OGH 5Ob156/98x

OGH5Ob156/98x29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Walter P*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider den Antragsgegner Horst P*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher‑Mayr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Neufestsetzung von Nutzwerten, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Februar 1998, GZ 2 R 259/97w‑20, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 20. März 1997, GZ 4 Msch 54/96x‑16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1998:0050OB00156.98X.0929.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Außerstreitsache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

 

 

Begründung:

 

Der Antragsteller ist zu 780/1660 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Grundstück 200/14 mit dem darauf befindlichen Haus V*****. Mit seinen Anteilen ist das Wohnungseigentum an der Erdgeschoß‑Wohnung verbunden. Der Antragsgegner ist zu 880/1660 Anteilen Mit‑ und Wohnungseigentümer der im 1. Obergeschoß gelegenen Wohnung.

Der Begründung des Wohnungseigentums lag der rechtskräftige Parifizierungsbeschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 9. 11. 1965, Msch 14/65‑6, zugrunde. Er sah für die damals 85,37 m2 große Wohnung im Erdgeschoß, bestehend aus Gang, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad und WC, ein Kronenmietwert von 780 Kronen und für die ebenfalls 85,37 m2 große Wohnung im Obergeschoß bestehend aus Gang, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad und WC, einen solchen von 880 Kronen vor. Das Haus wies damals außer dem Erd‑ und dem Obergeschoß nur noch einen Keller auf.

Nunmehr begehrt der Antragsteller die Neufestsetzung der Nutzwerte (Neuparifizierung) im Sinn eines von ihm vorgelegten Gutachtens des Sachverständigen Franz G***** bzw eine (im Entscheidungsbegehren ebenfalls erwähnte) "Benützungsaufteilung". Damit soll den seit der Begründung des Wohnungseigentums einvernehmlich vorgenommenen baulichen Veränderungen sowie Grundzukäufen Rechnung getragen werden. So sei zB eine dritte Wohneinheit im Dachgeschoß des Hauses geschaffen worden. Diese solle vereinbarungsgemäß dem Antragsgegner zufallen; als Ausgleich seien dem Antragsteller der sogenannte Hobbyraum im Keller, das Schwimmbad und und ein Anteil am Garten zugestanden worden. Konkret soll folgendes festgelegt werden:

"ERDGESCHOSS

1. Wohnung TOP 1 (Walter P*****

bestehend aus Wohnraum, Küche, Eßplatz, 3 Zimmern, Bad/WC, Dusche, Diele/Garderobe, Flur

Nutzfläche 121,70 m2 110

Zubehör:

Terrasse 15,90 m2 5

Hobbyraum im Keller 35,87 m2 14

Schwimmbad 32,86 m2 7

Garten (Abschnitt 1‑11 lt Plan) 294,01 m2 29

Kellerstiegen (Pauschale) 1

PKW‑Abstellplatz TOP P3 11,25m2 2

Einstellplatz in der Garage TOP P1

(rechts) 17,90m2 8

NUTZWERT TOP 1 176

OBERGESCHOSS/DACHGESCHOSS

2. Wohnung TOP 2 (Horst P*****

bestehend aus

im Obergeschoß:

Wohnraum, Eßzimmer, Küche, Schlafzimmer,

Ankleideraum, Bad/WC, Dusche, Diele/Garderobe

Nutzfläche 104,54 m2 105

im Dachgeschoß:

Wohnraum, Küche, 2 Zimmern, Bad/WC

Nutzfläche 81,88 m2 57

Zubehör:

Terrasse 31 m2 9

3 Dachräume 20,91 m2 5

überdachte Laube 12,21 m2 4

Wendeltreppe Terrasse und Podest 3,00 m2 1

Stiegenhaus (Pauschale) 3

Garten (Abschn. 12‑16 lt Plan) 212,99 m2 21

Einstellplatz in der Garage TOP P2

(links) 17,90 m2 8

NUTZWERT TOP 2 213

GESAMTNUTZWERT 389"

Der Antragsgegner beantragte die Zurück‑ bzw Abweisung des Sachantrages. Er wendete im wesentlichen ein, er hätte keineswegs zugestimmt, daß die Liegenschaft nach den Vorstellungen seines Bruders neu parifiziert werde. Als er mit seiner Frau nach jahrelanger Abwesenheit nach V***** zurückgekehrt sei, sei die Mutter (Anna P*****) ins Dachgeschoß gezogen, er selbst benütze nach Adaptierungs‑ und Sanierungsarbeiten die Wohnung im Obergeschoß. Der Antragsteller und vor allem dessen Frau hätten sich nicht darauf einstellen können, daß die Liegenschaft nun plötzlich auch vom Antragsgegner und dessen Gattin bewohnt wird, weshalb es immer wieder zu Reibereien und Streitigkeiten komme.

Hinsichtlich der Wohnungen Top 1 und Top 2 bestehe eine Benützungsregelung, wonach jene Räumlichkeiten, die zur Wohnung Top 1 dazugebaut wurden, vom Antragsteller, die zur Wohnung Top 2 hinzugebauten Räumlichkeiten vom Antragsgegner bzw, solange die Mutter im Haus wohne, von dieser benützt werden. Der Hobbyraum, der dem Antragsgegner vor allem als Wäscheraum diene, der Garten, die Stiegenaufgänge, der Platz vor dem Haus und den Garagen würden gemeinsam benützt. Das gleiche treffe auf das Schwimmbad zu. Hinsichtlich der Garagen sei vereinbart, daß eine Garage vom Antragsgegner, die andere vom Antragsteller benützt wird.

Mit dem vorliegenden Antrag versuche der Antragsteller, sich den Hobbyraum im Keller, einen bisher nicht existenten PKW‑Abstellplatz sowie den wesentlichen Teil des Gartens mit dem Schwimmbad einzuverleiben. Diesbezüglich liege weder ein Vertrag noch eine Vereinbarung vor, sodaß diese Vorgangsweise nicht zulässig sei. Letztlich gehe es dem Antragsteller darum, eine Änderung der bisherigen Benützungsregelung durchzusetzen. Dies sei im Außerstreitverfahren nicht möglich. Wenn der Antragsteller verlange, daß der Antragsgegner die behauptete, aber nie geschlossene Vereinbarung zuhalte und auf dieser Grundlage eine neue Benützungsregelung bzw Änderung der Nutzwerte anstrebe, müsse er den Klagsweg beschreiten. Werde ein mündlicher Wohnungseigentumsänderungsvertrag behauptet, sei im streitigen Verfahren auf Unterfertigung eines verbücherungsfähigen Vertrages zu klagen.

Das Erstgericht wies den Sachantrag des Antragstellers ab. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Bereits mit Bescheid des Gemeindeamtes V***** vom 15. 1. 1968 wurde dem Antragsteller und Frau Anna P*****, der Mutter der Parteien, der Ausbau des Dachgeschoßes und die Errichtung einer Doppelgarage bewilligt.

Mit Bescheid vom 12. 12. 1972 wurde dem Antragsteller der Anbau eines Eßraumes bewilligt.

Mit Bescheid vom 23. 7. 1976 wurde dem Antragsgegner die Errichtung eines Freischwimmbades und die Errichtung einer Pergola an die bestehende Garage bewilligt. Der Antragsteller und dessen Mutter haben die Zustimmung zu diesem Verfahren erteilt.

Schließlich wurde den Parteien mit Bescheid vom 23. 5. 1985 die baubehördliche Bewilligung für den Neubau/Anbau von Wohnräumen auf der Nordseite des Gebäudes sowie die Errichtung eines Windfangvorbaues und einer Stiege bewilligt.

Zuletzt haben die Antragsteller (gemeint sind offensichtlich die Parteien dieses Verfahrens) den Durchbruch verschiedener Türöffnungen und den Abbruch bzw die Neuerrichtung von Zwischenwänden durchgeführt. An der Ostseite wurde ein Baukörper errichtet, in welchem Sanitärräume untergebracht sind.

