European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00020.840.1127.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Änderung der Widmung des Wohnungseigentumsobjekts ***** im ***** Obergeschoß des Hauses *****, von Wohnung zu Zwecken der Verwendung als Zivilingenieurbüro von den Miteigentümern zu dulden ist.
Begründung
Der Antragsteller ist Eigentümer von mit Wohnungseigentum an der Wohnung ***** im ***** Stockwerk des Hauses D***** in ***** verbundenen Anteilen der Liegenschaft EZ ***** in der Katastralgemeinde *****. Er benützte das Wohnungseigentumsobjekt mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern der Widmung entsprechend zum Wohnen. Im Juni 1981 richtete er in der Wohnung ein Büro zur Ausübung seiner Tätigkeit als Zivilingenieur für Bauwesen sei. Er beschäftigt dort zwei Diplomingenieure, zwei Fachschulingenieure und einen Absolventen einer Höheren Technischen Lehranstalt, eine Bürohilfskraft, halbtags eine Zeichnerin, teilzeitbeschäftigt auch eine Buchhalterin und zwei Schreibkräfte. Zwei der Techniker sind in der Regel im Außendienst, Angestellte und Besucher benützen meist den Personenaufzug. Für jeden Wohnungseigentümer ist in der Anlage ein Parkplatz vorgesehen. Eine Kennzeichnung bestimmter Parkplätze für jedes Objekt ist nicht erfolgt. Auch Kunden und Angestellte des Antragstellers stellten Kraftfahrzeuge auf den Parkplatz. Es kam vor, dass zur gleichen Zeit fünf bis sechs Fahrzeuge von Kunden oder Angestellten des Antragstellers auf dem Parkplatz der Anlage standen, in der sonst alle Wohnungen nur für Wohnzwecke Verwendung finden.
Der Antragsteller, der im Rechtsstreit von einem Wohnungseigentümer auf Unterlassung der Benützung seiner Eigentumswohnung zu anderen als zu Wohnzwecken in Anspruch genommen worden war und unterlag, wandte sich an den Außerstreitrichter mit dem Begehren, die von ihm vorgenommene Widmungsänderung zu genehmigen. Sie beeinträchtige schutzwürdige Interessen der Miteigentümer nicht. Er wickle in seinem Büro fast keinen Parteienverkehr ab, verwende keine lärmenden Geräte und habe keine baulichen Änderungen vorgenommen, sein früheres Büro sei zu klein gewesen, während die Nutzfläche von rund 100 m 2 sich eigne.
Zahlreiche Wohnungseigentümer traten dem Verlangen des Antragstellers entgegen. Sie behaupteten, er habe sich im Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag im Jahr 1976 verpflichtet, die geförderte Wohnung als solche zu benützen. Die Widmungsänderung diene keinem wichtigen Interesse des Antragstellers und werde von Miteigentümern wegen der Beispielsfolgen abgelehnt. Der Antragsteller hätte sein Büro in einer anderen Anlage einrichten können, in welcher auch Geschäftsräume vorgesehen seien. Die Widmungsänderung der Wohnung in der in den Jahren 1969 bis 1971 errichteten Anlage beeinträchtige schützwürdige Interessen der anderen Miteigentümer und störe das gute Funktionieren der Hausgemeinschaft. Bei der Zahl seiner Beschäftigten, die über Haustorschlüssel verfügten, hielten sich immer wieder hausfremde Personen in den gemeinsamen Räumlichkeiten der Liegenschaft auf. Kunden suchten das Haus auf und benützten Vorhaus und Aufzug ebenso wie die Büroangestellten, die durch den Bürobetrieb erhöhten Betriebskosten müssten von den anderen Wohnungseigentümern mitgetragen werden, die Lärmbelastung sei gestiegen und das Parkplatzproblem verschärft worden. Die ohnedies knappen Parkplätze um die Anlage würden durch Fahrzeuge von Kunden und Angestellten des Antragstellers in Anspruch genommen. Es sei zu einer Wertminderung der Wohnungen im Haus gekommen und zu besorgen, dass der Antragsteller seinen Bürobetrieb ausweiten werde und andere Wohnungseigentümer seinem Beispiel folgen könnten.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Das Rekursgericht bestätigte und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
Die Vorinstanzen legten ihrer Entscheidung den dargelegten Sachverhalt zugrunde. Das Rekursgericht übernahm die Feststellung des Erstrichters nicht, dass jährlich einschließlich des Briefträgers etwa 600 Personen das Zivilingenieurbüro des Antragstellers aufsuchen, und ging davon aus, dass die Zahl der Besucher nicht feststellbar sei, aber mindestens 300 betrage. Die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht sei zutreffend, meinte das Rekursgericht. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer der vom Wohnungseigentümer angestrebten Änderung entgegenstünden. Maßnahmen, die eine Intensivierung störenden Publikumsbesuches bewirkten, seien unzulässig. Dies treffe zu. Der Antragsteller beschäftige in seinem Büro insgesamt 10 Mitarbeiter. Diese Belegschaft übersteige das für eine Wohnung übliche Ausmaß. Es handle sich dabei zwar um verlässliche Personen mit korrektem Auftreten, dies könne aber von dem unbestimmten Personenkreis der mindestens 300 Kunden und Besucher, die das Büro in einem Jahr aufsuchen, nicht sicher vorausgesagt werden. Die Zahl der Personen, die das Büro im ***** Stock aufsuchen, rechtfertige die Annahme, dass der Aufzug stärker abgenützt werden, höhere Kosten an Stromverbrauch für den Betrieb des Aufzugs und der Stiegenhausbeleuchtung entstehen und auch eine stärkere Verschmutzung eintrete. Da die Betriebskosten von allem Wohnungseigentümern getragen werden müssten, sei ihr schutzwürdiges Interesse am Unterbleiben der Umwidmung anzuerkennen. Sie brauchten auch die dauernde Gefahr eines Überbelages der allen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehenden Parkplätze nicht zu dulden. Wegen dieser Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen dürfe der Außerstreitrichter die Zustimmung der anderen Miteigentümer, die sich ohne den Vorwurf der Schikane der Umwidmung widersetzten, nicht ersetzen.
Der Antragsteller bekämpft die Rekursentscheidung mit seinem zugelassenen Revisionsrekurs, dem Berechtigung zukommt.
Seinen Ausführungen, mit welchem er Mängel des Verfahrens erster Instanz behauptet und sich gegen die Beweiswürdigung wendet, ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof auch im besonderen Verfahren nach § 26 Abs 2 WEG und § 37 Abs 3 MRG nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz ist und jeder Verfahrensmangel nur in der nächst höheren Instanz wahrgenommen werden kann (MietSlg 35.438).
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof kann sich jedoch den aus dem festgestellten Sachverhalt gezogenen rechtlichen Folgerungen der Vorinstanzen nicht anschließen. Wie schon in der Entscheidung vom 29. 11. 1983, MietSlg 35.657, dargelegt wurde, hat der Außerstreitrichter auf Antrag des Wohnungseigentümers, der eine (Widmungs‑)Änderung im Sinne des § 13 Abs 2 Z 1 WEG vornehmen will (oder vorgenommen hat = MietSlg 30.561/28) aber auf Widerstand anderer Miteigentümer stößt, über die Duldung der Widmungsänderung zu entscheiden und das Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen der Miteigentümer abzuwägen. § 13 Abs 2 erster Halbsatz WEG spricht aus, dass der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich der Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit auf seine Kosten berechtigt ist. Erst im folgenden wird dieses Recht Einschränkungen unterworfen, die umso weiter gehen, je massiver der Eingriff in fremden Rechtsbereich in Erscheinung tritt, und danach unterschieden, dass sich die Änderung nur an der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit vollzieht (Z 1), dass für die Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft (Z 2) oder gar auch solche Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden sollen, die im Wohnungseigentum eines anderen Miteigentümers stehen (Z 3). Die Änderung hat jedenfalls zu unterbleiben, wenn sie eine Schädigung des Hauses oder eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer zur Folge hat, also etwa eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen mit sich bringt (§ 13 Abs 2 Z 1 WEG). Die Regelung lehnt sich an die Textierung des § 18 MG an, zählt demonstrativ Kriterien auf, die eine Änderung unzulässig machen, gleichgültig, welche Teile der Liegenschaft davon betroffen werden (MietSlg 30.561/28) und überlässt dem Richter einen weiten Wertungsspielraum ( Faistenberger/Barta/Call , Komm zum WEG 1975, 327 Rdz 12 zu § 13; Meinhart , WEG 1975, 130, Anm 1 zu § 13). Die beispielhaft angeführten Hinderungsgründe lassen aber erkennen, dass nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer der Änderung entgegensteht, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass das Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers über Änderung der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit zurückzustehen hat.
Die dem Wohnungseigentum eigene Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen der anderen und ein zumutbares Maß an wechselseitiger Toleranz prägen das besondere gesetzliche Schuldverhältnis zwischen den Miteigentümern bei der Ausübung des Nutzungsrechtes an der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit und der Duldung der damit für die anderen Miteigentümer verbundenen und im Rahmen eines geordneten Zusammenlebens unvermeidlichen nachteiligen Auswirkungen (s OGH 3. 7. 1984 5 Ob 59/83).
Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die im Tatsächlichen festgestellten den Miteigentümern aus der Änderung der Zweckwidmung der Wohnung in Büroräumlichkeiten zur Ausübung des Zivilingenieurberufes drohenden nachteiligen Auswirkungen, erfüllen diese nicht dem im § 13 Abs 2 Z 1 WEG normierten Hinderungsgrund. Denn es steht fest, dass nach der Widmungsänderung anstelle zweier Erwachsener und fünf Kindern, die die Schule besuchten, etwa 10 Büroangestellte die im Wohnungseigentum des Antragstellers stehenden Räumlichkeiten benützen und dass die Zahl der sonst diese Räumlichkeiten aufsuchenden Personen nicht so sonderlich hoch ist, dass gegenüber der Widmung zu Wohnzwecken ein auffallender Unterschied zu erblicken wäre, können doch auch bei Benützung zum Wohnen Verwandte, Besucher und Mitschüler in größerer Zahl Gang und Aufzug benützen, ohne dass dies von den Miteigentümern unterbunden werden könnte. Auch die Inanspruchnahme der Kraftfahrzeugabstellplätze um das Haus durch Angestellte und Kunden unterscheidet sich nicht so erheblich von der durch Familienangehörige, Mitbewohner oder Besucher bei Beibehaltung der Zweckwidmung zum Wohnen. Gegen eine übermäßige Nutzung der unter Zuteilung je eines Parkplatzes geschaffenen gemeinsamen Abstellflächen durch einen Miteigentümer kann aber anders Abhilfe gesucht werden als durch Verhinderung der Umwidmung der Räumlichkeit. Insgesamt sind die nachteiligen Auswirkungen, die nach den zur Zeit zu überblickenden Folgen der Widmungsänderung andere Miteigentümer und hier wieder vor allem jene Wohnungseigentümer treffen, deren Objekt im gleichen Haus liegt wie das des Antragstellers, wie eine etwas häufigere Benützung des Stiegenhauses und des Personenaufzuges und die Gefahr, dass Besucher, auf die der Angestellte nicht Einfluss nimmt, Kraftfahrzeugabstellplätze benützen, nicht so gewichtig, dass das Maß der auch von den anderen Miteigentümern zu erwartenden Rücksicht und Toleranz überschritten und die Duldungsverpflichtung über die Grenzen der Zumutbarkeit in Anspruch genommen würde. Der Oberste Gerichtshof sieht daher anders als die Vorinstanzen keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer als Folge der Widmungsänderung. Sie ist daher von allen Miteigentümern zu dulden.
Die Änderung der Widmung von Wohnung in sonstige im Wohnungseigentum stehende Räumlichkeit als solche nimmt gemeinsame Teile der Liegenschaft nicht in Anspruch. Es blieb daher kein Raum für die Prüfung der Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG. Ob sich der Antragsteller auch auf andere Weise als durch die Änderung der Widmung seines Wohnungseigentumsobjektes Büroräumlichkeiten zur Ausübung seines Berufes beschaffen konnte, ist deshalb nicht von Belang.
Da in jedem einzelnen Fall das Vorliegen der Hinderungsgründe zu untersuchen ist, kann der Widmungsänderung auch nicht entgegenstehen, dass bisher die Wohnungswidmung der übrigen Wohnungseigentumsobjekte unverändert geblieben war und sich sonst in der Anlage nur zu Wohnzwecken benützte Wohnungen befinden.
Dass schließlich der Außerstreitrichter überhaupt befugt ist, den Widerstand der anderen Wohnungseigentümer gegen die Widmungsänderung durch Richterspruch unwirksam zu machen, ergibt sich aus den Bestimmungen des § 26 Abs 1 Z 1 iVm § 13 Abs 2 WEG. Dass eine entgegenstehende vertragliche Bindung des Antragstellers durch eine den anderen Wohnungseigentümern gegenüber eingegangene Verpflichtung zur Unterlassung der Widmungsänderung vorliege, wurde nicht behauptet. Die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsdarlehen in den Kaufvertrag aufgenommenen Verpflichtungen, die Wohnung nur selbst zu benützen und sich Beschränkungen bei der Weitergabe zu unterwerfen, vermag eine solche Vertragsbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander nicht zu begründen sondern erschöpft sich in der Erfüllung der in Hinblick auf die Bindungen der gemeinnützigen Bauvereinigung, die Wohnbauförderungsdarlehen zur Errichtung der Baulichkeiten erhalten hatte, erforderlichen Überbindung von Pflichten gegenüber dem Träger der Wohnbauförderung.
In Abänderung der Entscheidung der ersten und zweiten Instanz ist daher dem berechtigten Antrag des Wohnungseigentümers stattzugeben.
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