Spruch:
Der einzelne Wohnungseigentümer ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Gemeinschaft oder gerichtliche Genehmigung im außerstreitigen Verfahren die Außenmauer der in seinem Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten zur Errichtung eines Garageneinfahrtstores zu durchbrechen
OGH 7. April 1976, 1 Ob 564/76 (LG Innsbruck 2 R 949, 950/75; BG Innsbruck 15 C 3359/75)
Text
Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 380 II des Grundbuchs der KG V. Diese Liegenschaft besteht aus einem Wohnhaus samt daran im Norden und Süden anschließendem Hofraum. Mit dem zwischen den Parteien am 19. Dezember 1967 abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag teilten die beiden Miteigentümer das Wohnhaus, das über zwei getrennte Eingänge verfügt, vertikal und räumten sich gegenseitig Wohnungseigentum ein, wobei die Klägerin den östlichen Teil und der Beklagte den westlichen Teil des Hauses erhielt. Diese Teilung umfaßte auch das Kellergeschoß des Hauses, nicht jedoch den zum Haus gehörigen Hofraum.
Für den nördlich des Hauses befindlichen Hofraum wurde im Verfahren 3 Nc 153/71 des Bezirksgerichtes Innsbruck eine Benützungsregelung getroffen, wobei der Klägerin die östliche Hälfte und dem Beklagten die westliche Hälfte dieses Hofraumes zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurde. Der kleinere, südlich des Hauses befindliche Hofraum wurde von dieser Benützungsregelung nicht berührt.
Der Beklagte hat nun im Kellergeschoß der ihn zur alleinigen Nutzung zugewiesenen westlichen Haushälfte auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung der Gemeinde V vom 27. November 1973 ohne Zustimmung der Klägerin eine Garage eingebaut, wobei er zu diesem Zweck die südliche Außenmauer des Hauses im Bereich der westlichen Haushälfte aufriß und ein Garagentor einbaute. Um die Einfahrt in diese etwas unter dem Straßenniveau liegende Garage zu ermöglichen, hat der Beklagte im Bereich des Garagentores den im Miteigentum der Streitteile befindlichen südlichen Hofraum in eine Abfahrt zur Garage umgestaltet.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, den alten Zustand wiederherzustellen, das Garageneinfahrtstor in das Kellergeschoß des Hauses des Grundstücks 13 KG V in der bisherigen Mauerstärke zuzumauern und insbesondere auch die Betonmauer an der Fassade, die durchgehend bestanden habe, in der bisherigen Art wiederum zu errichten und den südlichen Hofraum (Vorgarten) der bezeichneten Parzelle wiederum einzuebnen. Sie begrundet ihr Begehren damit, daß die vom Beklagten durchgeführten Baumaßnahmen über die ordentliche Verwaltung hinausgingen, eine wichtige Veränderung darstellten und daher unzulässig seien, da sie diesen Maßnahmen nicht zugestimmt und der Beklagte eine Entscheidung im Außerstreitverfahren nicht erwirkt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Errichtung der Garage sei in seinem Interesse und dem seiner Familienmitglieder dringend erforderlich, der Klägerin erwachse daraus kein Nachteil, sie habe die Klage nur in Schädigungsabsicht, sohin schikanös eingebracht.
