OGH 5Ob38/94

OGH5Ob38/9421.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1.) Gerald S*****, kaufmännischer Angestellter, ***** und 2.) Christine S*****, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr.Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei "S*****" ***** reg.Gen.mbH, ***** vertreten durch Dr.Herber Pflanzl und Dr.Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 210.000,- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3.November 1993, GZ 3 R 198/93-15, womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26.Mai 1993, GZ 2 Cg 308/92-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung als Endurteil zu lauten hat wie folgt:

"Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen S 210.000,- samt 13,5 % Zinsen seit 23.5.1992 zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 83.458,20 (darin S 10.309,70 Umsatzsteuer und S 21.600,- sonstige Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben von der Beklagten auf Grund ihres am 12.9.1989 von der Beklagten angenommenen Anbotes vom 5.9.1989 die Eigentumswohnung top Nr.15 im Haus A auf der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** um rund S 2 Mio. Sie begehren von der Beklagten die Zahlung von S 210.000,- s.A. mit folgender Begründung:

Beim Ankauf und in den dem Ankauf zugrundeliegenden Prospekten der Beklagten sei ausdrücklich als wesentliche Eigenschaft der Wohnanlage angeführt, daß sie einen hohen Komfort aufweise und eine ruhige Wohnanlage sei und alle Einheiten Wohnungen seien (keine Büros, Geschäfte oder Ordinationen). Dieser Umstand habe wesentlich zur Kaufentscheidung der Kläger beigetragen. In der Folge habe sich herausgestellt, daß die Beklagte, ohne eine Zustimmung der zukünftigen Wohnungseigentümer einzuholen, einer Umwidmung der Wohnungen Nr.5 und 6 in eine Zahnarzt-Ordination zugestimmt habe. Der Wohnwert der Eigentumswohnungen sei durch die Errichtung einer Zahnarzt-Ordination wegen der starken Patientenfrequenz, der Strahlungsbelastung durch die Röntgenanlage und der Geruchsbelästigung durch die Ordination schwer beeinträchtigt. Der Wert der Eigentumswohnung der Kläger sei dadurch um den Klagsbetrag gemindert. Die Klage werde auf Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten, Schadenersatz, Verwendungsanspruch, Bereicherung, Irrtum, Gewährleistung, culpa in contrahendo und alle erdenklichen Rechtsgründe stützt.

Die Beklagte wendete ein:

Es sei nicht richtig, daß beim Ankauf und in den Prospekten bestimmte Eigenschaften der Wohnanlage angeführt worden seien. Grundlage für den Abschluß des Kaufvertrages seien ausschließlich die genehmigten Einreichpläne einschließlich technischer Beschreibung gewesen. Über die Eigenschaften der Wohnung hätten sich die Kläger selbst zu informieren gehabt. Es hätten jedenfalls keine Hinweise in der Richtung existiert, daß es sich um eine ruhige Wohnanlage handle und daß sämtliche Einheiten nur Wohnungen seien. Das Motiv der Kläger für den Abschluß des Kaufvertrages sei überdies bedeutungslos.

Unrichtig sei, daß die Beklagte ohne Einholung der Zustimmung der künftigen Wohnungseigentümer der Umwidmung der Wohnungen Nr.5 und 6 in eine Zahnarzt-Ordination ausdrücklich zugestimmt hätte. Die Kläger hätten sich in Kenntnis der Bau- und Lagepläne, der Baubeschreibung und der Bebauungs-, Ausführungs- und Finanzierungsbedingungen um die Wohnung Nr.15 beworben. Nur die Wohnung Nr.5, nicht auch Nr.6, werde nunmehr als Zahnarzt-Ordination gesetz- und auftragsgemäß verwendet. Die Wohnungen Nr.5 und 6 seien vom Magistrat Salzburg mit Schreiben vom 28.12.1988 dem Zahnarzt Dr.G***** zugewiesen worden. Die Beklagte habe, weil sie die Wohnanlage mit Hilfe öffentlicher Mittel errichtet habe, keine rechtliche Möglichkeit gehabt, dieser Zuweisung zu widersprechen. Zum Zeitpunkt der Anbotslegung durch die Kläger sei schon längst bekannt gewesen, daß in der Wohnanlage eine Zahnarzt-Ordination untergebracht werden würde. Die Beklagte sei weder rechtlich noch aus sonstigen Gründen verpflichtet gewesen, die Kläger davon in Kenntnis zu setzen. Es sei ausschließlich deren Sache gewesen, in alle das Bauvorhaben betreffenden Unterlagen Einsicht zu nehmen. Sollten sie dies unterlassen haben, könne dies nicht zum Nachteil der Beklagten sein.