Über die durchgeführten baulichen Änderungen waren sich die Parteien einig. Grob kann gesagt werden, daß allgemeine Teile gemeinsam (50 : 50), die Baumaßnahmen in den jeweils von den Parteien benützten Räumlichkeiten von diesen jeweils selbst finanziert wurden. Das Schwimmbad wurde gemeinsam finanziert und errichtet. Das Schwimmbad und der Garten werden auch gemeinsam benützt. Seit einigen Jahren gibt es jedoch Streitigkeiten zwischen den Brüdern bzw deren Ehegattinnen und hat es daher auch Gespräche über eine Aufteilung der gemeinsamen Teile gegeben.

Auf der Wohnung im Obergeschoß lastet ein Wohnungsrecht der Mutter der Parteien. Die Mutter der Parteien ist allerdings mittlerweile in die ausgebauten Räume im Dachgeschoß umgezogen. Die Wohnung im ersten Obergeschoß wird vom Antragsgegner und seiner Ehegattin bewohnt, die Wohnung im Erdgeschoß vom Antragsteller und seiner Familie.

Trotz der zahlreichen baulichen Veränderungen auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft wurde bisher keine Neufestsetzung der Nutzwerte durchgeführt.

Im Sommer 1995 haben sich die Parteien dieses Verfahrens an den Zeugen Mag. D***** gewandt, damit dieser Überlegungen über eine technisch sinnvolle Aufteilung der Liegenschaft anstelle. Nach einer Besichtigung der Liegenschaft durch Mag. D***** ist es auch zu einem Gespräch zwischen den Streitparteien in Anwesenheit des Mag. D***** in dessen Büro gekommen. Dabei wurden verschiedene Möglichkeiten der Aufteilung der Liegenschaft erörtert. Man ist dabei jeweils auch in Details gegangen. Es war auf Grund dieser Unterredung zu erwarten, daß die Streitteile letzlich zu einer Einigung gelangen würden.

Zu einer Einigung über die Aufteilung der allgemeinen Teile der Liegenschaft ist es aber weder beim Gespräch mit Mag. D***** noch danach gekommen. Es wurde auch nie vereinbart, daß das Wohnungseigentum an der gegenständlichen Liegenschaft aufgelöst und in der Folge vollkommen neu begründet werden soll. Schließlich hat es auch keine Einigung darüber gegeben, daß der Sachverständige Franz G***** von den Parteien gemeinsam beauftragt wird, nach ihrer Übereinkunft über die Aufteilung der Liegenschaft ein Nutzwertgutachten (keine Neufestsetzung von Nutzwerten, sondern eine gänzlich neue Begründung von Wohnungseigentum nach dem nunmehrigen Stand) zu erstellen. Vielmehr war es so, daß der Antragsteller alleine dem Sachverständigen den Auftrag erteilte, nach seinen eigenen Vorstellungen ein Nutzwertgutachten zu erstatten.

Eine Einigung zwischen den Parteien ist daran gescheitert, daß der Antragsgegner nicht den Garten mit dem Schwimmbad in den ausschließlichen Nutzungsbereich des Antragstellers abgeben wollte. Außerdem wollte der Antragsgegner vor einer einvernehmlichen Aufteilung der Allgemeinflächen und Neufestsetzung der Nutzwerte die Frage des Wohnrechtes der Mutter geklärt haben.

