BVwG L508 2164996-1

BVwGL508 2164996-11.9.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG 1950 §6
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L508.2164996.1.00

 

Spruch:

L508 2164996-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und der Volksgruppe der Punjabi sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 11).

 

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 24.10.2012 (AS 15 - 27) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er und seine Familie in Pakistan gemeinsam mit seinem Onkel und dessen Söhnen gelebt und ein Geschäft betrieben hätte. Es habe eine Streiterei mit anderen Leuten gegeben, wobei seinem Cousin mit einer Flasche auf den Rücken geschlagen worden sei. Er selbst sei von diesen Personen mit einem Schlagring verletzt worden. Man habe sie töten wollen. Bei einer Rückkehr nach Pakistan habe er Angst von diesen Personen getötet zu werden.

 

3. Mit Schreiben des Bundesasylamtes (nachfolgend: BAA) vom 15.03.2013 (AS 41) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich oder im Rahmen der Einvernahme am 28.03.2013 Stellung zu nehmen.

 

4. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.03.2013 (AS 75 - 109) gab der BF bezüglich seines Fluchtgrundes zu Protokoll, dass es einen Streit wegen der mehrmonatigen Aufnahme von christlichen Nachbarn bei ihnen zu Hause gegeben habe. Jemand habe gelogen und die Christen beschuldigt, den Koran verbrannt zu haben. Deshalb sei es in Sangla Hill zu Unruhen gekommen. Man habe ihn deshalb töten wollen und ihm auch vorgeworfen, ein Christ geworden zu sein.

 

Als er nach einem längeren Aufenthalt in Gujranwala nach Sangla Hill zurückgekehrt sei, habe er das Essen in das Geschäft der Familie gebracht. Er sei nur etwa fünf Minuten dort gewesen, dann sei er attackiert worden. Dabei habe er eine Verletzung am Kopf erlitten und sei seine Nase gebrochen worden. Des Weiteren habe man ihm eine zerbrochene Flasche in den Bauch gerammt. Viele der Angreifer hätten über Schlagringe an den Händen verfügt und

 

Stöcke mitgehabt.

 

Die Christenfamilie sei dann nach Karachi gezogen.

 

Er sei auch in Gujranwala ein- bzw. zweimal attackiert worden. Am Rikscha-Stand seien Personen erschienen, die ihn nach seiner Kaste gefragt hätten. Zwei Personen - mit Munition - hätten ihn gefragt, wo XXXX sei. Diese hätten ihn töten wollen, denn sie hätten geglaubt, dass er zum Christen geworden wäre. Er habe dies dann richtig gestellt. Nach einem siebentägigen Aufenthalt in Lahore sei er für längere Zeit zu der Christenfamilie nach Karachi gezogen.

 

5. Mit Schreiben des BAA vom 28.03.2013 (AS 117) wurde der Dokumentenprüfstelle-EASt West der vom BF in Farbkopie vorgelegte pakistanische Führerschein mit dem Ersuchen übermittelt, dieses Dokument auf dessen Echtheit zu überprüfen.

 

Laut Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion OÖ vom 07.02.2014 (AS 209 – 211) könnten derzeit keine gesicherten Ergebnisse hinsichtlich der Authentizität des Führerscheins getroffen werden.

 

6. Mit 15.05.2013 wurde der BF aufgrund der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aus der Grundversorgung Salzburg entlassen (AS 125).

 

7. Am 04.07.2013 brachte der BF beim BAA persönlich ein schriftliches Bescheinigungsmittel in Vorlage (AS 129 [Übersetzung: AS 151, 152]).

 

8. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 19.12.2013 (AS 161) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich oder im Rahmen der ergänzenden Einvernahme am 09.01.2014 Stellung zu nehmen.

 

9. Am 09.01.2014 erfolgte eine ergänzende Einvernahme des BF (AS 195 – 205) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA), in welcher dem BF vor allem Fragen betreffend seine Integration in Österreich gestellt wurden.

 

10. Am 01.04.2014 brachte der BF verschiedene Unterlagen bezüglich seines pakistanischen Führerscheins in Vorlage (AS 217 - 233).

 

11. Mit Schreiben des BFA vom 07.10.2014 (AS 243) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich innerhalb einer Frist von drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

12. Mit Schreiben des BFA vom 16.11.2015 (AS 283) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich innerhalb einer Frist von drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

13. Mit Schreiben vom 09.12.2015 erstattete der Beschwerdeführer eine entsprechende Stellungnahme (AS 319 – 323). Er trat hierbei den vom BFA übermittelten Länderberichten in keiner Weise entgegen, sondern legte unter auszugsweiser wortwörtlicher Zitierung der Länderfeststellungen dar, dass die Sicherheitslage in Pakistan weiterhin prekär sei. Des Weiteren wurde auf die Korruption der Behörden und auftretende Menschenrechtsverletzungen hingewiesen.

 

In der Folge wiederholte der BF, dass ihm von seinen Verfolgern die Abkehr von seiner Religion und die Konversion zum Christentum unterstellt werden würde, da er einer christlichen Nachbarsfamilie Zuflucht gewährt habe. Der Staat sei nicht in der Lage, ihn ausreichend vor Verfolgungshandlungen zu schützen und verfüge er über keine innerstaatliche Fluchtalternative in Pakistan.

 

Was die Integration betrifft, so halte sich der BF seit dem Jahr 2012 in Österreich auf. Er beziehe keine Mittel aus der Grundversorgung, sondern komme selbständig für seinen Lebensunterhalt auf. Er verdiene monatlich durchschnittlich €

1200,-- und lebe in einer selbständig gemieteten Unterkunft. Der BF bemühe sich die deutsche Sprache zu erlernen und habe die österreichische Führerscheinprüfung abgelegt. Die Kontakte zum Herkunftsland seien eingeschränkt und sei er hier in verschiedenen Kontexten sozial eingebunden.

 

Der Stellungnahme sind Unterlagen bezüglich der beruflichen Tätigkeit des BF in Österreich angeschlossen (AS 324 - 342).

 

14. Mit Telefax vom 18.12.2015 übermittelte der BF seinen Mietvertrag und ein Unterstützungsschreiben (AS 346, 348 – 352).

 

15. Mit Schreiben des BAA vom 17.03.2017 (AS 357) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich oder im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 12.04.2017 Stellung zu nehmen.

 

16. Mit Schreiben des BAA vom 14.04.2017 (AS 387) wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen länderkundlichen Feststellungen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich oder im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 23.05.2017 Stellung zu nehmen.

 

17. Am 23.05.2017 erfolgte nochmals eine ergänzende Einvernahme des BF (AS 415 – 435) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Hierbei gab der BF zu Protokoll, dass er keinen Kontakt zu den Christen habe, denen er geholfen habe.

 

Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten landeskundlichen Feststellungen führte der BF aus, dass die Situation in Pakistan ganz anders sei, als in diesen Länderinformationen ermittelt worden sei. Man könne jederzeit auf der Straße erschossen werden. Des Weiteren sei sein Onkel väterlicherseits vor fünf Monaten umgebracht worden.

 

Ferner wurden dem BF zahlreiche Fragen betreffend seine Integration in Österreich gestellt.

 

Im Gefolge seiner Einvernahme brachte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Kursbesuch: "Deutsch für Asylwerbende - Alphabetisierung 3" bei (AS 437).

 

18. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 31.05.2017 (AS 441 - 548) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt (AS 522 - 528).

 

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

19. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017 (AS 555, 559) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

 

20. Gegen den Bescheid des BFA vom 31.05.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 30.06.2017 (AS 585 – 591 [AS 599 – 605]) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

20.1. Zunächst wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

 

* die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

 

* in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen;

 

* in eventu den BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan zuerkennen;

 

* in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 57 AsylG zuerkennen;

 

* sowie die gegen den BF ausgesprochene Ausweisung und Rückkehrentscheidung aufheben

 

* und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

 

20.2. Der BF halte seine bisherigen Aussagen inhaltlich aufrecht. Seines Erachtens ergebe sich aus seinem Vorbringen ein Fluchtgrund. Der BF habe an dem Verfahren soweit es ihm möglich gewesen sei mitgewirkt und alle Fragen beantwortet. Er sei der Meinung, dass er seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren so gut wie möglich nachgekommen sei, das BFA habe es jedoch verabsäumt, den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen. Insoweit wurde in der Folge ausgeführt, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien.

 

20.3. Der BF sei sehr gut integriert, spreche die deutsche Sprache gut und arbeite seit vier Jahren. Der BF lege als Beilage einen Sozialversicherungsauszug der SVA vor.

 

20.4. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

 

21. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

 

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

 

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Punjabi an und ist sunnitischen Glaubens.

 

Die Identität und Nationalität des Antragstellers konnte mangels Vorlage von geeigneten Dokumenten nicht festgestellt werden.

 

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller für Pakistan gebräuchliche Sprachen spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen Staatsangehörigen aus Pakistan handelt.

 

Der von ihm im Verfahren vor dem BFA vorgebrachte Fluchtgrund (Bedrohung und Verfolgung durch private Dritte aufgrund der Unterstützung von Nachbarn christlichen Galubens) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

 

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

 

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

 

Der BF besuchte in Pakistan für acht Jahre die Grundschule und hat seinen Lebensunterhalt anschließend durch die Verarbeitung und den Verkauf von Jutegarn sowie als Rikscha-Fahrer und als Chauffeur bestritten. Der BF verließ Pakistan etwa Ende 2010, verblieb in der Folge für ein Jahr und einige Monate in Griechenland und reiste schließlich schlepperunterstützt im Oktober 2012 illegal nach Österreich ein. Er hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Die Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern des BF leben nach wie vor in Pakistan.

 

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Der Beschwerdeführer hat aufgrund seines mehrjährigen Aufenthalts geringe Deutschkenntnisse. Er hat eine mehrjährige Schulbildung im Herkunftsstaat absolviert. In Österreich hat er keine Bildungsangebote in Anspruch genommen. Der BF brachte lediglich eine Kursbesuchsbestätigung vom 22.05.2017 "Deutsch für Asylwerbende – Alphabetisierung 3" in Vorlage.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich als Zeitungsausträger seit mehreren Jahren beruflich tätig, er leistet jedoch keine offizielle ehrenamtliche Tätigkeit und ist nicht Mitglied in Vereinen. Er verfügt über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis im Inland, wobei er sich mit einem Afghanen und einem weiteren Pakistani eine Wohnung teilt und brachte er eine einzige Unterstützungserklärung in Vorlage.

 

Der BF ist ledig und verfügt über keine Verwandten im Bundesgebiet. Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein gesamtes Leben in Pakistan verbracht hat, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Pakistan festzustellen ist.

 

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan war insbesondere festzustellen:

 

1. Politische Lage

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12 .2016a).

 

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12 .2016a).

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12 .2016a).

 

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12 .2016a).

 

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12 .2016a).

 

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

 

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12 .2016a).

 

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12 .2016a).

 

Katastrophen

 

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

 

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12 .2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

 

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12 .2016a).

 

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12 .2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12 .2016a).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

 

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12 .2016a).

 

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

 

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

 

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

 

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

 

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

 

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

 

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

 

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

 

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

 

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.1. Regionale Verteilung der Gewalt

 

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

 

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh – Karatschi ausgenommen – gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

 

 

 

 

 

 

2.2. Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

 

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

 

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte militante Gruppe in Pakistan. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist Karatschi, besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

 

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).

 

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

 

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

 

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt. Die nationalistischen Gruppen wurden stark geschwächt durch die Sicherheitsoperationen und sind mit internen Krisen geplagt, ihre Anschläge gingen zurück. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, ihre Anschläge gingen allerdings stark zurück, ihre operative Stärke sinkt. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten im Allgemeinen, jedoch ein großer Anteil auch in erster Linie gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

 

 

 

 

 

2.3. Regionale Sicherheitslage Sindh, Problemzonen Karatschi und Innerer Sindh

 

Karatschi ist die Hauptstadt der Provinz Sindh, die größte Stadt Pakistans und die zweitgrößte der Welt. Sie ist die Handels-, Kultur- und Wirtschaftsmetropole Pakistans und beherbergt den größten Hafen Pakistans (KMC o.D.a). Karatschi wird auf mehr als 20 Millionen Einwohner geschätzt (KMC o.D.b).

 

Karatschi bleibt ein lokaler Brennpunkt terroristischer sowie politischer, interethnischer sowie religiös motivierter und krimineller Gewalt einschließlich sogenannter gezielter Tötungen (AA 30.5.2016). Es kommt zu innenpolitisch, religiös, ethnisch oder kriminell motivierten Anschlägen und zu Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 20.3.2017). Es gibt Berichte zu politisch motivierten Tötungen durch die verschiedenen politischen Gruppierungen in Karatschi bzw. Sindh. Die politische, sektiererische und ethnische Gewalt in Karatschi hielt an, allerdings sank sie und die Straßenkriminalität in Form von Gangs war nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 3.3.2017).

 

Eine Operation gegen Terroristen und organisiertes kriminelles Verbrechen in Karatschi durch die paramilitärischen Sindh Rangers und die zivile Sindh Polizei wurde auch 2015 fortgesetzt. Viele Analysten schrieben dieser Operation die signifikante Reduktion der Gewalt zu. Es wurden aber auch Vorwürfe vorgebracht, dass sie die Operationen überproportional auf bestimmte Parteien fokussieren würden (USDOS 2.6.2016).

 

Bei den Einsätzen der Sicherheitskräfte kommen auffällig häufig die Zielpersonen ums Leben, was von offizieller Seite damit begründet wird, dass diese bewaffneten Widerstand gegen den Zugriff der Sicherheitskräfte geleistet hätten. 85 Terroranschläge forderten in Karatschi 2015 150 Menschenleben (AA 30.5.2016).