Ausdrücklich bestritten werde, daß der Wohnwert der Eigentumswohnungen durch die Errichtung einer Zahnarzt-Ordination schwer beeinträchtigt werde. Mit einer starken Patientenfrequenz sei nicht zu rechnen; eine Strahlenbelastung durch die Röntgenanlage sei ausgeschlossen. Ebenfalls unbegründet sei der Hinweis auf eine zu erwartende Geruchsbelästigung. Die Beklagte habe keine Möglichkeit gehabt, die Errichtung der Zahnarzt-Ordination in der Wohnung Nr.5 zu verhindern. Im Sinne einer Schadenminderungspflicht wären die Kläger auch dazu verpflichtet gewesen, falls die Emissionen aus der Zahnarztpraxis das ortsübliche Ausmaß überschritten hätten, aufgrund des Nachbarschaftsrechtes mit Unterlassungsklage vorzugehen. Eine allfällige Mehrbelastung der Nachbarn durch die Zahnarztordination werde dadurch aufgewogen, daß die zweite Wohnung Dris.***** leerstehe und daraus überhaupt keine Belastung entstehe. Die Beklagte würde das WGG verletzen, wenn sie nunmehr einseitig den Kaufpreis einer Wohnung reduzieren würde, weil sie keine Möglichkeit hätte, den Kaufpreis auf andere Wohnungen zu überwälzen. Die Kläger hätten die Beklagten nicht aufgefordert, den Mangel zu beseitigen. Die Beistellung einer gleichwertigen Ersatzwohnung sei möglich gewesen, sodaß die Kläger keinen Gewährleistungsanspruch geltend machen könnten. Ein erhebliches Mitverschulden treffe die Beklagten deshalb, weil sie noch vor Durchführung der Bauverhandlung von der Zahnarzt-Ordination Kenntnis erlangt hätten. Sie hätten die Verpflichtung gehabt, diesbezüglich Erkundigungen einzuholen, und hätten leicht Zeit und Ort der Bauverhandlung erfahren können.

Das Erstgericht erkannt mit Zwischenurteil das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Wohnanlage in einem von der Beklagten aufgelegten Prospekt wie folgt beworben wurde:

"Wohnanlage mit hohem Wohnkomfort, Grundstück am Rande des Landschaftsschutzgebietes, ruhige Wohnlage bei kurzen Alltagswegen, die dreigeschoßigen Bauten enthalten moderne Wohnungen mit praktischen Grundrißen, Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Gemüsegärten."

Darüber hinaus stellte das Erstgericht noch folgenden Sachverhalt fest:

