VwGH Ra 2017/19/0422

VwGHRa 2017/19/042218.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache 1. des K H,

2. der S H sowie 3. der E H, alle in L, alle vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2017, L515 2164602-1/6E, L515 2164601-1/7E und L515 2164608-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §67;
MRK Art8;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber, armenische Staatsangehörige, stellten am 6. März 2014 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der am 26. Juni 2004 geborenen Drittrevisionswerberin.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge der Revisionswerber mit Bescheiden vom 23. Juni 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Die Behörde erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) Rückkehrentscheidungen, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde der Revisionswerber ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revisionswerber führen in der Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst aus, das angefochtene Erkenntnis beruhe auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung und leide an Begründungsmängeln. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung unzutreffend beurteilt. Weiters liege dem angefochtenen Erkenntnis die verfehlte Auffassung zugrunde, dass der Erstrevisionswerber infolge zweier wegen Diebstahls ergangener Anzeigen strafrechtlich nicht unbescholten sei. Den Revisionswerbern sei nicht der gesamte Bericht des von der Behörde beigezogenen Vertrauensanwalts zur Kenntnis gebracht worden, weshalb sie insofern in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden seien. Darüber hinaus sei die Drittrevisionswerberin aufgrund ihres Schulbesuchs und in Anbetracht ihrer hervorragenden schulischen Leistungen in Österreich nachhaltig integriert.

9 Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen.

10 Wenn in der Revision vorgebracht wird, dem Fluchtvorbringen der Revisionswerber sei zu Unrecht die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 10. November 2016, Ra 2016/20/0159, und vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074, jeweils mwN). Im vorliegenden Fall zeigt die Revision einen solchen Mangel nicht auf.

11 Soweit die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, ist ihr zu entgegnen, dass § 21 Abs. 7 BFA-VG das Unterbleiben einer Verhandlung erlaubt, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. zu den Voraussetzungen, wann dies als gegeben anzusehen ist, das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

12 Die Revision stellt zunächst die weder konkretisierte noch anhand des Inhalts der Beschwerde nachvollziehbare Behauptung auf, es sei in der Beschwerde ein neues Vorbringen erstattet worden. Sodann rügt die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht unter dem Gesichtspunkt, dass infolge einer fehlerhaften Beweiswürdigung nicht von einem ausreichend geklärten Sachverhalt auszugehen gewesen wäre. Vor dem Hintergrund der - wie oben dargelegt - schlüssigen Beweiswürdigung der Behörde, der sich das Bundesverwaltungsgericht in ihren tragenden Gründen anschloss, wirft die Revision mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

13 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289, mwH).

14 Daraus ist aber keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Jänner 2016, Ra 2016/21/0233).

15 Wie die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Leitlinien der Judikatur vorgenommene und insofern nicht revisible Interessenabwägung zeigt (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0265), war diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben. Dabei ist hinsichtlich der Drittrevisionswerberin festzuhalten, dass diese zunächst in Armenien die Schule besuchte und ihr Herkunftsland erst im Alter von ca. zehn Jahren verließ. Demnach hat sie ihre grundsätzliche Sozialisierung bereits im Herkunftsland erfahren, was eine Wiedereingliederung in Armenien jedenfalls als zumutbar erscheinen lässt (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055, sowie vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0026).

16 Anders als in der Revision dargestellt, legte das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung die Feststellung zugrunde, dass die Revisionswerber strafgerichtlich unbescholten seien, sodass schon deshalb mit dem Hinweis auf ein fehlendes strafrechtliches Fehlverhalten des Erstrevisionswerbers keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen wird.

17 Wenn die Revision die Verletzung des Parteiengehörs im Zusammenhang mit einer Stellungnahme des im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen Vertrauensanwaltes rügt, verabsäumt sie es, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen, weshalb auch unter diesem Blickwinkel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

18 In der Revision werden folglich keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2017

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