 

Die Sicherheitskräfte werden im Zuge der Sicherheitsoperationen von Muttahida Qaumi Movement (MQM) beschuldigt, bei Verschwindenlassen, außergerichtlichen Hinrichtungen und Misshandlung ihrer Mitglieder involviert zu sein (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete Karatschi insgesamt 85 Anschläge, ein Rückgang um 61 Prozent zum Jahr 2014. Sie forderten dort 150 Leben – ein Rückgang um 53 Prozent. 25 der Anschläge richteten sich gegen Schiiten und forderten 75 Menschenleben. Angehörige der Sicherheitskräfte und der Rechtsdurchsetzungsbehörden waren häufig Ziel von Anschlägen, drei Anschläge richteten sich auch gegen Medien oder Journalisten, zwei Anschläge gegen politische Führer (PIPS 3.1.2016).

 

Im Jahr 2015 verzeichnete PIPS 102 Terroranschläge in acht Distrikten im Sindh, inklusive Karatschi, ein Rückgang von 59 Prozent. Die Anschläge im Sindh forderten 251 Leben – ein Rückgang von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – 182 davon Zivilisten. Zählt man Karatschi allerdings ab, so erlitt Sindh 101 Todesopfer in 17 Anschlägen, eine Steigerung um 339 Prozent an Todesopfern im inneren Sindh im Vergleich zum Vorjahr (PIPS 3.1.2016).

 

Ein großer Anteil der Todesopfer im Sindh im Jahr 2015 waren Angehörige der schiitischen Gemeinden der Hazara und Ismailiten, die Opfer sektiererisch motivierter Anschläge wurden. 27 solcher Anschläge fanden im Sindh statt, davon 25 in Karachi, einer in Jacobabad mit 27 Todesopfern und einer in Shikarpur mit 63 Todesopfern. Zusammen forderten sektiererisch motivierte Anschläge im Sindh 165 Todesopfer; dies bedeutet eine Erhöhung um 62 Prozent (PIPS 3.1.2016).

 

2016 wurden 60 Menschen in 47 Terroranschlägen in Karatschi und drei Menschen in 7 Anschläge im restlichen Sindh getötet. Damit sanken die Todesfälle im Sindh außerhalb Karatschi um 97 Prozent und in Karatschi um 60 Prozent. Insgesamt sanken damit die Anschläge im Sindh um 47 Prozent. Verletzt wurden im Sindh 104 Personen in Anschlägen. Neben Karatschi war der Sindh von drei Anschlägen in Hyderabad und jeweils einem Anschlag in den Distrikten Khairpur, Larkana, Shikarpur und Sukkur betroffen. Unter den Getöteten waren 35 Zivilisten, 24 Sicherheitskräfte und 4 Militante (PIPS 1.2017).

 

19 der Anschläge im Sindh im Jahr 2016 waren sektiererisch motiviert, davon 18 in Karatschi und einer in Shikarpur. Insgesamt wurden dabei 31 Menschen getötet, 29 davon in Karatschi. Von den sektiererischen Anschlägen in Karatschi richteten sich 11 gegen Mitglieder und Führer der Shia Gemeinde, 6 gegen die sunnitische Gemeinde und ein Anschlag gegen die Bohra Gemeinde (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden im Inneren Sindh 7 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 17 im Jahr davor - davon waren 6 nationalistisch und einer sektiererisch motiviert. Dabei wurden im Inneren Sindh drei Menschen getötet, im Jahr davor waren es 101 Menschen. Verletzt wurden 29 Menschen. Sindhi Nationalistische Terrorgruppen, wie die Sindhu Desh Liberation Army (SDLA) und Sindhu Desh Revolutionary Army, führten 7 Anschläge im Sindh durch (PIPS 1.2017).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.4. Regionale Sicherheitslage Punjab und Islamabad

 

Laut einem lokalen Experten in Pakistan ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans (BFA 9.2015). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 91 Millionen geschätzt. Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016). Auch die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher (BAA 6 .2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016).

 

Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen, ein Rückgang von 41 Prozent bei Terroranschlägen im Vergleich zum Vorjahr sowie ein Rückgang von 34 Prozent an Todesopfern. Unter den Opfern waren 73 Zivilisten, 7 Polizisten und 3 Terroristen. 4 der Anschläge im Punjab waren sektiererisch motiviert. Am meisten betroffen von Anschlägen unter den Distrikten des Punjabs war Rawalpindi mit 5 Anschlägen, die 12 Todesopfer forderten. Die meisten Todesopfer im Punjab gab es in Lahore mit 23 Toten, die Anschläge dort zielten vor allem auf Sicherheitskräfte, Minderheiten, insbesondere Christen und Journalisten (PIPS 3.1.2016). Trotz eines weiteren signifikanten Abfalls in der Zahl der Terroranschläge im Jahr 2016 im Punjab, ging die Zahl der Todesopfer nur um 4 Prozent zurück. So wurden 7 Terroranschläge im Punjab im Jahr 2016 durchgeführt, dabei allerdings 80 Menschen getötet. Dies lässt sich hauptsächlich auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten Anschlag in Lahore vom März zurückführen, der 74 Menschenleben forderte. 6 Distrikte des Punjabs waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, 4 Polizisten und eine Aufständischer (PIPS 1.2017).

 

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology – abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen – dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).

 

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden) (ÖB 10.2016).

 

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten "original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments" sowie "advisory jurisdiction" auf Anruf durch den Staatspräsidenten. Außerdem kann er sich in Fällen von öffentlicher Wichtigkeit auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner breiten Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2016).

 

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u.a. auch als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2016).

 

Zur örtlichen Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts ist anzumerken, dass sich diese gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) erstreckt (ÖB 10.2016); außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen. Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2016).

 

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2016).

 

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 3.3.2017). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf Gerichte: im März und im September jeweils einen Anschlag auf jeweils ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, bei denen 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta auf ein Krankenhaus, in dem sich Anwälte nach Schüssen auf den Präsidenten der Belutschistan Anwaltsvereinigung versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017).

 

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin (AA 12 .2016a). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, kostenintensive Verfahren, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 3.3.2017). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt die Zahl der Richter auf 4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards. Hinsichtlich der Überlastung der Gerichte ist anzumerken, dass in der Provinz Punjab im Jahr 2015 knapp 700 neue Richter (judges und magistrates) eingestellt wurden, die sich derzeit (zum Teil) noch in Ausbildung befinden. Auch heuer soll es zu Neuaufnahmen in ähnlicher Zahl kommen (ÖB 10.2016).

 

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist somit bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem "Verschwindenlassen" von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016a).

 

Die im Rahmen des Nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich (AA 30.5.2016).

 

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und sektiererischer Gewalt (USDOS 3.3.2017). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch für 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Anwendung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Laut International Commission of Jurists wurden bisher 12 derartige Militärgerichte eingerichtet und zumindest 105 Verfahren abgeschlossen, von welchen mindestens 81 mit Schuldsprüchen (77 Todesurteile, davon 12 vollstreckt) endeten (Stand: Juni 2016). Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2016).

 

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 3.3.2017).

 

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 3.3.2017).

 

Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2016).

 

In den Stammesgebieten FATA, die nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion unterliegen und in denen das staatliche pakistanische Recht gemäß der Verfassung nur dann Anwendung findet, wenn dies durch ein Präsidialdekret angeordnet wird, hat sich ein auf dem Stammesrecht (z.B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit den im übrigen Staatsgebiet verbotenen "Jirga"-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 30.5.2016).

 

In Sindh und Punjab hielten feudale Landherren und lokale Führer, in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas – lokale Ratsversammlungen – in Missachtung des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtsysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 3.3.2017).

 

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2016).

 

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in FATA und PATA weiterhin auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Des Weiteren besteht in Fällen sogenannter honour killings oft die Möglichkeit für die Familie des Opfers, dem Täter zu vergeben und diesen so der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen (ÖB 10.2016).

 

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 12 .2016a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 30.5.2016).

 

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst, ISI, einen Inlandsnachrichtendienst, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 30.5.2016). Der ISI wird unter den "Top ten" Geheimdiensten der Welt gelistet (ABC News Point 15.12.2014). Der ISI ist militärisch dominiert und folglich militärisch geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 30.5.2016).

 

Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert – so pro-Demokratie-Aktivisten (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt über geheimdiensttechnisch breit ausgedehnte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

 

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 30.5.2016).

 

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 3.3.2017). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen, sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 30.5.2016).

 

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gab weiterhin ungestraft die Praxis des Verschwindenlassens, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh (AI 23.2.2016). Berichten zufolge werden von einigen Bediensteten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass sich viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan unter den Vermissten befinden. In der Online-Datenbank der Internationalen Stimme für Baloch werden 100 Personen, die angeblich im Laufe des Jahres 2016 entführt wurden, aufgelistet (USDOS 3.3.2017).

 

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 3.3.2017).

 

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

 

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karachi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karachi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden. SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

 

Die Regionalregierung des Punjab führt regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 3.3.2017).

 

Im Jänner 2015 verabschiedete das Parlament als Reaktion auf einen Terroranschlag auf die öffentliche Armeeschule in Peshawar eine Verfassungsänderung, um militärischen Gerichten eine Aburteilung von unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten zu ermöglichen, welche im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen. Dies trifft rückwirkend auch auf bis zu 6.000 zivile Häftlinge zu, welche landesweit in verschiedensten militärischen Operationen seit 2009 festgenommen wurden (Dawn 24.8.2015). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt darüber, dass dieses Gesetz universelle Rechte und Freiheiten der Bürger untergraben würde (USDOS 13.4.2016). Das Anti-Terrorgesetz erlaubt der Regierung, auf spezielle Anti-Terrorismusgerichte zurückzugreifen, um Personen die u.a. terroristische Aktivitäten bezichtigt werden, vor Gericht zu stellen. Die Regierung verwendet weiterhin Militärgerichte um Zivilisten wegen Terrorismus und anderen Verbrechen vor Gericht zu stellen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt für Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 3.3.2017; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter – meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 3.3.2017).

 

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt hingegen Berichte darüber, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 3.3.2017). Auch AI zählt Folter als Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 23.2.2016). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2015 in Haft verstorbenen 65 Strafgefangenen in vier Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 30.5.2016).

 

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

6. Korruption

 

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 30.5.2016).

 

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption von Staatsbediensteten vor. Doch die Regierung implementiert die entsprechenden Gesetze nicht effektiv und Beamte sind häufig in korrupte Machenschaften verstrickt. Korruption ist somit sowohl in der Politik, als auch in der Verwaltung weit verbreitet. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 3.3.2017).

 

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von echten Beschwerden angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Beschwerden akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von anfallenden Gebühren sind ebenso an der Tagesordnung (USDOS 3.3.2017). Gemäß einem Bericht von Transparency International sind die Hauptgründe für Korruption mangelndes Verantwortungsbewusstsein und niedrige Löhne (TI 25.4.2014).

 

Im Corruption Perceptions Index 2015 von Transparency International nahm Pakistan die 117. Stelle von 168 Ländern ein (TI 2015), im Jahr 2016 Platz 116 von 176 (TI 2016).

 

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der Bundesregierung und Behörden, inklusive Ministerien und Gerichte, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte, v.a. vertrauliche, sind davon ausgenommen (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen (AA 30.5.2016). Sie können im Allgemeinen frei agieren (FH 4.12.2016), unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Tangieren ihre Tätigkeiten die staatlichen Sicherheitsorgane, so können Einschränkungen durch diese erfolgen (AA 30.5.2016). NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016).

 

Demzufolge operiert eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen in der Regel uneingeschränkt, führt Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlicht ihre Ergebnisse, während andere Gruppen, welche über Missetaten im Zusammenhang mit der Regierung, dem Militär oder dem Geheimdienst oder in Bezug auf intern Vertrieben oder Konfliktgebiete berichten, zeitweise von Restriktionen betroffen sind (USDOS 3.3.2017).

 

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Kämpfern und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten (BAA 6 .2013).

 

Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2015 zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf Mitarbeiter getötet (AWSD 16.10.2016).

 

Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen, die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 30.5.2016).

 

Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen (TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser Registrierungsvorgang ist für alle nichtstaatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar – so ein Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).

 

Der Freiraum für die Betätigungsmöglichkeiten der NGOs wurde im Jahr 2015 durch die Ankündigungen der Registrierungsmaßnahmen stark reduziert. Einige NGOs wurden aufgefordert, Pakistan zu verlassen, 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine Bedenken, dass NGOs antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren würden (FH 4.12.2016).

 

Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen, sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

8. Ombudsmann

 

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6 .2013). Zum Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eignes Büro für Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und die Anwendung der Internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015). Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und Punjab haben diese eingerichtet, Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan nicht. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

9. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (AA 30.5.2016).

 

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit konkreten Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 12 .2016).

 

Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert. Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 bleibt die Menschenrechtslage in Pakistan kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Schwache staatliche Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führen in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen u.a. extralegale und gezielte Tötungen, sowie das Verschwindenlassen von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 10.1.2017).

 

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). Auch 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

 

3.522 Fälle verschwundener Personen wurden der Kommission im Zeitraum 2011 bis 31.7.2016 zur Kenntnis gebracht und deren Aufklärung beantragt. Gemäß der Kommission wurden 2.105 Fälle abgeschlossen, 1.641 Fälle geklärt und 1.417 Fälle sind noch offen (USDOS 3.3.2017).

 

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Das Militär setzt weiterhin den Nationalen Plans gegen Terror ohne zivile Kontrolle um (HRW 12.1.2017).

 

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Nach Zählung der Human Rights Commission of Pakistan kamen 2015 landesweit 2.108 Personen bei "police encounters" ums Leben. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemie-Fälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 30.5.2016).

 

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Sie dienen als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu stärken, doch ihre Schlussfolgerung entsprachen im Allgemeinen der Regierungspolitik. Das Gesetz zur Nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sieht die Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der Nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wiedereingerichtet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

10. Meinungs- und Pressefreiheit

 

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, es bestehen jedoch Einschränkungen (USDOS 3.3.2017).

