OGH 1Ob516/50

OGH1Ob516/5015.11.1950

SZ 23/327

Normen

ABGB §828
ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835
AußStrG §1
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1
ABGB §828
ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835
AußStrG §1
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1

 

Spruch:

Für das Begehren eines Miteigentümers gegen den anderen auf Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Veränderung der gemeinsamen Sache ist der Rechtsweg zulässig.

Entscheidung vom 15. November 1950, 1 Ob 516/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Imst; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die Klägerin und die Zweitbeklagte sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft. Die Klägerin behauptet, daß die Beklagten gegen ihren Widerspruch auf dieser Liegenschaft einen Lagerschupfen errichtet haben und begehrt dessen Entfernung. Die Beklagten haben eingewendet, daß das Klagebegehren gegen den Erstbeklagten schon deswegen verfehlt sei, weil dieser nicht Miteigentümer der Liegenschaft ist. Der Zweitbeklagten gegenüber sei aber der Rechtsweg unzulässig. Im übrigen hätte die Klägerin der Beklagten stillschweigend die Verwaltung überlassen, der Schupfen sei an Stelle einer anderen bereits verfallenen Hütte errichtet worden, die anläßlich einer Bachregulierung ganz entfernt werden mußte. Die Neuerrichtung des Schupfens liege also im Rahmen der der Zweitbeklagten überlassenen Verwaltung, die Klägerin hätte sich auch stillschweigend mit der Vornahme der Veränderung einverstanden erklärt, der Bau sei zum Vorteil auch der Klägerin, die Klage stelle also eine schikanöse Rechtsausübung dar.

Das Erstgericht hat die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen. Im vorliegenden Falle handle es sich nicht darum, ob eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung oder eine wichtige Veränderung des Hauptstammes durchgeführt werden soll, die Klägerin wirft den Beklagten vielmehr vor, daß sie durch eine eigenmächtige, d. h. weder durch Mehrheitsbeschluß noch durch gerichtliche Entscheidung gedeckte Veränderung ihre Rechte als Miteigentümerin verletzt hätten. Der Anspruch der Klägerin sei gegenüber der Zweitbeklagten auf § 828 ABGB. gestützt und nicht auf die §§ 833, 834 ABGB. Dem Erstbeklagten gegenüber wäre dies schon deswegen ausgeschlossen, weil dieser nicht Miteigentümer der Liegenschaft ist.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es muß davon ausgegangen werden, daß die Rechtsdurchsetzung und die Abwehr von Rechtswidrigkeiten zwischen Miteigentümern grundsätzlich ebenso wie zwischen anderen Personen im streitigen Verfahren zu erfolgen hat. Die §§ 833 bis 835 ABGB. sehen jedoch eine Mitwirkung des Gerichtes auch bei der Willensbildung einer Gemeinschaft von Miteigentümern vor. Diese Mitwirkung ist dann notwendig, wenn sich gleiche Stimmen gegenüberstehen oder wenn bei wichtigen Veränderungen Stimmeneinheit nicht zu erzielen ist und die übrigen nach §§ 834 und 835 ABGB. möglichen Auswege nicht beschritten werden. In diesen Fällen hat das Gericht zunächst die Aufgabe, rechtsgestaltend der einen Hälfte der Stimmen das Übergewicht über die andere zu geben oder einem Mehrheitsbeschluß die ihm an sich nicht eigene Durchschlagskraft gegenüber der Minderheit zu verleihen. Daß diese rechtsgestaltende Tätigkeit des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat, wird allgemein anerkannt (GlUNF. 2933, ÖJZ. 1948, EvBl. Nr. 251; 3 Ob 52/50 (Siehe Nr. 133), 1 Ob 297/50).

Es geht wohl auch an, diese rechtsgestaltende Tätigkeit unmittelbar mit einem vollstreckbaren Befehl zu verbinden, wenn auf Grund der neugestalteten Rechtslage ein Teil der Miteigentümer etwas zu leisten, zu unterlassen oder etwa die im Miteigentum stehende Liegenschaft zu räumen hat. Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern gehören also auf den außerstreitigen Weg, ohne Rücksicht darauf, ob eine vollstreckbare Anordnung verlangt wird, wenn die Halb- oder Mehrheitseigentümer die nach §§ 833 bis 835 ABGB. allenfalls erforderliche Unterstützung ihres Willens durch das Gericht in Anspruch nehmen (JBl. 1947, S. 373; 3 Ob 160/50 (Siehe Nr. 83), 3 Ob 480/50).

