OGH 12Os147/10z

OGH12Os147/10z29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen A***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten A***** und R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 9. Februar 2010, GZ 601 Hv 10/09k-187, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten A***** und R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch betreffend An***** enthält, wurden A***** (zu I./ und II./) sowie R***** (zu II./) jeweils des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie andere Personen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, zu Handlungen verleitet, welche diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

I./ A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten S***** als Mittäter im Zeitraum 2005 bis Jänner 2006 in Tulln das AM***** Tulln zur Gewährung einer Überbrückungshilfe für A*****, indem dieser vorgab, die ihm von der C***** KEG ausbezahlte Provision würde nicht ihm gehören, vielmehr würde er 19.294 Euro nur für S***** treuhändig verwahren, wobei der abgesondert verfolgte S***** dem AM***** Tulln eine eidesstaatliche Erklärung übermittelte, in welcher er darlegte, den genannten Betrag von A***** erhalten zu haben, wobei das AM***** Tulln mit 6.208,16 Euro geschädigt wurde;

II./ A*****, R***** und An***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem abgesondert verfolgten S***** im Zeitraum von ca August 2005 bis Mitte 2006 in Wien die G***** AG in mehreren Angriffen, indem sie als Versicherungsagenten namens der C***** KEG und C***** GmbH diverse Versicherungen abschlossen, An***** auch durch Vorlage fingierter Versicherungsverträge, diese bei den Versicherungen einreichten, den betreffenden Versicherungsmitarbeitern vortäuschten, die Versicherungsnehmer seien zahlungsfähig und zahlungswillig, und sie weiter im Glauben ließen, hinsichtlich der eingereichten Versicherungsverträge würden in der Folge die Prämien ordnungsgemäß bezahlt werden, und so die Versicherungen dazu brachten, aufgrund der Versicherungsabschlüsse Provisionen an die C***** KEG und ***** GmbH auszuzahlen, wodurch die G***** AG in Höhe eines 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrags geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des A***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 8 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des R*****, denen jeweils keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider bezogen die Tatrichter die zu Schuldspruch II./ leugnende Verantwortung des Nichtigkeitswerbers sehr wohl in ihre Überlegungen mit ein (US 45 und 54 f), erachteten diese aber nicht für stichhaltig (vgl US 55 ff).

Soweit die eine Unvollständigkeit vorbringende Rüge eine laut Beschwerde entlastende Aussage des Mitangeklagten An***** behauptet, unterlässt sie deren deutlich und bestimmte Bezeichnung (vgl RIS-Justiz RS0118316, RS0124172).

Das Beschwerdevorbringen, mit dem die Glaubwürdigkeit des geständigen, den Rechtsmittelwerber belastenden Mitangeklagten S***** in Frage gestellt wird, entspricht als bloße Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung keiner der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO genannten Anfechtungskategorien.

Die Behauptung, die subjektive Tatseite sei unzureichend begründet worden, übergeht die darauf abstellenden Erwägungen des Erstgerichts (US 45 ff, 52, 54 ff und 63).

Mit dem unsubstantiierten Vorbringen, wonach die Ausführungen zur Mängelrüge auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO geltend gemacht werden, werden die Anfechtungskriterien der Tatsachenrüge ignoriert.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:

Unter § 281 Abs 1 Z 3 StPO behauptet der Beschwerdeführer, dass dem Urteil nicht deutlich entnommen werden könne, zu welcher Strafe er verurteilt wurde. Dazu lässt der Nichtigkeitswerber die darauf abstellende Angleichung des Urteils mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 (ON 198) außer Acht.

Entgegen dem Vorbringen zu § 281 Abs 1 Z 8 StPO, wonach die dem Schuldspruch II./ zu Grunde liegenden Tathandlungen weder von der ursprünglichen Anklage umfasst gewesen seien noch die Anklage in diese Richtung ausgedehnt worden wäre, überschreitet die angefochtene Entscheidung die Anklage nicht. Der angesprochene Nichtigkeitsgrund bezieht sich nämlich darauf, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt (im Sinne eines prozessualen Tatbegriffs; vgl RIS-Justiz RS0113142) erfassen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502). Dabei ist nicht nur auf den Tenor der Anklageschrift (vorliegendenfalls „Dezember 2005 bis Jänner 2006“), sondern auch auf deren Begründung abzustellen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 503). Die in der Anklage als eine gleichartige Verbrechensmenge pauschal individualisierten Betrugsakte (ON 64) decken sich indes mit dem im Urteil festgestellten, insbesondere auf täuschungsbedingte Zahlungen der Getäuschten nach Jänner 2006 abstellenden (vgl US 36 f und 39 f) Sachverhalt, sodass die lediglich auf den Urteilstenor („August 2005 bis Mitte 2006“) Bezug nehmende Beschwerde fehlgeht.

Mit dem Vorwurf (Z 8 als auch Z 9 lit a) der Unbestimmtheit, weil dem Urteil die Anzahl der Angriffe nicht zu entnehmen sei, wird keine entscheidende Tatsache angesprochen, zumal das Schöffengericht eine gleichartige Verbrechensmenge pauschal individualisierte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33 und 406).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieb die leugnende Verantwortung des Nichtigkeitswerbers nicht unberücksichtigt (vgl US 45).

Warum der Umstand, dass von den fünf vom Rechtsmittelwerber selbst vermittelten Versicherungsverträgen nur einer storniert worden sei, mit Blick auf das konstatierte bewusste und gewollte Zusammenwirken mit den Mitangeklagten A*****, An***** und S***** erheblich und daher erörterungsbedürftig im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO sein soll, wird in der Beschwerde nicht deutlich gemacht.

Der weiteren Kritik zuwider haben sich die Tatrichter sowohl mit den Angaben des An***** als auch mit jenen des S***** auseinandergesetzt. Indem die Rüge - unter Vernachlässigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe - etwa ausführt, die vom erkennenden Gericht angenommene erhöhte Glaubwürdigkeit der Aussage des S***** sei nicht leicht nachvollziehbar, weil dieser „wankelmütige“ Angaben gemacht habe, und unter anderem isolierte Passagen aus dieser Aussage herausgreift, um so seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen, bekämpft der Nichtigkeitswerber bloß die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, ohne dabei ein Begründungsdefizit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO deutlich und bestimmt aufzuzeigen.

Nicht anders verhält es sich mit dem weiteren, neuerlich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung in Frage stellenden Vorbringen (Z 5 vierter Fall) zu den Konstatierungen, wonach dem Angeklagten monatlich lediglich 400 Euro zur freien Verfügung standen (vgl insoweit US 58), und wonach die Provisionen, welche unter dem Namen V***** von der C***** ausbezahlt wurden, letztlich dem Angeklagten zuflossen (vgl US 59).

Die subjektive Tatseite ist der Rüge zuwider gar wohl - wenn auch an verschiedenen Stellen in den Entscheidungsgründen (vgl US 45 ff, 58 ff und 63) - begründet worden.

Die Kritik mangelnder Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zu einem 50.000 Euro übersteigenden Schaden übergeht die entsprechende Bezugnahme des erkennenden Gerichts auf die Angaben der Zeugen G***** und Mag. Ra***** (US 45).

Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) inhaltlich behauptete Mangel an Feststellungen, weil im Urteil zur subjektiven Tatseite nur die verba legalia wiedergegeben worden seien, liegt mit Blick auf die insgesamt einen ausreichenden Sachverhaltsbezug herstellenden Konstatierungen (vgl US 28 f) nicht vor (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8; RIS-Justiz RS0119090).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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