgestellt werden, dass es in Al Sulaimaniya nicht zwingend notwendig ist, einen Bürgen vorzuweisen, um dort ein Aufenthaltsrecht und eine Arbeitsbewilligung zu erhalten.

 

Die für eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative ebenfalls geforderte Beständigkeit der im fraglichen Gebiet herrschenden Umstände, insbesondere auch hinsichtlich einer Verfolgungsfreiheit, war im Lichte aktueller länderkundlicher Information eine im Wesentlichen stabile Situation innerhalb der genannten Provinzen des Nord- und Südirak feststellbar. So ist insbesondere im Hinblick auf den Südirak, wenn es auch immer wieder vereinzelt zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, von einer stabilen allgemeinen Sicherheitslage auszugehen.

 

Was die zu erwartenden generellen Lebensumstände im Falle einer Einreise in diese Gebiete angeht, war aus den länderkundlichen Informationen des Gerichtes zu gewinnen, dass die große Zahl an Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, die sich im Südirak aber vor allem auch im Nordirak in den letzten Jahren angesammelt haben, sowohl die Kapazitäten der regionalen Behörden als auch der regionalen wie internationalen Hilfsorganisationen in größtem Maße beanspruchten. Die betrifft vor allem auch die Unterbringung und Versorgung des nicht bzw. nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähigen Anteils der Betroffenen.

 

Dennoch gelingt es den Behörden und Organisationen über einen nun schon maßgeblichen Zeitraum von fast drei Jahren hinweg diese Aufgaben jedenfalls in der Form zu bewältigen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. So ist einem einschlägigen Bericht der IOM betreffend irakischer Provinzen und Gemeinden im Zusammenhang mit der Versorgung von Binnenflüchtlingen aus dem Jahr 2016 zu entnehmen, dass sowohl Erbil als auch Al Sulaimanyia und Basra innerstaatlich Vertriebenen die Möglichkeit gibt, Schutz zu suchen, sich niederzulassen, vor Ort medizinische Versorgung zu erhalten und am dortigen Bildungswesen und Arbeitsmarkt teilzuhaben. All dies war nicht nur aus dem Datenmaterial, das zur Entscheidungsfindung herangezogen wurde, abzuleiten, hier ist auf die Auflistung der verschiedenen Unterbringungskapazitäten sowie sonstigen Unterstützungsleistungen in den jeweiligen Provinzen zu verweisen, sondern auch indirekt aus dem Umstand, dass dem Gericht aktuell bzw. schon über einen längeren Beobachtungszeitraum hinweg keine gegenteiligen Informationen bekannt geworden wären, aus den sich ergeben hätte, dass es mangels ausreichender Unterbringung und Versorgung oder auch medizinischer Betreuung im fraglichen Gebiet zu einer maßgeblichen Zahl an gravierenden Menschenrechtsverletzungen unter den Flüchtlingen und Binnenvertriebenen gekommen wäre.

 

