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Änderung des Wohnungseigentumsobjekts

Miet- und WohnrechtWohnungseigentumRichterJänner 2023

Jedem Wohnungseigentümer als ausschließlichem Nutzungsberechtigten eines Wohnungseigentumsobjektes steht grds das Recht zu, Veränderungen am eigenen Objekt unter Tragung der diesbezüglich anfallenden Kosten vorzunehmen. Handelt es sich dabei jedoch um genehmigungspflichtige Veränderungen, bedarf es der Zustimmung sämtlicher übriger Wohnungseigentümer, welche unter den Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG auf Antrag im außerstreitigen Rechtsweg ersetzt werden kann. Eigenmächtig vorgenommene Änderungen können mittels Eigentumsfreiheitsklage bekämpft werden.

Einleitung

§ 16 WEG bestimmt jene gesetzlichen Voraussetzungen, unter welchen beabsichtigte Änderungen genehmigungsfähig sind und sich die übrigen Wohnungseigentümer der Vornahme solcher Maßnahmen nicht verwehren können. Aus § 16 WEG lässt sich jedoch kein unmittelbarer Anspruch auf Durchführung dieser Änderungen ableiten.11Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 10; 5 Ob 7/13k = immolex 2014/14 (Prader) = MietSlg 65.096.

Der Änderungsbegriff

Das Gesetz selbst normiert nicht, wann eine Änderung überhaupt genehmigungspflichtig ist,66ÖVI/Dirnbacher, WEG idF WRN 2009, 154. weshalb diesbezüglich auf die Judikatur zu § 16 WEG und § 9 MRG zurückzugreifen ist.77ÖVI/Dirnbacher, WEG idF WRN 2009, 154.

Gegen Maßnahmen, welche ohne Zustimmung vorgenommen wurden, können sich die übrigen Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg mit Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB zur Wehr setzen.15155 Ob 25/08z; 5 Ob 275/08i.

Genehmigungsfähige Änderungen

1. § 16 Abs 2 Z 1 WEG zählt demonstrativ allgemeine Voraussetzungen auf, welche eine Änderung am WE-Objekt unzulässig machen:

2. § 16 Abs 2 Z 2 WEG unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft:

  • Voraussetzungen des Abs 2 Z 1
  • Zusätzlich:
    • die Änderung entspricht der Übung des Verkehrs oder
    • dient einem wichtigen Interesse des ASt.22225 Ob 101/06v = immolex 2006/136 (Prader) = wobl 2007/87 (Markl/Hechenbichler) = MietSlg 58.415.

Etwa Dachböden, Gärten, Fassadenflächen, Außenfenster,23235 Ob 95/93 = MietSlg 45.542. idR überhaupt die „Außenhaut“ des Gebäudes,24245 Ob 97/09i = immolex 2010/28 (Cerha) = wobl 2010/16 (krit Vonkilch) = MietSlg 61.461. Bauteile mit allgemeinen Versorgungsleitungen.25255 Ob 90/98s = wobl 1999/37 (Call) = MietSlg 50.575; 5 Ob 122/05k = immolex 2005/127 (Prader). Es besteht ein gewisser Ermessensspielraum. Die Beantwortung ist idR von den Umständen des Einzelfalles und vom Umfang des Eingriffs in die Allgemeinfläche abhängig.26265 Ob 483/97h = wobl 1998/117 (Call) = MietSlg 49.501; Illedits in Illedits (Hrsg), Wohnrecht Kurzkommentar4 § 16 WEG Rz 44;  5 Ob 279/08b; 5 Ob 47/06g.

Die WEG-Novelle 2022 sieht eine Ausweitung des Katalogs der privilegierten Änderungsmaßnahmen vor, bei denen wichtiges Interesse oder Verkehrsüblichkeit unwiderleglich vermutet werden:2727Richter, Das neue Änderungsrecht des Wohnungseigentümers nach § 16 WEG, immolex 2022, 6 f.

  • Schaffung von Vorrichtungen zum Langsamladen von Elektrofahrzeugen
  • barrierefreie Ausgestaltung des WE-Objekts oder von allgemeinen Teilen 
     

Hinweis

Das wichtige Interesse des ASt ist nur relevant, soweit die Änderung

3. § 16 Abs 2 Z 3 WEG Änderung betrifft auch Objekt anderer Wohnungseigentümer:

  • Voraussetzungen nach Abs 2 Z 1 und Z 2
  • Zusätzlich:
    • keine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung des Wohnungseigentums des Betroffenen2929Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 39.
    • nicht nur (zeitlich) vorübergehende Beeinträchtigungen sind zulässig30305 Ob 93/06x = MietSlg 58.414/16.
    • Interessenabwägung vornehmen3131Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 39.

Begriffe

Allgemeine Teile

Liegenschaftsteile, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht.32325 Ob 97/09i = immolex 2010/28 (Cerha) = wobl 2010/16 (krit Vonkilch) = MietSlg 61.461.

Wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG

Bloße Zweckmäßigkeitsüberlegungen, Wertsteigerung des Objekts, erzielbare Lebensqualität genügen für die Annahme eines wichtigen Interesses idR nicht.33335 Ob 63/08p. Hingegen etwa sehr wohl die Herstellung eines heute üblichen Standards.34345 Ob 97/09i.

Privilegierte Änderungen iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG

Mit den privilegierten Mieter-Investitionen des § 9 Abs 2 Z 1, 4 und 5 MRG vergleichbar,3535Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 38. hier müssen lediglich die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG erfüllt sein.