Im Zuge des Verfahrens beantragte der Beklagte zu 3 Nc 156/74 des Bezirksgerichtes Innsbruck die nachträgliche Genehmigung des Einbaues der Kellergarage sowie die Benützungsregelung für den südlich des Hauses befindlichen Grundstreifen in dem Sinne, daß der westliche, vor der Garageneinfahrt befindliche Teil desselben ihm zur alleirügen Benützung zugewiesen werde. Der Antrag auf nachträgliche Genehmigung des Einbaues der Garage im Keller wurde rechtskräftig zurückgewiesen, der Antrag auf Festsetzung einer Benützungsregelung für den südlich des Hauses befindlichen Hofraum rechtskräftig abgewiesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es zur Durchführung der Arbeiten eine Leistungsfrist von sechs Monaten bestimmte. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Einbau einer Garage unter Durchbrechung der Hausmauer sei eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB, die der Einstimmigkeit der Miteigentümer oder eines genehmigenden Beschlusses des Außerstreitrichters bedurft hätte; durch die eigenmächtige Vorgangsweise des Beklagten sei die Klägerin in ihrem Miteigentumsrecht verletzt, sie könne Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen. Eine schikanöse Rechtsausübung sei in der Klagsausführung nicht zu erblicken.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50 000 S übersteigt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß auf den vorliegenden Fall, was die Baumaßnahmen im Haus betreffe, die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 (WEG 1975) zur Anwendung zu kommen hätten. Hinsichtlich der Verwaltung einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft sei zu unterscheiden zwischen der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten einerseits und den gemeinsamen Teilen und Anlagen der Liegenschaft andererseits. Die Verwaltung der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten komme gemäß § 13 Abs. 1 WEG 1975 dem Wohnungseigentümer zu. Dieser sei auch unter den im § 13 Abs. 2 WEG angeführten Einschränkungen zu Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten auf seine Kosten berechtigt. Die Änderung dürfe aber weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder anderen Sachen zur Folge haben. Dieses Recht auf Verwaltung des eigenen Anteiles beziehe sich nur auf Änderungen innerhalb der Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten, nicht hingegen auf die Außenfläche des Hauses. Das Aufbrechen der Außenmauer des Hauses und Einsetzen eines Garagentores sei also zweifellos keine nach § 13 WEG 1975 zulässige Änderung; dies auch deshalb, weil dadurch schutzwürdige Interessen der Miteigentümerin insofern beeinträchtigt würden, als durch den Einbau einer Garage der Wert der dem Beklagten zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Wohnung erhöht werde. Die Veränderung ziehe demnach eine Veränderung der Nutzwerte nach sich und stelle damit jedenfalls einen erheblichen Eingriff in die Rechtssphäre der Miteigentümerin dar. Solche baulichen Änderungen dürften aber selbst an den zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Teilen der Sache nicht eigenmächtig vorgenommen werden. Werde in einem solchen Fall die Beseitigung der eigenmächtigen Veränderung begehrt, so könne darin keine schikanöse Rechtsausübung erblickt werden. Es sei aber auch die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Baumaßnahmen nicht als Vorfrage im streitigen Verfahren zu beurteilen. Widerspreche auch nur ein Minderheitseigentümer einer in Aussicht genommenen wichtigen Veränderung, so könne die mangelnde Einigkeit aller Miteigentümer nur durch eine Entscheidung des Außerstreitrichters ersetzt werden. Ohne eine solche Entscheidung, also im Zustand offener Uneinigkeit, könne auch der Minderheitseigentümer im Rechtsweg die Beseitigung des eigenmächtigen Eingriffes begehren, wobei es dann unerheblich sei, ob die vorgenommene wichtige Veränderung vorteilhaft und werterhöhend sei. Das Erstgericht habe demnach aber zu Recht eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der vom Beklagten gesetzten Baumaßnahmen unterlassen. Es könne nicht im Belieben eines Miteigentümers stehen, die vom Gesetz geforderte Entscheidung des Außerstreitrichters dadurch zu ungehen, daß er eine wichtige Veränderung an einer im Miteigentum stehenden Sache eigenmächtig vornehme. Was aber die