OGH 14Os3/00

OGH14Os3/001.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Feber 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Jürgen B***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 27 Vr 2.406/95 des Landesgerichtes Innsbruck, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 17. August 1999 (= ON 84), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Mag. Mader, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing. Jürgen B***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I. 1. bis 3.) und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (II. 1. und 2.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Eine vom Angeklagten dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom heutigen Tag in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen (14 Os 162/99).

In der - vom Angeklagten nicht relevierten - Übernahme des in der Anklage bezeichneten Endes des Tatzeitraumes in Bezug auf das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB (" bis zum heutigen Tag") im Urteil, ohne dass in der Hauptverhandlung die Anklage entsprechend ausgedehnt worden wäre, erblickt der Generalprokurator hinsichtlich des Zeitraumes vom 18. März 1997 (Anklagedatum 17. März 1997) bis 17. August 1999 (Urteilsdatum) eine Überschreitung der Anklage und führt hiezu aus:

"Ein (nachträgliches) deliktisches Verhalten, auf das die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch später ausgedehnt wurde, scheidet als Gegenstand eines Strafprozesses und damit auch eines Schuldspruches von vornherein aus. Für den vorbezeichneten Zeitraum wurde daher die Anklage überschritten und hiedurch der formelle Nichtigkeitsgrund nach der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil des Angeklagten verwirklicht (vgl insbes 14 Os 127/97 und 13 Os 37/98 mwN).

Demgemäß wäre die aufgezeigte Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO - ohne gesonderten Freispruch - zu beseitigen."

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Ob das Urteil die Anklage überschreitet, ist an Hand des prozessualen Tatbegriffes zu beurteilen. Meinen Anklage und Urteil denselben Sachverhalt, dieselbe Tat, liegt Anklageüberschreitung nicht vor (vgl zum prozessualen Handlungsbegriff Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 19ff).

Das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB ist - anders als jenes der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 StGB (treffend zuletzt Markel in WK2 § 198 Rz 63f [in Druck], ebenso Leukauf/Steininger Komm3 § 198 RN 33f) - kein Dauerdelikt (vgl dazu Leukauf/Steininger Komm3 § 17 RN 19). Damit gehört die Begehungszeit nicht zu den wesentlichen, die Identität der Tat bestimmenden Merkmalen, wenn sich ergibt, dass Anklage und Urteil dasselbe Tun erfassen (vgl Mayerhofer StPO4 § 262 E 31).

Das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB stellt jedoch ein alternatives Mischdelikt dar. Bei Verwirklichung mehrerer Tatbestandsvarianten wird also durch eine Tat eine strafbare Handlung begangen (vgl Ratz aaO Rz 2). Im Fall einer einzigen Tat liegt nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre stets auch nur eine Tat im Sinne des Prozessrechtes vor (JBl 1983, 659 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Burgstaller).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass Ing. B***** zumindest eine der der Verurteilung zugrunde liegenden gläubigerschädigenden Handlungen bereits während des in der Anklageschrift bezeichneten Zeitraumes begangen hat. Folgerichtig bezieht sich auch die Verurteilung auf jene Tat, die der Anklage zugrunde liegt. Selbst dann, wenn das Schöffengericht über die in der Anklage bezeichneten gläubigerschädigenden Handlungen hinaus den Schuldspruch auf weitere, vom Ankläger nicht genannte derartige Handlungen gestützt und nicht bloß einen von der Anklage abweichenden Tatzeitraum angenommen hätte, läge keine Überschreitung der Anklage vor (vgl Mayerhofer-Rieder StGB4 § 159 E 13f, verfehlt zuletzt 14 Os 127/97 nv).

Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes konnte demnach kein Erfolg beschieden sein.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte