OGH 5Ob277/04b

OGH5Ob277/04b21.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter S*, vertreten durch Haslauer, Eberl, Hubner, Krivanec & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) Alois E*, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2.) Gerhard B*, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 10.000,‑‑), über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 14. Juli 2004, GZ 53 R 123/04a‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19. Dezember 2003, GZ 25 C 733/03w‑14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:E75922

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen je die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Kläger ist zu 386/1808 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * mit ausschließlichen Nutzungsrechten an der Wohnung W 7 sowie den Kellerabteilen K 1 und K 2. Der Erstbeklagte ist ua zu 262/1808 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft mit Nutzungsrechten an der Wohnung W 5 und dem Kellerabteil K 7. Er hat die Wohnung top 5 an den Zweitbeklagten vermietet. Die genannten Wohnungen liegen in einem Objekt mit insgesamt fünf selbstständigen Wohnungen und zwei selbstständigen Büroeinheiten.

Der Kläger begehrt von den Beklagten es zu unterlassen, die Wohnung W 5 auf andere Weise als zu Wohnzwecken zu nutzen bzw nutzen zu lassen. Der Zweitbeklagte betreibe mit Wissen und Genehmigung des Erstbeklagten in der Wohnung den Gewerbebetrieb einer Massagepraxis. Diese Erwerbstätigkeit habe nachteilige Auswirkungen auf das Wohnungseigentumsobjekt der klagenden Partei und auch auf die allgemeinen Teile der Liegenschaft. Im Wohnungseigentumsvertrag sowie im Parifizierungsbescheid sei die top 5 mit der Widmung "Wohnung" ausgewiesen. Es liege somit eine eigenmächtige Widmungsänderung iSd Wohnungseigentumsgesetzes vor. Weder der Erst- noch der Zweitbeklagte hätten die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu dieser Widmungsänderung eingeholt.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Der Erstbeklagte wendet ein, dass im Mietvertrag mit dem Zweitbeklagten festgehalten sei, dass er die Wohnung nur für Wohnzwecke als Hauptwohnsitz und zur Ausübung seines Berufes als Heilmasseur verwenden dürfe. Motiv dafür sei gewesen, dass der Zweitbeklagte schwerst sehbehindert und praktisch blind sei und daher seinen Beruf als Masseur nur im Rahmen seiner Wohnmöglichkeit ausüben könne. Aufgrund seiner Behinderung könne der Zweitbeklagte auch nur sehr wenige Klienten pro Tag betreuen. Diese minimale gewerbliche Tätigkeit des Zweitbeklagten habe keine nachteiligen Auswirkungen auf das Wohnungseigentumsobjekt des Klägers oder auf allgemeine Teile der Liegenschaft. Das Haus R* sei ein gemischt genutztes Objekt mit Wohnungen und zwei Steuerberatungskanzleien. Die verfahrensgegenständliche Wohnung weise die baurechtliche Widmung "Wohnung" auf. Der Zweitbeklagte übe die Tätigkeit als Heilmasseur in einem 12 m2 großen Zimmer dieser Wohnung aus, was der baurechtlichen Widmung nicht widerspreche.

Der Zweitbeklagte schloss sich dem Vorbringen des Erstbeklagten an. Er bestreitet eine Widmungsänderung, weshalb weder eine Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer noch des Außerstreitrichters oder einer Behörde erforderlich sei. Er behandle täglich höchstens 5 Personen, sodass es zu keinerlei Lärmerregungen oder sonstigen Beeinträchtigungen komme.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging dabei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Ebenso wie im Wohnungseigentumsvertrag vom 16./25. 11. bzw 15. 12. 1987 ist die Wohnungseigentumseinheit top 5 auch im Parifizierungsbescheid des Magistrates Salzburg vom 28. 10. 1987 mit der Widmungsart "Wohnung" ausgewiesen.

Die Wohnnutzfläche des Objekts, eine 3‑Zimmer‑Wohnung, beträgt ca 126 m2.

Der Zweitbeklagte, der stark sehbehindert und fast blind ist, nutzt die Wohnung nicht nur für Wohnzwecke, sondern arbeitet in ihr auch als Masseur und hat diesbezüglich auch ein Gewerbe angemeldet. Weder der Kläger noch die übrigen Wohnungseigentümer haben dem ausdrücklich zugestimmt; auch eine Genehmigung durch den Außerstreitrichter liegt nicht vor.