Der BF1 ist ein gesunder, erwachsener Mann und verfügt über Schulausbildung sowie langjährige berufliche Arbeitserfahrung im Buchhaltungsbereich. Auch die BF2 ist arbeitsfähig und arbeitswillig vermag es, Berufserfahrung vorweisen. Es konnte auch festgestellt werden, dass es sowohl im Nordirak als auch im Südirak keine Möglichkeiten gebe, eine medizinische Grundversorgung zu erhalten.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass das junge Alter der minderjährigen Kinder der Familie erhöhte Grundbedürfnisse und auch eine gesteigerte Verletzlichkeit der minderjährigen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer mit sich bringt und daher von einer besonderen Situation der beschwerdeführenden Parteien auszugehen ist. Wenn die BF2 geltend macht, dass sie fürchte, ihre Töchter würden in ländlichen und schiitischen Gebieten der Gefahr einer Zwangsheirat ausgesetzt sein, so ist diesbezüglich hervorzuheben, dass die Kinder des BF1 und der BF2 von diesen einen starken familiären und modern geprägten Rückhalt erwarten können. Das Risiko einer Zwangsheirat ist in Städten und in sunnitisch geprägten Regionen geringer, als in den ländlichen, schiitischen Gebieten. Dazu ist auch festzuhalten, dass es nach den länderkundlichen Informationen sowohl in Bagdad als im schiitisch geprägten Südirak Gebiete gibt, in denen viele Sunniten leben und dass die Autonome Region Kurdistan ohnedies stark sunnitisch geprägt ist. Damit stellen diese Regionen auch für die Kinder der beschwerdeführenden Parteien mögliche und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternativen dar. Die Kinder sind mit dem BF1 und der BF2 in einen stabilen und fürsorglichen Familienverband eingebunden und besteht für binnengeflüchtete Kinder - auch für Mädchen - die Möglichkeit, in Regionen des Süd- und Nordirak die Schule zu besuchen und Unterstützung durch internationale Organisationen in Anspruch zu nehmen, sodass auch sie bei einer Rückkehr in den Irak bzw. in die genannten Provinzen nicht mit einer ausweglosen Lage im Hinblick auf die Befriedigung ihrer existentiellen Lebensbedürfnisse zu rechnen hätten. So legt auch der bereits genannte Bericht der Internationalen Organisation für Migration ein besonderes Augenmerk auf die Verhältnisse und Bedürfnisse geflüchteter Kinder. Nach Abwägung aller relevanten Umstände ist eine Unzumutbarkeit der Rückkehr der beschwerdeführenden Parteien, ggf. in eine andere als ihre Herkunftsregion XXXX, zumutbar.

 

Im Lichte dieser Erwägungen war daher zur Einschätzung zu gelangen, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die genannten Regionen mit gewissen Anfangsschwierigkeiten und allenfalls mit Einschränkungen des Lebensstandards konfrontiert sein könnten, diese Einschränkungen aus den Informationen zur Versorgung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen durch die regionalen Behörden sowie die dort aktiven internationalen Hilfsorganisationen diese Einschränkungen des Lebensstandards von Betroffenen aus Sicht des Gerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß erreichen würden, bei dem davon auszugehen wäre, dass diese Personen Gefahr laufen würden in eine vollkommen ausweglose und die Befriedigung ihrer grundlegend notwendigsten Lebensbedürfnisse gefährdende Situation zu geraten.

 

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

 

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Der mit "Status des subsidiär Schutzberechtigten" betitelte § 8 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

 

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

 

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und die Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt besteht, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 und vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; vom 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (z.B. das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; vom 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164 und vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

3.3.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

 

Der BF1 ist ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt darüber hinaus durchaus über einen Schulabschluss und hat einige Zeit an der Universität studiert, ist im Herkunftsstaat einige Jahre lang als Buchhalter erwerbstätig gewesen und war seit 2008 durchgehend erwerbstätig. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er in seinem Herkunftsstaat, dessen Sprache er vollkommen mächtig ist, grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

 

Die BF2 leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion sowie an Bluthochdruck. Im Hinblick auf ihr psychisches Leiden bedarf sie einem Fachgutachten zufolge jedoch keiner dauerhaften medikamentösen Therapie. Den Länderfeststellungen ist entnehmen, dass ihr trotz der angespannten medizinischen Versorgungslage im Herkunftsstaat und den bisweilen unzureichend ausgestatteten Gesundheitszentren im Nord- und im Südirak, eine öffentliche medizinische Grundversorgung, sowie die wesentlichen Medikamente sowohl in XXXX, als auch im Nordirak als auch im Südirak zur Verfügung stehen werden. Sie ist grundsätzlich arbeitsfähig und arbeitswillig und es ist ihr im Lichte der Länderberichte zur Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt im Irak, trotz der nach wie vor bestehenden gesellschaftlichen Ressentiments, grundsätzlich möglich, zur Erwirtschaftung des Familieneinkommens beizutragen, wiewohl das erkennende Bundesverwaltungsgericht nicht übersieht, dass eine Mitwirkung der BF2 vor deren Ausreise aus dem Herkunftsstaat nicht erforderlich war, da es dem BF1 möglich war, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, das der Familie ein Auskommen sicherstellte. Abgesehen davon bestehen selbstverständlich auch für die BF2 entsprechende Erwerbsmöglichkeiten, was sich insbesondere darin manifestiert, dass auch die in XXXX lebende Schwester des BF1 einer Berufstätigkeit nachgeht.

