OGH 15Os196/15k

OGH15Os196/15k17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Isabella S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über deren Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Mai 2015, GZ 55 Hv 175/14b‑162, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00196.15K.0217.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Isabella S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB (I./) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien

I./ (zusammengefasst) von 23. März 2013 bis 24. April 2014 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, im Urteil genannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, eine Wohnung als Prekarium gegen Bezahlung der Betriebskosten vermieten zu wollen und die geleistete Depotzahlung nach Übergabe der Wohnung in eine Kaution umzuwandeln, zur Übergabe oder Überweisung eines jeweils zwischen 2.500 und 3.950 Euro liegenden und insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Bargeldbetrags verleitet (A./1./ bis 30./) sowie zu verleiten versucht (B./1./ und 2./) und dadurch diese im genannten Ausmaß am Vermögen geschädigt sowie zu schädigen versucht, wobei sie in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von auch schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

II./ am 14. April 2015 bei ihrer Vernehmung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 55 Hv 175/14b den in dieser Strafsache ermittelnden Beamten (US 13) Jürgen R***** dadurch, dass sie in der Verhandlung sinngemäß angab, sie hätte im Polizeiprotokoll angeführte Aussagen niemals getätigt und ihn darauf hingewiesen, dass sich in der Wohnung sämtliche ausstehenden Depositsummen befinden würden, einer Falschprotokollierung und einer vorsätzlich unterbliebenen Sicherstellung von Geldbeträgen, somit von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich „der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB“ falsch verdächtigt, obwohl sie wusste, dass die Verdächtigungen falsch waren.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Einwand der zu I./ erhobenen Verfahrensrüge (Z 3), durch die nicht rechtzeitige Ladung der Zeugin Dr. Sonja Ra***** sei dieser die Möglichkeit verwehrt worden, vor Gericht zu erscheinen, und der Angeklagten (auch im Hinblick auf die Abweisung ihres danach gestellten Antrags auf neuerliche Ladung der Zeugin) die Gelegenheit genommen worden, Fragen an diese zu stellen, geht von vornherein fehl, weil er keine Verletzung einer in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ aufgezählten (oder in ‑ nach Inkrafttreten der StPO erlassenen ‑ Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden) Bestimmung anspricht, die (ausschließlich) den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund darstellen würde (RIS‑Justiz RS0099118, RS0099088; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 193).

Dasselbe gilt für die (auch) auf Z 3 gestützten Behauptungen, die Beschwerdeführerin sei zu II./ einerseits „ohne entsprechende Anklage“ verurteilt worden, weil das Erstgericht als Tatzeit den 14. April 2015 angenommen habe, während die Staatsanwaltschaft ein am 29. Mai 2015 begangenes Verhalten unter Anklage gestellt und dabei ein nicht existentes „Haftprotokoll vom 14. April 2015“ zitiert habe, und andererseits zu dieser Anklageausdehnung nicht gehört worden.

Soweit die Beschwerde aus diesem Vorbringen ableitet, „der Schuldspruch“ zu II./ wäre „aktenwidrig und widersprüchlich“, werden Begründungsmängel im Sinn der Z 5 nicht aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0099547 und RS0119089).

Eine aus Z 8 relevante Anklageüberschreitung (§ 267 StPO) liegt ebenfalls nicht vor. Die Staatsanwaltschaft legt der Angeklagten zur Last, „bei ihrer Vernehmung“ in der Verhandlung „vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 55 Hv 175/14b“ Jürgen R***** „einer Falschprotokollierung und einer vorsätzlich unterbliebenen Sicherstellung von Geldbeträgen“ falsch verdächtigt zu haben, wobei die Anklägerin auf die im „Haftprotokoll 14. 4. 2015 55 Hv 175/14b“ (ersichtlich gemeint: Hauptverhandlungs-protokoll vom 14. April 2015 [ON 141]) auf S 11 f dargestellten Angaben der Angeklagten verweist und diese sinngemäß wiedergibt (ON 161 S 31). Eben diesen Lebenssachverhalt (diese Tat) beschreibt auch das Urteil (

RIS‑Justiz RS0113142), woran die (ersichtlich irrtümlich erfolgte) Nennung des 29. Mai 2015 als Tatzeit in der Anklage nichts ändert (RIS‑Justiz RS0098697).

Unter dem Aspekt der Z 4 kritisiert die Beschwerde die Abweisung mehrerer Beweisanträge, die in der Hauptverhandlung gestellt worden sein sollen. Die Verfahrensrüge scheitert schon an der nicht prozessförmigen Ausführung, weil sie es mit Blick auf das 128 Seiten umfassende und drei Verhandlungstage dokumentierende Protokoll der Hauptverhandlung unterlässt, die (jeweiligen) Fundstellen der ‑ als argumentative Basis der Nichtigkeitsbeschwerde dienenden ‑ Antragstellung anzugeben (vgl RIS‑Justiz RS0124172; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 302).

Mit der zu I./ aufgestellten Behauptung, das Erstgericht sei auf die zwischen der Angeklagten und den Opfern getroffenen Vereinbarungen „nicht im notwendigen Maße eingegangen“, zeigt die Mängelrüge (Z 5) ebenso wenig ein Begründungsdefizit im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes auf, wie mit der Forderung nach Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Schwester der Angeklagten wegen des „Verdachts der Veruntreuung“.

Indem die Rüge zu I./ ohne Bezugnahme auf konkrete, in der Hauptverhandlung vorgekommene und die gewünschten Konstatierungen indizierende Verfahrens-ergebnisse näher bezeichnete Feststellungen zu den Vertragsabschlüssen, den Inhalten der Vereinbarungen, zur Vertragserfüllung durch die Angeklagte sowie zur vertragskonformen Verwahrung des Geldes in ihrer Wohnung fordert, weil dadurch „eindeutig zu beweisen“ gewesen wäre, dass die Beschwerdeführerin „nicht vorsätzlich gehandelt hat und somit freizusprechen gewesen wäre“, werden Feststellungsmängel (Z 9 lit a) nicht verfahrenskonform geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0118580). Vielmehr bekämpft die Beschwerde damit ‑ ebenso wie mit den Überlegungen zum Verhalten und Bildungsgrad der Opfer sowie zum Beweiswert nicht näher konkretisierter, „von der Angeklagten dem Gericht in der Verhandlung vom 29. Mai 2015 übermittelter Dokumente“ ‑ in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Mit welchen „wesentlichen Schriftstücken“ sich das Erstgericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen zu I./ angestellten Beweiswürdigung nicht auseinandergesetzt haben soll, legt die Rüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

Soweit die Beschwerdeführerin zu II./ die erstrichterlichen Erwägungen als Scheinbegründung bezeichnet (Z 5 vierter Fall) und anhand ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung eine eigene Interpretation der inkriminierten Äußerungen vornimmt, bekämpft sie erneut die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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