Durch die Berufs- und Gewerbeausübung des Zweitbeklagten in der Wohnung top 5 fühlt sich zumindest der Kläger beschwert und beeinträchtigt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass eine im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes quasidingliche Wirkung habe. Im streitigen Verfahren sei nur zu prüfen, ob eine Nutzung entgegen der Widmung vorliegt. Die Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Widmungsänderung habe der Streitrichter (auch als Vorfrage) nicht zu prüfen. Eine Interessensabwägung sei ausnahmslos im Außerstreitverfahren durchzuführen. Gemäß § 16 WEG 2002 sei der Wohnungseigentümer zwar zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit unter bestimmten, im Gesetz genannten Voraussetzungen auf seine Kosten berechtigt. Wolle ein Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentumsobjekt ändern und/oder umwidmen, bedürfe er hiezu aber der Zustimmung aller anderen Miteigentümer oder der - auch im Nachhinein zulässigen - Ersetzung der Zustimmung durch einen Beschluss des Außerstreitrichters, falls durch die beabsichtigte Maßnahme wichtige Interessen auch nur eines Miteigentümers verletzt werden könnten. Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 WEG 2002 sei dem Außerstreitrichter vorbehalten und dem Prozessrichter entzogen. Solange eine Entscheidung des Außerstreitrichters nicht ergangen sei, könne der Ändernde im Rechtsweg auf Unterlassung geklagt werden, und zwar bis zur Rechtskraft einer anfälligen Genehmigung einer Widmungsänderung. Dem Kläger als Miteigentümer stehe bis zur Entscheidung des Außerstreitrichters zur Abwehr der eigenmächtigen Eingriffe die Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichtes und fügte diesen hinzu:

Nach ständiger Rechtsprechung verpflichte schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er dies nicht oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handle er in unerlaubter Eigenmacht und könne im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung (gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen) verhalten werden. Es handle sich dabei um eine auf § 523 ABGB gestützte Negatorienklage, in der vom Streitrichter grundsätzlich nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage für die Berechtigung eines Begehrens zu prüfen sei, während die Genehmigungsfähigkeit vom Streitrichter (auch als Vorfrage) nicht geprüft werden dürfe. Die Grundlage für die Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria), die dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung eines Rechtes Dritter diene und auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe berechtige, liege nicht in § 16 WEG 2002, sondern in der Bestimmung des § 523 ABGB iVm § 829 ABGB (RIS‑Justiz RS0083156 ua).

Der Auffassung des Erstgerichtes, die Nutzung des Wohnungseigentumsobjektes top 5 durch den Zweitbeklagten nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zu Zwecken seiner beruflichen Tätigkeit als Heilmasseur stelle eine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung dar, sei beizutreten, zumal die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht ausgeschlossen werden könne. Ob tatsächliche Beeinträchtigungen bestehen, habe allein der Außerstreitrichter im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 über die Genehmigungsfähigkeit der Änderung zu klären.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Widmungsänderung sei zunächst auf die dem Wohnungseigentumsvertrag zugrundeliegende Parifizierung abzustellen (Markl in Schwimann2 § 13 WEG Rz 29). Besonders bedeutsam seien darüber hinaus die in Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen enthaltenen und festgelegten Widmungen, da diese "quasidingliche" Wirkungen entfalten würden. Die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer sei bei der Beurteilung der bestehenden Rechtslage ausschlaggebend (Markl aaO Rz 27 mwN).

