OGH 14Os45/13v

OGH14Os45/13v27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Johannes Z***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und des Privatbeteiligten Dr. Klemens D***** als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** AG sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Juli 2012, GZ 013 Hv 33/11g-126, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Österreicher sowie des Privatbeteiligten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch und demzufolge im Strafausspruch sowie in den Aussprüchen nach § 366 Abs 2 und § 389 StPO ersatzlos aufgehoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten wird verworfen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte, der Privatbeteiligte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Privatbeteiligten fallen die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das zum weiteren als Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144, 145 Abs 1 Z 1 siebenter Fall StGB subsumierten Anklagevorwurf A (vgl ON 100) in den Entscheidungsgründen (US 17) einen Freispruch zum Ausdruck bringt (RIS-Justiz RS0116266 [T9]; 13 Os 153/03, 11 Os 21/07h, Lendl, WK-StPO § 259 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 503), wurde Dr. Johannes Z***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „in Wien am 23. Juni 1997 in der Aufsichtsratssitzung der R***** AG zur tatsächlichen Verringerung des Vermögens der R***** AG mittels Entnahme eines Betrages von ATS 20 Millionen als vorgeblicher Gesellschaftergewinn für das Wirtschaftsjahr 1996 durch Wolfgang R*****, wodurch in diesem Ausmaß das Vermögen der R***** AG verringert und zumindest einer von deren Gläubigern in seiner Befriedigung geschmälert wurde, dadurch beigetragen, dass er den einen Gewinn in diesem Ausmaß ausweisenden Jahresabschluss 1996 sowie die Auszahlung an die Gesellschafter in Höhe von ATS 20 Millionen zur Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat mit diesem Inhalt vorschlug und diesem Vorschlag mit seiner Stimme zustimmte, wobei die vorschlagsgemäße Beschlussfassung einstimmig erfolgte“.

Der Masseverwalter im Konkurs der R***** AG, Rechtsanwalt Dr. D*****, wurde „gemäß § 366 Abs 1 und 2 StPO“ auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die nach rechtzeitiger Anmeldung (ON 129) in Betreff des Freispruchs vom Anklagevorwurf A und der einem Freispruch gleichkommenden Erledigung der Anklagepunkte B/2 und B/3 (vgl unten) unausgeführt gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (vgl § 282 Abs 2 erster Satz StPO) zu verwerfen (§ 285 Abs 1, § 285a Z 2, § 288 Abs 1 StPO).

Demgegenüber zeigt die gegen den Schuldspruch von Dr. Johannes Z***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 8, 9 lit a und b, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend eine Überschreitung der Anklage (Z 8) auf.

Gemäß § 267 StPO ist das Schöffengericht an die Anträge des Anklägers insoweit gebunden, als es den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (§ 4 Abs 3 StPO). Gegen diese Bindung an den Verfolgungsantrag der Staatsanwaltschaft (Lewisch, WK-StPO § 262 Rz 7, § 267 Rz 1) hat das Gericht hier verstoßen:

Unter dem - hinsichtlich des Unterpunkts 1.) in der Hauptverhandlung am 27. April 2012 modifizierten (ON 100 S 3 f iVm ON 117 S 15) - Anklagepunkt B wurde Dr. Johannes Z***** angelastet, er habe „Wolfgang R***** dazu bestimmt, als Vorstandsvorsitzender der R***** AG nicht bestehende Verbindlichkeiten der R***** AG vorzuschützen oder sonst das Vermögen der R***** AG wirklich zu verringern und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der R***** AG oder wenigstens eines von ihnen zu schmälern, wobei durch die Tat ein 50.000 Euro übersteigender Schaden herbeigeführt wurde“, indem er Wolfgang R***** veranlasste,

