OGH 5Ob47/06g

OGH5Ob47/06g21.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Brigitta G*, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. Markus S*, 2. Silvia S*, beide vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen § 16 Abs 2 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 13. Oktober 2005, GZ 54 R 230/05w‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:E79955

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 13. Dezember 2005, AZ 5 Ob 278/05a wird aufgehoben.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

3. Die Antragsgegner haben die Kosten ihres Berichtigungsantrags selbst zu tragen.

 

 

Begründung:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2005, AZ 5 Ob 278/05a, wurde der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen Verspätung zurückgewiesen, weil er nach dem Akteninhalt am 25. November 2005 beim Bezirksgericht Hallein persönlich überreicht worden war, die Rechtsmittelfrist jedoch bereits mit Ablauf des 24. 11. 2005 geendet hatte.

Nunmehr haben die Antragsgegner durch Vorlage eines Postaufgabescheins, einer Bestätigung des Postamts 5400 Hallein, einer eidesstättigen Erklärung und eines Gesamtabgabescheins mit Unterfertigung einer Gerichtsangestellten dargetan, dass der Vermerk „persönlich überreicht" auf dem außerordentlichen Revisionsrekurs unrichtig war, dass hingegen das Rechtsmittel am 24. 11. 2005 - somit rechtzeitig - zur Post gegeben wurde. Die irrtümliche Anbringung des Vermerks „persönlich überreicht" wurde noch durch die Aussage der Michaela B* als Auskunftsperson bestätigt.

Die Annahme der Verspätung hat sich damit nachträglich als unrichtig herausgestellt.

Dieser Fehler ist - auch vom Obersten Gerichtshof - in analoger Anwendung der §§ 419 Abs 1, 522 Abs 1 ZPO zu korrigieren (SZ 60/192; RIS‑Justiz RS0062267).

Zu 2.:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich schon mehrmals mit der Frage der Zulässigkeit von Balkon- oder Loggienverglasungen sowohl unter dem Aspekt des Versagungsgrundes der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbild eines Hauses als auch unter dem der Verkehrsüblichkeit bzw des wichtigen Interesses des Änderungswilligen zu befassen. Die Zulässigkeit einer solchen Änderung lässt sich grundsätzlich weder bejahen noch verneinen (WoBl 2002/45t [Call]; vgl auch WoBl 1991/96), letztlich kommt es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS‑Justiz RS0109643, insbesondere T6; vgl auch RS0083321).

Dabei ist dem Rechtsanwender ein weiter Wertungsspielraum eingeräumt (vgl MietSlg 30.561/28; MietSlg XXXVIII/9; 5 Ob 241/97w). So ist in der Frage der Interessenbeeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer - die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nur ein spezifischer Fall der Interessenbeeinträchtigung - zu beachten, dass nicht bereits jede Veränderung des Erscheinungsbildes eines Hauses relevant ist, sondern nur wesentliche Beeinträchtigungen, was wiederum einen Ermessensspielraum erfordert (MietSlg 50.574; 5 Ob 88/94; 5 Ob 58/99m; 5 Ob 1082/92 ua). Diesen Ermessensspielraum hat das Rekursgericht mit seiner Beurteilung, die Änderung des Gesamtbildes der Wohnhausanlage stelle aus architektonischen Gründen nicht erkennbar eine Verschlechterung dar, nicht verlassen. Der Bezug der Revisionsrekurswerber auf eine angebliche Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist schon deshalb nicht mehr zulässig, weil das Rekursgericht bereits das Vorliegen dieses Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens verneint hat. Dazu kommt noch, dass die Antragsgegner im Rekursverfahren die Ansicht vertraten, diese Frage könne das Gericht ohne Beiziehung eines Sachverständigen selbstständig beurteilen.

Was die Frage des wichtigen Interesses der Antragstellerin iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG betrifft, ist zunächst zutreffend, dass nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht jeder Wunsch nach einer Wohnungsvergrößerung ein wichtiges Interesse darstellt (vgl MietSlg 49.497), auch nicht der Wunsch nach Verbesserung der Lebens- und der Arbeitsbedingungen (WoBl 2000/39 [Hausmann]; WoBl 2003/88) und die Steigerung des Wohn- oder Verkehrswerts, wie sie mit einer Vergrößerung des WE‑Objekts selbstverständlich verbunden ist, in der Regel noch nicht zur Dartuung des wichtigen Interesses ausreicht (WoBl 1995/63 [Markl]; WoBl 2000/39 [Hausmann]; WoBl 2003/88). Dabei ging es jedoch in der Regel um umfangreiche Ausweitungen der Nutzungsmöglichkeiten des Wohnungseigentümers durch Einbeziehung allgemeiner Teile der Liegenschaft in das WE‑Objekt, wie Errichtung einer Terrasse auf einer allgemeinen Dachfläche (WoBl 2000/39; WoBl 1995/63), erstmalige Errichtung eines Balkons für das Nachtzimmer einer Apotheke (WoBl 2003/88) u.ä. In dem hier vorliegenden Fall, geht es um die Verglasung einer ohnedies zum Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Terrasse. Obwohl hier die Verglasung 11 cm weiter außen angebracht wurde, als der bisherige Balkon reichte und eine Rundung in ein rechtwinkeliges Eck umgewandelt und damit die Fläche vergrößert wurde ist diese Änderung mit den zuvor beschriebenen nicht zu vergleichen.

Das Rekursgericht hat den familiär bedingten Wunsch der Wohnungseigentümerin, die Terrasse zu verglasen und damit ganzjährig benutzbar zu machen als wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG gewertet, welche Beurteilung noch mit der nur geringen Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft begründet wurde (vgl MietSlg 32.486; MietSlg 52.540).

Eine grobe, die Rechtssicherheit in Frage stellende Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre (5 Ob 212/01i), liegt darin nicht begründet.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragsgegner zu führen.

Ein Zuspruch der Kosten des Berichtigungsverfahrens kommt schon zufolge § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF iVm § 52 Abs 2 WEG nicht in Betracht. § 37 Abs 3 Z 17 MRG idF des WohnAußStrBeglG ist nur anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. 12. 2004 anhängig geworden ist (Art 10 § 2 Abs 3 WohnAußStrBeglG).

 

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