Insoweit unbekämpft habe das Erstgericht festgestellt, dass die Wohnung top 5 sowohl im Parifizierungsbescheid als auch im Wohnungseigentumsvertrag mit der Widmung "Wohnung" ausgewiesen ist. Auf eine ausdrückliche Feststellung oder Vereinbarung einer bestimmten Widmung im Wohnungseigentumsvertrag komme es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils EUR 4.000,‑‑, nicht jedoch EUR 20.000,‑- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass der OGH in seiner Entscheidung vom 11. 11. 1997, 5 Ob 380/97m, den in RIS‑Justiz RS0083156 wiedergegebene Rechtssatz mit der Voraussetzung einer Widmungsänderung verknüpft habe. Die Prüfung der vertragsmäßigen Widmung (dh der Genehmigungsbedürftigkeit) im Wege der Vertragsauslegung sei dem Streitrichter nicht verwehrt. Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hätten sich die damaligen Wohnungseigentumswerber in den Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen verpflichtet, zur Wahrung des Hauscharakters und im Interesse der Gemeinschaft die Wohnungen ausschließlich für Wohnzwecke oder nur für solche Geschäftstätigkeiten zu gebrauchen, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden. Den damaligen Beklagten sollte verboten werden, in ihrer Eigentumswohnung eine Arztordination zu führen bzw führen zu lassen. Der OGH habe keinen Zweifel daran gelassen, dass die Führung der Ordination eines praktischen Arztes "eine solche geschäftliche Tätigkeit, die üblicherweise in einer Wohnung ausgeübt wird" iSd Vereinbarungen in den Wohnungseigentumsverträgen darstellt, weshalb mit dem Betrieb einer Arztpraxis keine Widmungsänderung vorgenommen worden sei. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung stelle es eine erhebliche Rechtsfrage dar, ob im vorliegenden Fall die Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts zu Zwecken einer beruflichen Tätigkeit als Heilmasseur auch ohne eine dem zu 5 Ob 380/97m zugrundeliegende Vertragsklausel als üblich anzusehen und deshalb von vornherein eine (iSd § 16 WEG 2002 zustimmungsbedürftige) Widmungsänderung zu verneinen wäre.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes haben sowohl der Erstbeklagte als auch der Zweitbeklagte Revision erhoben. Beide haben primär die Abänderung des Berufungsurteils in eine vollinhaltliche Abweisung des Klagebegehrens beantragt und hilfsweise Aufhebungsanträge gestellt.

Vom Kläger liegen dazu Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag vor, die gegnerischen Rechtsmittel entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihnen nicht Folge zu geben.

Der Zweitbeklagte (dessen Revision zuerst einlangte) glaubt einen gravierenden Fehler der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes darin zu erkennen, dass es seine Berufsausübung in der verfahrensgegenständlichen Wohnung als genehmigungsbedürftige Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 qualifizierte, obwohl "nach der Judikatur des OGH gar keine Änderung vorliege". Er bezieht sich dabei auf die Entscheidung 5 Ob 380/97m, in welcher der OGH den Betrieb einer Arztpraxis (die der Praxis eines Heilmasseurs durchaus vergleichbar sei) in einer Wohnung nicht als Widmungsänderung beurteilt habe, weil eine derartige geschäftliche Tätigkeit üblicher Weise in einer Wohnung ausgeübt werde. Damit stimme auch jene Judikatur (etwa 1 Ob 177/00m) überein, die bei gemischt genutzten Objekten an der Wohnverwendung festhalte, sofern die Verwendung zu Geschäftszwecken nicht eindeutig überwiegt. Schließlich sei nicht berücksichtigt worden, dass hinsichtlich der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen (hier des Klägers) auf den Einzelfall abzustellen und die Benützungssituation der gesamten Liegenschaft (auf der sich im konkreten Fall neben Wohnungen auch Geschäftsräume befinden) zu berücksichtigen sei.

Auch der Erstbeklagte meint, dass das Urteil des Berufungsgerichtes im Widerspruch zur Entscheidung 5 Ob 380/97m des OGH stehe. Der Parifizierung des Objekts top 5 als Wohnung bzw der gleichlautenden Bezeichnung des Objekts im Wohnungseigentumsvertrag dürfe nicht die Bedeutung einer Widmung "nur für Wohnzwecke" beigemessen werden. Vertragswille sei gewesen, ein sowohl zu Wohn- als auch Geschäftszwecken gewidmetes Gebäude zu errichten. Der Begriff Wohnung sei nur als Synonym für Wohnungseigentumsobjekt verwendet worden. Bei richtiger Vertragsauslegung hätte sich ergeben, dass die Ausübung einer Tätigkeit als Heilmasseur, die beim Zweitbeklagten überdies nur einen geringen Teil der Wohnfläche in Anspruch nehme, nicht als Widmungsänderung zu qualifizieren sei. Es hätten Beweise über das tatsächliche Ausmaß der Nutzung der Wohnung top 5 für Zwecke der Tätigkeit des Zweitbeklagten als Heilmasseur aufgenommen werden müssen.

