Rechtssatz
Ob das Urteil die Anklage überschreitet, ist an Hand des prozessualen Tatbegriffes zu beurteilen. Meinen Anklage und Urteil denselben Sachverhalt, dieselbe Tat, liegt Anklageüberschreitung nicht vor.
13 Os 7/01 | OGH | 31.01.2001 |
Vgl auch; Beisatz: Identität von Anklagesachverhalt und Urteilssachverhalt in Hinsicht auf den Diebstahl wird durch die Annahme eines gegenüber der schriftlichen Anklage um 11.540 S erhöhten Beutebetrages nicht berührt. (T1) |
14 Os 96/03 | OGH | 05.08.2003 |
Vgl; Beisatz: Da Gegenstand einer Berufung stets nur die Überprüfung des erstgerichtlichen Urteils und damit ausschließlich die im Verfahren erster Instanz angeklagte Tat im Sinn des damit umschriebenen Lebenssachverhalts (prozessualer Tatbegriff) sein kann (§ 267 StPO), ist es dem Berufungsgericht verwehrt, auf einen von der Anklagebehörde vor dem Erstgericht nicht inkriminierten Sachverhalt inhaltlich einzugehen. (T2) |
14 Os 79/03 | OGH | 30.09.2003 |
Vgl auch; Beisatz: Der unter Anklage gestellte Lebenssachverhalt ist vom Gericht nach allen Richtungen unter den rechtlich maßgeblichen Umständen zu erforschen und jenem Gesetz zu unterstellen, das bei richtiger Auslegung darauf anzuwenden ist. Eine Tat im prozessualen Sinn (ein angeklagter historischer Sachverhalt) kann ohne weiteres mehreren selbständigen Taten im Sinn des materiellen Rechtes entsprechen, deren Verwirklichung der Ankläger alternativ oder nebeneinander als begangen ansieht. (T3) |
11 Os 83/05y | OGH | 27.09.2005 |
Auch; Beisatz: Der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO stellt nicht auf die Wortgleichheit der Anklage- und Urteilsformulierungen, sondern darauf ab, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt meinen. (T4) |
13 Os 70/07d | OGH | 01.08.2007 |
Auch; nur: Meinen Anklage und Urteil denselben Sachverhalt, dieselbe Tat, liegt Anklageüberschreitung nicht vor. (T5)<br/>Beisatz: Der Umstand, dass das Urteil den Tatzeitpunkt weiter umgrenzt als die Anklage, vermag hieran nichts zu ändern. (T6) |
11 Os 65/07d | OGH | 04.10.2007 |
Vgl auch; Beisatz: Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO bezieht sich auf die Identität von angeklagtem und urteilsmäßig erledigtem Handlungssubstrat, also darauf, ob Anklage und Urteil den selben Lebenssachverhalt meinen (WK-StPO § 281 Rz 502). (T7) |
12 Os 141/07p | OGH | 13.12.2007 |
Vgl auch; Beisatz: Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 7 StPO stellt ausdrücklich auf den prozessualen Tatbegriff des § 267 StPO ab. Es ist lediglich von Interesse, ob der bekämpfte Schuldspruch im von der Anklagebehörde geschilderten Lebenssachverhalt als historischem Geschehen Deckung findet. Dabei bilden Anklagetenor (§ 207 Abs 2 Z 2 StPO) und Begründung der Anklageschrift (§ 207 Abs 3 StPO), die gerade der Konkretisierung der näheren Tatumstände, mit anderen Worten der genaueren Abgrenzung des Prozessgegenstandes dient, eine Einheit. (T8) |
16 Bkd 1/07 | OGH | 08.10.2007 |
Vgl; Beisatz: Nach der Strafprozessordnung kann Gegenstand einer Berufung stets nur die Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils und damit ausschließlich der im Verfahren erster Instanz umschriebene Lebenssachverhalt (der prozessuale Tatbegriff, die angeklagte Tat) sein. Dem Berufungsgericht ist es verwehrt, auf einen vor dem Erstgericht nicht inkriminierten Sachverhalt einzugehen, selbst wenn die Anklagebehörde in der Berufungsverhandlung entsprechend ausdehnen würde. Gleiches hat aufgrund der Bestimmung des § 77 Abs 3 DSt über die sinngemäße Anwendung der Strafprozessordnung für den vorliegenden Fall zu gelten. (T9) |