Der streitige Weg ist dagegen dann gegeben, wenn Miteigentümer aus bereits rechtsgültig getroffenen Verfügungen oder Veränderungen Rechte gegen ihre Miteigentümer ableiten oder wenn sie nicht nur bis auf Widerruf geschlossene Vereinbarungen aufheben oder aufkundigen wollen oder wenn sie einen angeblich rechtswidrigen eigenmächtigen Eingriff in ihre Rechte durch ihre Miteigentümer abwehren wollen (2 Ob 348/49; im Ergebnis ebenso 1 Ob 318/50; anders 3 Ob 330/50 (Siehe Nr. 208)). Es ist nun im letzteren Fall wohl auch möglich, daß die beklagten Hälfteeigentümer für die von ihnen zunächst eigenmächtig und rechtswidrig vorgenommene Veränderung die Sanktion durch Anrufung des außerstreitigen Gerichtes zu erlangen suchen. Aber die Bestimmung des anzuwendenden Verfahrens muß sich immer allein nach dem Klagsvorbringen richten. Die Möglichkeit oder die Tatsache, daß der Gegner das außerstreitige Gericht anruft, um von ihm eine Verfügung zu erzielen, die sein Vorgehen nachträglich rechtfertigt, kann für die Beurteilung, in welchem Verfahren die rechtsuchende Partei ihren Antrag einzubringen hat, nicht maßgebend sein. In einem solchen Falle wird der Streitrichter den Klägern, selbst wenn der Außerstreitrichter dem Vorgehen der Beklagten nachträglich seine Sanktion erteilen sollte, wenigstens die Kosten ihres Einschreitens zusprechen müssen, wenn sie sich zunächst mit Recht gegen einen Eingriff der Beklagten wehrten. Ebenso wird der Außerstreitrichter, wenn die Antragsgegner behaupten, die von den Antragstellern gewünschte Verfügung widerstreite einer zwischen den Miteigentümern getroffenen nicht jederzeit widerrufbaren, sondern noch bindenden Vereinbarung, das außerstreitige Verfahren unterbrechen müssen, wenn die Lösung der Vorfrage im außerstreitigen Wege nicht möglich ist, um den Antragsgegnern die Möglichkeit zu geben, den Bestand der bindenden Vereinbarung im Streitwege nachzuweisen (SZ. XIX/199, 3 Ob 140/50 (Siehe Nr. 81)) Im gegebenen Falle wehrt sich ein Miteigentümer zur Hälfte gegen die eigenmächtige Veränderung, die der andere Miteigentümer im Verein mit seinem Gatten vorgenommen hat. Er will also nicht seinem Verfügungsrecht zur Hälfte ein Übergewicht über die Stimme der Zweitbeklagten verschaffen. Der streitige Weg ist hier auch der zweitbeklagten Miteigentümerin gegenüber gegeben. Daß der außerstreitige Weg dem Erstbeklagten gegenüber überhaupt nicht gegeben sein konnte, hat bereits das Rekursgericht mit Recht angenommen. Der außerstreitige Weg kann denjenigen gegenüber, die ihre Rechte nur von einem Miteigentümer ableiten, nicht eingeschlagen werden (1 Ob 215/49). Die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, ÖJZ. 1948, EvBl. Nr. 732, erscheint also bedenklich.

Die von den Beklagten geltend gemachte Einwendung, daß der Zweitbeklagten die Verwaltung in stillschweigendem Einverständnis überlassen worden sei, eine Verwaltung, die ihr auch nicht durch einseitige Verfügung der Klägerin entzogen werden konnte, ebenso die Einwendung, daß die Klägerin wenigstens stillschweigend ihr Einverständnis zur Durchführung des Baues erteilt habe, sind im Streitverfahren zu prüfen. Mit diesen Einwendungen behaupten die Beklagten ja, daß die Zweitbeklagte das Recht hatte, die von der Klägerin beanstandete Vereinbarung vorzunehmen. Dagegen könnte in der dritten Einwendung, daß die Bauführung nur von Vorteil für das gemeinschaftliche Grundstück ist, wohl die Behauptung liegen, daß der auf den halben Besitz gegrundeten Stimme der Zweitbeklagten gegenüber der gleich starken Stimme der Klägerin vom Gerichte das Übergewicht gegeben sei. Darüber könnte im streitigen Verfahren eine Verfügung nicht getroffen werden. Die Zweitbeklagte könnte aber, wenn sie mit den anderen Einwendungen nicht Erfolg hat, durch Erwirkung einer Verfügung des außerstreitigen Richters der Klage in der Hauptsache, wenn auch nicht im Kostenpunkte, die Spitze abbrechen.

Der Beschluß des Berufungsgerichtes erweist sich somit als gerechtfertigt.

Stichworte