Diesen Ausführungen hält der Kläger in seinen Revisionsbeantwortungen entgegen, dass die angesprochenen Rechtsfragen in der Judikatur längst geklärt seien. Jede Umwidmung einer Wohnung in einen Gewerberaum sei genehmigungsbedürftig, weil dazu die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer ausreiche. Ob eine Widmungsänderung vorliegt, sei allein danach zu beurteilen, ob die tatsächliche Verwendung eines Objekts seiner Widmung entspricht. Im gegenständlichen Fall sei ‑ anders als in dem zu 5 Ob 380/97m entschiedenen - von einer reinen Wohnwidmung ohne die vertraglich festgelegte Ausnahme einer Duldung von Gewerbstätigkeiten, die üblicher Weise in Wohnungen ausgeübt werden, auszugehen. Selbst die Änderung der Betriebsform eines Gewerbes habe der OGH schon als Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 qualifiziert. Es komme dabei immer auf die Widmung des betreffenden Objektes und nicht darauf an, ob das Haus (die Liegenschaft) für Wohn- und Geschäftszwecke genutzt wird. Ob der Zweitbeklagte die ganze Wohnung oder nur einen Teil hievon für die Ausübung seines Gewerbes in Anspruch nimmt, sei unerheblich.

 

Rechtliche Beurteilung

Bei Prüfung dieser Argumente erweisen sich die Revisionen der Beklagten zwar als zulässig, weil vom OGH noch nicht entschieden wurde, ob die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts als "Wohnung" jede Ausübung einer Geschäftstätigkeit (auch einer solchen, die üblicher Weise in einer Wohnung verrichtet wird) iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 genehmigungsbedürftig macht; ihnen kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Es kann zunächst auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 3 MRG und §§ 528a, 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Sie geben die einschlägige Judikatur richtig wieder und werden durch die Argumente der Rechtsmittelwerber nicht widerlegt.

Auszugehen ist davon, dass der in § 16 Abs 2 WEG 2002 (früher in § 13 Abs 2 WEG 1975) verwendete Begriff "Änderungen" sehr weit auszulegen ist (Call zu 5 Ob 1028/92 = wobl 1993/49). Er erfasst grundsätzlich alle Umwidmungen (5 Ob 39/82 = MietSlg 35.608; 5 Ob 48/89 = wobl 1991/52; 5 Ob 103/90 = wobl 1991/90 ua), ja sogar die Änderung des Gegenstandes und der Betriebsform eines im Wohnungseigentumsobjekt ausgeübten Gewerbes (5 Ob 73/87 = MietSlg 40/16; 5 Ob 1028/92; 5 Ob 99/99s; 5 Ob 207/01d = wobl 2004/40; 5 Ob 86/03p = JBl 2004, 238; 5 Ob 227/04z).

Jede Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte (wofür also schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt), bedarf der Zustimmung aller Mitglieder der Eigentümergemeinschaft oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 (5 Ob 207/01d mwN). Ob eine Änderung gegen den Widerstand nur eines anderen Wohnungseigentümers zu genehmigen ist, ist demnach allein vom Außerstreitrichter zu entscheiden; in einem streitigen Verfahren kann - als Vorfrage - lediglich die Genehmigungsbedürftigkeit einer Maßnahme (ob überhaupt eine Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 vorliegt) geprüft werden (jüngst 5 Ob 143/04x mwN).

Nach diesen Kriterien ist klar, dass etwa der Betrieb einer Arztpraxis in einem als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekt eine genehmigungsbedürftige Änderung darstellt. Dass sie in außerstreitigen Wohnrechtsverfahren häufig genehmigt wird, weil keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interesse anderer Wohnungseigentümer vorliegt (vgl etwa 5 Ob 103/90 = wobl 1991/90; siehe dazu auch Markl in Schwimann2, Rz 32 zu § 13 WEG 1975), lässt nicht den Schluss zu, es liege gar keine genehmigungsbedürftige Änderung vor. Das scheint vor allem der Zweitbeklagte zu übersehen, wenn er mit der Geringfügigkeit und Zumutbarkeit der Ausübung seines Gewerbes argumentiert.

Die Rechtsmittelwerber sehen selbst, das die Tätigkeit (Praxis) eines Arztes mit der eines Heilmasseurs (was die hier in Rede stehende Genehmigungsbedürftigkeit betrifft) vergleichbar ist. Die Ausübung dieses Gewerbes in einem als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekt stellt daher eine Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 dar.