 

Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 3.3.2017); die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten (AA 30.5.2016). Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 30.5.2016, vgl. USDOS 3.3.2017). Die Verfolgung von Minderheiten wird behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle werden manchmal zensiert. Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen entgegenstehen. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen. Dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Kritik an der Institution des Militärs oder an den Sicherheitsdiensten kann nur vorsichtig geäußert werden. Andernfalls sehen sich Journalisten und Medienhäuser Repressionen ausgesetzt (AA 30.5.2016). So führen Drohungen, Mobbing, Gewalt und die Ermordung von Pressepersonal auch zu einer Praxis von Selbstzensur in der Medienarbeit. Es gibt auch Berichte zu Tötungen von Journalisten durch Extremisten, aber auch durch Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Journalisten (FH 27.1.2016; vgl. auch USDOS 3.3.2017). Laut Angaben der International Federation of Journalists, wurden 2016 mindestens fünf Personen aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ 17.11.2016).

 

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Diese Gruppen nutzen Einschüchterungen, Entführungen und Morde, auch von Familienmitgliedern, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In den von den Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Vor allem die Provinz Belutschistan bleibt einer der gefährlichsten Orte der Welt für Journalisten. Dort ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt, Journalisten sehen sich Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt und werden nicht selten Opfer von gezielten Anschlägen. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. 2015 wurden nach Angaben der NRO "Human Rights Commission of Pakistan" vier Journalisten und ein Medienmitarbeiter getötet. Daher sind viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA in die Städte Karatschi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus (AA 30.5.2016).

 

Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im April 2016 im World Press Freedom Index 2016 auf Platz 147 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2015 belegte das Land den 159. Rang. Zur Lage der Journalisten im Land gibt RSF folgende Angaben: "Journalisten stehen im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der Nachrichtendienste des Landes. Diese Gruppen stellen für RSF Feinde der Pressefreiheit dar. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als "Sakrileg" zu verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit verbreitet. Dennoch gelten die pakistanischen Medien als die freiesten in ganz Asien, wenn es darum geht, über Querelen zwischen den Politikern zu berichten (RSF 20.4.2016).

 

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit. Diese kann jedoch eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 30.5.2016). Das Gesetz gestattet pakistanischen Bürgern, die Regierung öffentlich oder privat zu kritisieren. Kritik am Militär kann hingegen zu politischen oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen. Darüber hinaus schränken die geltenden Blasphemiegesetze die Rechte des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre ein. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen in einigen Universitäten eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 3.3.2017).

 

Pakistan verfügt über 160 Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016). Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa 90 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 30.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden aber durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt (USDOS 3.3.2017). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 30.5.2016). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 3.3.2017).

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 30.5.2016).

 

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in Karachi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017). 2015 kamen in diesem Zusammenhang landesweit 81 Menschen ums Leben (AA 30.5.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir verbietet Aktivitäten, die nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Oppositionelle werden überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In Azad Jammu und Kashmir wird vor allem im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten von willkürliche Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte berichtet (FH 4.12.2016).

 

In Azad Kaschmir sind politische Aktivisten welche verdächtigt werden, in sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzten, sind Ziel von Überwachung, Belästigung und mitunter auch von Inhaftierungen (FH 4.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

12. Haftbedingungen

 

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 3.3.2017).

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und der Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Die Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 88 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 46.500 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber 80.169 Personen (Ende 2014) untergebracht; die Belegungsquote liegt bei 171,6 Prozent (leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen. Ungefähr 70 Prozent der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 30.5.2016).

 

Die Bedingungen in einigen Gefängnissen und Haftanstalten sind als hart und lebensbedrohlich zu bezeichnen. Unzureichende medizinische Versorgung und eine unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führt zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 3.3.2017).

 

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2015, dass nach Beobachtung der Medien in diesem Jahr in den pakistanischen Gefängnissen 65 Personen starben. 46 dieser Häftlinge verstarben durch verschiedene Krankheiten während vier Häftlinge durch Folter seitens der Wärter und einer durch Gewalt anderer Häftlinge in den Gefängnissen umkamen (UKHO 6.2016).

 

Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2014 auf 1.683 (2,1 Prozent der Inhaftierten). Weibliche Gefangene sind speziell Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen. Es gibt eigene Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 30.5.2016).

 

Im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa sind die weiblichen Gefangenen in unmittelbarer Nähe der männlichen Strafgefangenen untergebracht. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen – etwa bei Gefängnisunruhen – dar (Dawn 27.2.2016).

 

Jugendgefängnisse existieren nicht. 2014 gab es 1.362 jugendliche Strafgefangene. Bürokratische Hindernisse, Korruption und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen, als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 30.5.2016). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 3.3.2017).

 

Durch den Staat, vor allem das Militär wurden im Swat Tal, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkwa einige "Deradikalisierungszentren" betrieben. Darüber hinaus wurde unter der Bezeichnung "Weibliche Emanzipation und Qualifikations-Training" ein Programm für Frauen im Swat-Tal errichtet (BFA 9.2015).

 

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten nur unregelmäßig. Behörden verweigern Internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan. Die Regierungen (Landesregierungen?) von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 3.3.2017).

 

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

13. Todesstrafe

 

Die Regierung erließ im Jänner 2015 im Zuge des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehende Zivilisten den Prozess zu machen (USDOS 3.3.2017). Die Regierung hat somit das 2008 von der Vorgängerregierung verfügte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe zunächst am 17.12.2014 für wegen terroristischer Straftaten Verurteilte und am 3. 3.2015 umfassend aufgehoben (AA 30.5.2016). Auch angesichts der internationalen Opposition gegen die Aufhebung des Moratoriums hält die Regierung daran fest, dass die Todesstrafe das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus sei (Dawn 22.12.2016).

 

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Besitz von und Handel mit mehr als ein kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile somit auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mindestens fünf Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016).

 

Bis März 2016 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen mindestens 444 Gnadengesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen an den pakistanischen Präsidenten geschickt (Dawn 22.12.2016). Seit Aufhebung des Moratoriums hat der Staatspräsident jedoch in keinem Fall einem Gnadengesuch stattgegeben. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Staatspräsident bei der Ablehnung von Gnadengesuchen auf eine Prüfung des Einzelfalls verzichtet. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar (AA 30.5.2016).

 

Im Zeitraum von 17.12.2014 bis zum 30.4.2016 wurden etwa 400 Personen hingerichtet. Eine Vielzahl der Verurteilungen steht dabei in keinem Zusammenhang mit terroristischen Delikten (AA 30.5.2016). Amnesty International zählte 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen (AI 6.4.2016). In der Zeit seit der Aufhebung des Moratoriums im Dezember 2014 wurden mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016). Die Human Rights Commission of Pakistan zählte für 2015 in Pakistan insgesamt 419 verhängte Todesurteile. Die Gesamtzahl der zum Tode Verurteilten in pakistanischen Gefängnissen liegt weiter bei ca. 8.000 – die größte Anzahl an Menschen "on death row" weltweit (AA 30.5.2016; vgl. auch AI 23.2.2016). 2014 wurden mindestens 231 Personen zum Tode verurteilt und sieben Exekutionen durchgeführt (AI 4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

14. Religionsfreiheit

 

Laut CIA World Factbook sind 96,4 Prozent der geschätzt rund 202 Millionen Pakistanis offiziell Muslime, davon 85-90 Prozent Sunniten und 10-15 Prozent Schiiten (CIA 12.1.2017). USDOS geht anhand der jüngsten Volkszählung aus dem Jahr 1998 davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. 75 Prozent dieser muslimischen Bevölkerung werden offiziell als Sunniten und 25 Prozent als Schiiten angeführt. Die restlichen 5 Prozent machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-9 Millionen Anhänger (USDOS 10.8.2016).

 

Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder ein unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der letzten Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6 .2013).

 

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016). Die Verfassung weist den Staat an, die Rechte der Minderheiten zu schützen und verbietet Diskriminierung in verschiedenen Bereichen (USDOS 10.8.2016). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken jedoch die Religionsfreiheit ein, besonders für Religiöse Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung inkonsequent war bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten und es gibt weiterhin Diskriminierung der Minderheiten (USDOS 10.8.2016).

 

Die Lage der religiösen Minderheiten (vor allem Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 12 .2016a). Religiöse Minderheiten und sunnitische Muslime, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban. 2015 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen betroffen (USCIRF 4.2016). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

 

Im Zeitraum 2012-2015 wurden in Pakistan laut Jinnah Institut mindestens 543 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet. Es kam zu 288 Angriffen auf Schiiten, 91 Attacken auf Hindus, 88 auf Christen und 76 auf Ahmadiyas (SATP 5.3.2017). Laut PIPS wurden 2016 in fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet. Verwundet wurden bei diesen Anschlägen 236 Personen [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich nur auf Nicht-Muslimische Minderheiten; die Zahlen inkludieren allerdings Ahmadis] (PIPS 1.2017). Besonderes Angriffsziel radikalsunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan (AA 12 .2016a).

 

Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei aufgehalten werden können (USDOS 10.8.2016).

 

Die Polizei versagt oft dabei, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, Ahmadiyya, Schiiten und Hindus vor Angriffen zu schützen (USDOS 3.3.2017). Die begrenzte Kapazität und der eingeschränkte Willen der Regierung, Täter, die für Übergriffe gegen religiöse Minderheiten verantwortlich sind, zu verfolgen und verhaften, lässt ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 14.10.2015). Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 3.3.2017).

 

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den achtziger Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragraphen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 12 .2016a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und "Anit-Ahmadi" Gesetze (USDOS 10.8.2016). Auch die Gerichte versagen oft darin, die Rechte der Minderheiten zu schützen. Gerichte wenden die Blasphemiegesetze diskriminierend gegen Christen, Ahmadis Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten an (USDOS 3.3.2017).

 

Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Individuen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch versagen die unteren Gerichte noch dabei, grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen einzuhalten (USDOS 10.8.2016).

 

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Um diese Aktivitäten zu reduzieren wurde vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es – wenige, aber einflussreiche – Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden (USDOS 14.10.2015). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der Nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die sowie die Bewegungsfreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird Vorstellungen und Ideen zu verbreiten, welche nicht im Einklang mit der herrschenden Gesetzeslage stehen, zu verbreiten (USDOS 10.8.2016).

 

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Implementierung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und ferner, dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh, unternahm die Provinzregierung Initiativen, um die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten zu fördern. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

 

Prinzipiell hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen nicht daran Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt auch keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch dürfen ihre Gebetstätten nicht als Moschee bezeichnet werden. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 10.8.2016).

 

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung. Im staatlichen Bereich, sowohl auf nationaler als auch auf Provinzebene, gilt eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht umgesetzt (USDOS 10.8.2016). Auch der Karrieremöglichkeiten von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist Berichten zufolge begrenzt (USDOS 14.10.2015). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).

 

Mit Juli 2013 ist das frühere eigenständige Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie ein Teil des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten geworden (USDOS 28.7.2014). Das Budget des Ministeriums dient als finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten, zur Renovierung von Glaubensstätten, für Entwicklungsprojekte für Minderheiten, Stipendien für Angehörige der Minderheiten und der Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 10.8.2016). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 30.5.2016).

 

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert – je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Diese Sitze werden von den gewählten Parteien an Minderheitenangehörige vergeben (USDOS 10.8.2016). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15. Ethnische Minderheiten

 

Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2016 auf über 202 Millionen Menschen geschätzt und setzt sich wie folgt zusammen:

Punjabi 44,68 Prozent, Paschtunen (Pathan) 15,42 Prozent, Sindhi 14,1 Prozent, Saraiki 8,38 Prozent, Muhajirs 7,57 Prozent, Belutschen 3,57 Prozent, andere ethnische Gruppen 6,28 Prozent (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat. Die Armee wird v.a. durch Punjabis dominiert. Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Es kommt zu sozialen Diskriminierungen, unter anderem gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten (USDOS 3.3.2017).

 

In Karatschi kommt es immer wieder zu Gewalt von und zwischen den radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People‘s Party) (PIPS 1.2017). Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Die Sicherheitskräfte gehen verstärkt gegen die radikalen Flügeln der Parteien vor, wodurch deren Kapazitäten geschwächt wurden (PIPS 1.2017).

 

Die MQM wirft den Sicherheitskräften vor, in diesen Sicherheitsoperationen 61 Mitglieder getötet zu haben, während 171 Mitglieder vermisst werden. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 3.3.2017)

 

Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

16. Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 3.3.2017).

 

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde im Jahr 2015 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie bewaffneten Konflikten, militärischen Operationen in der FATA, gezielte Angriffe, Ausgangssperren und interne Vertreibung sowie Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. 2015 kehrten immer mehr Menschen – welche im letzten Jahrzehnt wegen des bewaffneten Konflikts zwischen den Sicherheitskräften und militanten Extremisten gezwungen waren, aus den staatlich verwalteten Stammes-Bereichen der FATA zu fliehen - wieder zurück. Viele andere konnten aufgrund der prekären Situation in der konfliktbeladenen Gegend noch nicht wieder zurückkehren (HRCP 3.2016).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 30.5.2016).

 

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazaras (ca. 3 Mio.), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazaras nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazaras aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 30.5.2016).

 

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen – wie oben dargestellt – innerstaatliche Fluchtalternativen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, KP, und New Durrani, FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs gemäß Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisation als besorgniserregend dar. Wiewohl die Rückkehr sowohl afghanischer Flüchtlinge, als auch intern vertriebener Pakistani in diesem Jahr stark zugenommen hat, erscheinen die diesbezüglichen Zielvorgaben der Regierung zumindest optimistisch, zumal die Sicherheitslage im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet – trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren – zuletzt wieder heikler geworden ist (ÖB 10.2016).

