OGH 5Ob58/99m

OGH5Ob58/99m23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1.) Dir. Gerhard S*****, 2.) Manfred S*****, 3.) Elisabeth S*****, 4.) Christa K*****, und 5.) Brigitte U*****, alle vertreten durch Dr. Heinz Wilhelm Stenzel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Rosalia L*****, vertreten durch Musil & Musil, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Zustimmung zu baulichen Veränderungen (§ 13 Abs 2 WEG iVm § 26 Abs 1 Z 2 WEG), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 1998, 39 R 90/98v, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 13. Oktober 1997, 5 Msch 48/95y-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG sowie §§ 528a, 510 Abs 3 letzter SatzZPO kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Das gilt selbst dann, wenn das Rekursgericht in Abänderung seines zunächst gegenteiligen Ausspruchs den ordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 3 ZPO für zulässig erklärte (vgl 5 Ob 337/98i).

Zum besseren Verständnis der Rechtsmittelgründe sei daher lediglich gesagt, daß die Parteien Mit- und Wohnungseigentümer einer Reihenhausanlage sind und die Antragsgegnerin von den Vorinstanzen dazu verpflichtet wurde, die Errichtung von Gartenhäuschen auf den den Antragstellern zur alleinigen Nutzung überlassenen Gartenflächen sowie den Einbau von zwei Kellerfenstern im Objekt der Zweit- und Drittantragsteller zu dulden. In einer dieselbe Reihenhausanlage betreffenden Wohnrechtssache war bereits vor Jahren der Verbau eines Hauseinganges mit der Begründung untersagt worden, dadurch würden schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer an der einheitlichen Gestaltung der WE-Anlage verletzt. Ein Argument in diesem Zusammenhang war die vom Obersten Gerichtshof als nicht revisibel erachtete Auslegung einer Klausel der Kauf- und Wohnungseigentumsverträge, wonach sich die Wohnungseigentümer dazu verpflichtet hätten, an einer einheitlichen Gestaltung der WE-Anlage festzuhalten (5 Ob 1082/92 = MietSlg 44.624). Im gegenständlichen Verfahren wurde die in diesem Vertragspunkt erklärte Parteienabsicht durch Zeugen- und Parteieneinvernahmen näher erforscht und festgestellt, daß sich die Verpflichtung zur einheitlichen Gestaltung der WE-Anlage (soweit sie sich nicht ohnehin aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt) nur auf die Errichtungsphase (also die Wohnungseigentumsorganisatorin) bezog, spätere Veränderungen durch die Wohnungseigentümer aber nicht ausgeschlossen werden sollten. Die Vorinstanzen fanden daher in der Vertragsgestaltung kein gegen die verfahrensgegenständlichen Veränderungen sprechendes Argument; eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der WE-Anlage liege nach den Ergebnissen des Lokalaugenscheins nicht vor. Auf weitere Einzelheiten der vorinstanzlichen Entscheidungsgründe (so wurde zB ein wichtiges Interesse der Zweit- und Drittantragsteller am Einbau von Kellerfenstern bejaht) ist hier nicht einzugehen.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Antragstellerin geltend, daß das Rekursverfahren nichtig, zumindest aber mangelhaft sei und daß das Rekursgericht die Sache unrichtig, vor allem abweichend von der Entscheidung 5 Ob 1082/92 beurteilt habe. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den Sachantrag der Antragsteller in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen abzuweisen; hilfsweise soll der rekursgerichtliche Sachbeschluß aufgehoben und die Wohnrechtssache zur ergänzenden Beweisaufnahme und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werden.

Von den Antragstellern liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, das Rechtsmittel der Antragsgegnerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Vorauszuschicken ist, daß die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer dem § 13 Abs 2 WEG zu unterstellenden Änderung stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt, sodaß nur eine grobe Verkennung der Rechtslage, etwa ein Abweichen von Leitlinien der einschlägigen Judikatur, die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen

könnte (vgl zuletzt 5 Ob 448/98 = EWr II/13/83 mwN). Ähnliches gilt

für Fragen der Vertragsauslegung (vgl zuletzt 4 Ob 204/97x = immolex

1997, 509). Bei ihr kommt hinzu, daß sie in den Bereich irrevisible Tatsachenfeststellungen führt, wenn zur Auslegung der wahre Wille der Vertragsparteien erforscht wird. Als Rechtsfrage ist die Auslegung einer Vertragsurkunde nur dann zu qualifizieren, wenn die maßgeblichen Feststellungen aus der Urkunde allein getroffen werden. Werden andere Beweismittel, etwa Zeugen und Parteien, herangezogen, so sind die daraus gewonnenen Feststellungen in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbar (Binder in Schwimann2, Rz 14 zu § 914 ABGB mwN). Daran wird zu messen sein, ob im vorliegenden Revisionsrekurs eine iSd § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 26 Abs 2 WEG und § 37 Abs 3 Z 16 MRG) erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen wird.

Das offenbar gewichtigste Argument für die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses erblickt die Antragsgegnerin in einem vermeintlichen Abweichen des Rekursgerichtes von der bereits erwähnten Entscheidung 5 Ob 1082/92. Es soll sogar der außerstreitige Rechtsweg zur Durchsetzung der verfahrensgegenständlichen Änderungen unzulässig sein, weil damit in Wahrheit der Versuch unternommen werde, eine vertraglich eingegangene Verpflichtung zu umgehen. Das trifft jedoch nicht zu.

