Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Avni S***** zweier (statt richtig: mehrerer) Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 SMG, §§ 12 zweiter, dritter Fall und 15 StGB (I/1 bis 5), des Verbrechens (statt richtig: mehrerer Verbrechen) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (II) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (III) schuldig erkannt.
Danach hat er in Vorarlberg (zusammengefasst wiedergegeben)
(I) gewerbsmäßig zur vorschriftswidrigen Ein-und Ausfuhr von Suchtgiften aus der Schweiz bzw Deutschland nach Vorarlberg in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich von insgesamt 18 Gramm reine Heroinbase und mehr als 60 Gramm reine Kokainbase, durch telefonische Aufforderung bestimmt bzw durch Übergabe von 8.000 Euro dazu beigetragen, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und zwar
1) im Mai 2010 von etwa 50 Gramm Heroin durch Nexhmedin A*****,
2) im Juli 2010 von etwa 100 Gramm Heroin durch Irfan D***** und Bernd Z*****,
3) im August 2010 von etwa 100 Gramm Heroin durch zwei Unbekannte,
4) im Oktober 2010 (nach erfolgter Weigerung des Sahit O*****) von etwa 100 Gramm Kokain (vgl US 6 f) durch einen Unbekannten,
5) im Frühjar 2010 von etwa 200 Gramm Kokain durch Irfan D*****;
(II) von Frühjahr 2010 bis Herbst/Winter 2010 gewerbsmäßig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 250 Gramm Heroin (45 Gramm Heroinbase), durch Verkauf anderen überlassen, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist;
(III) im Zeitraum Anfang Februar bis 8. Februar 2011 Suchtgift, nämlich 10 Gramm Kokain erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 8 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Abweichend von der Anklage gingen die Tatrichter zu I4) davon aus, dass es sich nicht um 100 Gramm Heroin (mit acht Prozent Heroinbase), sondern um 100 Gramm Kokain (mit 20 % Kokainbase) handelte (US 10).
Entgegen der gegen den Schuldspruch I4) gerichteten Beschwerdebehauptung beseitigt die bloße Verschiedenheit der Art des Suchtgifts die Identität von Anklage- und Urteilsfaktum nicht. Mit Blick auf die Übereinstimmung von Tatort, Tatzeit, Suchtgiftmenge, Tatmodalität und Adressat der Bestimmung bezieht sich der Schuldspruch unzweifelhaft auf den von Punkt I4) der Anklage gemeinten Lebenssachverhalt, womit Anklageüberschreitung ausscheidet (vgl dazu ausführlich Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 ff, RIS-Justiz RS0113142).
Nur wenn die Beweisergebnisse ein Tatgeschehen ergeben, das von dem unter Anklage stehenden derart verschieden ist, dass es keinesfalls mehr als inkriminiert erkannt werden kann, wäre eine Verurteilung von einer entsprechenden Modifizierung oder Ausdehnung der ursprünglichen Anklage abhängig (RIS-Justiz RS0098530). Davon kann gegenständlich nicht die Rede sein.
Der Einwand, Heroin und Kokain unterscheide sich in der Gefährlichkeit, ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Gesetzgeber das jeweilige Gefährdungspotenzial bereits in der Suchtgiftgrenzmengenverordnung berücksichtigt und gerade jenes von Kokain geringer einstufte.
Mangels eines vergleichbaren Sachverhalts geht auch die Bezugnahme auf die gefestigte jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Sicherstellung der Verteidigungsgrundrechte nach Art 6 Abs 3 lit a und b MRK fehl. Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung hinsichtlich des Faktums I4) zur Bestimmung eines Unbekannten zur Aus- und Einfuhr von etwa 100 Gramm Kokain geständig war (ON 26 S 3), bleibt unerfindlich, aus welchem Grund die auf diese Einlassung beruhende Urteilsannahme den Schutzzweck der Konventionsbestimmung unterlaufen sollte und worin eine (weitere) Anhörung des Angeklagten über „die geänderten rechtlichen Gesichtspunkte“ hätte bestehen sollen.
Soweit sich die Beschwerde nach dem Anfechtungsumfang auch gegen andere Schuldsprüche richtet, war darauf keine Rücksicht zu nehmen, weil der Beschwerdeführer insofern weder bei der Anmeldung noch im Rahmen der Ausführung der Beschwerde Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnete (§ 285 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Rechtlich sei lediglich klargestellt, dass dem Urteil (ungerügt gebliebene) dem Angeklagten zum Vorteil gereichende, demnach von Amts wegen nicht aufzugreifende Subsumtionsfehler anhaften. § 28a Abs 1 SMG knüpft das Vorliegen eines Verbrechens des Suchtgifthandels an das Überschreiten der Grenzmenge (§ 28b SMG). Demzufolge begeht der Täter, der eine der dort beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine ein Vielfaches der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquantität setzt (bei Vorliegen auch der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen), die diesem Vielfachen entsprechende Anzahl an Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG (RIS-Justiz RS0117462). Dabei ist es gleichgültig, ob die jeweilige Menge mittels einer einzigen Tathandlung oder - soweit die kontinuierliche Begehung und der daran geknüpfte Additionseffekt vom Vorsatz umfasst sind - in mehreren Teilhandlungen oder durch unterschiedliche Beteiligungsformen erreicht wird (RIS-Justiz RS0112225, RS0123909, RS0124018).
Zum Schuldspuch I4) ist anzumerken, dass es sich im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in Bezug auf „Heroin“ mit Blick auf die Feststellungen US 6 f um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt und an der Absicht der Tatrichter, hinsichtlich des Kokains schuldig zu erkennen, kein Zweifel besteht. Weiters ist von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen, die rechtliche Beurteilung als Versuch statt Vollendung daher verfehlt.
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