Die Gründe, die das Erstgericht zur Abweisung des Sachantrages des Antragstellers bewogen haben, stimmen mit den Rechtsausführungen des Rekursgerichtes im wesentlichen überein. Es kann daher auf diese verwiesen werden.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es übernahm den festgestellten Sachverhalt, insbesondere das Fehlen einer Vereinbarung über Neuparifizierung der Liegenschaft, als unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Wie schon das Erstgericht gestützt auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl MietSlg 34.611/19; 39.610/14; 40.628/14; 41.454/25 ua) zutreffend ausführte, habe die (Neu‑)Festsetzung der Nutzwerte (gemäß §§ 3, 26 Abs 1 Z 1 WEG) durch das Gericht in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen, jedoch auf (Verfahrens‑)Antrag einzuleitenden amtswegigen Verfahren ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung zu erfolgen. In Zweifelsfällen habe der Außerstreitrichter die der materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung als Vorfrage festzustellen (Würth in Rummel, KommzABGB2, § 3 WEG Rz 2 mwN), und zwar für alle als Wohnungseigentumseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft. Dies gelte nicht nur für die erstmalige Nutzwertfestsetzung, sondern auch für die Neufestsetzung des Nutzwertes gemäß § 3 Abs 2 WEG, der die Fälle der Neufestsetzung nicht taxativ aufzähle (Würth in Rummel, aaO, § 3 WEG Rz 5; MietSlg 38.620/53; Derbolav in ImmZ 1979, 6). Grundsätzlich habe die Neufestsetzung des Nutzwertes zwar eine nachträgliche Änderung des Sachverhaltes zur Voraussetzung. Es könne aber auch das nachträgliche Hervorkommen des wahren Sachverhaltes, der dem Gericht bei der erstmaligen Nutzwertfestsetzung verborgen blieb, zur Antragstellung nach § 3 Abs 2 WEG berechtigen, doch seien dabei die Fristen gemäß § 3 Abs 2 Z 1 - 3 WEG zu beachten, die bei der vorliegenden Sachlage nicht eingehalten worden wären.

Eine Neufestsetzung der Nutzwerte sei bei Zustimmung aller Miteigentümer zu den betreffenden Änderungen (oder bei Vorliegen einer entsprechenden Entscheidung nach § 13 Abs 2§ 26 Abs 1 Z 1 WEG) und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs 2 WEG herbeizuführen, wobei die Nutzwertneufestsetzung ausnahmslos rechtsgrundabhängig sei (vgl WoBl 1989, 145; 1990, 20; 1990, 80; 1993, 175; 4 R 248/95 des Landesgerichtes Innsbruck).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes liege keine Zustimmung sämtlicher Miteigentümer vor. Eine Entscheidung nach § 13 Abs 2 WEG sei auch nicht ergangen, sodaß der Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte nach den vom Antragsteller gewünschten Aufteilungskriterien zutreffend abgewiesen worden sei.

Auf die nach der Neufestsetzung der Nutzwerte angestrebte Benützungsregelung entsprechend der vorgenommenen Zuordnung sei bei dieser Sachlage nicht weiter einzugehen gewesen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das wurde damit begründet, daß die behandelten Rechtsfragen bereits durch eine einheitliche Judikatur gelöst seien.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, daß das Rekursgericht die Voraussetzungen einer Neufestsetzung der Nutzwerte verkannt habe. Da es nach der Parifizierung (im Jahr 1965) zu wesentlichen baulichen Veränderungen auf der Liegenschaft gekommen ist, hätten die Vorinstanzen gemäß § 3 Abs 2 Z 3 WEG eine Neufestsetzung der Nutzwerte (richtig: eine Neuparifizierung) vornehmen müssen. Einer vorherigen Genehmigung der Änderungen in einem Verfahren nach § 13 Abs 2 WEG habe es nicht bedurft, da die Baumaßnahmen einvernehmlich gesetzt wurden. Die dem vorgelegten Sachverständigengutachten zugrundeliegende Widmung von bisher nicht parifizierten Teilen der Liegenschaft entspreche den einvernehmlich herbeigeführten Baubewilligungen sowie der tatsächlichen Nutzung, sodaß (so ist offensichtlich das diesbezügliche Vorbringen zu verstehen) die begehrte Neufestsetzung der Nutzwerte nicht am Fehlen einer Widmungsvereinbarung scheitere.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen dem (in extenso wiederholten) Sachantrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte stattzugeben oder hilfsweise die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Dem Antragsgegner wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Es hat jedoch von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als zulässig, weil die Vorinstanzen die Voraussetzungen einer Neuparifizierung nach § 29 Abs 1 Z 1 WEG 1975 iVm §§ 2 und 5 WEG 1948 und § 3 Abs 2 WEG 1975 verkannt haben; er ist im Sinn seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