 

Im Hinblick auf die die gesundheitlichen Probleme der BF2 ist zudem auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9 zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. gg. the United Kingdom, EGMR vom 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR vom 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR vom 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR vom 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR vom 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, vom 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, vom 03.05.2007, Appl. 31.246/06). Im zitierten Erkenntnis führt der Verfassungsgerichtshof zusammengefasst aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, um sich dort einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Für den Fall, dass bei ihr eine Behandlung notwendig werden sollte, ist gegenständlich unerheblich, dass diese im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder der Beschwerdeführerin etwas kosten oder kostenintensiver sein sollte, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt.

 

Nur bei einem Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen führt die Abschiebung zu einer Verletzung nach Art. 3 EMRK. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. gg. the United Kingdom).

 

Das psychiatrische Krankheitsbild bzw. der Bluthochdruck der BF2 bedeuten keine Lebensgefahr für sie. Aktuell besteht bei ihr auch sonst keine lebensbedrohliche, im Endstadium befindliche tödliche Krankheit. Derartiges hat die BF2 auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

Vor dem Hintergrund der strengen Judikatur des EGMR kann demnach jedenfalls nicht erkannt werden, dass eine Rückführung der BF2 in den Herkunftsstaat eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die angespannte allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage im Irak im Allgemeinen, sowie die schwierige und komplexe politische Situation im kurdischen Autonomiegebiet, in Bagdad und im Südirak im Speziellen. Dennoch ist hervorzuheben, dass die Sicherheitslage innerhalb der Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich in Dohuk, in Erbil und in Al Sulaimaniyah, durch Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte und Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen stabil ist, ebenso verhält es sich im Wesentlichen auch in BASRA und einigen Gebieten des Südiraks.

 

Die beschwerdeführenden Parteien haben in Bagdad in wirtschaftlich stabilen Verhältnissen gelebt und in einem Haus gewohnt, das in ihrem Eigentum steht und sich in einem überwiegend von Sunniten bewohnten geschützten Stadtteil befindet. Angesichts der in Bagdad wohnhaften Verwandten des BF1 und der BF2 können die beschwerdeführenden Parteien nach ihrer Rückkehr auch von familiärer Seite Hilfestellung erwarten, zumal die beschwerdeführenden Parteien mit ihren Angehörigen in Bagdad (ihrem eigenen Vorbringen zufolge) laufend in Kontakt stehen.

 

Überdies ist im Lichte der bereits getätigten Ausführungen, den berichteten Bemühungen staatlicher Behörden im Süd- und im Nordirak zur Versorgung von Binnengeflüchteten und der Präsenz von internationalen Hilfsorganisationen und deren dokumentierten Augenmerk auf die Lage der Binnenflüchtlinge nicht von einer grundlegend gefährdeten Versorgungslage der beschwerdeführenden Parteien in diesen Regionen auszugehen.

 

Im Lichte dessen kann auch nicht erkannt werden, dass den beschwerdeführenden Parteien - auch in Anbetracht des sehr jungen Alters des mj. BF7 - im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Dies ist auch im Lichte dessen zu sehen, dass weder der BF1, noch die BF2 ein entsprechendes substantiiertes Vorbringen dahingehend erstatteten, dass ihnen im Falle ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und die Familie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

 

Auch für die minderjährigen BF3, BF4, BF5, BF6 und den im Kleinkindalter befindlichen mj. BF7 konnte in Anbetracht der stabilen Verhältnisse innerhalb ihrer Kernfamilie ein solches Risiko nicht konstatiert werden. So sind die Eltern (namentlich der BF1 und die BF2) sichtlich um das Kindeswohl und deren wirtschaftliche Absicherung bemüht und konnten beiden Elternteile bereits vor der Ausreise durch ihre berufliche Tätigkeiten für eine sichere Lebenssituation der Kinder sorgen. Darüber hinaus können die Kinder durch zahlreiche Verwandte im Herkunftsstaat auch auf die Hilfe durch einen erweiterten Familienkreis zurückgreifen.