„1.) zwischen März 1995 und 1997 zum Nachteil der Gläubiger der R***** AG Zahlungen zur Bedienung des zu Punkt A./1.) beschriebenen Aktienkaufvertrages“ (zwischen Wolfgang R***** als Käufer von 11.100 Aktien der R***** AG „um einen tatsächlich nicht angemessenen Kaufpreis von ATS 55.000.000,--“ von der im Alleineigentum des Dr. Johannes Z***** stehenden [US 5 f] B*****gesellschaft m.b.H. als Verkäuferin) „aus dem Vermögen der R***** AG in Höhe von 55.000,-- Millionen Schilling vorzunehmen“;

2.) bis Ende 1996 durch „Nötigungshandlungen und die nachfolgende Erstattung von Abwicklungsvorschlägen“ „zum Nachteil der R***** AG und deren Gläubiger eine Ablöse zweier Genussscheine im Wert von ATS 5.000.000,-- um ATS 25.800.000,-- vorzunehmen und

3.) bis April 1997 durch „Nötigungshandlungen und die nachfolgende Erstattung von Abwicklungsvorschlägen“ „zum Nachteil der R***** AG und deren Gläubiger tatsächlich nicht bestehende Werklohnforderungen des Dr. Johannes Z***** durch die R***** AG anzuerkennen und auszuzahlen“.

Davon abweichend hat das Erstgericht Dr. Johannes Z***** wegen des nun von der Urteilsaufhebung umfassten - bereits wiedergegebenen - Sachverhalts schuldig erkannt.

Solcherart umfassen der angeklagte Vorwurf einer Bestimmung des Wolfgang R*****, zwischen März 1995 und 1997 gläubigerschädigende Zahlungen an Dr. Johannes Z***** in Höhe von 55 Millionen S aus dem Bankvermögen zu leisten (B/1) und der nun von der Urteilsaufhebung betroffene Schuldspruch, in einer (weder in der Begründung der Anklage ON 100 noch im Zug deren Modifikation in der Hauptverhandlung erwähnten) Aufsichtsratssitzung am 23. Juni 1997 durch Vorschlag und Beschlussfassung einer Dividendenausschüttung in Höhe von 20 Millionen S das Vermögen der R***** AG verringert und dadurch zumindest einen ihrer Gläubiger in dessen Befriedigung geschmälert zu haben, bei einer wertungsmäßigen Gesamtschau der Einzelkriterien nicht dieselbe Tat im prozessualen Sinn (RIS-Justiz RS0113142, RS0098487; Lewisch, WK-StPO § 262 Rz 6 ff, 22, 28, 31, zum Beurteilungsmaßstab Rz 32 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502, 509, 523). Daran ändert auch die (ohne konkrete Handlungen vorzuwerfen) bloße Erwähnung des Umstands in der Anklagebegründung, dem Beschwerdeführer sei „bekannt“ gewesen, dass Wolfgang R***** den zwar bezeichneten Aktienkaufvertrag „nicht aus eigenen Mitteln“ habe finanzieren können und Ratenzahlungen „nach Ausschüttungen von Dividenden“ erfolgt seien (ON 100 S 15), nichts, wie der Vollständigkeit halber bemerkt wird.

Dies gilt umso mehr für die Anklagepunkte B/2 und B/3, hinsichtlich derer das Gericht laut Aktenvermerk vom 18. Juli 2012 auch gar keinen Schuldspruch beabsichtigt hat (vgl ON 127: „Schuldspruch nach §§ 12, 3. Alt. 156 [1] [2] StGB [B./1 für 1997]“), womit zum gesamten Anklagepunkt B - zufolge seitens der Staatsanwaltschaft unangefochten gebliebener Nichterledigung der Anklage - von einem (rechtskräftigen) Freispruch auszugehen ist (RIS-Justiz RS0099646).

Der ohne Anklage gefällte Schuldspruch war ersatzlos in einem Gerichtstag aufzuheben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 529 f; 13 Os 99/12a). Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich.

Die Aufhebung des Schuldspruchs zog die Aufhebung des Strafausspruchs sowie der Aussprüche nach § 366 Abs 2 und § 389 StPO nach sich.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte, der Privatbeteiligte und die Staatsanwaltschaft auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.

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