 

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

17. IDPs und Flüchtlinge

 

17.1. IDPs

 

In Pakistan befanden sich neben der beträchtlichen Flüchtlingspopulationen aus Afghanistan Anfang des Jahres 2016 etwa 1,2 Mio. (registrierte) aus den Federally Administered Tribal Areas (FATA) und der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP; vormals North Western Frontier Province, NWFP) vertriebene Personen (Internally Displaced Persons, IDPs), von welchen lediglich rund 18.000 in eigens eingerichteten IDP-Camps untergebracht waren. Rund ein Drittel der registrierten IDPs soll Schätzungen von UNOCHA zufolge keinen Zugang zu Trinkwasser haben, zwei Dritteln fehlt es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betreffen die oft inadäquate Unterbringung, die mangelnden Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die unzureichende Infrastruktur. Im Zuge einer groß angelegten Rückführungsaktion in die Stammesgebiete sind seit März 2015 bisher – nach dem weitgehenden Ende der Militäroffensiven gegen Terroristen und Extremisten über 194.000 Familien in ihre Dörfer zurückgekehrt, womit noch rund 109.000 Familien vertrieben bleiben. Hinzu kommen noch ca. 3.5 Mio. von Naturkatastrophen (v.a. Überflutungen) betroffene Personen (ÖB 10.2016).

 

Die hohe Anzahl an Vertriebenen resultiert aus den Aktivitäten militanter Gruppen und den militärischen Operationen in den FATA (USDOS 3.3.2017).

 

Die Mehrheit der IDPs stammen aus den FATA. Gründe für die Vertreibung von Menschen aus den Provinzen KP und den FATA sind Konflikten, militärische Operationen und religiös motivierte Gewalt. Am Höhepunkt der Vertreibung im Jahr 2014 wurde die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge in den FATA auf etwa 1,4 Millionen Personen geschätzt. Vom Beginn der Krise bis Juni 2016 hat die nationale Datenbank und Registrierung Berechtigung (NADRA) 210.714 Flüchtlingsfamilien überprüft und registriert, welche nach Nord-Waziristan, Süd-Waziristan Khyber, Kurram und Orakzai zurückgekehrt sind. Diese Zahl von Binnenflüchtlingen beinhaltet jedoch nicht beträchtliche Anzahl von 117.508 innerstaatlichen Flüchtlingen, welche zwar zurückgekehrt waren, jedoch während des Zeitraumes der Vertreibung nicht registriert worden sind (GPC 8.2016).

 

Bei der Registrierung der IDPs war die Regierung mit Herausforderungen konfrontiert. Oft ist es schwierig festzustellen aus welchen Gegenden die Menschen fliehen und aus welchen Gründen. Jedoch wurde von einem lokalen Experten im Zuge der Fact Findung Mission des BFA 2015 berichtet, dass die Regierung bei der Registrierung der IDPs im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat. Es gibt aber auch lokal geführte Organisationen, wie Zalan Communications, die eine Hotline für Beschwerden der IDPs eingerichtet haben (BFA 9.2015)

 

Bei der Registrierung innerstaatlicher Flüchtlinge (IDPs) von NADRA müssen die Computerized National Identity Card (CNICs) vorgewiesen werden. Doch besaßen einige der Vertriebenen nie eine solche. Vor allem Frauen und Kinder waren davon betroffen. Gründe dafür liegen etwa im Verlust der CNICs während der Flucht, oder aber weil viele Frauen, oder Haushalte unter der Leitung von Frauen nicht registriert worden sind. Auch waren einige Stammesführer gegen eine Registrierung von Frauen (GPC 8.2016).

 

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren. Das bedeutet, die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die IDPs zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig. UNHCR und andere Organisationen unterstützen die Regierung dabei (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014).

 

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen bei der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge (USDOS 3.3.2017).

 

Die durch die Konflikte vertriebenen Personen finden gewöhnlich bei Gastfamilien, in gemieteten Objekten oder in geringerem Ausmaß in IDP-Camps Unterkunft. Etliche IDPs ließen sich auch in informellen Siedlungen außerhalb der großen Städte wie Lahore und Karachi nieder (USDOS 3.3.2017).

 

Die soziale und wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge in den Flüchtlingsdörfern, v.a. aber in den Ballungszentren der Großstädte, wo pakistanische Binnenvertriebene regelmäßig Zuflucht suchen, ist schwierig (AA 30.5.2016).

 

Mit Stand 7.3.2017 sind seit März 2015 insgesamt 237.699 Familien in die FATA zurückgekehrt. 66.472 Familien sind derzeit noch vertrieben (OCHA 7.3.2017).

 

Gemäß OCHA sind seit 2015 75 Prozent der intern Vertriebenen in die FATA zurückgekehrt und 89 Prozent traten den Weg zurück in die Khyber Agency an. 72 Prozent der IDPs sind in die North Waziristan Agency und 64 Prozent aus der South Waziristan Agency zurückgekehrt. 77 Prozent der intern Vertriebenen kehrten in die Khurram Agency zurück und 66 Prozent traten den Weg zurück in die Orakzai Agency an (USDOS 3.3.2017). In 11 Prozent der rückgekehrten Familien stellten die Frauen das Familienoberhaupt (OCHA 7.3.2017).

 

Verbleibende Landminen und Sprengkörper in den von Kämpfen betroffenen Gebieten in den FATA einschließlich Nordwasiristan stellen ein Sicherheitsrisiko für die rückkehrende Zivilbevölkerung dar (SFH 2.5.2016).

 

Es liegen keine Berichte über unfreiwillige Rückkehr vor. Angeblich wollten trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur viele Vertriebene heimkehren. Für Binnenvertriebene, welche nicht willens oder nicht in der Lage waren zurückzukehren, koordiniert die Regierung mit dem UNHCR und anderen internationalen Organisationen die Rückkehr. Das World Food Programm stellt Lebensmittelrationen für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten für jene Vertriebenen zu Verfügung, welche in ihre Heimatregionen zurückgekehrt sind (USDOS 3.3.2017).

 

Bestimmte Formen der Unterstützung bzw. Versorgung von IDPs in den Camps wird vom Militär, von der Bundesregierung, sowie von NGOs gewährleistet. Wie oben erwähnt, stehen IDPs vor großen Herausforderungen, v.a. Bildung hat nur eine niedrige Priorität. In den Camps wird Bildung in informeller Form von NGOs und der pakistanischen Regierung gewährleistet. Die meisten IDPs leben jedoch nicht in Camps, und ihre Kinder sind an Schulen eingeschrieben (BFA 9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

17.2. Afghanische Flüchtlinge

 

Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan, eine Million davon sind nicht registriert. 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine "Proof of Registration Card" ausgestellt (IRIN 10.11.2016). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migranten der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele der in Pakistan lebenden Afghanen flohen schon in den 80er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016).

 

Eine noch nie da gewesene Zahl an Afghanen verließ im Jahr 2016 – zum Teil fluchtartig – Pakistan (IRIN 13.9.2016), seit die pakistanische Regierung Ende Juni 2016 den 31.3.2017 als Deadline zur freiwilligen Rückkehr für die in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlinge festlegte. Nach diesem Stichtag würde Pakistan mit der Abschiebung aller [auch der registrierten] afghanischen Flüchtlinge beginnen (IRIN 10.11.2016).

 

Mit Stand 26.11.2016 bezifferte die UN Nothilfe-Koordinierungsstelle, UN OCHA, die Zahl der in Pakistan registrierten Afghanen, die im Jahr 2016 zurück gekehrt waren, mit 381.094, jene der nicht-registrierten mit 236.724. Davon fielen laut Statistiken auf die Zeitspanne bis Ende Juni 2016 insgesamt nur etwas mehr als 6.000 (OCHA 2.12.2016).

 

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher;

auch gab es weitere Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (VOA 16.10.2016;

vgl. IRIN 13.9.2016; Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der "Proof of Registration (POR) Card" und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). Nicht registrierte Flüchtlinge sind in einem noch größeren Ausmaß anfällig Opfer von Übergriffen durch die Behörden zu werden und stehen somit unter einem noch größeren Druck, Pakistan zu verlassen (IRIN 10.11.2016).

 

UNHCR Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober 2016 die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als "großteils freiwillig" und führten den hohen Anstieg auch auf die ab Juni 2016 erfolgte Verdoppelung der Barzuschüsse von 200 auf 400 Dollar pro Person für die Rückkehr, sowie auf eine neue Rückkehrkampagne der afghanischen Regierung, zurück (VOA 16.10.2016). Das Rückführungsprogramm des UNHCR, inklusive der genannten Barzuschüsse, zu dem nur die registrierten afghanischen Flüchtlinge berechtigt sind, ist nun für die Winterperiode vom 1.11.2016 bis zum 1.3.2017 ausgesetzt (IRIN 10.11.2016). Nach Angaben des pakistanischen Ministers für die Grenzregionen ["Minister for States and Frontier Regions"] wurde auch die staatliche Repatriierung der Afghanen von November 2016 bis Februar 2017 ausgesetzt, einem formalen Antrag des UNHCR, der afghanischen Regierung und einiger Oppositionsparteien folgend (IRIN 10.11.2016). Im November 2016 ist die Zahl der rückkehrenden registrierten afghanischen Flüchtlinge schließlich stark gesunken (OCHA 2.12.2016). Anfang Dezember 2016 schließlich meldeten pakistanische Medien, dass die Regierung die Deadline auf den Dezember 2017 verlängert hat (Dawn 2.12.2016).

 

91 Prozent der registrierten und 87 Prozent der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (OCHA 2.12.2016). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen – unterstützt von alliierten Streitkräften – und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016). Die Zahl der Rückkehreren aus Pakistan hatte UNHCR für das Jahr 2016, basierend auf Trends der letzten Jahre, auf nur 50.000 geschätzt (Dawn 2.12.2016).

 

Der afghanischen Regierung wird wiederum vorgeworfen, es verabsäumt zu haben, den rückkehrenden Flüchtlingen "angemessene Lebensbedingungen" zu bieten. Der afghanische Minister für Flüchtlinge und Rückführung führte indes an, dass die afghanischen Flüchtlinge von Pakistan als politisches Instrument verwendet werden (Tolo News 25.9.2016). So hatten sich Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan zugespitzt und mündeten im Juni in vermehrten Schusswechsel an der Grenze zwischen Militärs beider Länder (IRIN 23.6.2016). Auch trübt der Ausbau der afghanisch-indischen Beziehungen zusätzlich die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten (Dawn 24.10.2016).

 

Rückkehrern werden von der pakistanischen National Database and Registration Authority (NADRA) de-registriert und ihre zum Aufenthalt in Pakistan berechtigenden Proof of Registration (PoR) Cards ungültig gemacht. Zur Sicherstellung, dass kein Rückkehrer den vom UNHCR ausbezahlten Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant iHv mehrmals bezieht, wird sodann ein Iris-Scan abgenommen, ehe ein Voluntary Repatriation Form (VRF) ausgestellt wird. Daraufhin wird die Weiterreise nach Afghanistan angetreten. Innerhalb von sieben Tagen nach Ausstellung der VRF wird die finanzielle Unterstützung in sogenannten Encashment Centre (EC) ausbezahlt (ÖB 30.9.2016).

 

Als maßgebliche Faktoren für eine Rückkehr – welche auch weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgt – wurden der Aufruf des afghanischen Präsidenten Ghani zur Heimkehr und die zu diesem Zweck seit Juli 2016 vom afghanischen Ministry of Refugees and Repatriation (MoRR) betriebene Kampagne Khpal Watan, Gul Watan ("My country, my beautiful country"), die Verdoppelung des UNHCR Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant auf USD 400,- im Juni 2016 – welche angesichts der Größe afghanischer Flüchtlingsfamilien einen relativ hohen Betrag ergeben kann – sowie der Aufbau eines neuen Grenzmanagements an der Durand Line durch Pakistan genannt, womit auch die Einreise für Afghanen mit gültigen Reisedokumenten eingeschränkt worden ist. Auch wird eine Verschärfung der pakistanischen Rückführungspolitik gegenüber afghanischen Flüchtlingen angeführt. Eine vom beachtlichen Anstieg an Rückkehrern der den letzten Monaten ausgelöste Gruppendynamik trug ebenso zu der vermehrten Rückreise bei. Eine (relative) Verbesserung der Sicherheitslage im Grenzgebiet, sowie die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zwischen Afghanistan und Pakistan und die damit einhergehenden – in zunehmendem Maße feststellbaren – Schikanen und mangelnde Akzeptanz seitens der pakistanischen Bevölkerung und auch den Behörden werden ebenfalls als Entscheidungsgrundlage zur Rückreise nach Afghanistan angegeben (ÖB 30.9.2016).

 

Die bei UNHCR registrierten Flüchtlinge werden von UNHCR und NGOs mit dem Notwendigsten versorgt. Die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht den Betroffenen zunächst größere Planungssicherheit und allgemein eine Verbesserung des Rechtsrahmens sowie des wirtschaftlichen Status (Erlaubnis zur Eröffnung von Bankkonten, Erhalt eines Führerscheins, Eröffnung einer Firma, etc.), greift allerdings ausschließlich für registrierte Flüchtlinge. Afghanische Flüchtlinge müssen im Alltagsleben mit Diskriminierung sowie Schikanen durch die Polizei rechnen (AA 30.5.2016).

 

Da keine neuen PoR Cards mehr ausgestellt werden, betrieb UNHCR Pakistan ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für Afghanen, die nicht im Besitz einer PoR Card sind, zum Beispiel, weil sie erst vor kurzem eingereist sind bzw. in besonderen Einzelfällen, in denen UNHCR aufgrund der besonderen Verletzlichkeit der betreffenden Person/Familie eine Weiterwanderung in ein Drittland (Resettlement) vorsieht. Das Flüchtlingsfeststellungsverfahren wird von UNHCR auf der Basis seines Mandates und in Vertretung der pakistanischen Regierung durchgeführt, da Pakistan weder zu den Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gehört, noch über ein nationales Flüchtlingsgesetz verfügt. Eine leitende Mitarbeiterin schätzt, dass circa 50 Prozent aller afghanischen Antragssteller in Pakistan vom UNHCR anerkannt werden. Der pakistanische Staat anerkennt das Non-Refoulement Prinzip für vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge (BAA 6 .2013).

 

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN, Zugriff 15.12.2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Pakistan gehört zu den sieben bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt und das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23 Jahre angenommen (CIA 12.1.2017).