 

In Anbetracht der familiären Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien, sowie des Gesundheitszustandes und der Erwerbstätigkeit des BF1 und der BF2 vermag das Bundesverwaltungsgericht nicht zu erkennen, weshalb gerade die beschwerdeführenden Parteien im Irak keine Existenzgrundlage vorfinden sollten, oder dort nicht mehr Fuß fassen können sollten.

 

Vor ihrer Ausreise aus dem Irak lebten die beschwerdeführenden Parteien in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus in einem von Sunniten bewohnten und vor der schiitischen Mehrheitsbevölkerung abgeschirmten Stadtbezirk XXXX; im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise dahin hervorgekommen, dass es ihnen im Falle ihrer Rückkehr nicht möglich wäre, wieder bzw. weiter in diesem Haus zu leben und zu wohnen.

 

Abgesehen davon ist es nach den einschlägigen Länderberichten für Binnenflüchtlinge - wenn auch in schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnissen und in einer schlechteren sozialen Stellung - in der Autonomen Region Kurdistan oder in südirakischen Provinzen möglich, Unterkunft zu nehmen und am jeweiligen Arbeitsmarkt, wenn auch nur im Rahmen von Gelegenheitsarbeiten, teilzunehmen. Für die Kinder von Binnenflüchtlingen besteht auch in diesen Regionen grundsätzlich die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und steht auch Mädchen diese Möglichkeiten offen.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453 und VwGH vom 18.07.2003, Zl. 2003/01/0059), liegt beschwerdegegenständlich nicht vor.

 

Zu berücksichtigen ist weiter, dass die beschwerdeführenden Parteien den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten sind und in weiterer Folge auch nicht nachvollziehbar dargelegt wurde, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf die individuelle Situation der beschwerdeführenden Parteien auswirken würde, insbesondere inwieweit die Familie konkret durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die beschwerdeführenden Parteien nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Dies gilt auch für die - aufgrund der Minderjährigkeit der BF3, der BF4, der BF5, des BF6 und des BF7 - höher anzusetzenden Schwelle dieser Maßstäbe angesichts der besonderen Vulnerabilität der Kinder der Familie. Weder droht im Herkunftsstaat direkte Einwirkung, noch durch die Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur, ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

 

Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch sind beschwerdegegenständlich keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Es konnte weder im weder im Rahmen des verwaltungsbehördlichen, noch im Rahmen des vor dem BVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten.

 

3.3.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind. Daher sind die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zu Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide:

 

3.4.1. Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 AsylG 2005 lautet:

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:

 

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

 

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

 

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

 

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

 

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

 

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

 

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

 

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

 

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

 

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

 

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

 

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

 

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

 

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

 

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

 

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

 

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, lautet im Folgenden wörtlich wiedergegeben wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

 

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

3.4.2. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss geprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

3.4.3. Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; vom 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; vom 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; vom 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR vom 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93 und vom 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ [2008], S. 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; und EKMR vom 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR vom 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR vom 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118 und EKMR vom 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, S. 761; Rosenmayer, ZfV 1988, S. 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07 dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

 

 

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR vom 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; vom 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; vom 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05 und EGMR vom 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

 

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant, noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR vom 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR vom 08.04.2008, Nnyanzi v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR vom 16.06.2005, SISOJEVA u.a. gg. Lettland, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf die Einreise und den Aufenthalt in einem Staat; unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht hat, oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR vom 30.11.1999, BAGHLI gg. Frankreich, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso VfGH, VfSlg 10.737/1985 und VfSlg 13.660/1993).

 

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR vom 16.09.2004, Ghiban/BRD; vom 07.10.2004, Dragan/BRD; vom 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH vom 17.03.2005, G 78/04; EGMR vom 08.04.2008, Nnyazi/GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, insbesondere etwa auf die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH vom 02.10.1996, Zl. 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH vom 20.12.2007, Zl. 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch weitere Faktoren, wie insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration, welcher sich durch die Intensität der Bindung zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH vom 29.09.2007, Zl. B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

 

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 07.10.2010, Zl. B 950/10 sind die Frage der Integration einer Familie in Österreich betreffend insbesondere die Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, ein mehrjähriger Schulbesuch von minderjährigen Kindern, gute Deutschkenntnisse und eine sehr gute gesellschaftliche Integration der gesamten Familie zu berücksichtigen.

