OGH 12Os67/15t

OGH12Os67/15t28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Halil C***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Harun L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 14. Jänner 2015, GZ 162 Hv 42/14f‑59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00067.15T.0128.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Harun L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Halil C***** und einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Harun L***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. Juni 2013 in W***** durch die Übergabe einer Gaspistole dazu beigetragen, dass der diesbezüglich bereits verurteilte Erfan S***** am 15. Juni 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben Nico G***** eine fremde bewegliche Sache, und zwar eine Uhr der Marke Breitling im Wert von etwa 5.000 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abzunötigen versuchte, indem er die Gaspistole gegen den Unterleib des Nico G***** richtete und angab, dass dies das Angebot für die Uhr sei, und der unbekannte Täter auf Nico G***** eintrat und mit einem spitzen Gegenstand auf dessen Kopf schlug, wobei die Tat nur deshalb nicht erfolgreich war, weil sich Nico G***** erfolgreich gegen den Angriff der Täter wehren konnte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4 und Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harun L*****, der keine Berechtigung zukommt.

In der Hauptverhandlung am 14. Jänner 2015 stellte der Nichtigkeitswerber den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Erstangeklagten Erfan S*****, der nach Verfahrensausscheidung in der Hauptverhandlung am 12. November 2014 in Übereinstimmung mit seiner geständigen Verantwortung schuldig erkannt worden war (ON 46), zum Beweis dafür, dass „der Drittangeklagte Harun L***** nicht in die Beschaffung der Tatwaffe involviert war, diese nicht besorgt und auch nicht in der Hand gehabt und übergeben hat, dies um die Täterschaft des Drittangeklagten L***** auszuschließen“. Zusätzlich wurde das Begehren damit begründet, „dass der Erstangeklagte S***** als Beschuldigter natürlich die Unwahrheit sagen kann, seine zeugenschaftliche Einvernahme nunmehr unter Wahrheitspflicht erfolgt und dem größere Glaubwürdigkeit zukommt“ (ON 58 S 11).

Dieser Antrag verfiel als unzulässige Erkundungsbeweisführung (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 330 f) zu Recht der Abweisung (ON 58 S 12), weil er fallbezogen jegliche konkrete Begründung vermissen lässt, warum der bereits im Ermittlungsverfahren (ON 7 S 179 ff) und in der Hauptverhandlung (ON 31 S 7 ff) ‑ wenngleich damals noch als Angeklagter ‑ eingehend vernommene, geständige und den Rechtsmittelwerber belastende (insbesondere ON 31 S 10; vgl auch US 11) Erfan S***** nunmehr seine Aussage diametral ändern und Harun L***** entlasten sollte. Angesichts der allein den Tatrichtern zukommenden Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Aussage genügt diesem Erfordernis auch der spekulative Hinweis nicht, der nunmehrigen zeugenschaftlichen Vernehmung käme angesichts der dann bestehenden Wahrheitspflicht größere Glaubwürdigkeit als seinen Angaben als Angeklagtem zu.

Die in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde

nachgetragenen Argumente als Versuch einer

Fundierung dieses Antrags unterliegen dem Neuerungsverbot und sind somit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618). Dass auch dem abschließenden Hinweis auf den Beweiswert der Inanspruchnahme eines allfälligen Aussageverweigerungsrechts im Hinblick auf eine mögliche Verfolgung wegen Verleumdung schon deshalb keine Bedeutung zukommt, weil ein solches ‑ im Gegensatz zu der offenbar auch vom Erstgericht anlässlich der Antragsabweisung vertretenen Ansicht ‑ wegen eines Aussagedelikts im Rahmen der Aufarbeitung des Straffalls gerade nicht besteht ( Kirchbacher , WK‑StPO § 157 Rz 4), sei der Vollständigkeit halber angemerkt.

Von einem Überschreiten der Anklage kann nur dann gesprochen werden, wenn das Urteil den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkennt, welches nicht Gegenstand der Anklage war. Den Gegenstand der Anklage aber bildet die Beteiligung des Angeklagten an einem historischen Ereignis, das einen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft strafgesetzwidrigen Erfolg herbeigeführt hat. Nur an diesen Anklagevorwurf ist das Gericht gemäß §§ 262, 267 StPO gebunden. Im Übrigen hat es jedoch das Verhalten des Angeklagten im Bezug auf das inkriminierte Ereignis nach allen Richtungen zu erforschen und sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung ein Urteil zu bilden, in welcher Art sich das Ereignis abgespielt und in welcher Form sich der Angeklagte daran schuldhaft beteiligt hat. Damit sind von der unter Anklage gestellten Tat auch andere in den Rahmen des Gesamtverhaltens des Angeklagten fallende Handlungen, die auf denselben strafgesetzwidrigen Erfolg zielen, erfasst (RIS‑Justiz RS0113142 [insbes T12 und T17]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 502 ff).

Der von Rüge aus Z 8 einzig darin erblickte Vorwurf einer Überschreitung der Anklage, dass der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, nicht ‑ so wie in der ebenfalls in Richtung §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage (also im Übrigen auch nicht in Verstoß gegen ein aus Art 6 Abs 3 lit a und lit b EMRK abzuleitendes Überraschungsverbot [RIS‑Justiz

RS0113755; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 545]) beschrieben (vgl ON 16 S 3 f) ‑ die Tatwaffe an Halil C***** zur Tatausführung des Erfan S*****, sondern direkt Letzterem übergeben zu haben (US 3, US 7), erweist sich daher als unbegründet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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