Umgestaltung des südlichen Hofraumes betreffe, so handle es sich auch dabei nicht um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Erhaltung, sondern um eine wichtige Änderung der Substanz, welche der Zustimmung aller Miteigentümer, im Verweigerungsfall der Genehmigung durch den Außerstreitrichter (§ 834 ABGB) bedurft hätte. Im übrigen sei der Beklagte gar nicht Mehrheitseigentümer und könne somit auch jene Maßnahmen, die der Mehrheit zustehen, nicht eigenmächtig setzen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Ob die Außenseite der Wand von im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten vom ausschließlichen Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers umfaßt wird, war schon im Wohnungseigentumsgesetz 1948 nicht ausdrücklich geregelt. Lehre (vgl. Klang III, 1170, Zingher[16], 265) und Rechtsprechung (MietSlg. 7 611, 21 729/52, 21 730) gingen davon aus, daß die eigenmächtige Verwaltung des Wohnungseigentümers dort ihre Grenze finden müsse, wo ihre Wirkungen die Interessen anderer Miteigentümer berühre, wie dies etwa bei der Veränderung des Anstrichs eines Hauses oder der Beseitigung der Sprossen der Außenfenster u. ä. der Fall sei, wodurch das Aussehen des ganzen Hauses beeinflußt werde; solche Maßnahmen gehörten daher in den Bereich der gemeinsamen Verwaltung der Wohnungseigentümer. Auch das Wohnungseigentumsgesetz 1975 nimmt zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung. Der Beklagte leitet nun aus der Bestimmung des § 13 Abs. 2 WEG 1975 ab, daß ihm als Wohnungseigentümer auch die Verfügung über die Außenmauer der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten zustehe. Dem kann aber nicht beigepflichtet werden. Mit dieser Bestimmung sollten, wie den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 240 BlgNR, XIII. GP, zu entnehmen ist, im wesentlichen mit gewissen Erweiterungen (vgl. § 13 Abs. 3 und 5 WEG) die Grundsätze des § 18 Abs. 1 und 2 MG, deren sinngemäße Anwendbarkeit im Schrifttum bereits zum WEG 1948 bejaht worden sei, ausdrücklich in das Gesetz übernommen werden, wobei zur Auslegung der Bestimmung auf die zu § 18 MG vorliegende Judikatur und Lehre verwiesen wird. Nun wurde zwar schon bisher dem Mieter und in gleicher Weise dem Miteigentümer bzw. Wohnungseigentümer das Recht zur Anbringung von Firmentafeln, Geschäftsankündigungen und dergleichen in dem nach Ortsgebrauch und Verkehrsauffassung bestimmten Umfang an der Außenseite des Hauses gestattet (vgl. Zingher, 80, 378; weiters MietSlg 21 729, 24 069). Es wurde aber auch ausgesprochen, daß das Recht, die bauliche Gestaltung und Form des Hauses zu bestimmen als integrierender Teil des Eigentumsrechtes dem Eigentümer vorbehalten bleibe. Der Bestandnehmer sei lediglich zu solchen Änderungen befugt, welche nicht erheblich sind und sich auch leicht wieder beseitigen lassen (vgl. JBl. 1955, 69; SZ 42/75; 1 Ob 31/73). Geht man von diesen Grundsätzen aus, die der Gesetzgeber des Wohnungseigentumsgesetzes 1975, wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zeigen, der Neuregelung in § 13 Abs. 2 WEG zugrunde legen wollte, so steht dem einzelnen Wohnungseigentümer das Recht, die Außenmauer der in seinem Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit zu durchbrechen, um ein Garageneinfahrtstor anzubringen, nicht zu (so auch Meinhart, WEG, 136). Es handelt sich dabei vielmehr um eine wichtige Veränderung, die auch gemeinsame Teile der Liegenschaft betrifft und die daher - wie auch nach dem Wohnungseigentumsgesetz 1948 (vgl. Zingher, 267) - der Einstimmigkeit der Wohnungseigentümer oder aber eines genehmigenden Beschlusses des Außerstreitrichters bedarf (§§ 834, 835 ABGB; Meinhart, 120, 126, 136). Wenn der Revisionswerber darauf verweist, daß das Gesetz im § 13 Abs. 2 Z. 3 WEG 1975 bauliche Veränderungen gestatte, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, so wird übersehen, daß damit nicht gesagt wird, daß der Wohnungseigentümer solche Veränderungen außerhalb der von ihm benützten Räumlichkeiten eigenmächtig und ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer vornehmen dürfe. Es ist vielmehr hiezu die Zustimmung der Gemeinschaft erforderlich; ist sie nicht zu erlangen, greift bei einer wichtigen Veränderung, wie sie hier vorliegt, die Gestaltungsbefugnis des Außerstreitrichters ein (§ 26 Abs. 1 Z. 2 und 3 WEG 1975).