 

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung.

 

(AA 12 .2016c).

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 Prozent; der Sektor umfasst u.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 Prozent). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 Prozent) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 Prozent der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 Prozent der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 12 .2016c).

 

Neben der fortlaufenden komplexen Notsituation in den FATA und KP, sieht sich Pakistan Dürren, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen ausgesetzt (USAID 6.1.2017).

 

Wiederkehrende Katastrophen in Kombination mit der chronischen Armut begrenzen die Möglichkeiten für bedürftige Haushalte sich adäquat zu versorgen und führen zudem zu Vertreibung und humanitären Bedürfnissen (USAID 30.6.2016).

 

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption, einer angespannten Sicherheitslage und der sich nur langsam verbessernden Energiekrise (AA 12 .2016c).

 

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 12 .2016c).

 

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund fünf bis sieben Prozent des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa $ 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der Nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich $133 Millionen aufgrund von Korruption verliert. Weniger als ein Prozent der pakistanischen Bürger zahlen Steuern (Dawn 1.4.2016).

 

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Pakistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt – viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht in ihrem aktuellen Länderbericht zu Pakistan rund 60,5 Prozent der pakistanischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (WKO 23.1.2017).Von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 sind etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent (IOM 7.1.2016). Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich in Pakistan auf 10,4 Prozent. Dieser Wert ist der Mittelwert der Arbeitslosenrate der 15 – 24 jährigen Pakistani. So sind 12,9 Prozent der weiblichen pakistanischen Jugendlichen und 9,4 Prozent der männlichen pakistanischen Jugendlichen ohne Beschäftigung (CIA 12.1.2017). Prognosen weisen auf eine Steigerung der pakistanischen Arbeitslosenquote seit 2007 von 5,2 Prozent auf erwartete rund 6 Prozent im Jahr 2017 (Statista 2017). Im Country Fact Sheet Pakistan vom Jänner 2016 berichtet IOM über Möglichkeiten von Beschäftigung in Pakistan. Demnach waren von rund 63,03 Millionen Pakistani im Jahr 2014-2015 etwa 59,1 Millionen erwerbstätig und 3,93 Millionen arbeitslos. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Unterstützt werden die Arbeitssuchenden vom Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme, welche das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, sowie der Small and Medium Enterprise (SME). Auch diese soll Arbeitsplätze im Land schaffen (IOM 7.1.2016).

 

Pakistanis sind in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen. Zwar sank die nationale Armutsquote seit 2004 von 55 Prozent auf 39 Prozent, doch leben somit 39 Prozent der Pakistani in Armut. Die höchsten Quoten mit Bezug auf Armut fallen dabei auf die vom Bund verwalteten Tribal Areas (Fata) mit 73 Prozent und Belutschistan mit 71 Prozent. Auch gibt es massive Unterschiede zwischen den städtischen Bereichen mit 9,3 Prozent und den ländlichen Bereichen mit 54,6 Prozent (Dawn 21.6.2016). Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In größeren Städten ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. 47,7 Prozent bis 80 Prozent der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet (TET 4.8.2015).

 

Nur rund 1.59 Millionen der 59 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2013 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 3.2014). Rund zwei Millionen Pakistani sind in verschiedenen Formen moderner Sklaverei tätig (HRCP 3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18.1. Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 Prozent des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6 .2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2014; vgl. PBM o.D.a; PBM o. D.b). Der Finanzminister hat das Budget von PBM von 2 Milliarden Rupien auf 4 Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D.a; vgl. PBM o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18.2. Wohlfahrt-NGOS

 

Private Einrichtungen wie der Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015).

 

Edhi Foundation ist das größte und am besten organisierte sozialen Sicherungssystem in Pakistan. Das Leistungsspektrum der Edhi Foundation bietet in einen 24-Stunden-Notfall-Service bundesweit bei über 335 Edhi Zentren und einer Flotte von 1800 Krankenwagen, die kostenlose Hilfe bei der Bergung von Leichen, der Gewährung von Unterschlupf für Waisen und Behinderten, einer kostenlosen Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. Sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

 

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO 2017).

 

Unterstützung bei der Arbeitssuche wird u.a. durch das Tameer-e-Pakistan Programm angeboten. Es ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme mit dem Ziel, Arbeitsplätze im Land zu schaffen und die Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu verbessern (IOM 7.1.2016).

 

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 56 Distrikten der vier Provinzen – inklusiv Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 2,3 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von mehr als 155.427 kommunale Gemeinschaften bilden (Gov Pak 16.10.2015). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Die Organisation bezifferte mit Stand August 2016 die Zahl der an ihren verschiedenen Programmen teilnehmenden Männer und Frauen auf über drei Millionen. Es bietet Schulungen für berufliche Fortbildung, Alphabetisierungskurse, Gesundheitsvorsorgeprogramme, Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D.b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

18.3. Rückkehrhilfe und -projekte

 

Staatliche – oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 30.5.2016).

 

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART – eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten. Das Projekt wird durch den Asyl, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert. Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr von Österreich nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt sieht die Teilnahme von 330 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen. Die Reintegrationsunterstützung beinhaltet Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich, Beratung der Rückkehrer nach der Ankunft im Herkunftsland bezüglich ihrer Chancen und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld wird auch angeboten, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken. Des Weitern gibt es Reintegrationsunterstützung in Form von Sachleistungen wie Unterstützung bei einkommensgenerierenden Aktivitäten wie der Gründung eines Kleinunternehmens, dem Eingehen einer Geschäftspartnerschaft (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren), oder einer Berufsausbildung, Unterstützung für vulnerable Personen:

Verbesserung der Lebensumstände, Unterkunft, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und Medizinische Unterstützung. IOM und lokale Partnerorganisationen führen in den Herkunftsländern Monitorings in Form von Interviews und Besuchen bei den Projektteilnehmer durch (IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch – das Tameer-e-Pakistan Programm – einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen erfahren können (IOM 7.1.2016).

 

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Mit Programmen in 113 Bezirken hat WELDO eine große Reichweite. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen dazu dienen, die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der die nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr aus den Partnerländern. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (WELDO 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

19. Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 10.3.2017). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf die private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

 

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan für seine Bevölkerung über 1.142 Krankenhäuser, 5.438 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 671 Mutter-Kind-Gesundheitszentren. Für die Patientenversorgung stehen insgesamt nur 175.223 Ärzte, 90.276 Krankenschwestern und 118,041 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 3.2016).

 

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hochspezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden gedeckt bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

 

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 30.5.2016). In Islamabad und Karachi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau gewährleistet und damit auch teuer (AA 10.3.2017). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM (BAA 6 .2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, in Pakistan behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Dies wird unterstrichen durch die Gegebenheit, dass in kleinen Spitälern, wie z.B. dem Rawalpindi Lepra Spital, keine Medikament importiert werden, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus wurden medizinische Geräte entwickelt bzw. in Pakistan verfügbar gemacht. Die medizinischen Ressourcen, die in der Vergangenheit unmöglich zu bekommen waren, können nun in Pakistan erworben werden. Dennoch werden Dienstleistungen nicht aktiv angeboten (BFA 9.2015).

 

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6 .2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6 .2013). Beluchistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit (BAA 6 .2013). Nach aktuellsten Angaben der Vereinten Nationen beträgt die Müttersterblichkeitsrate 178 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten (USDOS 3.3.2017). So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6 .2013).

 

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

 

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6 .2013; vgl. auch EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überlastet sind aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6 .2013).

 

Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Das Militär ist sehr gut organisiert und die Qualität ist sehr hoch. Zivilisten können dort auch behandelt werden, jedoch ist die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015).

 

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

 

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 30.5.2016; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 30.5.2016). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 10.3.2017). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 10.3.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Allerdings haben sich in den vergangenen Monaten die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, so dass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Einer der Hauptgründe dieser Erhöhung ist die unbefriedigende Leistung der DRAP und anderen Partnerbehörden, die keine Maßnahmen dagegen ergriffen haben (Lancet 7.11.2016).

 

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: nur 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

 

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 Prozent der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).

 

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA 30.5.2016). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 30.5.2016). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

 

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA 6 .2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6 .2013).

 

Pakistan ist eines der verbleibenden zwei Länder, in denen Polio endemisch ist, allen voran in den FATA, wo mit den Taliban verbündete bewaffnete Gruppen in Streit mit der pakistanischen Regierung liegen (SHCC 23.5.2016). Die Taliban verbieten Impfungen, greifen medizinisches Impfpersonal an und führen gezielte Angriffe gegen medizinische Mitarbeiter durch (Dawn 24.11.2016). Dennoch wurden Fortschritte bei der Verringerung von Poliovorkommen gemacht. So ist die Zahl von neuen Fällen von 2014 auf 2015 um 80 Prozent gesunken. Intensiverer Polizeischutz für das Impfpersonal hat zu einer Verringerung solcher Angriffe geführt, nachdem kritisiert wurde, dass Impfärzte großer Gefahr ausgesetzt sind (SHCC 23.5.2016). Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für jene Eltern und Erziehungsberechtigten, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20. Rückkehr

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende

 

Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 30.5.2016).

 

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance, 1979 , namentlich wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.), oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel) (ÖB 10.2016).

 

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland, Spanien und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 30.5.2016).

 

Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder verlangt wurden (entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karachi und Lahore bekannt). Außerdem berichtete IOM von der folgenden Prozedur bei der Rückkehr: Die ohne gültigen Reisepass nach Pakistan Zurückkehrenden werden von der Anti-Human Trafficking Cell der Federal Investigation Agency (FIA) über mehrere Stunden verhört, wobei die Behandlung der Betroffenen zu wünschen übrig lasse und auch eine mehrtätige Festhaltung vorkomme (im Einzelfall hänge dies u.a. auch vom Auftreten der Rückkehrenden ab) (ÖB 10.2016).

 

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger Registrierung. So sollen angeblich über 96 Prozent der Bürgerinnen und Bürger biometrische ID Cards - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. ID-Karten sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

 

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card – PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis – NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (NADRA 2016).

 

Die Pakistan Origin Card (POC) können Personen erhalten, welche ausländische Staatsbürger sind, oder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens eine Staatsbürger oder ein Staatsbürger Pakistans gewesen sind. National Identity Card for Overseas Pakistanis – (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit einer Doppelstaatsbürgerschaft besitzen und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA 2016).

 

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 30.5.2016).

 

UNOCHA arbeitet in Pakistan neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 internationale NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-(I)NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP);

Poverty Alliance Welfare Trust (PAWT); PREPARED; Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP);

Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-24670-e.pdf , Zugriff 14.3.2017

 

 

 

 

 

2.2. Das BVwG stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:

 

2.2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

2.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens erhoben und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die aus seiner Sicht bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Das BVwG schließt sich im entscheidungswesentlichen Umfang diesen Ausführungen mit den nachstehenden Erwägungen an.

 

2.2.3. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Einvernahmen vor dem BAA und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Einklang mit dem Akteninhalt.

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie auf der Kenntnis und Verwendung für Pakistan gebräuchlicher Sprachen und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten von Pakistan. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren.

 

Der Beschwerdeführer hat weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente, die seine Identität zweifelsfrei belegen hätten können und mit seinen Identitätsangaben übereinstimmen würden, im Original vorgelegt.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren diesbezüglich keinerlei Angaben getätigt hat.

 

Die Feststellungen zum persönlichen Umfeld bzw. Lebensunterhalt im Herkunftsstaat ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben im Verfahren, zumal kein Grund ersichtlich ist, warum der Beschwerdeführer etwa in Bezug auf seinen Lebensunterhalt in Pakistan falsche Angaben hätte machen sollen.

 

Die Angaben zur Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Strafregisterauszug vom 25.07.2017 sowie den Angaben des Beschwerdeführers.

 

Dass der Beschwerdeführer mit einem weiteren Pakistani und einem Afghanen in einer Wohngemeinschaft lebt, ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA vom 23.05.2017.

 

Dass sich der Beschwerdeführer seit Oktober 2012 durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten hat, ergibt sich ebenfalls aus seinen eigenen Aussagen im gegenständlichen Asylverfahren.

 

Die Feststellungen betreffend die sonstigen privaten und familiären Verhältnisse und die persönlichen Lebensumstände des BF sowie zur fehlenden Integration des BF in Österreich beruhen auf dem Umstand, dass der BF über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, sein bisheriger privater und familiärer Lebensmittelpunkt in Pakistan gelegen ist und vom BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde - mit Ausnahme der vorgelegten Einkommensnachweise und einer Unterstützungserklärung - konkrete Angaben dahingehend getätigt oder Unterlagen vorgelegt wurden, die die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden.

 

2.2.4. Die Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. dessen Fluchtgründen und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem BAA und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, den getroffenen Länderfeststellungen sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde.

 

Die Feststellung zum Nichtvorliegen einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Gefährdung des Beschwerdeführers ergibt sich einerseits aus dem seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes als unglaubwürdig erachteten Vorbringen des Beschwerdeführers sowie andererseits aus den detaillierten, umfangreichen und aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Pakistan.

 

Hinweise auf asylrelevante die Person des Beschwerdeführers betreffende Bedrohungssituationen konnte dieser nicht glaubhaft machen.

 

2.2.4.1. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basiert auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das Bundesamt hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des Beschwerdeführers gebracht.

 

Das Bundesamt legte im Rahmen der Beweiswürdigung dar, dass es dem BF nicht gelungen sei, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde an.

