Einleitung
§ 16 WEG bestimmt jene gesetzlichen Voraussetzungen, unter welchen beabsichtigte Änderungen genehmigungsfähig sind und sich die übrigen Wohnungseigentümer der Vornahme solcher Maßnahmen nicht verwehren können. Aus § 16 WEG lässt sich jedoch kein unmittelbarer Anspruch auf Durchführung dieser Änderungen ableiten.1
Der Änderungsbegriff
- ist weit auszulegen, weshalb auch Widmungsänderungen hierunter zu subsumieren sind.2
- Der Grundsatz der Kostentragung bezieht sich auch auf alle durch die geplante Änderungsmaßnahme bedingte und auf Liegenschaftsteile außerhalb des WE-Objektes anfallenden Kosten.3
- Der Begriff ist nicht auf das eigene WE-Objekt beschränkt, doch hat die Änderung in Verbindung mit diesem zu stehen.4
- Änderungen können ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft umfassen, doch müssen diese sodann eine vorteilhaftere Nutzung eines WE-Objekts bezwecken.5
Das Gesetz selbst normiert nicht, wann eine Änderung überhaupt genehmigungspflichtig ist,6 weshalb diesbezüglich auf die Judikatur zu § 16 WEG und § 9 MRG zurückzugreifen ist.7
- Keiner Genehmigung bedürfen bagatellhafte Umgestaltungen,8 so etwa Einschlagen von Nägeln oder das Anbohren von Wänden innerhalb des WE-Objekts,9 Malerei-, Tapezier-, Fußbodenbelagsarbeiten und Verfliesungen oder das Entfernen einer nicht tragenden Innenwand ohne gemeinsame Versorgungsleitungen,10 ebenso eine Änderung, welcher bereits vorweg zugestimmt wurde.11
- Genehmigungspflichtig hingegen ist eine Maßnahme, sofern eine (erhebliche) Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen anderer Wohnungseigentümer denkbar bzw möglich erscheint.12 Sodann besteht die Pflicht zur Einholung der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer. Ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft ist mangels Entscheidungskompetenz unzureichend13 bzw ist die Ersetzung der Zustimmung im außerstreitigen Rechtsweg zu beantragen.14 Diesbezügliche Voraussetzungen sind danach zu unterscheiden, ob (zudem) allgemeine Teile der Liegenschaft oder auch fremde WE-Objekte betroffen sind.
Gegen Maßnahmen, welche ohne Zustimmung vorgenommen wurden, können sich die übrigen Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg mit Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB zur Wehr setzen.15
Genehmigungsfähige Änderungen
1. § 16 Abs 2 Z 1 WEG zählt demonstrativ allgemeine Voraussetzungen auf, welche eine Änderung am WE-Objekt unzulässig machen:
- Schädigung des Hauses
- Schutzwürdige Interessen der anderen Wohnungseigentümer
- Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses
- Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen
- Widmungsänderungen
- der privatrechtlich ursprünglich festgelegten oder konkludent abgeänderten Widmungsart21
2. § 16 Abs 2 Z 2 WEG unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft:
- Voraussetzungen des Abs 2 Z 1
- Zusätzlich:
- die Änderung entspricht der Übung des Verkehrs oder
- dient einem wichtigen Interesse des ASt.22
Etwa Dachböden, Gärten, Fassadenflächen, Außenfenster,23 idR überhaupt die „Außenhaut“ des Gebäudes,24 Bauteile mit allgemeinen Versorgungsleitungen.25 Es besteht ein gewisser Ermessensspielraum. Die Beantwortung ist idR von den Umständen des Einzelfalles und vom Umfang des Eingriffs in die Allgemeinfläche abhängig.26
Die WEG-Novelle 2022 sieht eine Ausweitung des Katalogs der privilegierten Änderungsmaßnahmen vor, bei denen wichtiges Interesse oder Verkehrsüblichkeit unwiderleglich vermutet werden:27
- Schaffung von Vorrichtungen zum Langsamladen von Elektrofahrzeugen
- barrierefreie Ausgestaltung des WE-Objekts oder von allgemeinen Teilen
Hinweis
Das wichtige Interesse des ASt ist nur relevant, soweit die Änderung
- keine schutzwürdigen Interessen der übrigen Miteigentümer beeinträchtigt aber
- an sich nicht der Übung des Verkehrs entspricht!28
3. § 16 Abs 2 Z 3 WEG Änderung betrifft auch Objekt anderer Wohnungseigentümer:
Begriffe
Liegenschaftsteile, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht.32 | |
Wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG | Bloße Zweckmäßigkeitsüberlegungen, Wertsteigerung des Objekts, erzielbare Lebensqualität genügen für die Annahme eines wichtigen Interesses idR nicht.33 Hingegen etwa sehr wohl die Herstellung eines heute üblichen Standards.34 |
Privilegierte Änderungen iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG | Mit den privilegierten Mieter-Investitionen des § 9 Abs 2 Z 1, 4 und 5 MRG vergleichbar,35 hier müssen lediglich die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG erfüllt sein. |
Geltendmachung
Gerichtliche Geltendmachung | Antrag auf Ersetzung der Zustimmung im AußerStrVerf | |
Frist | keine | |
Zuständigkeit | sachlich: BG; örtlich: Gerichtsstand der Liegenschaft | |
Internationale Zuständigkeit | Gerichtsstand der Liegenschaft | Art 22 EuGVVO |
Anwendbares Recht | Recht des Staates, in dem die Liegenschaft gelegen ist |
Rechtsdurchsetzung im Verfahren
Antrag auf Ersetzung der Zustimmung durch einen rechtsgestaltenden36 Sachbeschluss des Außerstreitrichters nach § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG.37
Der Antrag hat zu umfassen:
- die Änderung sowie die Art und Weise der Durchführung
- der zu bewilligenden (Bau)Pläne38
- eine spätere Modifizierung und Vervollständigung muss zulässig sein39
- eine qualifizierte Behauptungspflicht hinsichtlich der Übung des Verkehrs bzw des wichtigen Interesses des Wohnungseigentümers40
Die Verfahrensbeteiligung auch jener Miteigentümer, die ihre Zustimmung bereits erteilt haben, ist nicht notwendig.41 Diese können sich dem Verfahren jedoch als Antragsteller anschließen, sofern sie selbst die Änderung begehren.42
Im streitigen Verfahren nach § 523 ABGB ist nur die Genehmigungsbedürftigkeit und eine eigenmächtige Rechtsanmaßung zu prüfen,43 die Genehmigungsfähigkeit iSd Ersetzung der Zustimmung ist ausschließlich dem Außerstreitrichter vorbehalten,44 weshalb eine Eigentumsfreiheitsklage bis zur Genehmigung angestrebt werden kann.45 Die Stellung eines Antrages nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG stellt keinen Unterbrechungsgrund dar.46
Praxistipps
- Dem Beschluss des Außerstreitrichters steht ein vorangegangenes Beseitigungs- oder Unterlassungsurteil nicht entgegen.47
- Ein auf eine Vereinbarung gestützter Antrag auf Änderung ist im streitigen Verfahren zu verfolgen.48
- Bei Bestehen eines Fruchtgenussrechtes ist der Fruchtgenussberechtigte passiv legitimiert.49
- Im Falle einer Änderung eines durch Benützungsregelung in Sondernutzung überlassenen allgemeinen Teils ist nach der Rsp § 16 Abs 2 WEG analog anzuwenden.50
- Werden während eines anhängigen Verfahrens Miteigentumsanteile veräußert, so tritt der Erwerber anstatt des früheren Eigentümers in das Verfahren ein.51
- Baumaßnahmen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft unterliegen den Bestimmungen des § 16 Abs 2 WEG, sofern die übrigen Wohnungseigentümer keine Benützungsrechte haben (sollen), ansonsten liegt eine Maßnahme der (außer)ordentlichen Verwaltung vor.52
- Erforderliche baubehördliche Bewilligungen sind beachtlich, sofern bereits im Vorfeld feststeht, dass diese keinesfalls erteilt werden.53
- Eine konkludente Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu einer geplanten Änderung ist möglich, sofern dem betreffenden Wohnungseigentümer das Untersagungsrecht bekannt war.54
Was man sonst noch wissen sollte
- § 16 WEG gilt nicht für schlichte Miteigentümer (in „Mischhäusern“), auch nicht bei entsprechender Vereinbarung.55
- Dem WE-Bewerber stehen bei Vorliegen des § 37 Abs 5 WEG die Rechte nach § 16 WEG zu.
- Erfüllt eine Änderungsmaßnahme die Voraussetzungen nach Abs 2 Z 1 bis 3, so dürfen die übrigen Wohnungseigentümer eine allenfalls erforderliche Zustimmung zur Erlangung einer behördlichen Bewilligung nicht verweigern.56 Eine allenfalls geforderte Zustimmung sämtlicher Miteigentümer kann ansonsten durch den (Sach-)Beschluss des Außerstreitrichters nach § 16 Abs 2 Z 4, § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 367 Abs 1 EO ersetzt werden.57
- Änderungen an zwei unmittelbar angrenzenden WE-Objekten sind lediglich anhand der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG zu prüfen, trotz allfälliger Inanspruchnahme allgemeiner Teile.58