In einem ebenfalls von der beklagten Partei lancierten Artikel in den Salzburger Nachrichten wurde darüber hinaus die Wohnanlage wie folgt beschrieben: "Der Traum, am Stadtrand zu wohnen, gilt dem Einfamilienhaus mit Garten. Etwas von dieser Qualität in einer mehrstöckigen Wohnanlage zu verwirklichen, ist der bestimmende Gedanke dieses Projektes. Diese Qualität stellt sich vor allem in einem erweiterten Aktionsraum der Bewohner dar, denen sich durch die Nutzung der freien Flächen und der Gemeinschaftseinrichtungen zusätzliche Möglichkeiten für Aktivitäten anbieten. Die Baukörper der Wohngebäude sind einfach und wirtschaftlich konzipiert, sodaß die dadurch eingesparten Mittel für eine großzügigere Ausgestaltung der privaten Freiräume und Wohnfolgeeinrichtungen aufgewendet werden konnten. Auch erhält die Wohnanlage durch diese Konzeption eine eigenständige Beziehung zur Struktur der halbländlichen Umgebung". Es ist in Prospekten und Artikel immer nur von Wohnalge die Rede und von Wohnungen in verschiedenen Größen, nicht jedoch von Praxen oder Büros.

Am 17.11.1988 bewarb sich der Zahnarzt Dr.G*****, der damals bereits eine Zahnarztpraxis in L***** betrieb und diese aufgeben mußte, beim Wohnungsamt des Magistrates Salzburg um die Zuweisung der Wohnungen top Nr.5 und 6 im Haus A und zwar ausdrücklich für eine Zahnarztpraxis; von Wohnung war im Ansuchen keine Rede.

Die Vorgangsweise beim Verkauf geförderter Wohnungen ist in Salzburg grundsätzlich folgendermaßen geregelt:

Wenn eine Wohnanlage mit öffentlichen Förderungsmitteln errichtet wird, steht aufgrund einer Empfehlung der Landesregierung für 50 % der errichteten Wohnungen das Vorschlagsrecht der Stadtgemeinde Salzburg zu. Dem Wohnungsamt des Magistrates wird dazu von der Wohnbaugenossenschaft eine ausgewogene Hälfte der Wohnungen zur Vergabe zur Verfügung gestellt. Beim Wohnungsamt lassen sich Interessenten vormerken. Wenn es dann zur Vergabe kommt, werden die Listen der zur Verfügung stehenden Wohnungen und der Interessenten vom Wohnungsamt dem Wohnungsvergabeausschuß vorgelegt. Darin sind die Vertreter der politischen Parteien stimmberechtigt. Die Vergabe erfolgt grundsätzlich nach einem Punktesystem mit bestimmten Kriterien. Vom Wohnungsvergabeausschuß erfolgt sodann die Reihung der Bewerber. Diese geht dann als Vorschlag des Magistrates an das Amt der Landesregierung, von dem die Annahme erfolgt. Aufgrund von Interventionen der Ärztekammer bei Stadt und Land unter Hinweis auf die notwendige ärztliche Versorgung wurde in den letzten Jahren der Zuweisung von Wohnungen für Arztpraxen erhöhte Priorität eingeräumt. Grundsätzlich wäre die beklagte Partei aber nicht verpflichtet gewesen, Bewerber, die vom Magistrat oder der Landesregierung zugewiesen werden, auch als Käufer zu akzeptieren. Bei Einwendungen der beklagten Partei wäre die Sache an den Ausschuß zurückgegeben worden und dort wäre es dann zu einer politischen Entscheidung gekommen. Grundsätzlich hat es auch schon Fälle gegeben, wo Einwendungen Folge gegeben worden ist. Die beklagte Partei könnte nicht gezwungen werden, eine Zuweisung zu akzeptieren. Bei Ablehnungen im größeren Umfang könnte dies aber dazu führen, daß vom Land die Förderungsmittel gestrichen werden. Dr.G***** hatte ursprünglich um die Zuweisung der Wohnungen Nr.5 und 6 angesucht. Vom Ausschuß wurden ihm allerdings die Wohnungen Nr.5 und 14 zugewiesen, da für die zweite freie Vier-Zimmer-Wohnung bereits ein anderer Bewerber vorgemerkt war. Dr.G***** wandte sich daraufhin an das ehemalige Vorstandsmitglied der beklagten Partei Dipl.Vw.Bruno O***** um Hilfe und dieser intervenierte bei Stadtrat H***** dahingehend, daß Dr.G***** die zwei nebeneinander liegenden Wohnungen erhalten solle. Zwischenzeitig war aber der andere Interessent ohnedies weggefallen, sodaß Dr.G***** vom Wohnungsvergabeausschuß bereits am 7.12.1988 die Wohnungen top Nr.5 und 6 zugewiesen wurden.

