European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00103.23P.0109.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis betreffend ein „Fläschchen mit CBD‑Öl“ aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten G* und J* W* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * G* mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (II/A/) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (II/B/2/), weiters mehrerer Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (I/B/ und II/B/1/) und nach § 28 Abs 1 vierter Fall SMG (I/C/) sowie J* W* des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 vierter Fall SMG (I/C/) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in S* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar
I/B/ G* mit W* W* als Mittäter bis zum 19. November 2022 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 4.672 Gramm Cannabiskraut (Reinsubstanz 34,43 Gramm Delta‑9‑THC, 434,4 Gramm THCA und 4,08 Gramm Tetrahydrocannabinol) mit dem Vorsatz besessen, dass eine die Grenzmenge übersteigende Menge in Verkehr gesetzt werde;
I/C/ G* mit W* W* und J* W* als Mittäter bis zum 19. November 2022 108 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Delta‑9‑THC und THCA mit dem Vorsatz angebaut, dass jedenfalls eine solche Menge in Verkehr gesetzt werde;
II/ G* in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
A/ aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt, nämlich
1/ vor dem 31. Oktober 2022 350,3 Gramm Ecstasy‑Tabletten (Reinsubstanz 60,6 Gramm MDMA) und
2/ am 19. November 2022 248,9 Gramm Kokain (Reinsubstanz 146,85 Gramm);
B/1/ bis zum 19. November 2022 mit dem Vorsatz besessen, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, nämlich die zu II/A/1/ genannten Ecstasy‑Tabletten;
B/2/ von 2021 bis zum 19. November 2022 im angefochtenen Urteil namentlich genannten Abnehmern überlassen, nämlich insgesamt 895 Gramm Cannabiskraut (Reinsubstanz 9,31 Gramm Delta‑9‑THC und 117,42 Gramm THCA).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten G* und J* W*, wobei sich erstere auf Z 8 und 10, letztere auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO stützt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:
[4] Dass der Schuldspruch zu Punkt II/A/1/ die Einfuhr von Ecstasy‑Tabletten erfasst, während die Anklage insoweit die Einfuhr von 250 Gramm Kokain (brutto) inkriminiert, begründet entgegen dem aus Z 8 erstatteten Vorbringen nicht deren Überschreitung. Denn die bloße Verschiedenheit von Art und Menge des Suchtgifts beeinträchtigt die Identität von Anklage- und Urteilstat nicht (11 Os 74/11h; vgl allgemein RIS‑Justiz RS0113142). Diese ergibt sich vielmehr (auch hier) aus einer wertungsmäßigen Gesamtschau anhand der Einzelkriterien Tatzeit, Tatort und Tatmodalität (vgl Lewisch, WK‑StPO § 262 Rz 32 ff):
[5] Die Tatzeit wird in Urteil und Anklage nicht näher eingegrenzt mit „vor dem“ 31. Oktober 2022 angegeben; in örtlicher Hinsicht wird übereinstimmend eine Fahrt von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich angenommen (US 2 und 9 sowie ON 66 S 3 und 9).
[6] Zum Anklagepunkt II/A/ (der neben der obigen Schmuggelfahrt eine weitere Einfuhr von 248,9 Gramm Kokain am 19. November 2022 umfasste) in der Hauptverhandlung befragt, gab der Beschwerdeführer (der sich „im Sinne der Anklageschrift eindeutig schuldig“ bekannte) an, er sei „ein Mal um die Ecstasy-Tabletten gefahren und ein Mal ums Kokain“ (ON 92, 23 f). Daraufhin erörterte der Vorsitzende des Schöffengerichts, dass auf Basis dieser Verantwortung das „Tatobjekt des unter Punkt II.A.1. angeklagten Lebenssachverhalts anders als in der Anklageschrift angenommen nicht Kokain sondern MDMA‑haltiges Ecstasy gewesen“ sei (ON 92, 25), was die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft nicht zu einer „Modifikation“ dieses Anklagepunkts (sondern – hier ohne Bedeutung – bloß des Punktes II/A/2/) veranlasste (vgl ON 92, 31).
[7] Entgegen der in der Stellungnahme der Generalprokuratur vertretenen Ansicht resultiert aus dem bloßen Umstand, dass der Verkäufer des Suchtgifts im Urteil (anders als in der Anklage [ON 66 S 9]) nicht ausdrücklich genannt wird, keine Abweichung der Tatmodalitäten. Ebenso wenig geht das Urteil von anderer Täterintention (im Zeitpunkt der inkriminierten Suchtgifteinfuhr) aus als die Anklage (vgl ON 66 S 9: „erwarb er auch Kokain in den Niederlanden zum Verkauf an Abnehmer“), stellte es doch fest, der Beschwerdeführer habe beabsichtigt, „eine die Grenzmenge übersteigende Menge“ der aus den Niederlanden eingeführten Ecstasy‑Tabletten „an abnahmebereite Suchtgiftkonsumenten weiterzugeben“ (US 9).