 

Es ist darüber hinaus als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wann, anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH vom 12.6.2010, Zl. U614/10), die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.

 

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

3.4.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher für den gegenständlichen Fall folgendes:

 

Es konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien (bis auf sich selbst) im Bundesgebiet keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte aufweisen. Auch ergibt sich, dass die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in deren Recht auf Schutz des Familienlebens bildet.

 

Da ein Eingriff in das Familienleben der beschwerdeführenden Parteien zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien aus dem Bundesgebiet ein Eingriff in deren Privatleben einhergeht.

 

Die beschwerdeführenden Parteien reisten Ende des Jahres 2015 rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellten in diesem am 26.11.2015 bzw. am 11.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der mj. BF7 wurde im Bundesgebiet geboren und wurde hinsichtlich dessen am 08.11.2016 im Rahmen des Familienverfahrens ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Seither sind die beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet aufhältig.

 

Während des faktisch ca. zwei Jahre andauernden Aufenthaltes konnten die beschwerdeführenden Parteien nicht in begründeter Weise von einer zukünftigen dauerhaften Legalisierung ihres Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutreten weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN).

 

Weder der BF1, noch die BF2 haben im Bundesgebiet berufliche Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit. Es bestehen auch keine anderweitigen maßgeblichen wirtschaftlichen Interessen. Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien auf dem regulären Arbeitsmarkt eine Erwerbstätigkeit in Aussicht hätten. So befindet sich auch die mj. BF3 noch in Berufsausbildung. Weder der BF1, noch die BF2 gehen in Österreich zum Entscheidungszeitpunkt einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Demgegenüber haben die beschwerdeführenden Parteien bislang von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung gelebt.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht vom 19.01.2018 haben sich trotz Absolvierung von Sprachkursen der deutschen Sprache erhebliche Mängel in der Kompetenz der deutschen Sprache beim BF1 und der BF2 gezeigt. Dem Vorbringen des BF1 ist zu entnehmen, dass er in den Jahren 2016 und 2017 nicht ehrenamtlich tätig war und erst gegen Ende des Jahres 2017 erste Bemühungen gesetzt hat, sich ehrenamtlich zu betätigen. Eine besonders tiefgehende Integration lässt sich in diesen Bemühungen noch nicht erblicken. Zwar bringen der BF1 und die BF2 vor, sie hätten in Österreich viele Freundschaften geschlossen, doch konnte dies zum einen nicht belegt werden und ist zum anderen darauf zu verweisen, dass diese Kontakte im Lichte des unsicheren Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien eine Relativierung hinzunehmen haben.

 

Obwohl der BF1 somit sichtbar Integrationsbemühungen gesetzt hat, die fallgegenständlich zu würdigen waren, bestehen keine Anzeichen im Hinblick auf eine besonders maßgebende sprachliche oder soziale Integration des BF1. Dies gilt ebenso für die BF2, die eine etwaige soziale Integration ebenfalls nicht zu belegen vermochte. Hinweise auf eine im Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der beschwerdeführenden Parteien in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar.

 

Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht und sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt, weshalb diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

 

Bei der im Anlassfall bestehenden Aufenthaltsdauer von lediglich zwei Jahren und ca. zwei Monaten kann noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof selbst bei einer Aufenthaltsdauer von dreieinhalb Jahren von einem kurzen Aufenthalt ausgeht (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

In Anbetracht der Umstände, dass die beschwerdeführenden Parteien (mit Ausnahme des mj. BF7) den überwiegenden Teil ihres Lebens im Irak verbrachten, der BF1 und die BF2 dort über viele bzw. mehrere Jahre lang erwerbstätig waren, ist von einer sprachlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwurzelung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat auszugehen. Im Herkunftsstaat halten sich auch die Angehörigen ihrer Kernfamilie und weiters viele Verwandte auf. Die beschwerdeführenden Parteien sprechen die Mehrheitssprache der Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und deutet nichts darauf hin, dass es ihnen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Daran ändert auch nichts, dass der mj. BF7 im Bundesgebiet geboren ist. Von ihm ist eine rasche Integration im Herkunftsstaat zu erwarten.