Bei der Wohnanlage L***** gab es beim Magistrat nicht genügend Interessenten für den zur Verfügung gestellten 50 %-Anteil der Wohnungen; dies deshalb, weil die Wohnungen relativ teuer waren und sich die meisten Bewerber die Wohnungen deshalb nicht leisten konnten.

Im Juni 1989 nahmen die Kläger mit der beklagten Partei Kontakt auf; sie waren bereits verheiratet, hatten aber noch keine Kinder. Sie erhielten aber die Förderung nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1984 als wachsende Familie. Da dies aber nur bis zu einem Lebensalter der Frau von dreißig Jahren möglich war, mußte das Kaufanbot rasch unterschrieben werden; dies erfolgte daher bereits am 17.7.1989. Am 5. September 1989 wurde noch einmal ein offizielles Anbot unterfertigt. Bei der Wohnung der Kläger handelt es sich um eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 84 m2 Nutzfläche und einem Tiefgaragenplatz. Die Gesamtkosten wurden für die Wohnung mit S 1,806.400,- und für die Garage mit S 201.000,- veranschlagt. Unter Punkt 8.) Sonderwünsche heißt es im Kaufanbot: "Der Wohnungseigentumsbewerber ist berechtigt, die Durchführung von Sonderwünschen innerhalb seiner Wohnung auf seine Kosten zu verlangen, wenn solche Änderungen seitens des Darlehensgebers, der Baupolizei und "sonstiger" Behörden nicht untersagt werden und dadurch keine Bauverzögerungen, Beeinträchtigungen anderer Mitbewohner der Wohnanlage oder sonstige Erschwernisse eintreten. In den Übergabeprotokollen wurde außerdem ausdrücklich angeführt, daß die Ausübung jeder gewerblichen und handwerklichen Tätigkeit im Gesamtbereich der Liegenschaft untersagt ist.

Dr.G***** ließ nach dem Kauf der Wohnungen Nr.5 und 6 eine Umplanung vornehmen und beantragte mit Zustimmung der beklagten Partei die Umwidmung der Wohnung top 5 in eine Zahnarztpraxis.

Die Wohnung der Kläger top 15 befindet sich räumlich genau über der Zahnarztpraxis top 5. Die Kläger wurden bei Kaufabschluß nicht darüber aufgeklärt, daß in unmittelbarer Nachbarschaft eine Wohnung in eine Zahnarztpraxis umgewidmet wird. Sie wurden von der beklagten Partei auch nicht von der dazu anberaumten Bauverhandlung verständigt. Den Klägern lagen bei Kaufabschluß neben dem Prospekt Beilage./A mit den Wohnungsplänen und einem Modell der Wohnanlage keine Unterlagen vor, insbesondere auch keine Unterlage, aus denen die Umwidmung der Wohnung top 5 hervorgegangen wäre. Sie haben sich aber auch nicht speziell bei der beklagten Partei nach ihren zukünftigen Nachbarn erkundigt. Erstmals im März 1991, als der Bau schon sehr fortgeschritten war, bemerkten die Kläger, daß in der Wohnung top 5 auffällige Installationsmaßnahmen getätigt wurden. Sie erkundigten sich daraufhin und erfuhren erstmals von der Zahnarztpraxis. Sie wandten sich daraufhin sofort an ihren Rechtsanwalt und an die Baupolizei, wo ihnen die beabsichtigte Umwidmung bestätigt wurde. Im Zuge der weiteren Nachforschungen erfuhren sie sodann im nachhinein, daß bereits am 29.4.1991 eine Bauverhandlung stattgefunden hatte, bei der auch die Genehmigung der Umwidmung erfolgt war. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Wohnanlage keine anderen Wohnungen mehr frei. Zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses der Kläger hätte es noch andere Wohnungen im selben Wohnblock und in anderen Wohnblöcken gegeben. Im Mai 1991 wurde zwar im Wohnblock der Kläger im Parterre eine Wohnung frei; dabei handelte es sich aber um eine Vier-Zimmer-Wohnung mit 99 m2, welche den Klägern zu teuer gewesen wäre.