[8] Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert einen Feststellungsmangel im Zusammenhang mit der Nichtannahme der Voraussetzungen des § 27 Abs 5 (iVm § 28 Abs 4 und § 28a Abs 3) SMG, übergeht dabei jedoch die der Beschwerdeintention entgegenstehende Feststellung (vgl aber RIS‑Justiz RS0118580 [T24 und T25]), der Beschwerdeführer habe bei seinen Tathandlungen nicht „mit dem vorwiegenden Ziel“ gehandelt, „sich Suchtmittel für“ seinen „persönlichen Gebrauch oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen“ (US 9, vgl auch US 12 und 16). Indem die Rüge in diesem Zusammenhang auf die – ohnehin erörterten (US 12) – Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Suchtgiftkonsum verweist, macht sie einen Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) zu Recht nicht (deutlich und bestimmt) geltend.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* W*:
[9] Die von der Mängelrüge zunächst als undeutlich (Z 5 erster Fall) kritisierte Urteilspassage, den Angeklagten (also auch dem Beschwerdeführer) sei „der Reinheitsgehalt des Suchtgifts, mit dem sie hantierten, jeweils in groben Zügen bewusst“ gewesen (US 7), enthält keine Feststellung entscheidender Tatsachen, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes bilden könnte (RIS‑Justiz RS0117499). Entgegen einer damit allenfalls gemeinten Kritik ist die Begründung der weiteren Feststellung, der Beschwerdeführer habe beim inkriminierten Anbau von Cannabispflanzen mit auf Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) überschreitenden Menge Suchtgift gerichteter Absicht gehandelt (US 8), keineswegs undeutlich. Der Verweis auf seine Erfahrung mit Cannabis, das von ihm eingestandene Wissen um die „Aktivitäten“ (nämlich das Überlassen von Cannabisprodukten „an eine Vielzahl von Personen“) seines mitangeklagten Bruders sowie die „Menge der angebauten Pflanzen“ (US 13) lässt aus Sicht des erkennenden Senats die Gründe für die kritisierte Feststellung für alle relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0117995).
[10] Im Übrigen erschöpfen sich die weiteren Ausführungen zur festgestellten Absicht (vgl RIS‑Justiz RS0127351 [wonach auch hinsichtlich des durch den Anbau verfolgten Zwecks bedingter Vorsatz genügt]), durch Aberntung der Pflanzen eine entsprechend große Menge Suchtgift zu erzeugen (US 8), in unzulässiger Beweiswürdigungskritik.
[11] Gleiches gilt für den Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung zum Zusammenwirken des Beschwerdeführers mit den Mitangeklagten beim Anbau der Cannabispflanzen (US 8). Dass die (ausführlichen) Erwägungen des Erstgerichts (US 13 f) den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen (vgl RIS‑Justiz RS0118317).
[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst die Feststellung eines auch auf Anbau von Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung gerichteten Vorsatzes, lässt dabei jedoch die gebotene (RIS‑Justiz RS0099810) Betrachtung der Gesamtheit des Urteilssachverhalts außer Betracht. Abgesehen von der Formulierung, die „Absicht“ (auch des Beschwerdeführers) habe sich darauf bezogen, „dass die Pflanzen nach der Reifung abgeerntet“ werden (US 8), findet sich die weitere (unmissverständliche) Passage, es sei „ausgeschlossen“, dass der Beschwerdeführer „nicht erkannt hätte, dass dort eine solche Menge an (auch:) Delta‑9‑THC und THCA‑haltiger Cannabispflanzen angebaut wird“ (US 13). Feststellungen zum von der Rüge ebenfalls thematisierten Vorsatz auf Vorschriftswidrigkeit des Anbaus finden sich auf US 7 iVm US 13.
[13] Weshalb die weiteren Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 8) nicht ausreichten, wird ebenso wenig im Einzelnen erklärt (RIS‑Justiz RS0099620) wie die Auswirkung der Annahme einer von der Rüge (statt bewusstem und gewollten Zusammenwirken nach § 12 erster Fall StGB [US 8]) für möglich gehaltenen Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) auf die Schuldfrage (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0117604 zur Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[15] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der Ausspruch, „das bei W* W* sichergestellte Fläschchen mit CBD‑Öl“ gemäß „§ 34 SMG, § 26 StGB“ einzuziehen (US 5), von diesem nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) zu dessen Nachteil aufweist:
[16] „CBD“ (Cannabidiol) ist weder in der Suchtgiftverordnung noch in der Psychotropenverordnung angeführt und demnach kein Suchtmittel (vgl § 1 Abs 2 und §§ 2 f SMG), weshalb Einziehung nach § 34 SMG ausscheidet.
[17] Eine solche auf § 26 Abs 1 StGB gestützte Anordnung setzt wiederum einen dort genannten Bezug zu einer mit Strafe bedrohten Handlung ebenso wie Deliktstauglichkeit (näher dazu RIS‑Justiz RS0121298) des betroffenen Gegenstands voraus, wozu das Urteil keine Ausführungen enthält.
[18] Da sich die Berufung dieses Angeklagten lediglich gegen den Strafausspruch richtet, war dieser Rechtsfehler von Amts wegen durch Aufhebung des Einziehungserkenntnisses in diesem Umfang wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; RIS‑Justiz RS0119220 [insbesondere T9]).
[19] In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg für die demgemäß vorbehaltene (vgl § 443 Abs 2 StPO), gesonderte Entscheidung über die Einziehung (§ 445 Abs 3, § 445a StPO) war mit Verweisung an dieses Gericht vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Halbsatz StPO; RIS‑Justiz RS0100318 [T6 und T7]).
[20] Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).
[21] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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