OGH 14Os88/09m

OGH14Os88/09m25.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Roseline O***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Mai 2009, GZ 031 Hv 12/09y-75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roseline O***** dreier Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Wien nachstehende Personen mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib „und" Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Vollendung der Taten jeweils aufgrund äußerer Einflüsse und der Gegenwehr der Tatopfer unterblieb, und zwar

A. am 13. August 2008 Susanne P*****, indem er ihr den Slip auszog, Hemd und Büstenhalter hinunterzog, sie zu Boden drückte und ihre Beine spreizte (US 4), ihr sodann ein Messer an den Hals hielt und ihr androhte, sie umzubringen, wenn sie nicht leise sei;

B. am 17. August 2008 Petra R*****, indem er ihr deutlich zu verstehen gab, den Beischlaf mit ihr vollziehen zu wollen (US 4 f), sie umklammerte, ihr den Mund zuhielt und ein Messer an den Hals hielt und

C. am 19. August 2008 Liora G*****, indem er ihr mit seinem Fahrrad den Weg versperrte und sie gegen die Hauswand drückte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5a, 8 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Indem der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) vorbringt, die Beweiserwägungen des Erstgerichts seien „erheblich unlogisch und unschlüssig" und weiters - urteilsfremd (US 5 ff) - behauptet, „die Tatsachenfeststellungen" seien „mehr oder weniger ausschließlich auf eine DNA-Analyse" gestützt worden, verfehlt er den Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes, nämlich aus den Akten ersichtliche, konkrete Verfahrensergebnisse (RIS-Justiz RS0117446). Mit dem Umstand, dass Petra R***** den Angeklagten bei einer Gegenüberstellung vor Gericht nicht als Täter identifizieren konnte, haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt und ihre Überzeugung von seiner Täterschaft auch in Betreff des Schuldspruchs B, insbesonders unter Berufung auf die ursprüngliche Aussage der Genannten anlässlich einer von der Kriminalpolizei durchgeführten Wahlkonfrontation, bei der sie ihn mit einiger Sicherheit wiedererkannte, das Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung von Spuren, die an am Tatort zum Schuldspruch A aufgefunden Gegenständen (einer Kondomverpackung und einem Klappmessers) sowie am Körper der Susanne P***** sichergestellt wurden, und die eindeutige Identifizierung durch Susanne P***** und Liora G***** im Verein mit dem - nach den als glaubwürdig eingestuften Angaben der Tatopfer - übereinstimmenden modus operandi bei allen drei verfahrensgegenständlichen Vorfällen sowie deren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang, zureichend begründet (US 5 ff). Mit der Behauptung, das Erstgericht hätte sich nicht von einer „derart unbestimmten Aussage leiten lassen dürfen", und der Kritik an einer Passage der Urteilsbegründung (US 6) wird bloß unzulässig die Beweiswürdigung in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Mit der der Sache nach erhobenen Kritik an unterbliebener Gegenüberstellung mit der Zeugin Liora G***** „in einer kontradiktorischen Vernehmung oder in der Hauptverhandlung" lässt die Beschwerde nicht erkennen, wodurch der Beschwerdeführer insoweit an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen sein soll (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Seine leugnende Verantwortung wurde dem weiteren Beschwerdeeinwand (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider gar wohl erörtert und aufgrund der oben dargestellten Beweisergebnisse mängelfrei als widerlegt erachtet (US 5 ff).

Entgegen der auf Z 8 gestützten unsubstantiierten Rügebehauptung hat das Erstgericht die Anklage in Betreff des Schuldspruchs C nicht überschritten, indem es den Beschwerdeführer - unter Einhaltung der Vorschrift des § 262 StPO (ON 74 S 5; vgl dazu RIS-Justiz RS0113755) - abweichend von der Anklage wegen §§ 15, 105 StGB des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannte, weil ein derartiger Mangel ausschließlich anhand des prozessualen Tatbegriffs, maW mittels Vergleichs des angeklagten und des abgeurteilten Lebenssachverhalts geprüft wird (vgl dazu ausführlich Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 ff, RIS-Justiz RS0113142). Dass die vom Schuldspruch betroffene (nur in Bezug auf die Handlung, deren Duldung der Beschwerdeführer durch die Gewaltanwendung erreichen wollte, differierende) Tat von dem im Tenor und der Begründung der Anklageschrift (ON 61) dargestellten Lebenssachverhalt nicht umfasst war, behauptet die Beschwerde - zu Recht - nicht. Weil - im Falle des Vorliegens sämtlicher Tatbestandsmerkmale beider strafbarer Handlungen - § 105 StGB zu § 201 StGB (als selbständiger Abwandlung des Grunddelikts) im Verhältnis der Scheinkonkurrenz steht (scheinbare Idealkonkurrenz, Spezialität), liegt übrigens nur eine einzige Tat sowohl im materiellen als auch im prozessualen Sinn vor (vgl zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 ff, 517, ders in WK² Vorbem zu §§ 28-31 Rz 32 ff).

Die „hilfsweise" erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) geht urteilsfremd davon aus, dass dem Opfer erst der Weg mit dem Fahrrad versperrt worden war, verfehlt solcherart den in den tatsächlichen Urteilsannahmen (wonach der Angeklagte Liora G***** mit dem Ziel, sie ins Stiegenhaus zu drängen und gewaltsam zum Beischlaf zu zwingen, bereits gegen die Haustür gedrängt und ins Gesäß gekniffen hatte [US 5]) gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810) und leitet zudem die bloße Behauptung, der Sachverhalt sei §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu unterstellen, weil „zahlreiche Einzelschritte zu setzen wären, bevor es überhaupt zum Vollzug der Vergewaltigung kommen kann", nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl dazu Schick in WK² § 201 Rz 40 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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