OGH 5Ob100/14p

OGH5Ob100/14p25.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte, Dr. Höllwerth und Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** F*****, 2. DDr. G***** F*****, beide *****, beide vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts-GmbH in Mödling, gegen die beklagte Partei Dr. U***** V*****, vertreten durch Leissner Kovaricek Rechtsanwälte‑OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2014, GZ 16 R 18/14f‑35, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00100.14P.0725.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Als Nichtigkeit machen die Kläger die vom Erstgericht unterlassene Einvernahme der Erstklägerin geltend. Dabei handelt es sich jedoch um einen vermeintlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, den das Berufungsgericht bereits verneint hat und der deshalb nicht mehr erfolgreich mit Revision geltend gemacht werden kann (5 Ob 218/13i; RIS‑Justiz RS0042963; RS0106371).

2. Die Kläger machen als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass eine Widmungsänderung im Wohnungseigentum eine Änderung des Wohnungseigentumsvertrags und damit ein Akt der Verfügung sei, der übereinstimmende Willenserklärungen aller Miteigentümer voraussetze, die hier vom Erstgericht nicht (ausreichend) festgestellt worden seien:

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass für die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts grundsätzlich kein Formerfordernis besteht, sie kann daher auch auf einer bloßen konkludent zustande gekommenen Willenseinigung der Miteigentümer beruhen, die sich gemäß § 863 ABGB etwa an lang geübten Nutzungen oder dem Baukonsens bei einvernehmlich vorgenommenen Um‑ und Ausbauten festmachen lässt (5 Ob 156/98x; 5 Ob 52/00h; 5 Ob 290/07v; 1 Ob 585/79 MietSlg 31.518).

2.2. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS‑Justiz RS0014160). Dies gilt auch für konkludente Erklärungen (5 Ob 106/88 ImmZ 1989, 394; 2 Ob 207/12y). Soweit aus der von den Klägern bezogenen Entscheidung 5 Ob 128/02p (MietSlg 54.083), die sich im Übrigen ebenfalls ausdrücklich auf die Vertrauenstheorie beruft, Gegenteiliges abgeleitet werden könnte, ist diese vereinzelt geblieben und insoweit ist ihr auch nicht zu folgen.

2.3. Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung von Teilen einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft hängen regelmäßig von den konkreten Umständen des gerade zu beurteilenden Falls ab (5 Ob 290/07v; 5 Ob 157/03d wobl 2003/93 [Call]). Ebenso hat die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor (2 Ob 46/11w; 2 Ob 159/10m; RIS‑Justiz RS0043253 [T8]). Im vorliegenden Fall ist den Vorinstanzen eine derartige Fehlbeurteilung nicht unterlaufen:

2.4. Hier folgt aus den erstgerichtlichen Feststellungen insbesondere, dass sowohl den Klägern als auch den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern bekannt war, dass die Beklagte in dem als Wohnung gewidmeten Objekt Top 1 eine Kinderarztpraxis betreibt und dieser Zustand zumindest acht Jahre hindurch unwidersprochen geblieben ist. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage eine konkludente Widmungsänderung bejahte, ist darin jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und zurückzuweisen.

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