OGH 5Ob130/08s

OGH5Ob130/08s26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1.) Dr. Martin S*****, 2.)Brigitte S*****, 3.) IngridV*****, 4.) Robert R*****, 5.) Dr. Ursula S*****, (richtig wohl: Dr. Thomas H*****,) 6.) Dr. Waltrudis E*****, 7.) Carl A*****, 8.) Johann H*****, 9.) Angelika H*****, 10.) Dr. Robert G*****, Erst- und Zweitantragsteller vertreten durch die AVIA LAW GROUP Dr. Peter Winalek ua, Rechtsanwälte in Wien, Siebtantragsteller vertreten durch Dr. Robert Lirsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Mag. Melitta S*****, 2.) Dr. Reinhard D*****, 3.) DI Thomas B*****, 4.) Dr. Kurt A*****, 5.) Elisabeth A*****, 6.) Dr. Leopoldine W*****, 7.) Anna S*****, 8.) Karin R*****, 9.) Andreas S*****, 10.) Elfriede K*****, 11.) Maria S*****, 12.) Gertrude M*****, 13.) Werner A*****, 14.) Renate Maria W*****, 15.) DI Walter S*****, 16.) Peter S*****, 17.) Robert Ferdinand W*****, 18.) Adele T*****, 19.) Rainer R*****, 20.) DI Astrid Z*****, 21.) Michael K*****, 22.) Anneliese M*****, 23.) Ella Angela G*****, 24.) Hannelore D*****, 25.) Kamilla Edda S*****, 26.) Mag. Brigitte S*****, 27.) Dr. Gertrude W*****, 28.) Otto T*****, 29.) Dr. Klara V*****, 30.) Gertrude H*****, 31.) Dr. Hubert G*****, 32.) Edith M*****, 33.) DI Harald U*****, 34.) Rosa M*****, 35.) Ursel Helene G*****, 36.) DI Liselotte S*****, 37.) Dr. Johann Z*****, 38.) Johanna A*****, 39.) Bernhard A*****, 40.) Dr. Sabine H*****, 41.) Mag. Alexander M*****, 42.) Dr. Brigitte S*****, 43.) Dr. Ingeborg P*****, 44.) Georg G*****, 45.) DI Wolfgang S*****, 46.) Mag. Edeltraud K*****, 47.) B*****, 48.) Gabriele H*****, 49.) Maria A*****, 50.) Christian K*****, 51.) Adrian H*****, 52.) Elisabeth R*****, 53.) Dr. Hildegard S*****, 54.) Dr. Ingeborg S*****, 55.) DI Josef H*****, 56.) DI Hellmut B*****, 57.) Dr. Friederike B*****, 58.) Johann E*****, 59.) Alfred Z*****, 60.) Susanne Z*****, 61.) Edmund E*****, 62.) Dr. Herbert H*****, 63.) Ing. Wolfgang K*****, 64.) Irmentraud P*****, 65.) DI Hans‑Gunther P*****, 66.) Dr. Christiane O*****, 67.) Horst P*****, 68.) Fumie P*****, 69.) Dr. Thomas Höllwarth, 3150 Wilhelmsburg an der Traisen, Grubtalsiedlung III/13, 70.) Gabriele S*****, 71.) Margot D*****, 72.) Günter B*****, 73.) Mag. Rene W*****, 74.) DI Dr. Christine W*****, 75.) Eva Maria N*****, 76.) Gerhard B*****, 77.) DI Siegfried W*****, 78.) Mag. Dominika W*****, 79.) Gabriela M*****, 80.) Ing. Mikulas M*****, 81.) Mag. Andrea K*****, 82.) Thomas K*****, 83.) Mag. Christa P*****, 84.) Erich P*****, 85.) Walter Z*****, 86.) Dkfm. Walter L*****, 87.) Helga L*****, 88.) Mag. Elisabeth S*****, die Erstantragsgegnerin vertreten durch die Gabler Gibel & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen §§ 24 Abs 6, 29 iVm 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. März 2008, GZ 41 R 36/08k‑110, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 9. Jänner 2008, GZ 20 Msch 4/05i‑102, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Antragsgegner und Antragsteller sind jeweils Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****. Die Erstantragsgegnerin ist unter anderem Miteigentümerin von 1440/140190‑tel Anteilen verbunden mit dem Wohnungseigentum an W8 im Haus II im dritten und letzten Stock. Sie beabsichtigt, an der Straßenseite des Hauses II einen Personenaufzug mit Ausstieg nur im Erdgeschoß und im dritten Stock für ihren ausschließlich eigenen Gebrauch bei Übernahme sämtlicher Kosten für Errichtung und Betrieb bauen zu lassen. Ein von ihr Umlaufbeschluss ergab eine Mehrheit der Anteile, die der Errichtung des Lifts zustimmte.