§ 3 Abs 2 WEG 1975 beschränkt die Möglichkeit einer Neufestsetzung der Nutzwerte (hier iVm § 29 Abs 1 Z 1 WEG 1975 sowie §§ 2 und 5 WEG 1948 einer Neuparifizierung) nicht auf die ausdrücklich im Gesetz geregelten Fälle (WoBl 1995, 28/13 ua). Eine Neuparifizierung ist etwa auch dann möglich, wenn die Liegenschaft von den Mit‑ und Wohnungseigentümern einvernehmlich so verändert wurde, daß die Parifizierung nicht mehr den zwingenden Berechnungsgrundsätzen entspricht. Auf Antrag auch nur eines Miteigentümers (§ 4 Abs 1 WEG 1975) hat in einem solchen Fall das Gericht (die Schlichtungsstelle) ohne inhaltliche Bindung an den konkreten Vorschlag des Antragstellers eine Neuparifizierung vorzunehmen, die auf der Basis der bestehenden Widmungs‑ und Zuordnungsvereinbarungen den Einklang der Parifizierung mit der materiellen Rechtslage herstellt (vgl MietSlg 37/19 ua; Call zu WoBl 1992, 158/114).

Hier rechtfertigt schon die Errichtung einer zusätzlichen (dritten) Wohnung im Dachgeschoß des Hauses die Neuparifizierung. Gesetzeskonform ist nämlich eine Parifizierung (Nutzwertfestsetzung) nur dann, wenn sie - mit Ausnahme der Hausbesorgerwohnung ‑ alle Wohnungen des Hauses einbezieht und diese mit den ihnen jeweils zukommenden Jahresmietwerten (Nutzwerten) in der Gesamtsumme der Jahresmietwerte (im Gesamtnutzwert der Liegenschaft) berücksichtigt (vgl SZ 31/138; Faistenberger/Barta/Call, WEG 1975, Rz 3 zu § 3 WEG mit dem Hinweis auf LGZ Wien in MietSlg 21/72; siehe nunmehr § 3 Abs 1 und Abs 3 WEG mit der Anordnung, den Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft zu ermitteln). Ob auch alle Wohnungen im Wohnungseigentum stehen oder stehen können, ist dabei unerheblich (SZ 68/235).

Damit trägt das Verfahrensergebnis, über den vom Antragsteller präsentierten Vorschlag einer Neuparifizierung sei keine Einigung erzielt worden, die Abweisung des Sachantrages nicht. Das Erstgericht, an das die Sache mangels ausreichender (erst in einem zusätzlichen Verfahren zu schaffender) Entscheidungsgrundlagen zurückzuverweisen ist, wird schon wegen der Schaffung einer zusätzlichen Wohnung eine Neuparifizierung vorzunehmen haben und dabei als Vorfrage klären müssen, wie die einer Begründung von Wohnungseigentum oder Zubehörwohnungseigentum zugänglichen Teile der Liegenschaft gewidmet sind. Diese Widmung kann auch auf einer bloß konkludent zustandegekommenen Willenseinigung der Miteigentümer beruhen, die sich nach Maßgabe des § 863 ABGB etwa an lang geübten Nutzungen oder dem Baukonsens bei einvernehmlich vorgenommenen Um‑ und Ausbauten festmachen läßt. Die Einräumung von Wohnungseigentum (auch als Zubehör) an Teilen der Liegenschaft, die bisher nicht dem ausschließlichen dinglichen Nutzungs‑ und Verfügungsrecht eines Miteigentümers unterlagen, bedarf freilich gemäß § 2 Abs 2 Z 1 WEG der Schriftform. Fehlt ein solcher Titel (etwa für die Zuweisung der neu geschaffenen Wohnung), könnten Sondernutzungsrechte nur durch die (vom Antragsteller nach Meinung der Vorinstanzen ohnehin zusätzlich begehrte) Benützungsregelung begründet werden. Letztere wäre - nach Maßgabe der Möglichkeiten ‑ unabhängig von der Neuparifizierung vorzunehmen.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich, da im Revisionsrekurs nur Kosten der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers verzeichnet sind und eine mutwillige Verfahrenführung des Antragsgegners nicht zu erkennen ist, auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 26 Abs 2 WEG.

 

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