Dass die Ausübung einer Arztpraxis (oder der Praxis eines Heilmasseurs) in Wohnungen der Verkehrsübung entspricht, ist unbeachtlich, wenn die Widmung jegliche Geschäftstätigkeit ausschließt. Davon ist bei einer reinen Widmung zu Wohnzwecken auszugehen. Aus der mehrmals zitierten Entscheidung 5 Ob 380/97m = EWr II/13/78 ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil damals im Wohnungseigentumsvertrag (der rechtsgeschäftlichen Widmung des betreffenden Objekts) ausdrücklich vorgesehen war, das Objekt dürfe (auch) für solche Geschäftstätigkeiten verwendet werden, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden. Andere Entscheidungen, die sich mit der Zulässigkeit bzw Selbstverständlichkeit der Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit in Wohnungen beschäftigten (etwa 5 Ob 38/94 = SZ 68/34 = wobl 1995/104 mit kritischer Anmerkung von Call) hatten nicht das spezifische Problem der Genehmigungsbedürftigkeit iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 (§ 13 Abs 2 WEG 1975) zum Gegenstand. Auch die mietrechtliche Judikatur zur "gemischten" Verwendung eines Objekts, wonach es auf das Überwiegen ankomme (der Zweitbeklagte zitiert in diesem Zusammenhang die Entscheidung 1 Ob 177/00m), ist nicht einschlägig.

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen nur geprüft, ob das verfahrensgegenständliche Objekt als Wohnung (und nur als solche) gewidmet ist. Nur darauf kommt es an. Ob im Haus auch Objekte mit einer Geschäftslokalwidmung untergebracht sind, mag die Genehmigungsfähigkeit der gewerblichen Tätigkeit des Zweitbeklagten in der Eigentumswohnung beeinflussen, weil sich dadurch die Schutzbedürftigkeit der anderen Wohnungseigentümer (die Zumutbarkeit der Änderung) verschieben könnte, stellt aber die Genehmigungsbedürftigkeit an sich nicht in Frage. Ob etwas eine Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 ist, bezieht sich immer auf das betreffende Wohnungseigentumsobjekt.

Für die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer ausschlaggebend (Markl aaO, Rz 27 zu § 13 WEG 1975; idS auch 5 Ob 2075/96z = wobl 1998/13 mit Anm von Markl). Dabei ist auch auf die dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegende Parifizierung abzustellen (Markl aaO, Rz 29 zu § 13 WEG 1975). Ihr kommt, wie der Kläger in seinen Revisionsbeantwortungen zutreffend bemerkt, sogar besondere Bedeutung und Aussagekraft zu, weil die Widmung (ob ein Objekt als Wohn- und/oder Geschäftsraum benützt werden darf) die Nutzwertfestsetzung und damit auch die Beitragspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer nachhaltig beeinflusst.

Das verfahrensgegenständliche Objekt ist sowohl im Wohnungseigentumsvertrag als auch im Parifizierungsbescheid als Wohnung (und nur als solche) ausgewiesen. Die Widmung anderer Objekt für Geschäftszwecke wurde ausdrücklich erwähnt und auch so berücksichtigt. Es ist daher zu billigen, wenn die Vorinstanzen von einer reinen Wohnraumwidmung des Objekts top 5 ausgegangen sind und in der jetzigen Nutzung für gewerbliche Zwecke eine Widmungsänderung erkannt haben. Dass hier eine weitgehend objektive Betrachtung angezeigt ist, versteht sich wegen der Schwierigkeiten einer Feststellung des Parteiwillens beim erstmaligen (historischen) Widmungsakt und wegen des notwendigen Schutzes des Vertrauens neuer Mitglieder der Eigentümergemeinschaft von selbst. Ob sich die damaligen Wohnungseigentumsbewerber oder jetzigen Wohnungseigentümer im Hinblick auf die Geringfügigkeit und Zumutbarkeit der gewerblichen Tätigkeit des Zweitbeklagten in der Wohnung top 5 einverstanden erklärt hätten oder einverstanden erklären würden, ist keine Frage der Widmung (einer möglichen Auslegung des Widmungsakts), sondern der Genehmigungsfähigkeit.

Die Vorinstanzen haben daher dem auf § 523 ABGB gestützten Klagebegehren zu Recht stattgegeben (vgl jüngst 5 Ob 306/03s = wobl 2004/55 mit Anm von Call).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die gesonderte Honorierung der Revisionsbeantwortungen ist deshalb gerechtfertigt, weil die zweite Revision erst erstattet wurde, als die Revisionsbeantwortung zur ersten bereits vorlag.

 

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