OGH 5Ob97/12v

OGH5Ob97/12v12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin E***** H*****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. M***** P*****, 2. M***** P*****, 3. E***** P*****, ebendort, 4. Ing. O***** H*****, dieser vertreten durch Dr. Robert Oberdanner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Viertantragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 23. Februar 2012, GZ 22 R 47/12h-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Antragstellerin ließ mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer - mit Ausnahme des Viertantragsgegners - an der gartenseitigen Hausfassade einen 5,4 m2 großen Balkon errichten, der in Höhe von 1,65 m mit Stahlstreben an der Hauswand befestigt ist. Dazu wurde ihr eine baubehördliche Bewilligung erteilt.

Die gesamte Gartenfläche, die allgemeiner Teil der Liegenschaft ist - eine behauptete Benützungsregelung der vier Wohnungseigentümer wurde nicht festgestellt - beträgt 272 m2. Die neben der Wohnung der Antragstellerin liegende Wohnung Top 2 verfügt über einen Balkon (Terrasse). Der Viertantragsgegner ist bei Benützung des Gartens durch Vorhandensein des Balkons nicht wesentlich beeinträchtigt. Balkone in der hier gegenständlichen Größe und Ausrichtung zur Gartenfläche hin sind in der ländlichen Wohnumgebung des Hauses üblich.

2. Beide Vorinstanzen ersetzten die Zustimmung der Miteigentümer (des Viertantragsgegners) zur bereits vorgenommenen Änderung im Umfang der Ausführungsbeschreibung und des baubehördlichen Bewilligungsbescheids.

3. Den im außerordentlichen Revisionsrekurs als erheblich relevierten Rechtsfragen - die Entscheidung des Rekursgerichts stehe angeblich in Widerspruch zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung - ist wie folgt zu entgegnen:

3.1. Nicht jede Beeinträchtigung von Interessen von Miteigentümern steht einer Änderung entgegen, sondern nur eine wesentliche, die die Interessen der Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass das Recht des Wohnungseigentümers auf Durchführung von Änderungen zurückzustehen hat (RIS-Justiz RS0083236; RS0101801). Bei einer derart vorzunehmenden Qualifikation besteht ein Ermessensspielraum und solange der Rechtsanwender diesen nicht überschritten hat, liegt im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0083309 [T9; T13]).

Die vom Rekursgericht für den Grad der Beeinträchtigung des Viertantragsgegners zu Grunde gelegte Maßgeblichkeit des Verhältnisses der unter dem Balkon liegenden Fläche mit der Gesamtfläche des Gartens ist bei der gegebenen Sachlage grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Hinweis des außerordentlichen Revisionsrekurses auf die Entscheidung 5 Ob 30/94 ist schon wegen der anders gelagerten Sachverhaltsgrundlage nicht zielführend. Dort kam es nämlich gerade nicht auf die Verhältnismäßigkeit der Flächen, sondern auf die besondere Qualität der durch eine Änderung in Anspruch genommenen Fläche an.

3.2. Die hier zu beurteilenden Feststellungen lassen eine nachvollziehbare Befürchtung dahin, dass mit der Balkonerrichtung eine Gefahr für die Sicherheit von Personen verbunden sein könne, nicht zu. Nur wenn von vornherein feststünde, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde, etwa wegen nicht ausreichender Sicherheitsvorkehrungen, keinesfalls gerechnet werden kann (5 Ob 93/92 MietSlg 44.626; 5 Ob 58/98m MietSlg 51.521; 5 Ob 11/04k MietSlg 56.546), könnte das zur Abweisung eines Änderungsbegehrens führen. Das ist bei Vorliegen einer Baubewilligung, an deren Inhalt das Begehren orientiert ist, praktisch auszuschließen. Ob die Antragstellerin den Balkon vor einer Bauvollendungsanzeige benützen darf, ist für die Frage der Genehmigungsfähigkeit ohne Belang.

4. Liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG vor und werden wie hier allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, muss die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.

4.1. Es trifft zu, dass die Antragstellerin sich auf ein eigenes wichtiges Interesse berufen hat und dass die von ihr für die Bejahung eines wichtigen Interesses herangezogenen Gründe der Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts ihres Objekts nicht ausreichen (5 Ob 63/08p wobl 2008/93 mwN; 5 Ob 180/08v; RIS-Justiz RS0083341 [T4]). Die Vorinstanzen haben die Genehmigungsfähigkeit der Änderung aber ohnedies nicht mit einem wichtigen Interesse der Antragstellerin begründet.

4.2. Wie der Revisionsrekurswerber zutreffend ausführt, kommt es bei Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie das Ausmaß der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (RIS-Justiz RS0126244).

Dass alle diese Voraussetzungen hier in Anbetracht der getroffenen Feststellungen über die Gegebenheiten im Haus, der Wohnumgebung und die Geringfügigkeit des Eingriffs in die Bausubstanz gegeben sind, hat das Rekursgericht zutreffend erkannt. Diese Rechtsansicht bedarf keiner Korrektur.

5. Rechtlich unerheblich ist, ob die Antragstellerin in Zukunft einen eigenen Gartenzugang vom Balkon aus schaffen könnte, weil ein solches Begehren nicht verfahrensgegenständlich ist.

6. Abschließend ist noch klarzustellen, dass die Zustimmungen der übrigen Wohnungseigentümer, die zutreffend dem Verfahren beigezogen wurden, in schriftlicher Form im Akt erliegen. Die Betreffenden haben sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Einwände gegen die geplante Änderung vorgetragen.

Insgesamt liegen daher keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG vor, weshalb das außerordentliche Rechtsmittel des Viertantragsgegners zurückzuweisen war.

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