 

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH vom 29.04.2010, Zl. 2009/21/0055).

 

Wenn auch alle anderen beschwerdeführenden Parteien bisher strafgerichtlich unbescholten sind, ist die BF2 bereits durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten aufgefallen, welches bei einer Gesamtabwägung zu einer deutlichen Herabsetzung der integrativen Momente der Zweitbeschwerdeführerin führt.

 

Die Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Parteien fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht ins Gewicht. Nach der Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen, noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/18/0420).

 

Zudem geht der VwGH davon aus, dass bei einem Fremden, der sich im Bundesgebiet aufhält, selbstverständlich angenommen werden kann, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.02.2007, Zl. 2006/21/0164, mwN), wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

Im Falle minderjähriger Kinder kann zwar grundsätzlich eine schnellere Verwurzelung dieser im Bundesgebiet angenommen werden und ist auch der Besuch der Schule in die Interessensabwägung miteinzubeziehen, doch vermag im gegenständlichen Fall der kurze Aufenthalt, die Schulbesuche und die begonnenen Ausbildungsverhältnisse noch keine hinreichende Verwurzelung der minderjährigen beschwerdeführenden Parteien in Österreich zu begründen. Die von der mj. BF 3 und der mj. BF 4 in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2018 vorgebrachten Umstände, dass sie gerne Musik spielen und ihre im Bundesgebiet begonnene Ausbildung gern fortsetzen würden, stellen berücksichtigungswürdige Interessen dar.

 

Im Hinblick auf das Hobby des Musizierens ist zu bemerken, dass ihr Vater - der BF 1 - einige Zeit als Musiker in einem Lokal gearbeitet und auf privaten Veranstaltungen musiziert (Anm.: Gesang und Keyboard) hat, woraus abzuleiten ist, dass eine Rückkehr in den Herkunftsstaat keine gänzliche Aufgabe ihrer Ausbildung und ihrer Hobbies bedeuten muss, zumal anzunehmen ist, dass der Vater der mj. BF3 und der mj. BF4 die Ausübung dieses Hobbies auch im Irak fördern würde. Wie die mj. BF3 selbst hervorhebt, gibt es im Irak für sie die Möglichkeit, ihre Berufsausbildung - wenn auch unter schwierigeren Bedingungen (Arg.: "Man müsse die Abendschule machen und das wäre für ein Mädchen schwierig" [VH 23.02.2018]) - fortzusetzen und hat auch die Tante der mj. BF3 und der mj. BF4 den Beruf der Lehrerin ergriffen, ohne dass hervorgekommen wäre, dass sie sich zuvor im Ausland aufgehalten hätte. Zudem ist angesichts der Ausführungen des BF1 und der BF2 in deren Gesamtheit davon auszugehen, dass die mj. BF3 und die mj. BF4 auch diesbezüglich auf familiäre Unterstützung bauen können. Wenn die beschwerdeführenden Parteien vorbringen, dass die mj. BF3 und die mj. BF4 im Irak keine Bewegungsfreiheit mehr in Anspruch nehmen könnten (Schriftsatz vom 21.02.2018), so ist dies keineswegs durch die einschlägigen Länderberichte zum Irak - in dem Frauen auch im Parlament und in Regierungsämtern vertreten sind - gedeckt und ist zudem im Lichte dessen, dass sich die BF2 zwei Jahre lang unbehelligt zu ihrem Arbeitsplatz in einen anderes Viertel begeben konnte, nicht plausibel. In der Zusammenschau überwiegen die privaten Interessen der mj. BF3 und der mj. BF4 das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung eines geordneten Vollzuges des Aufenthalts- und Fremdenrechts, nicht.