Zur Zahnarztpraxis gehören auch die Autoabstellplätze 62, 63, 66, 67 und 78 an der Südostseite des Objektes, weche für insgesamt fünf Personenkraftwagen geeignet sind, wobei sich die Plätze 62, 63 und 78 unterhalb der Wohnung der Kläger befinden. Die Zahnarztordination umfaßt drei Behandlungsstühle, sodaß mit dem Betrieb ein ständiges Kommen und Gehen von Patienten verbunden ist. Naturgemäß wird von den Patienten auch die Möglichkeit des Zufahrens und Parkens ausgenützt. Die Parkzeiten für die Zahnarztpatienten bewegen sich in relativ kurzen Zeiträumen, sodaß den ganzen Tag über Lärm und Geruchsbelästigung durch Anfahren der Parkplätze, Einparken, Türen öffnen und schließen und denselben Vorgängen beim Abfahren und Umkehren verbunden ist. Erfahrungsgemäß ist auch mit dem Suchen freier Parkplätze entsprechender Verkehrslärm gegeben, unter Umständen werden auch fremde Abstellplätze unrechtmäßig benützt. Der Weg vom Autoabstellplatz zur Ordination führt entweder um die Süd- oder Nordseite, sodaß ständig fremde Personen sich im Bereich der Wohnanlage aufhalten müssen. Unter Umständen werden auch die Hauszugänge durch fremde Personenkraftwagen verstellt und spielende Kinder gefährdet. Die gesamten angeführten Beeinträchtigungen betreffen alle in diesem Bereich liegenden Wohnungen, insbesondere aber die Wohnung top 15, welche direkt über der Ordination liegt und unter derer Terrasse sich die Autoabstellplätze 62 und 78 befinden. Weiters ergibt sich für die Wohnung top 15 eine ständige Geruchsbelästigung durch aufsteigende Gerüche aus der Zahnarztpraxis, eine Lärmbelästigung durch Hochfrequenzturbinenbohrer und fallweise schreiende Patienten. Der Lärm durch einen Kompressor des Zahnarztes im Keller wurde zwar durch schalldämmende Maßnahmen verringert, ist aber immer noch wahrnehmbar. Zumindest psychologisch unangenehm ist auch das Wissen um den Röntgenraum unmittelbar unter dem Kinderzimmer der Kläger.

Von diesen Nachteilen, denen praktisch keinerlei Vorteile gegenüberstehen, da die Wahl eines Zahnarztes Vertrauenssache ist, ist vor allem die Wohnung der Kläger betroffen. Der Verkehrswert dieser Wohnung ist dadurch gemindert.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, zumindest die Käufer der unmittelbar angrenzenden Wohnungen darüber aufzuklären, daß eine Zahnarztpraxis errichtet werde. Durch die festgestellten Beeinträchtigungen entstehe eine Wertminderung der Wohnung. Die Benachteiligung der betroffenen Wohnungseigentümer müsse zumindest durch Geld ausgeglichen werden. Eine entsprechende Aufklärung hätte entweder dazu geführt, daß ein Käufer die Nachbarschaft der Zahnarztpraxis akzeptiert oder daß die Wohnung nur zu einem geringeren Kaufpreis verkauft werden könne. Den Mindererlös hätte die beklagte Partei auf die Gesamtliegenschaft verteilten können, sodaß der Hinweis auf ihre Gemeinnützigkeit rechtlich nicht relevant sei. Gemeinnützigkeit könne nämlich nicht dazu führen, daß ein einziger Wohnungseigentümer seine gesetzlichen Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche verliere.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtlich führte das Berufungsgericht, das die erstgerichtlichen Feststellungen als auf einem mängelfreien Verfahren und unbedenklicher Beweiswürdigung beruhend übernahm, im wesentlichen folgendes aus:

Die Angaben der Beklagten in ihrem Werbeprospekt, der dem Kaufvertrag zugrundeliege, seien als zugesicherte Eigenschaften einer Wohnanlage zu beurteilen. Im Prospekt sei kein Hinweis darauf enthalten, daß nicht alle Wohnungen dieser Anlage Wohnzwecken gewidmet seien. Die Kläger hätten daher davon ausgehen können, daß sich zumindest in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Wohnung ebenfalls nur Wohnungen und nicht auch Ordinationen, Büros oder Geschäftsräume befinden.

Aus den von der Beklagten zitierten Entscheidungen MietSlg 37.447 und

36.388 lasse sich für den Rechtsstandpunkt der Berufungswerberin nichts gewinnen. Beide würden Kündigungsgründe nach dem MRG betreffen. Die erste Entscheidung besage nur, daß Räume, die als Wohnung und zur Ausübung von üblicherweise in Wohnungen ausgeübten Berufen vermietet wurden, nicht als Geschäftsräume anzusehen seien, die zweite hingegen, daß die Verwendung eines zu Wohnzwecken vermieteten Bestandgegenstandes als Arztordination kein erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG sei. In den zu § 13 WEG ergangenen Entscheidungen MietSlg 37.616 und WoBl 1991/90 sei dagegen ausgesprochen worden, daß für die Zulässigkeit einer Widmungsänderung die bisherige Widmung des Gebäudes von Bedeutung sei. Daraus folge, daß nicht bei jeder Eigentumswohnung von vornherein mit einem Büro-, Ordinations- oder Geschäftsbetrieb gerechnet werden müsse, und daß die Begriffe "Wohnung" und "Ordination" - entgegen der Ansicht der Berufungswerberin - nicht gleichgesetzt werden könnten. Die Kläger, bei denen außerdem keine subtilen Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden könnten, hätten daher die Erklärungen der Berufungswerberin so verstehen dürfen, daß die ihnen verkaufte Eigentumswohnung nur den von anderen Wohnungen, nicht aber auch von Büro-, Geschäfts- und Ordinationsräumen ausgehenden Einflüssen aufgesetzt sein würde. Für das Fehlen dieser Eigenschaft habe die Beklagte gemäß § 922 ABGB Gewähr zu leisten. Wie die Beklagte mehrfach hervorgehoben habe und wie die Kläger durch ihre Wiegerung, den Vertrag rückgängig zu machen, zu erkennen gegeben hätten, hindere der Mangel den ordentlichen Gebrauch der Wohnung nicht. Die Klägerin hätte daher, sofern der Mangel eine Minderung des Wertes ihrer Wohnung bewirkt, gemäß § 932 Abs 1 ABGB einen Preisminderungsanspruch, dessen allfällige Höhe im weiteren Verfahren zu prüfen sein werde.