 

2.2.4.2. Das Bundesverwaltungsgericht teilt daher die Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung in erheblicher Weise andere Angaben als im Rahmen der folgenden Einvernahmen vor der belangten Behörde tätigte. So gab er ursprünglich an, er und seine Familie hätten gemeinsam mit seinem Onkel und dessen Söhnen in Pakistan gelebt und ein Geschäft betrieben. Es habe eine Streiterei mit anderen Leuten gegeben, wobei seinem Cousin mit einer Flasche auf den Rücken geschlagen worden sei. Er selbst sei von diesen Personen mit einem Schlagring verletzt worden. Man habe sie töten wollen. Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der oder den Einvernahme(n) im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Im gegenständlichen Fall war es dem Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung und den Einvernahmen vor der belangten Behörde jedoch nicht möglich, gleichbleibende Angaben zu tätigen. So stellt die dem BAA bzw. BFA präsentierte neue Fluchtgeschichte, wonach er eine dem christlichen Glauben angehörende Nachbarsfamilie aufgenommen hätte und ihn deshalb ein Teil der Bewohner seiner Heimatstadt umbringen hätten wollen, einen anderen Sachverhalt dar als die im Zuge der Erstbefragung erfolgten Schilderungen, sodass man nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen kann, dass der Beschwerdeführer diese Bedrohung aufgrund der Unterstützung einer sich zum christlichen Glauben bekennenden Nachbarsfamilie nicht tatsächlich selbst erlebt hat, andernfalls er dies bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erwähnt hätte. Bereits dieser Umstand reicht aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft anzusehen. Vor allem vermag der Beschwerdeführer auch keine substantiierte Erklärung für die Nichterwähnung dieser Schilderungen zu erbringen. Insbesondere aufgrund dieser klar erkennbaren gesteigerten Varianten seines Vorbringens ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

Diese Ansicht wird richtigerweise auch dadurch gestützt, dass die anderen Familienmitglieder, konkret seine Eltern und Geschwister, immer noch in Pakistan - teilweise an der Adresse der Familie - leben (AS 87). Insbesondere war der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch nicht in der Lage, eine plausible Erklärung dafür zu erbringen, weshalb ausgerechnet er und nicht auch andere Familienmitglieder Pakistan verlassen mussten.

 

Des Weiteren ist dem BFA beizupflichten, dass der BF trotz der von ihm geschilderten Ereignisse noch mehrere Jahre in Pakistan geblieben ist, womit er aber auch im Einflussbereich seiner Gegner verblieben ist, zumal er erklärte, vor seiner Ausreise noch einmal in seine Heimatstadt zurückgekehrt zu sein (AS 87). Bei einer tatsächlichen Bedrohung hätte der Beschwerdeführer Pakistan sicherlich zu einem früheren Zeitpunkt verlassen. Dies weist daher ebenfalls auf eine Ausreise wegen eines nicht asylrelevanten Grundes hin. Der BF war nunmehr auch in der Beschwerde ebenso wenig in der Lage, eine plausible Erklärung für sein Zuwarten erbringen zu können.

 

Ebenso ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Asylverfahrens bezüglich der Dauer seines Aufenthalts in Karachi völlig widersprüchlich darlegte, ohne hierfür eine plausible Erklärung erbringen zu können. So schilderte der BF ursprünglich im Rahmen der Einvernahme vor dem BAA am 28.03.2013, er sei ca. zwei Jahre bei der Christenfamilie in Karachi gewesen. Wenig später erklärte der BF sechs oder zehn Monate in Karachi gewesen zu sein. Schließlich änderte der BF im Zuge der Einvernahme sein Vorbringen erneut ab, in dem er nunmehr behauptete, glaublich eineinhalb Jahre in Karachi gewesen zu sein (AS 97).

 

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

Insofern ist ein Vorbringen eines Asylwerbers insbesondere dann glaubhaft, wenn es konkrete, detaillierte Schilderungen der behaupteten Geschehnisse enthält und frei von Widersprüchen ist. Umgekehrt jedoch indizieren unwahre Angaben in zentralen Punkten oder das Verschweigen wesentlicher Sachverhaltsumstände die Unglaubwürdigkeit, ebenso "gesteigertes Vorbringen", das heißt das Vorbringen gravierender Eingriffe nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, sondern - inhaltlich vom Erstvorbringen abweichend - erst in einem (späteren) Verfahrensstadium, d.h. nachdem sich die asylrechtliche Irrelevanz des Erstvorbringens gezeigt hat.

 

Der belangten Behörde ist schließlich ebenfalls zuzustimmen, dass es nicht plausibel erscheint, wie der BF eine Begegnung mit zwei Personen, die in Gujranwala auf der Suche nach ihm gewesen sein sollen, schilderte. Der BF behauptete demnach zwei Personen seien an seinen Rikscha-Stand gekommen und hätten nach dem Aufenthaltsort von XXXX gefragt. Daraufhin habe er diesen erläutert, dass er nicht konvertiert sei, die Christen in Karachi seien, er diesen nur kurz Zuflucht gewährt habe und er zu diesen Personen keinen Kontakt mehr habe. Anschließend sei er nach Hause gegangen und habe ihm sein Vater geraten, an einen anderen Ort zu gehen (AS 95). Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Mann in einer derartigen Situation, seine Identität nicht preisgeben und stattdessen versuchen würde, die Verfolger bezüglich seines Aufenthaltsortes in die Irre zu führen. Ebenso wenig kann nachvollzogen werden, wenn der BF die alleinige Bedrohung und Verfolgung seiner Person (und seines Cousins) damit zu begründen versucht, dass seine Eltern erst nach einem Monat bzw. eineinhalb Monaten von der Unterstützung dieser Christenfamilie durch ihn erfahren habe (AS 93), da diese Familie doch angeblich zwei bis drei Monate im Stall hinter dem Haus untergebracht gewesen sei (AS 89). Insofern hätte die gesamte Familie des BF die Christenfamilie zumindest für einige weitere Wochen unterstützt und hätte daher die gesamte Familie einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sein müssen.

 

Was schließlich das vorgelegte Dokument (AS 129) betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Anzeige nichts an der Qualifizierung des Vorbringens als nicht glaubhaft zu ändern vermag, zumal erhebliche Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Dokuments bestehen, da darin - im Widerspruch zum Vorbringen des BF - von einer Vermietung einer Wohnung an Christen die Rede ist. Des Weiteren tritt als Anzeigeerstatter eine Person namens Mohammed Zahid in Erscheinung, während der BF namentlich überhaupt nicht genannt wird.

 

Zur Vollständigkeit erlaubt sich die erkennenden Richterin darauf hinzuweisen, dass es eine notorische Tatsache darstellt, dass es beispielsweise auch problemlos möglich ist, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Die zum Nachweis eines Verfolgungsschicksals vorgelegten Strafanzeigen, Haftbefehle, Gerichtsurteile und die Rechtsanwaltsschreiben erwiesen sich häufig als gefälscht oder inhaltlich unrichtig, wie dies auch vom Deutschen Auswärtigen Amt in seinen regelmäßigen Länderberichten zu Pakistan wiederkehrend festgestellt wird, sodass eine solche Urkundenvorlage stets grundsätzlich mit größter Skepsis und jedenfalls nur in der Zusammenschau mit anderen Beweisquellen wie persönlichen Aussagen oder länderkundlichen Informationen zu würdigen ist, nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass es außerhalb der Möglichkeiten der österreichischen Behörden und Gerichte liegt eine Verifizierung ihres Inhalts vor Ort durchführen zu lassen. Insoweit das Vorbringen des Beschwerdeführers in den Einvernahmen vor dem BFA bereits derartig widersprüchlich und unplausibel gewesen ist, liegt Im gegenständlichen Fall für die erkennende Richterin insoweit der Verdacht nahe, dass es sich um ein derartiges Dokument handelt.

 

Zusammengefasst ist es dem Beschwerdeführer daher, wie bereits vom BFA ausgeführt, nicht gelungen, eine aus einer Hilfeleistung für eine dem christlichen Glauben angehörenden Familie resultierende Bedrohungssituation glaubhaft zu machen.

 

2.2.4.3. Die seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegenzutreten.

 

2.2.4.4. Ferner bestehen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers; dies aus folgenden Gründen:

 

2.2.4.4.1. So ist auch zu berücksichtigen, dass die Angaben des Beschwerdeführers in einigen wesentlichen Punkten in den Einvernahmen als divergierend anzusehen sind, was ebenso für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht. So schilderte der BF zunächst in der Erstbefragung, dass er in keinem anderen Land um Asyl angesucht habe (AS 21). Des Weiteren behauptete der BF ursprünglich in der Einvernahme vor dem BFA am 28.03.2013, dass er sich in Gujranwala bei seinem Onkel mütterlicherseits aufgehalten habe (AS 85). Im Widerspruch hierzu führte der BF aber wenig später aus, dass er in Gujranwala bei seinem Onkel väterlicherseits gewesen sei (AS 91) und in der Türkei sehr wohl einen Asylantrag gestellt habe (AS 103). Letztlich wiesen die Angaben des BF noch zeitliche Divergenzen auf. So gab der BF zunächst zu Protokoll, dass das fluchtauslösende Ereignis - Hilfeleistung für die andere Familie - glaublich im Jahr 2007 gewesen sei bzw. er das Jahr nicht wisse (AS 89), nur um kurze Zeit später auszuführen, dass dieser Streit bezüglich der Zufluchtgewährung im Jahr 2005 gewesen sei (AS 93). Insoweit waren auch diese Ungereimtheiten als weiteres Argument für die festgestellte Unglaubwürdigkeit zu berücksichtigen.

 

2.2.4.4.2. Was die beim BF vorliegenden Narben (AS 23, 91) betrifft, bleibt anzumerken, dass allein das allfällige Bestehen dieser Narben nichts an der - aufgrund der obigen Ausführungen festgestellten - mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu ändern vermag, wobei festzuhalten ist, dass sich selbst durch ein medizinisches Gutachten nicht verlässlich klären lassen kann, "wer" diese Verletzungen tatsächlich verursacht hat und vor allem mit welcher "Motivation". Auch ein medizinischer Sachverständiger wäre hier - ebenso wie die Asylinstanzen - auf die bloßen Angaben des BF angewiesen. Es ist somit ein Akt der freien Beweiswürdigung, ob die diesbezüglichen Angaben des BF über die Entstehungsursache glaubhaft sind. Denkmöglich sind der allgemeinen Lebenserfahrung nach vielerlei Geschehensvarianten bis hin zur "zweckbezogenen" Selbstverursachung. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zwar nicht, dass grundsätzlich sichtbare Verletzungen gutachterlich auf ihre Entstehungsursache zu überprüfen sind, jedoch erwies sich im gegenständlichen Fall das Fluchtvorbringen hinsichtlich der Verfolgung und Bedrohung des BF als derart unglaubwürdig, dass von der Bestellung eines Sachverständigen zur Untersuchung dieser Verletzungsspuren Abstand genommen werden konnte.

 

2.2.4.4.3. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer lediglich eine "Fluchtgeschichte", die wohl teilweise auf tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen basiert, konstruiert hat bzw. eine für ihn konstruierte Fluchtgeschichte eingelernt hat, ohne tatsächlich persönlich betroffen gewesen zu sein. Die Verfolgungsgefahr wurde von Seiten des Beschwerdeführers nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese glaubhaft belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können.

 

Zusammengefasst ist es dem Beschwerdeführer daher, wie bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgeführt, nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr im Zusammenhang mit der Verfolgung und Bedrohung aufgrund einer Hilfeleistung zu Gunsten einer dem christlichen Glauben angehörenden Familie glaubhaft zu machen.

 

2.2.4.4.4. Die Zulässigkeit für das Bundesverwaltungsgericht über die Beweiswürdigung des Bundesamtes hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 21 Abs. 7,

2. Fall, BFA-VG (entspricht in diesem Punkt der Vorgängerbestimmung § 41 Abs. 7 AsylG 2005 aF), wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus dem sinngemäß anwendbaren § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [das Bundesverwaltungsgericht] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

 

Der Gesetzgeber verwendet hier in § 21 Abs. 7, 2. Fall, BFA-VG bzw. zuvor in § 41 Abs. 7, 2. Fall, AsylG 2005 aF mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich

unbegründet abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario

offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 21 Abs. 7, 2. Fall, BFA-VG (entspricht in diesem Punkt der Vorgängerbestimmung § 41 Abs. 7, 2. Fall, AsylG 2005 aF) - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

 

Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des BFA.

 

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem. § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde (bzw. das Gericht) ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

Der Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7) hielt in diesem Zusammenhang nunmehr auch explizit fest, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

 

2.2.4.5. Selbst wenn man jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, gelangt man - wie unten näher ausgeführt werden wird - zu keinem anderen Ergebnis.

 

2.2.4.6. In der Beschwerde wird kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Ebenso wenig wurde der Argumentation in der Beweiswürdigung in substantiierter Weise entgegengetreten.

 

2.2.4.7. Wenn der Beschwerdeführer das durchgeführte Ermittlungsverfahren bemängelt, ist diesbezüglich anzumerken, dass die Protokolle der Einvernahmen vor dem BAA bzw. BFA den Eindruck vermitteln, dass der jeweils zuständige Organwalter den Beschwerdeführer ausführlich und objektiv zu seinem behaupteten Herkunftsstaat und seinem Fluchtvorbringen befragt und ihn mit entscheidungswesentlichen Fragen konfrontiert hat. Bei Betrachtung der gegenständlichen Niederschriften vom 28.03.2013, 09.01.2014 und 23.05.2017 kann dieser Vorwurf daher nicht nachvollzogen werden. Die Asylbehörde hat die materielle Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Hierbei kann oftmals nur auf eine genaue Befragung des Asylwerbers zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der Fragestellung lassen sich aber keine Besonderheiten feststellen und bei genauer Betrachtung hinterlassen die Niederschriften den Eindruck, dass sie den konkreten Verlauf wiedergeben. Den Niederschriften ist weiters nicht zu entnehmen, dass der BF während der Einvernahmen diese Beanstandung kundtat, was aber seiner Mitwirkungsverpflichtung entsprochen hätte. Zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass der BF am Ende der abschließenden Einvernahme vor dem BFA am 23.05.2017 nach der Rückübersetzung der Niederschrift keine wesentlichen Einwendungen gegen die Niederschrift vorbrachte, sondern wurde vom BF letztlich auf seine ungewisse Situation bzw. lange Verfahrensdauer verwiesen. Des Weiteren bestätigte der BF, dass er den Dolmetscher im Zuge dieser Einvernahme einwandfrei verstanden habe.