Geltendmachung

Gerichtliche Geltendmachung

Antrag auf Ersetzung der Zustimmung im AußerStrVerf

§ 52 Abs 1 Z 2 WEG

Frist

keine

 

Zuständigkeit

sachlich: BG; örtlich: Gerichtsstand der Liegenschaft

§ 52 Abs 1 WEG

Internationale Zuständigkeit

Gerichtsstand der Liegenschaft

Art 22 EuGVVO

Anwendbares Recht

Recht des Staates, in dem die Liegenschaft gelegen ist

§ 31 IPRG

Rechtsdurchsetzung im Verfahren

Antrag auf Ersetzung der Zustimmung durch einen rechtsgestaltenden36361 Ob 564/76 = MietSlg 28.487/6; 5 Ob 6/81 = MietSlg 33.504/19; 5 Ob 24/87 = ImmZ 1987/313 (Meinhart) = MietSlg 39.615. Sachbeschluss des Außerstreitrichters nach § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG.3737Singer, Zak 2014, 223 (226).

Der Antrag hat zu umfassen:

  • die Änderung sowie die Art und Weise der Durchführung
  • der zu bewilligenden (Bau)Pläne38385 Ob 22/99t = MietSlg 51.519.
  • eine spätere Modifizierung und Vervollständigung muss zulässig sein39395 Ob 47/81 = MietSlg 33.466/29; Ob 22/99t; 5 Ob 223/07s.
  • eine qualifizierte Behauptungspflicht hinsichtlich der Übung des Verkehrs bzw des wichtigen Interesses des Wohnungseigentümers40405 Ob 2134/96a = wobl 1998/31 (Markl) = MietSlg 48.478.

Die Verfahrensbeteiligung auch jener Miteigentümer, die ihre Zustimmung bereits erteilt haben, ist nicht notwendig.4141Illedits in Illedits (Hrsg), Wohnrecht Kurzkommentar4 § 16 WEG Rz 43. Diese können sich dem Verfahren jedoch als Antragsteller anschließen, sofern sie selbst die Änderung begehren.42425 Ob 127/91 = MietSlg 44.658; 5 Ob 253/01v.

Im streitigen Verfahren nach § 523 ABGB ist nur die Genehmigungsbedürftigkeit und eine eigenmächtige Rechtsanmaßung zu prüfen,43435 Ob 229/09a = immolex 2010/131 (Prader). die Genehmigungsfähigkeit iSd Ersetzung der Zustimmung ist ausschließlich dem Außerstreitrichter vorbehalten,44445 Ob 25/90 = MietSlg 42.434/31 = wobl 1991/53 (Call); 5 Ob 95/93 = MietSlg 45.542; 1 Ob 564/76 = MietSlg 28.487/6; 5 Ob 207/01d = wobl 2004/40; 5 Ob 174/02b = immolex 2003/161. weshalb eine Eigentumsfreiheitsklage bis zur Genehmigung angestrebt werden kann.45455 Ob 122/05k = immolex 2005/127 (Prader); 3 Ob 158/11y = immolex 2012/37 (Neugebauer-Herl) = wobl 2012/57; 5 Ob 59/14 h Die Stellung eines Antrages nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG stellt keinen Unterbrechungsgrund dar.4646OLG Wien 21. 10. 2003, 12 R 126/03t; 5 Ob 306/03s = immolex 2004/118 = wobl 2004/55 (Call) (obiter).

Praxistipps

  • Dem Beschluss des Außerstreitrichters steht ein vorangegangenes Beseitigungs- oder Unterlassungsurteil nicht entgegen.47473 Ob 158/11y = immolex 2012/37 (Neugebauer-Herl) = MietSlg 63.512.
  • Ein auf eine Vereinbarung gestützter Antrag auf Änderung ist im streitigen Verfahren zu verfolgen.4848Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 44.
  • Bei Bestehen eines Fruchtgenussrechtes ist der Fruchtgenussberechtigte passiv legitimiert.49491 Ob 11/08m = wobl 2008/84 (Call) = MietSlg 60.041.
  • Im Falle einer Änderung eines durch Benützungsregelung in Sondernutzung überlassenen allgemeinen Teils ist nach der Rsp § 16 Abs 2 WEG analog anzuwenden.50505 Ob 299/99b.
  • Werden während eines anhängigen Verfahrens Miteigentumsanteile veräußert, so tritt der Erwerber anstatt des früheren Eigentümers in das Verfahren ein.51515 Ob 59/11d = wobl 2012, 156/58 = MietSlg 63.515 = immolex 2011, 342/111 (Hagen).
  • Baumaßnahmen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft unterliegen den Bestimmungen des § 16 Abs 2 WEG, sofern die übrigen Wohnungseigentümer keine Benützungsrechte haben (sollen), ansonsten liegt eine Maßnahme der (außer)ordentlichen Verwaltung vor.5252Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 16 mwN.
  • Erforderliche baubehördliche Bewilligungen sind beachtlich, sofern bereits im Vorfeld feststeht, dass diese keinesfalls erteilt werden.53535 Ob 58/99m, 5 Ob 24/07.
  • Eine konkludente Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu einer geplanten Änderung ist möglich, sofern dem betreffenden Wohnungseigentümer das Untersagungsrecht bekannt war.54545 Ob 128/02p.

Was man sonst noch wissen sollte



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