14 Os 170/07t | OGH | 11.03.2008 |
Auch; Beis wie T7; Beisatz: Hier: Der geforderten Identität stünde daher die Annahme vom Ankläger nicht genannter Tathandlungen des alternativen Mischdelikts der betrügerischen Krida nach § 156 StGB nicht entgegen. (T10) |
Ds 4/08 | OGH | 25.09.2008 |
nur T5; Beis wie T4; Beisatz: Hier: Disziplinarverfahren nach RStDG; Identität zwischen Verweisungsbeschluss und Disziplinarerkenntnis. (T11) |
12 Os 133/09i | OGH | 29.10.2009 |
Vgl; Beisatz: Von einem Überschreiten der Anklage kann nur dann gesprochen werden, wenn das Urteil den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkennt, welches nicht Gegenstand der Anklage war. Nur an diesen Anklagevorwurf ist das Gericht gemäß §§ 262, 267 StPO gebunden. Im Übrigen hat es jedoch das Verhalten des Angeklagten im Bezug auf das inkriminierte Ereignis nach allen Richtungen zu erforschen und sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung ein Urteil zu bilden, in welcher Art sich das Ereignis abgespielt und in welcher Form sich der Angeklagte daran beteiligt hat. (T12) |
11 Os 74/11h | OGH | 30.06.2011 |
Vgl auch; Beisatz: Hier: Art des Suchtgifts. (T13) |
13 Os 161/11t | OGH | 10.05.2012 |
Vgl auch; Beisatz: Hier: Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit denselben wirtschaftlichen Vorgängen. (T14) |
13 Os 94/12s | OGH | 18.10.2012 |
Auch; Beisatz: Hier: Schreibfehler in der schriftlichen Fassung der Hauptfragen. (T15) |
14 Os 187/13a | OGH | 28.01.2014 |
Vgl; Beisatz: Es ist ohne Belang, ob Tenor oder Begründung der Anklageschrift auf ein als Prozessgegenstand in Betracht kommendes Geschehen verweisen. (T16)<br/>Beisatz: Ein Urteil überschreitet die Anklage nicht, wenn der Schuldspruch in dem dort geschilderten Lebenssachverhalt als historischem Geschehen (prozessualer Tatbegriff) Deckung findet, wobei die unter Anklage gestellte Tat auch andere in den Rahmen des Gesamtverhaltens des Angeklagten fallende Handlungen, die auf denselben strafgesetzwidrigen Erfolg zielen, erfasst. (T17) |
1 Ob 192/17t | OGH | 30.01.2018 |
Auch; Beisatz: Hier: Abstellen auf den Lebenssachverhalt und nicht die rechtliche Qualifikation bei Beurteilung der Verjährungsunterbrechung durch einen Privatbeteiligtenanschluss. (T18) |
13 Os 95/21a | OGH | 19.10.2021 |
Vgl; Beis wie T15; Beisatz: Hier: Vergleich des angeklagten Lebenssachverhalts mit dem von der in Rede stehenden Frage an die Geschworenen umfassten Lebenssachverhalt. (T19) |
11 Os 120/22i | OGH | 31.01.2023 |
Vgl; Beisatz: Hier: Annahme einer gegenüber der Anklageschrift erhöhten tatverfangenen Suchtgiftmenge. (T20) |
15 Os 99/23g | OGH | 08.11.2023 |
vgl; Beisatz wie T17<br/>Beisatz: Hier: Ergänzung der Erpressungshandlung durch weitere Drohungen. (T21) |
14 Os 103/23p | OGH | 09.01.2024 |
vgl; Beisatz: Die bloße Verschiedenheit von Art und Menge des tatverfangenen Suchtgifts beeinträchtigt die Identität von Anklage- und Urteilstat per se nicht. (T22) |
Dokumentnummer
JJR_20000201_OGH0002_0140OS00003_0000000_001
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