 

Auf Grund ihres ca. zweijährigen Aufenthaltes in Österreich kann noch nicht von einer vollkommenen Entwurzelung in Bezug auf den Irak gesprochen werden, zumal ihr Lebensmittelpunkt vor ihrer Ausreise ausschließlich im Herkunftsstaat lag und sie nach wie vor regelmäßigen Kontakt mit ihren im Herkunftsstaat lebenden Verwandten haben. Im Hinblick auf die mj. BF3 und die mj. BF4 ist hervorzuheben, dass diese zum Zeitpunkt ihrer Ausreise in etwa 15 und 14 Jahre alt waren und somit eine grundsätzliche Sozialisierung im Herkunftsstaat erfahren haben, die auch eine Wiedereingliederung möglich erscheinen lässt. Auch im Zusammenhang mit der mj. BF 5, dem mj. BF 6 und dem mj. BF 7 ist auf Grund ihren anpassungsfähigen Alters nicht von der Gefährdung des Kindeswohles auszugehen (siehe dazu VwGH vom 18.10.2017, Zl. Ra 2017/19/0422). Eine Rückkehr der Kinder wird nur im Familienverband erfolgen, weshalb ihnen die Eltern ebenso wie die im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten die Wiedereingliederung im Herkunftsstaat erleichtern können (VwGH vom 21.03.2013, Zl. 2011/23/0360). Bis auf den mj. BF7 sind alle minderjährigen Beschwerdeführer im Irak geboren. Die Kinder verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat, wurden im Irak sozialisiert und haben dort eine große Anzahl von Verwandten. Die mj. BF3, die mj. BF4 sowie die mj. BF5 und der mj. BF6 haben im Irak die Schule besucht. Der mj. BF7 wurde zwar in Österreich geboren, befindet sich jedoch noch in einem anpassungsfähigen Alter.

 

Wegen der nach wie vor bestehenden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat kann auch bei einem relativ kurzen Aufenthalt von ca. zwei Jahren und vier Monaten in Österreich nicht davon gesprochen werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bereits ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären und sich in der Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würden. Es muss daher nicht mit unüberwindbaren Schwierigkeiten im schulischen und beruflichen Bereich gerechnet werden; weitaus größere Herausforderungen konnten die Kinder offensichtlich nach der Einreise in Österreich bewältigen. Dass die minderjährigen Beschwerdeführer der arabischen Sprache nicht mächtig wären, wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht.

 

Zusammenfassend ist also in Anbetracht des erst kurzen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien in Österreich, der fehlenden beruflichen und der nur oberflächlich gebliebenen sprachlichen Integration sowie dem strafrechtlich relevanten Verhalten der BF2 auch angesichts der Bemühungen des BF1 und dessen angestrebter ehrenamtlicher Tätigkeit und der bislang erfolgten gesellschaftlichen Integration der beschwerdeführenden Parteien im Lichte dessen, dass über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale nicht festgestellt werden konnten, insgesamt von einer schwachen Interessenslage der beschwerdeführenden Parteien am Verbleib im Bundesgebiet auszugehen. Demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung eines geordneten Vollzuges des Aufenthalts- und Fremdenrechts, die privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK daher nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet worden, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer gegenständlich unzulässig wäre.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Erklärung einer dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung iSd. § 9 BFA-VG, ist gegenständlich gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 kein amtswegiger Abspruch über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vorzunehmen gewesen.

 

Anlassbezogen liegen auch keine Umstände vor, dass den beschwerdeführenden Parteien von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre. Die belangte Behörde ist nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der beschwerdeführenden Parteien daher zu Recht davon ausgegangen, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen war.

 

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre.

 

3.4.5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung vorliegen, waren die Beschwerden gegen den Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

3.5. Zu Spruchpunkt IV.:

 

3.5.1. Der mit "Frist für die freiwillige Ausreise" betitelte § 55 FPG lautet:

 

"§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

 

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

 

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."

 

Die in Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides festgelegte Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht dem § 55 Abs. 2 FPG.

 

Dass besondere Umstände, die die beschwerdeführenden Parteien bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Diesbezüglich finden sich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift.

 

Im Hinblick auf die gänzliche Abweisung der gegenständlichen Beschwerden war auch nicht weiter auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einzugehen.

 

3.5.2. Daher sind die gegen den Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

 

3.6. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und zum Neuerungsverbot auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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