Alle diesbezüglich vorgebrachten Argumente sind mit der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenfeststellung hinfällig geworden, daß mit der auslegungsbedürftigen Vertragsformulierung, die ein Verbot zur Veränderung der Außengestaltung (der WE-Anlage) erwähnt, eben nicht der Ausschluß zukünftiger Veränderungen fertiggestellter WE-Objekte gemeint war. Es liegt, wie schon das Rekursgericht ausführte, auch kein Verstoß gegen die Bindungswirkung jener Vorentscheidung vor, die sich anläßlich der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer anderen Änderung ebenfalls mit der Auslegung der betreffenden Vertragsklausel befaßt hatte und - ohne die jetzt verwerteten Beweise - zu einem anderen Ergebnis gelangt war. In beiden Fällen stellte sich das Auslegungsproblem lediglich als Vorfrage der eigentlichen Sachentscheidung, konnte also gar nicht mit materieller Rechtskraftwirkung gelöst werden (Rechberger in Rechberger, Rz 10 zu § 411 ZPO mwN). Im übrigen ist, was einerseits den Einwand der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges entkräftet, andererseits die Bedeutung des Auslegungsproblems relativiert, noch auf folgendes hinzuweisen: Das Individualrecht des Wohnungseigentümers auf Änderung seines WE-Objektes ist im Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander grundsätzlich nach der zwingenden Regelung des § 13 Abs 2 WEG zu beurteilen. Die in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (so auch in 5 Ob 1082/92; vgl MietSlg 41/26) angesprochene Beachtlichkeit vertraglicher Einschränkungen dieses Änderungsrechtes äußert sich darin, daß die auf einer solchen Vertragslage aufbauenden Erwartungen der Wohnungseigentümer in die gemäß § 13 Abs 2 Z 1 WEG vorzunehmende Prüfung schutzwürdiger Interessen einfließen können (vgl jüngst 5 Ob 22/99t). Ein vertragliches Änderungsverbot schließt daher weder die Einleitung eines Verfahrens nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG noch die Genehmigung der begehrten Änderung in diesem Verfahren aus. Letzteres hängt wiederum von der konkreten Fallgestaltung ab.

Damit erweist sich das für die Zulässigkeit des vorliegenden Revisionsrekurses ins Treffen geführte Argument, das Rekursgericht habe sich in Widerspruch zu der die konkreten Rechtsfrage anders lösenden Entscheidung 5 Ob 1082/92 gesetzt, als nicht tragfähig. Der Rechtsmittelwerberin ist aber auch darin nicht zu folgen, daß das Problem des Einbaus von zwei Fenstern in einen Kellerraum mangels einschlägiger Judikatur eine grundsätzliche Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes erfordere. Soweit damit die Änderung der Fassadengestaltung angesprochen wird, ist durch die Judikatur bereits geklärt, daß es um eine typische Frage des Einzelfalls geht (vgl 5 Ob 364/97h mwN). Sie wurde von den Vorinstanzen ohne erkennbares Abweichen von Judikaturgrundsätzen gelöst. Der Umstand, daß hinter dem Fenstereinbau eine nutzwertrelevante Umwidmung des Kellers in einen Wohn- oder Geschäftsraum stehen könnte, ändert, wie schon das Rekursgericht ausführte, an der Genehmigungsfähigkeit der Änderung nichts, weil nicht schon jede bauliche Veränderung, die eine Änderung der Nutzwerte nach sich zieht oder ziehen könnte, als empfindlicher Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer anzusehen ist (immolex 1998, 179/109 mwN). Von rechtlichen Folgeproblemen, wie sie als beiläufiges Argument gegen die Genehmigung eines Durchbruchs der Geschoßdecke zwischen zwei WE-Objekten gebraucht wurden (MietSlg 45/21), kann beim hier zu beurteilenden Fenstereinbau keine Rede sein.

Die angeblichen Verfahrensmängel betreffen das erstinstanzliche Verfahren und können die Zulässigkeit des vorliegenden Revisionsrekurses schon deshalb nicht begründen, weil sie bereits in zweiter Instanz verneint wurden (vgl zuletzt 5 Ob 391/97d mwN). Daß dies mit einer vom Obersten Gerichtshof gemäß § 503 Z 4 ZPO überprüfbaren unrichtigen rechtlichen Beurteilung geschehen wäre (5 Ob 2135/96y = EWr I/10/7; 5 Ob 2272/96w = EWr II/2/21 ua), trifft nicht zu. Es geht nämlich um die Abweisung von Beweisanträgen, die im Zusammenhang mit der Auslegung des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages zur Tatfrage der Parteienabsicht gestellt wurden. Wenn dies - wie hier - auch mit der Begründung geschah, es lägen bereits ausreichende Beweisergebnisse vor, könnte dem der Oberste Gerichtshof als reine Rechtsinstanz gar nicht entgegentreten. Er würde sich anmaßen, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu überprüfen.

Was schließlich die Rechtsausführungen der Antragsgegnerin zu den Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs 2 WEG betrifft, so liegt das einzige nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls abstellende Argument darin, daß die in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Baumaßnahmen ergangenen Entfernungsaufträge der Baubehörde eine Genehmigung gar nicht zuließen. Ob eine baubehördliche Bewilligung der Änderung eines Wohnungseigentumsobjektes erforderlich und zu erlangen ist, spielt jedoch im Verfahren gemäß § 26 Abs 1 Z 2 WEG so lange keine Rolle, als nicht von vornherein feststeht, daß mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls gerechnet werden kann (5 Ob 93/92 = EWr II/13/21). Einen solchen Schluß läßt die Aktenlage nicht zu. Die Entfernungsaufträge wurden - soweit bekannt - mangels korrekter Bauansuchen (Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer) erteilt. Genau um diese Zustimmung geht es im gegenständlichen Verfahren.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG.

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