 

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Asylverfahrens umfassend niederschriftlich vom BFA einvernommen, wobei er in diesen Einvernahmen die Gelegenheit hatte, sich zu seinen Verfolgungsgründen und Rückkehrbefürchtungen zu äußern. Das BFA beließ es dabei nicht bei offenen Fragen, sondern versuchte auch durch konkrete Fragestellung den Grund seiner Furcht und zu erwartende Rückkehrprobleme zu erhellen, was nach Ansicht der erkennenden Richterin auch hinreichend geschehen ist. Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221).

 

Die Behörde ist auch im Rahmen der Refoulementprüfung nur in dem Umgang zu amtswegigen Ermittlungen verhalten, in dem ein ausreichend konkretes, eine maßgebliche Bedrohung aufzeigendes Vorbringen erstattet wird, nicht aber zur Prüfung, ob die Partei denkbarerweise irgendwelchen Gefährdungen ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 19.11.2002, 2002/21/0185, 3.9.1997, 96/01/0474, 30.9.1997, 96/01/0205).

 

2.2.4.8. Zu den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz, dass das Bundesamt weitere Ermittlungen zum Vorbringen vornehmen hätte müssen, ist auszuführen, dass das BFA aufgrund der obigen Ausführungen von der mangelhaften Glaubwürdigkeit des BF ausgegangen ist. Auch aus Sicht der erkennenden Richterin stellen sich die angeführten Argumente für die Feststellung als ausreichend dar, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

 

2.2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

 

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, wobei festzuhalten ist, dass die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen ohnehin überwiegend aus den Jahren 2016 und 2017 stammen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen. Der Beschwerdeführer hat zu dem ihm seitens des BFA zur Kenntnis gebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur - allgemeinen - Lage in Pakistan abschließend eine kurze Stellungnahme zur Sicherheitslage abgegeben (AS 423).

 

Was nun die Sicherheitslage, sowie die ebenfalls kritisierte Menschenrechtssituation und die Korruption staatlicher Behörden in Pakistan betrifft, so kann dies auch den oben getroffenen Feststellungen entnommen werden. Eine potentielle individuelle Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kann jedoch derzeit aufgrund der vom BFA und der erkennenden Richterin herangezogenen Länderfeststellungen nicht erkannt werden.

 

Im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage ist auszuführen, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass es zwischen radikalen und gemäßigten Sunniten sowie zwischen radikalen Sunniten und der schiitischen Minderheit (bis zu 20% der Muslime Pakistans) immer wieder zu Gewaltakten kommt. Generell ist die Sicherheitslage in Pakistan als instabil zu bezeichnen, der Staat unternimmt allerdings auch große Anstrengungen, die inter-konfessionelle Gewalt einzugrenzen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Pakistan in manchen Bereichen prekär bzw. instabil ist und Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert ist, wobei die Zahl der Anschläge zuletzt zurückgegangen ist. Ebenso wird von Seiten der erkennenden Richterin die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge, vor allem auf Grund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, anerkannt. Der Beschwerdeführer hat aber nicht dargetan, inwiefern er von der prekären Sicherheitslage, der schlechten Menschenrechtssituation bzw. der humanitären Situation der Binnenflüchtlinge betroffen ist.

 

In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor strafrechtswidrigen Übergriffen und Bedrohungen gegen Privatpersonen zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts fortbestehen (AA 30.05.2016) und dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt ist (AA 30.05.2016), die Justiz verteidigt jedoch ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken (AA 30.05.2016). Ein lückenloser Schutz ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern der Erde aber nicht möglich. Vor gewaltsamen Übergriffen durch private Dritte ist man nirgends auf der Welt sicher. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist aber nicht auszugehen.

 

Das Bundesamt ist als Spezialbehörde (Erk. d. VwGHs vom 11.11.1998, GZ. 98/01/0283, 12.5.1999, GZ. 98/01/0365, 6.7.1999, GZ. 98/01/0602) verpflichtet, sich aufgrund aktuellen Berichtsmaterials ein Bild über die Lage in den Herkunftsstaaten der Asylwerber zu verschaffen. Selbiges gilt für das Bundesverwaltungsgericht. In Ländern mit besonders hoher Berichtsdichte, wozu Pakistan zweifelsfrei zu zählen sind, liegt es in der Natur der Sache, dass selbst eine Spezialbehörde nicht sämtliches existierendes Quellenmaterial verwenden kann, da dies ins Uferlose ausarten würde und den Fortgang der Verfahren zum Erliegen bringen würde. Vielmehr wird den oa. Anforderungen schon dann entsprochen, wenn es einen repräsentativen Querschnitt des vorhandenen Quellenmaterials zur Entscheidungsfindung heranzieht. Die der Entscheidung zu Grunde gelegten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers können somit zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben, jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG). Die vom BFA getroffene Auswahl des Quellenmaterials ist aus diesem Grunde daher ebenso wenig zu beanstanden.

 

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

 

2.2.6. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerdeschrift eine mündliche Verhandlung. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - persönlichen Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (z.B. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der Beweiswürdigung des BFA, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

 

2.2.7. Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen keine konkreten Ausführungen, die zu einer anders lautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher die erkennende Richterin auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) (Spruchpunkt I)

 

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

3.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Der Beschwerdeführer vermochte nämlich keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen (vgl. Punkt 2 ff des gegenständlichen Erkenntnisses).

 

3.1.3. Auch wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, konnte der Beschwerdeführer keine Umstände dartun, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er in seinem Heimatstaat einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sei, und konnten daher die von ihm geltend gemachten Fluchtgründe nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Es ist dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht gelungen, eine gezielt und konkret gegen ihn gerichtete, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende, Asylrelevanz erreichende Verfolgung darzutun.

 

3.1.3.1. Selbst wenn man das Vorbringen bezüglich der Bedrohung und Verfolgung durch Teile der Bevölkerung seiner Heimatstadt für glaubhaft erachtet, wäre eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nur insofern relevant, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig ist, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Dies kann jedoch im konkreten Fall nicht angenommen werden. Weder kann aufgrund der Länderberichte davon ausgegangen werden, dass die pakistanischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären, noch haben sich im konkreten Fall des Beschwerdeführers substantiierte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Polizei untätig geblieben wäre und ihn nicht schützen könnte bzw. würde. Der BF hat diesbezüglich lediglich behauptet, dass sein Vater ein Bittschreiben an die Polizei gerichtet, diese aber nichts unternommen habe. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass Bestechung und Korruption der Behörden in Pakistan vorkommen können, kann auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternimmt oder sich systematisch politisch beeinflussen lässt und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Ebenso wenig kann aufgrund der Quellenlage angenommen werden, dass die pakistanische Justiz bei begründetem Sachverhalt kein Verfahren einleiten würde, und hat der Beschwerdeführer dies auch nicht behauptet. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, agiert die pakistanische Polizei prinzipiell auf Grundlage der Gesetze. Der pakistanische Staat unternimmt auch große Anstrengungen, Konflikte und die sektiererische Gewalt zwischen extremistischen Gruppierungen der schiitischen Minderheit (ca. 20 % der Muslime) und der sunnitischen Mehrheit (ca. 80% der Muslime) einzugrenzen und Terrorismus zu bekämpfen.

 

Es haben sich somit im gegenständlichen Fall keine ausreichend nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer effektiven Schutz gegen allfällige Angriffe und Bedrohungen tatsächlich verweigern würden.

 

Selbst wenn man annehmen würde, dass die örtliche Polizei nichts unternommen habe, wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit unbenommen, sich an eine übergeordnete Dienststelle zu wenden bzw. mit Hilfe eines Anwalts bei Gericht gegen vermeintliche Verfolgungshandlungen der Polizei vorzugehen.

 

Lediglich ergänzend ist dazu anzumerken, dass die Polizei zwar nicht in jedem Fall im Stande sein wird, ein Verbrechen (bzw. eine gerichtlich strafbare Handlung) bereits im vornherein zu verhindern oder in der Folge lückenlos aufzuklären, dies jedoch nicht als Argument für ein völliges Fehlen staatlichen Schutzes herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass polizeiliche Erhebungen auch längere Zeit andauern und unter Umständen auch erfolglos bleiben können. Daraus kann jedoch weder auf eine mangelnde Schutzfähigkeit noch auf die fehlende Schutzwilligkeit der Behörden geschlossen werden.

 

3.1.3.2. Zusätzlich ist auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative hinzuweisen, auch wenn eine solche Prüfung nur eine hypothetische darstellt, ohne hierdurch das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft qualifizieren zu wollen:

 

Dem aus Sangla Hill im Distrikt Nankana Sahib stammenden Beschwerdeführer stünde es jederzeit frei, seinen Wohnsitz in einen anderen Teil Pakistans (z. B. Karachi, Islamabad, Rawalpindi) zu verlegen.

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der ältren Rechtssprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen –mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates- im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Nur im Hinblick auf nichtstaatliche Verfolgung ist das Bestehen einer innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht zu ziehen und ist von der Behörde stets zu prüfen, ob die verfolgende Organisation als mächtig eingestuft werden könne beziehungsweise ob eine lokale Begrenztheit des Wirkungskreises dieser Organisation angenommen werden könne (VwGH 15.05.2003, 2002/01/0560).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der internen Schutzalternative müsse es Sache der Behörde sein, die Existenz einer internen Schutzalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Annahme einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen und nimmt der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsprechung jedenfalls eine Beweislast der Asylbehörden an (VwGH 09.09.2003, 2002/01/0497 und 08.04.2003, 2002/01/0318 sowie zur Ermittlungspflicht VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069).

 

Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslos Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Auch wirtschaftliche Benach-teiligungen können asylrelevant sein (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 30.04.1997, 95/01/0529; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341). Dem gegenüber seien gemäß ständiger Rechtsprechung allfällige aus der Situation des Asylwerbers ableitbare wirtschaftliche beziehungsweise soziale Benachteiligungen nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne (VwGH 08.09.1999, 98/01/0620; VwGH 24.10.1996, 95/20/0321; VwGH 10.12.1996, 06/20/0753).

 

Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

In der Regel wird eine innerstaatliche Fluchtalternative für unbegleitete Minderjährige zu verneinen sein, weil es vielfach nicht legal möglich ist oder zumutbar wäre, ohne Eltern und gesetzlichen Vertreter in einem Teil des Landes den Wohnsitz zu nehmen, in dem der Minderjährige einer individuellen Verfolgung nicht ausgesetzt gewesen wäre (VwGH 26.06.1996, 95/20/0427). Im Falle der Annahme einer innerstaatliche Fluchtalternative müsse aber jedenfalls auf das Zumutbarkeitskalkül besonders Bedacht genommen werden und seien konkrete Feststellungen über die im Fall eines solchen Ortswechsels zu erwartende konkrete Lage des Minderjährigen zu treffen. (VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297).

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 21.11.2002, 2000/20/0185; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Darüber hinaus muss es dem Asylsuchenden auch möglich sein müsse, seine politischen oder religiösen Überzeugungen, sowie seine geschützten Merkmale beizubehalten (VwGH 19.12.2001, 98/20/0299).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative siehe weiters: UNHCR, Richtlinie zum internationalen Schutz: "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 23.07.2003, HCR/GIP/03/04;

Artikel 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt der Europäischen Union L 304 vom 30.09.2004 (Qualifikations- oder Statusrichtlinie) und § 11 AsylG 2005 (bei der Prüfung des "internen Schutzes" geht es nicht mehr um die Frage, ob im Zeitpunkt der Flucht innerhalb des Herkunftsstaates interne Schutzzonen als Alternative zur Flucht bestanden haben, sondern darum, ob im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) der Richtlinie) derartige Zonen, also interne Schutzzonen, nicht mehr als Alternative zur Flucht, sondern als Alternative zum internationalen Schutz bestehen), sowie Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, 69 bis 114.

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass aufgrund der fehlenden Exponiertheit des Beschwerdeführers, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans (ca. 190 Mio. EW), des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems, der Existenz von Millionenstädten wie beispielsweise Islamabad oder Karachi (ca. 16 Mio EW) sowie des Fehlens jeden Hinweises, dass die Personen, von denen die Gefahren ausgehen über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den Beschwerdeführer in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, der Beschwerdeführer durch Verlegung seines Wohnorts in eine Großstadt in einem anderen Teil des Landes (z. B. Karachi, Islamabad, Rawalpindi) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verfolgungshandlungen durch die Verfolger rechnen muss.

 

Insoweit es den Verfolgern des BF angeblich gelungen ist, dessen Aufenthaltsort in Gujranwala bei seinem Onkel auszuforschen (immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens), so bleibt festzuhalten, dass im Falle der Wohnsitznahme bei einem Verwandten natürlich mit einer Nachschau gerechnet werden muss, weswegen der Aufenthalt bei dieser Personen überhaupt nicht als tatsächlicher Versuch der Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative qualifiziert werden kann. Was zudem die angebliche Auffindung seiner Person in Lahore betrifft, so behauptete der BF lediglich, dass man ihn zufällig auf der Straße als Rikscha-Fahrer erkannt und nach ihm am Standplatz gefragt habe. Der BF brachte allerdings nicht vor, dass er seine Verfolger persönlich gesehen habe oder dass sein genauer Wohnort in der Millionenmetropole Lahore von seinen Gegnern in Erfahrung gebracht werden konnte. Tatsächlich erweist sich die Ausfindigmachung des Beschwerdeführers an den aufgezählten Orten der IFA als nur schwer möglich.

 

Insoweit von Seiten des BF im Asylverfahren ferner allgemein angemerkt wird, dass die - ihn verfolgenden - Sunniten im ganzen Land vernetzt seien, bleibt festzuhalten, dass selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben können (AA 23.7.2015). Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen, jedoch kommt es allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppe an. Dass seine Gegner in ganz Pakistan derartige Kontakte haben, hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht glaubhaft dargelegt.