Derselbe Anspruch stehe den Klägerin auch aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes zu, der mit jenem der Gewährleistung nach neuerer Rechtsprechung konkurriere (ecolex 1990, 474; vgl Wilhelm in ecolex 1990, 467). Die Errichtung der Zahnarzt-Ordination widerspräche den Angaben der Beklagten in ihrem Prospekt, sodaß sie in diesem Fall eine besondere Aufklärungspflicht getroffen hätte (vgl MietSlg 35.105/31). Die Beklagte hätte diese für den Vertragsabschluß bedeutsame Tatsache vor den Klägern geheimgehalten und sie in ihrem Glauben, es handle sich um eine reine Wohnanlage, durch die Formulierung im Übergabeprotokoll noch bestärkt, daß die Ausübung jeder gewerblichen und handwerklichen Tätigkeit im Gesamtbereich der Liegenschaft untersagt sei. Für den durch die Verletzung dieser Aufklärungspflichten entstandenen Schaden habe die Berufungswerberin einzustehen. Dieser bestehe in der Differenz des hypothetischen Wertes der mangelfreien und des Wertes der mangelhaften Sache (ecolex 1990, 474). Ob und in welcher Höhe ein solcher Schaden entstanden ist, sei eine Frage der Anspruchshöhe und damit des weiteren Verfahrens.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, ob der Begriff "Wohnanlage" auch Ordinationen etc. umfasse, eine Rechtsprechung des Obersten Geichtshofes fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten mit dem primären Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen in klageabweisendem Sinn abzuändern.

Die Kläger beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

Auszugehen ist vom Inhalt des dem Vertrag zwischen den Streitteilen zugrundeliegenden Prospektes, in dem unter der Zwischenüberschrift "Bauumfang", ausgeführt wird, daß es sich bei der Wohnanlage um 77 Eigentumswohnungen (zwischen ca. 41 m2 und 105 m2), einen Freizeitpavillon, 58 Tiefgaragenplätze und einer Anzahl Autoabstellplätze im Freien handle. Die Kläger konnten daher zweifelsfrei davon ausgehen, daß sich in dieser Lage keine Geschäftslokale oder Werkstätten befinden werden. Es gibt aber Berufe, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden und mit deren tatsächlicher Ausübung daher auch in Eigentumswohnungen gerechnet werden muß, die sich auf einem als "Wohnanlage" bezeichneten Areal befinden. Dazu gehört vor allem der Arztberuf, der - wie allgemein bekannt ist - zum weitaus überwiegenden Teil in Wohnhäusern ausgeübt wird, wobei eine oder mehrere Arztpraxen die einzigen nicht oder nur zum Teil zum Wohnen (im engeren Sinn) verwendeten Objekte im betreffenden Haus sind. Werden - wie hier - ganze Wohnanlagen neu errichtet, so erfordert schon die Bedachtnahme auf eine angemessene ärztliche Versorgung der Bevölkerung in dieser Wohnanlage und deren Umgebung, daß in der einen oder anderen Eigentumswohnung eine Arztpraxis vorgesehen wird. Mit dieser Bedachtnahme des Bauträgers oder einer auf die Wohnungsvergabe wegen der Förderung des Baues mit öffentlichen Mitteln Einfluß nehmenden Gebietskörperschaft muß daher von jedem Wohnungseigentumsbewerber - um solche handelte es sich bei den Klägern im Zeitpunkt der Anbotstellung und Anbotannahme sowie im Zeitpunkt der Umwidmung von Wohnungen in eine Arztpraxis durch die Baubehörde, hätten die Kläger doch sonst beim Bauverfahren Parteistellung gehabt - gerechnet werden. Der Wohnungseigentumsbewerber mußte also in seine Überlegungen einbeziehen, ob er eine Wohnung in einem bestimmten Objekt zu erwerben bereit ist, wenn sich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft eine Arztpraxis oder sonst ein Nachbar mit ihm nicht genehmen, aber im allgemeinen zu tolerierenden Lebensgewohnheiten befindet; der Wohnungseigentumsbewerber muß nach solchen Umständen ausdrücklich fragen und sich vor Vertragsabschluß entsprechende Zusagen machen lassen. Dies ist in dem hier zu beurteilenden Fall nicht geschehen. Den Klägern stehen daher aus keinem Rechtsgrund aus dem Umstand, daß sich nun in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft eine Zahnarztordination befindet, Ansprüche gegen die Beklagte wegen der damit möglicherweise gegebenen Wertminderung der Wohnung zu.

Es waren daher die dem Grunde nach der Klage stattgebenden Urteile der Vorinstanzen in ein klageabweisendes Endurteil abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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