VwGH Ra 2016/21/0233

VwGHRa 2016/21/023326.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des D S (alias A K) in K, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Mai 2016, Zl. G307 2126011-1/4E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs2;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGVG 2014 §24;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016210233.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Gegen den Revisionswerber, einen kroatischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. April 2016 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Ihm wurde in Anwendung des letzten Halbsatzes des § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dem lag unter anderem die Begehung verschiedener Suchtgiftdelikte zugrunde. Deswegen war über ihn mit rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth (Deutschland) vom 6. September 2011 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verhängt worden, weshalb er zwischen 20. Mai 2011 und 7. Jänner 2013 in Deutschland (Justizvollzugsanstalt Bayreuth) in Haft war.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. September 2014 wurde über den Revisionswerber dann wegen des zwischen Anfang 2013 und seiner Festnahme am 6. April 2014 begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 zweiter Fall SMG und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 4 erster Fall SMG (hinsichtlich des genannten Verbrechens betreffend zumindest 570 g Marihuana und 100 g Kokain, hinsichtlich des erwähnten Vergehens betreffend 1.375,7 g Cannabis und 28.9 g Kokain) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verhängt, weshalb er bis zu seiner gemäß § 39 SMG erfolgten Entlassung am 22. Dezember 2014 inhaftiert war.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 30. Mai 2016 wurde der gegen den eingangs erwähnten Bescheid erhobenen Beschwerde insoweit stattgegeben, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

5 In der diesbezüglichen Begründung bezieht sich der Revisionswerber vor allem auf die Unterlassung der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung und vertritt (zusammengefasst) die Meinung, es bestünde in einem Verfahren wie dem vorliegenden eine absolute Verhandlungspflicht, deren Verletzung ohne nähere Prüfung einer Relevanz zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müsse. Auch behauptet er einen günstigen persönlichen Eindruck, den seine Einvernahme zum Verlauf seiner näher dargestellten, seit dem 22. Lebensjahr bestehenden Drogenabhängigkeit hinterlassen hätte.

6 Bei seinen Ausführungen zur Verhandlungspflicht, die mit Judikaten des Verwaltungsgerichtshofes aus 2013 gestützt werden, lässt der Revisionswerber jedoch die am 1. Jänner 2014 in Kraft getretene Regelung des § 21 Abs. 7 BFA-VG außer Acht. Diese Bestimmung erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Aus dieser Regelung, die im Übrigen im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision darzutun (siehe zum Ganzen den hg. Beschluss vom 17. November 2016, Ra 2016/21/0316, Rz 7, mwN).

7 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289, Rz 12, mwH).

8 Daraus ist aber - entgegen der Meinung in der Revision - noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in dem zuletzt genannten Erkenntnis (Rz 15 iVm Rz 12) unter Bezugnahme auf in diesem Sinn ergangene Vorjudikatur dargelegt, dass in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben kann.

9 Von einem solchen sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eindeutigen Fall durfte das BVwG aber hier angesichts der massiven und selbst nach der erwähnten ersten Haftentlassung ohne Unterbrechung und kontinuierlich wiederholten Suchtgiftdelinquenz des - getrennt von seiner österreichischen Ehefrau (über die mit dem erwähnten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. September 2014 wegen - gemeinsam mit ihm begangener - Suchtgiftdelikte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt worden war) lebenden - kinderlosen Revisionswerbers ausgehen. Das gilt umso mehr, weil dieser in Österreich auch nach der Wiedereinreise aus Deutschland keine besonders nachhaltige Integration erlangt hat. Das - infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers - im angefochtenen Erkenntnis unrichtig zitierte Datum der Eheschließung (richtig vom 16. Februar 2005) fällt in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ins Gewicht.

10 Die weiteren Ausführungen in der Revision beziehen sich auf die vom Revisionswerber seit 2014 besuchte Suchttherapie. Dabei übersieht dieser jedoch, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters - unabhängig davon - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014, mwN). Das gilt auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 22. September 2011, Zl. 2009/18/0147, mwN, und darauf Bezug nehmend etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2014, Ro 2014/21/0007, und vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0262). Die Beurteilung des BVwG, die Dauer des Wohlverhaltens sei zu kurz, um auf einen Gesinnungswandel schließen zu können, erweist sich unter Berücksichtigung des Vorlebens nicht unvertretbar.

11 Der Sache nach wird die Zulässigkeit der Revision weiters noch darauf gegründet, bei der Interessenabwägung sei auf näher genannte, für den Revisionswerber sprechende Umstände, etwa seine Absicht, "nach Abschluss ihrer Therapien" wieder zusammen mit seiner Ehefrau eine Wohnung zu nehmen, nicht ausreichend eingegangen worden.

Dazu genügt es darauf hinzuweisen, dass die vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Abwägung im Ergebnis jedenfalls vertretbar ist und auch keinen maßgeblichen Begründungsmangel aufweist. Demzufolge sind die in diesem Zusammenhang relevierten Fragen nicht revisibel (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa den ebenfalls ein Aufenthaltsverbot gegen einen EWR-Bürger betreffenden Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0013, mwN).

12 Insgesamt werden somit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie sich als unzulässig erweist. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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