 

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den Beschwerdeführer aufgrund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der Beschwerdeführer noch in Pakistan aufhielt. Weiters bestehen nicht die geringsten Hinweise, dass der Beschwerdeführer mangels Beständigkeit des Gebietes auf das er ausweichen kann damit rechnen muss, jederzeit auch dort wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen.

 

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt wie Karachi niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dort dauerhaft niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen (vgl. ho. Erk. vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem Beschwerdeführer aufgrund der Feststellungen des BFA zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnissen auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der Beschwerdeführer somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, gesunden, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden bereits durch seine Reise nach Europa unter Beweis stellte und auch bisher in der Lage war, sein Leben in Pakistan zu meistern. Er könnte in einer genannten Großstadt wiederum eine Beschäftigung, wie etwa als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten annehmen. Der Beschwerdeführer brachte auch selbst vor, vor seiner Ausreise in Pakistan durch die Verarbeitung und den Verkauf von Jutegarn sowie als Rikscha-Fahrer und als Chauffeur seinen Lebensunterhalt bestritten zu haben und es bestehen keine Hinweise, dass er nach seiner Rückkehr nicht in der Lage sein sollte, eine ähnliche Arbeit zu finden.

 

Der Beschwerdeführer könnte sich sohin an einem anderen Ort in Pakistan niederlassen und wäre - auch angesichts der Bevölkerungsdichte Pakistans - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an anderen Orten, vor allem in Großstädten wie beispielsweise Karachi, Multan oder Hyderabad, ebenfalls derartigen Schwierigkeiten mit seinen Gegnern ausgesetzt sein würde. Dass seine Gegner in ganz Pakistan Kontakte haben, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt. Hinweise für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in einer anderen Stadt niederzulassen, haben sich im Verfahren nicht ergeben, dies auch in Hinblick auf seine individuelle Situation (gesunder erwachsener Mann mit sozialem Netz in Pakistan und mehrjährigem Schulbesuch sowie Berufserfahrung durch die Verarbeitung und den Verkauf von Jutegarn sowie als Rikscha-Fahrer und als Chauffeur). Insoweit der BF behauptet, dass er sich bereits längere Zeit in Karachi aufgehalten habe, so würde dieser Umstand ebenfalls für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen.

 

Trotz der teilweise als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in Pakistan ist aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat und eine Neuansiedlung in den soeben erwähnten Gebieten im Hinblick auf die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen und auf Grund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar. Zu allfälligen wirtschaftlichen Problemen bei einer Neuansiedlung in einem anderen Landesteil ist überdies darauf hinzuweisen, dass ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation kein ausreichender Grund sein kann, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen (vgl. UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz – "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, vom 23.07.2003).

 

3.1.4. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass pakistanische Staatsangehörige, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

 

3.1.5. In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA abzuweisen.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

3.2.2. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.

 

Der Beschwerdeführer hat weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

In Pakistan erfolgen weder grobe, massenhafte Menschenrechtsverletzungen unsanktioniert, noch ist nach den seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, weshalb auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist.

 

Da sich der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das jüngste Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137-14 zur Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz, in welchem sich der VwGH mit der Frage einer Rückkehrgefährdung iSd Art. 3 EMRK aufgrund der bloßen allgemeinen Lage (hier: Irak), insbesondere wegen wiederkehrenden Anschlägen und zum anderen einer solchen wegen – kumulativ mit der allgemeinen Lage – zu berücksichtigenden individuellen Faktoren, befasst hat und die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Es ist unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation (gesunder junger Mann mit sozialem Netz durch seine Familienangehörigen in Pakistan und mehrjähriger Schulbesuch sowie Berufserfahrung durch die Verarbeitung und den Verkauf von Jutegarn sowie als Rikscha-Fahrer und als Chauffeur) nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in Pakistan, auch an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen Pakistans, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, nicht möglich und zumutbar sein sollte. Es wäre dem Beschwerdeführer letztlich auch zumutbar, durch eigene und notfalls wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandte, sonstige ihn schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können.

 

Es gibt auch keine entsprechenden Hinweise darauf, dass eine existenzielle Bedrohung des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Versorgung und Sicherheit in Pakistan gegeben ist.

 

Im Fall des erwachsenen Beschwerdeführers kann bei einer Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass er im Fall einer Rückkehr nach Pakistan gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre. Die Familie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in Pakistan und ist somit ein soziales Netz gegeben, in welches er bei seiner Rückkehr wieder Aufnahme finden wird. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Pakistan völlig allein und ohne jede soziale Unterstützung wäre. Es sind zudem keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener nicht selbst in Pakistan einer Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte. Er ist in Pakistan aufgewachsen, hat dort die überwiegende Zeit seines Lebens verbracht, wurde dort sozialisiert und es kam nicht hervor, dass er in Pakistan keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte mehr hat. Seine Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern leben nach wie vor in Pakistan und ist für seine Versorgung im Falle der Rückkehr nach Pakistan gesorgt.

 

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens seiner Gegner (immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens) könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden bzw. könnte der Beschwerdeführer Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans entgehen.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Ebenso betreffen die festgestellten Problemfelder zu einem erheblichen Teil Bereiche, von denen der Beschwerdeführer nicht betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abzuweisen.

 

3.3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 57 AsylG sowie § 52 FPG):

 

3.3.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

3.3.2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Oktober 2012 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

3.3.3.1. Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Pakistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

3.3.4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

 

Was ein allfälliges Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich betrifft, so ist auszuführen, dass dies zu bejahen ist. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich nach seiner Einreise im Oktober 2012 ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher bei vorliegendem Sachverhalt, von keinen relevanten familiären, sondern von privaten Anknüpfungspunkten in Österreich aus.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,

 

Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2012 in Österreich aufhältig. Die bisherige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers beträgt daher etwa vier Jahre und zehn Monate, wobei die Relevanz der Aufenthaltsdauer erheblich gemindert wird, zumal der BF zum bloß vorläufigen Aufenthalt aufgrund einer letztlich unbegründeten Asylantragstellung berechtigt war und er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt im Übrigen ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Dass das nunmehrige Asylverfahren in Österreich, welches Grundlage für den hiesigen Aufenthalt des BF gewesen war, ab Oktober 2012 etwa vier Jahre und zehn Monate bis zur nunmehrigen Entscheidung andauerte, ist dem BF zwar nicht anzulasten. Trotz der mehrjährigen Aufenthaltsdauer liegt aber sonst kein nennenswerter Integrationsgrad vor (wie in den vom VfGH mit Erkenntnis vom 03.11.2010, B 950/10, ua entschiedenen Fällen), weder enge Bezüge zu ÖsterreicherInnen, noch andere außergewöhnliche Umstände. Der BF legte lediglich ein vierzeiliges Unterstützungsschreiben einer einzelnen Person vor. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet war und er versuchte diesen mit einem nicht glaubhaften Sachverhalt zu begründen und der Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist war, sind aber gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib, selbst wenn er im Bundesgebiet über - vor allem pakistanische/ afghanische - Freunde bzw. soziale Kontakte verfügt und er sich in einer Wohngemeinschaft mit zwei dieser Personen befindet, er seit mehreren Jahren als Zeitungskolporteur tätig ist, gewisse Deutschkenntnisse erlangt hat und sein zukünftiges Leben hier gestalten will. Private und familiäre Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnte und sein Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

 

Der BF lebt gemeinsam mit einem Pakistani und einem Afghanen in einer Wohnung und behauptet, sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut zu haben. Diese Freundschaften sind jedoch erst während des unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthalts entstanden und macht er hiermit keine Umstände geltend, die seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblich verstärken könnten (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 26. November 2009, Zl. 2007/18/0311), zumal diese Behauptung auch gänzlich unkonkretisiert blieb. Soweit der BF insoweit über private Bindungen in Österreich verfügt, ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Abschiebung nach Pakistan gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.

 

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Dass der Fremde strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.2.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.4.2012, 2011/18/0253).

 

Eine Deutschprüfung hat der BF noch nicht abgelegt. Vielmehr gab der BF - entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde - im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 23.05.2017 zu Protokoll, dass sein Deutsch nicht gut sei und legte er insoweit auch lediglich eine Kursbesuchsbestätigung "Deutsch für Asylwerbende – Alphabetisierung 3" vom 22.05.2017 vor. Aufgrund der Aufenthaltsdauer ist aber dennoch von gewissen Deutschkenntnissen auszugehen. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen aber zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Insgesamt liegen seine Deutschkenntnisse somit doch deutlich unter dem Durchschnitt von Asylwerbern/ Drittstaatsangehörigen mit ähnlicher Aufenthaltsdauer und hat sich der BF somit tatsächlich nur relativ geringe Deutschkenntnisse angeeignet.

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Die Umstände, dass der BF eine vier Zeilen umfassende Unterstützungserklärung einer einzelnen Person vorlegte und er seit einigen Jahren eine Erwerbstätigkeit als Zeitungskolporteur ausübte bzw. ausübt, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226), zumal der Beschwerdeführer bisher auch keine besondere Ausbildung oder Berufsausbildung in Österreich genossen hat und er zunächst bis Mitte Mai 2013 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber bezog. Die vorgelegte Unterstützungserklärung erfährt insofern auch eine geringere Gewichtung, als er ein besonderes Engagement bei Organisationen im Wohnort oder gemeinnützigen Vereinen nicht substantiiert vorgebracht hat.

 

Insofern fällt seine Erwerbstätigkeit - insbesondere auch in Verbindung mit seinen mangelnden Deutschkenntnissen - bei der gegenständlichen Abwägungsentscheidung nicht besonders stark ins Gewicht. Dieser Umstand relativiert auch die Angaben des BF, wonach er über eine ortsübliche Unterkunft verfüge, zumal er sich diese - mit einem weiteren pakistanischen und einem afghanischen Staatsangehörigen - teilen muss.

 

Diesbezüglich ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt in Pakistan, wo seine Eltern und mehrere Geschwister leben und er somit über ein soziales Netz verfügt.

 

Insoweit kann auch aufgrund der nicht übermäßig langen Abwesenheit (rund sieben Jahre) aus seinem Heimatland Pakistan nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine völlige Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit bestehen nach wie vor Bindungen des BF zu Pakistan.

 

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Familien- und Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in der Ausweisung eines kosovarischen (ehemaligen) Asylwerbers keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

 

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07).

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers erkennen: Der Beschwerdeführer beherrscht nach wie vor die Sprachen Urdu und Punjabi, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine engsten Familienangehörigen (Eltern und mehrere Geschwister) leben. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Pakistan - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Aufgrund dieser Fakten, der nicht übermäßig langen Aufenthaltsdauer von vier Jahren und zehn Monaten und in Anbetracht der Würdigung der mangelnden Integration kann weder von einer nachhaltigen Integration noch von einem ernsthaften Bemühen in diese Richtung gesprochen werden.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt somit, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider den Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

 

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

3.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu A) (Spruchpunkt II)

 

Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005

 

Soweit erstmals in der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 55 AsylG 2005 gestellt wurde, war dieser Antrag mangels sachlicher Zuständigkeit zurückzuweisen, zumal ein solcher Antrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl persönlich als sachlich zuständige Behörde zu stellen gewesen wäre (vgl. § 58 Abs. 5 AsylG 2005).

 

Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend festgestellt, dass eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu unterbleiben hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen – wie hier – eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018) hielt in diesem Zusammenhang fest, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.

 

Die in § 24 Abs. 4 VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des § 67d Abs. 4 AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält § 24 Abs. 4 VwGVG nicht (mehr).

 

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch:

trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

 

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

 

* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und

 

* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen

 

* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und

 

* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen

 

* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Verfahren den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.

 

Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung (vgl. diesbezüglich die auch unter Punkt 2.2.4. wiedergegebene Argumentation des BFA).

 

Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA vom 31.05.2017 immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

 

Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in diesen kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.

 

Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

Letztlich ist auch nochmals auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7 hinzuweisen, in welchem dieser nunmehr auch explizit festhält, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

 

Des Weiteren ist auch auf nachfolgend angeführte Entscheidungen des Verwaltungsgerichts-hofes sowie des Verfassungsgerichtshofes, in welchen insbesondere die Frage der Zulässigkeit vom Absehen der Verhandlungspflicht thematisiert wird, zu verweisen. In diesen Entscheidungen wurden, gegen Erkenntnisse der Gerichtsabteilung L508 (folglich der auch in diesem Verfahren zuständigen Gerichtsabteilung) eingebrachte Revisionen wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen bzw. wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Vgl. etwa VwGH: Ra 2014/01/0029-4 vom 18. Juni 2014, Ra 2014/20/0002-7 vom 18. Juni 2014, Ra 2014/01/0047-5 vom 16. Juli 2014, Ra 2014/18/0020-5 vom 02.09.2014, Ra 2014/01/0003-10 vom 28.11.2014, Ra 2014/19/0106-7 vom 26.11.2014, Ra 2014/180059-12 vom 22.04.2015, Ra 2016/20/0235-5 vom 28. Oktober 2016, Ra 2016/18/0268 vom 10.03.2017 sowie Ra 2017/20/0123-15 vom 02.08.2017 und VfGH: E 1191/2014-7 vom 18.09.2014.

 

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertritt, dass im Falle einer tragfähigen Alternativbegründung bzw. dem Verweis auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative, das Revisionsvorbringen hinsichtlich der festgestellten Unglaubwürdigkeit und dem Erfordernis der Verhandlungspflicht nicht von Relevanz sein kann (vgl. etwa die aktuellen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.11.2016, Ra 2016/20/0245-5, vom 28.10.2016, Ra 2016/20/0235-5 sowie im weiteren Sinne vom 22.06.2017, Ra 2017/20/0052-8).

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht der erkennenden Richterin auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zur Schutzfähigkeit, zur innerstaatlichen Fluchtalternative, dem Refoulementschutz und zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht.

 

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

 

Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ergeben sich aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.

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