Was die Umgestaltung der Hoffläche durch Schaffung einer Abfahrt zur Garage betrifft, so kann von einer geringfügigen Veränderung der Natur der Sache nach nicht gesprochen werden. Auch diesbezüglich liegt ein wesentlicher Eingriff in die Rechtssphäre der Klägerin vor, der ihrer Zustimmung oder aber der Genehmigung durch den Außerstreitrichter bedurft hätte.
Zu prüfen ist dann nur noch, ob in Ermangelung einer Zustimmung durch den (die) übrigen Miteigentümer bzw. eines Beschlusses des Außerstreitrichters die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Änderungen vom Streitrichter beurteilt werden konnte. Auszugehen ist zunächst davon, daß wichtige Veränderungen nicht in Vollzug gesetzt werden dürfen, wenn sie von der Minderheit, umsomehr vom zweiten Hälfteeigentümer, bestritten sind. Es ist vielmehr die Zustimmung des Richters im außerstreitigen Verfahren zur geplanten wichtigen Veränderung zu erwirken; ohne diesbezügliche Entscheidung des Außerstreitrichters kann die Beseitigung der vorgenommenen Veränderung begehrt werden (SZ 23/327,; MietSlg. 18 053, 22 586, 26 047). Diesen Rechtsstreit beeinflußt dann nicht, ob die vorgenommene wichtige Veränderung vorteilhaft oderwerterhöhend ist (JBl. 1970, 528). Eine Prüfung dieser Frage durch den Streitrichter kommt nicht in Betracht. Die Entscheidung des Außerstreitrichters gemäß § 834 ABGB ist rechts gestalten der Natur, weil dadurch die fehlende Einstimmigkeit der Miteigentümer ersetzt wird. Diese Entscheidung muß notwendigerweise dem Außerstreitverfahren vorbehalten bleiben (vgl. hiezu SZ 23/81), zumal ja die Supplierung der fehlenden Einstimmigkeit z. B. von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden kann, was im streitigen Verfahren nicht möglich ist. Es handelt sich also nicht nur darum, die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme zu beurteilen, was gewiß auch der Streitrichter könnte, sondern den fehlenden Konsens der Miteigentümer durch rechtsgestaltende Entscheidung zu ersetzen, die zudem notwendigerweise für und gegen sämtliche Miteigentümer wirksam ist. Die Entscheidung SZ 24/58 betrifft den Fall des Stockwerkseigentums und war daher besonders gelagert; es könnte ihr aber auch sonst in dem hier entscheidenden Punkt nicht gefolgt werden.
Dem Revisionwerber ist zuzugeben, daß die Beseitigung der von ihm eigenmächtig vorgenommenen Änderungen mit einem finanziellen Nachteil verbunden ist. Damit muß aber jeder Miteigentümer, auch ein Wohnungseigentümer, der eigenmächtig gegen den Willen des zweiten Hälfteeigentümers wichtige Veränderungen am gemeinsamen Wohnhaus vornimmt, rechnen. Die nachteiligen Folgen hat sich daher der Beklagte allein zuzuschreiben, wenn er unter Mißachtung der im Gesetz gezogenen Schranken den zweiten Hälfteeigentümer durch eine unzulässige Bauführung vor vollendete Tatsachen stellen wollte.
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