Über Antrag der (zuletzt verbliebenen und im Rubrum angeführten) Antragsteller hob das Erstgericht den Mehrheitsbeschluss als rechtsunwirksam auf, weil dieser inhaltlich darauf abziele, der Erstantragsgegnerin den Einbau eines Personenlifts unter Nutzung allgemeiner Teile der Liegenschaft (Fassade und Hoffläche) bei anschließender alleiniger Nutzung des Lifts zu ermöglichen; bei einer derartigen ausschließlichen Nutzungszuordnung könne die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, sodass die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich sei. Diese könne nicht durch eine Beschlussfassung der Mehrheit der Wohnungseigentümergemeinschaft ersetzt werden. Daher komme der fristlos möglichen Anfechtung Berechtigung zu.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung unter ausführlicher Darlegung der höchstgerichtlichen Judikatur und sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Erstantragsgegnerin gelingt es in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht, ein erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

1. Kernpunkt für die Beurteilung der von ihr geplanten Maßnahme ist nämlich der feststehende Umstand, dass der Personenaufzug nur mit Ausstiegsstellen im Erdgeschoß und im dritten Stock (in dem die Wohnung der Erstantragsgegnerin liegt) zu ihrem (und ihrer Mutter) ausschließlich eigenen Gebrauch errichtet werden soll. Dieses Faktum versucht die Erstantragsgegnerin (wie schon im Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung) in unzulässiger Weise durch das Vorbringen zu entschärfen, es sei gegen Kostenbeteiligung ohne weiteres möglich, dass sich andere Wohnungseigentümer am Betrieb des Lifts beteiligen könnten und weitere Haltestellen in den übrigen Stockwerken eingebaut würden. Darauf kann aber wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot (§ 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 3 Z 14 MRG) nicht Bedacht genommen werden.

2.1. Wie schon die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen haben, sind Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer einerseits von bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile daran zu unterscheiden. Verwaltungshandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um Interessen aller Gemeinschafter geht. Sie zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen könnte. Die Abgrenzung zu den Verfügungen ist dabei nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut/die Anteile der Miteigentümer zu ziehen; eine Verfügung greift in die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte ein oder verändert diese (RIS‑Justiz RS0109188; RS0013204). Der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG 2002 ist weit auszulegen und umfasst auch Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, soweit diese einer vorteilhafteren Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts dienlich sind; dies gilt selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RIS‑Justiz RS0083108 [T1]; 5 Ob 213/04s). Die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer stellt keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft dar (5 Ob 299/99b = RIS‑Justiz RS0109188 [T4]; 5 Ob 213/04s; 5 Ob 250/05h).

2.2. Demnach kann gar nicht zweifelhaft sein, dass die geplante Errichtung des Personenaufzugs für die ausschließliche Nutzung der Erstantragsgegnerin als Wohnungseigentümerin und anderer daran Berechtigter mit Ausstiegsstellen bloß im Erdgeschoß und im dritten Stock, in dem ihre Wohnung liegt, keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft bildet; vielmehr stellt dies eine Änderung des Wohnungseigentumsobjekts im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 dar, und zwar ungeachtet des Umstands, dass ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft davon betroffen sein sollen.

2.3. Vom Obersten Gerichtshof (und nicht nur vom dort entscheidenden Erstgericht) wurde bereits zu 5 Ob 93/06x eine geplante Errichtung eines Personenaufzugs im Innenhof einer Liegenschaft mit vorgesehenen Haltestellen im Erdgeschoss sowie im dritten und vierten Obergeschoß (nicht jedoch im ersten und zweiten Obergeschoß) als Änderung nach § 16 Abs 2 Z 3 WEG 2002 qualifiziert. Wenn die Erstantragsgegnerin sich weiters auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 142/06b und 5 Ob 306/98f beruft, übersieht sie, dass diesen Erkenntnissen jeweils ein Sachverhalt zugrunde lag, der Personenaufzüge zum Gegenstand hatte, die Ein- und Ausstiegsstellen in allen Etagen vorsahen, weshalb er sich vom hier vorliegenden wesentlich unterscheidet.

3. Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen (RIS‑Justiz RS0083156).

4. Durch einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung kann aber die Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer zu einer Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 nicht ersetzt werden. Ein dennoch gefasster Beschluss kann unbefristet bekämpft werden (5 Ob 250/05h = RIS‑Justiz RS0109840 [T4]). Da es dem zulässig bekämpften Mehrheitsbeschluss an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, bedürfen die zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen keiner Korrektur.

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