European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00192.17T.0130.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.330,02 EUR (darin enthalten 221,67 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche aus dem Erwerb von an der Wiener Börse gehandelten und von der Zweitbeklagten emittierten Zertifikaten geltend. Diese erwarb sie über die Erstbeklagte, dem für die Platzierung der Zertifikate befassten Kreditinstitut. Mit Privatbeteiligtenanschluss vom 21. 7. 2010 schlossen sich zahlreiche vom nunmehrigen Klagevertreter vertretene Anleger (darunter auch die Klägerin) dem bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zu AZ 608 St 1/08w geführten Ermittlungsverfahren (auch) gegen die Erst‑ und Zweitbeklagte ua wegen Anlagebetrugs aufgrund der fälschlich als sicher dargestellten Zertifikate (§§ 146 ff StGB) und wegen § 153 StGB an. Dabei wurde im Schriftsatz zu den Namen, Kaufzeitpunkten und Schadensbeträgen der Anleger auf die auf einer beigelegten CD-ROM gespeicherten Datensätze verwiesen. Auf ihr befand sich nicht nur der Name der Klägerin, sondern auch der von ihr geltend gemachte Schadensbetrag von 19.038,50 EUR (als Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufserlös).
Sie begehrt nun die Zahlung von 18.938,50 EUR samt Zinsen mit der wesentlichen Begründung, sie sei von der Erstbeklagten zuzurechnenden Beratern und Werbebroschüren über wesentliche Umstände (nämlich die Sicherheit der Veranlagung) unrichtig informiert worden.
Die Erstbeklagte wendete unter anderem Verjährung ein.
Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten wurde mittlerweile Ruhen des Verfahrens vereinbart.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt und gingen davon aus, dass die Verjährungsfrist infolge des Privatbeteiligtenanschlusses unterbrochen gewesen sei. Die Erstbeklagte hafte nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für den Werbeprospekt.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof die Formalfrage der Unterbrechungswirkung von Privatbeteiligtenanschlüssen einer hohen Anzahl Geschädigter mittels Datenträger noch keiner tiefergehenden Betrachtung unterzogen habe.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Erstbeklagten mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Mit den im Rechtsmittel von ihr aufgeworfenen Fragestellungen zum (selben) Privatbeteiligtenanschluss hat sich bereits der zehnte Senat in seiner Entscheidung 10 Ob 45/17s (die damaligen Kläger waren unter den auf der CD-ROM gespeicherten Anlegern) auseinandergesetzt und hat das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage verneint. Dieser Ansicht folgten mehrere Senate (4 Ob 141/17i; 3 Ob 188/17v; 8 Ob 124/17v; 6 Ob 191/17g ua). Lassen sich – wie hier – die entscheidungserheblichen Fragen trotz neuer Sachverhaltselemente mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung lösen, bewirkt auch der Umstand, dass sie in einer Vielzahl von Fällen auftreten, noch nicht ihre Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042816; RS0042656 [T48]). Die gefestigte Judikatur (RIS‑Justiz RS0034631), nach der der Privatbeteiligtenanschluss verjährungsrechtlich die gleichen Wirkungen hat wie eine Klage, stellt die Revisionswerberin nicht in Frage.
Der erkennende Senat teilt die bereits im Beschluss 10 Ob 45/17s dargelegten Erwägungen, wonach– zusammengefasst – ein von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht nicht zurückgewiesener Anschluss als Privatbeteiligter mittels Schriftsatz und beigelegter, von der Staatsanwaltschaft verschriftlichter CD-ROM zur Unterbrechung der Verjährung führt, wenn damit im Strafverfahren innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist die später zum Gegenstand der Klage gemachten Ansprüche ausreichend konkretisiert und individualisiert als Privatbeteiligter geltend gemacht wurden. Derjenige, der seinen Anschluss im Wege der Privatbeteiligung erklärt hat, ist nämlich als solcher mit allen damit verbundenen Rechten zu behandeln, solange im Strafverfahren keine (rechtskräftige) Zurückweisung erfolgt ist (14 Os 97/14t = RIS‑Justiz RS0124921; 11 Os 2/15a).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im vorliegenden Fall in jenem Straf‑ und in diesem Zivilverfahren der Schädiger von der Berechtigten wegen des gleichen Vermögensnachteils belangt wurde (1 Ob 534/95; RIS‑Justiz RS0041512) und dieser Vermögensnachteil unter Nennung des Kaufpreises und unter Bezugnahme auf die Irreführung durch Werbeunterlagen auch ausreichend konkretisiert und individualisiert wurde, ist nicht zu beanstanden und bedarf keiner Korrektur. Es reicht aus, wenn das Bestehen eines aus der Straftat entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig behauptet wird und sich ein Zusammenhang zwischen der Tat (also dem Lebenssachverhalt und nicht [zwingend] seiner rechtlichen Qualifikation als eine bestimmte strafbare Handlung: vgl dazu 1 Ob 116/17s = RIS‑Justiz RS0131804 [T4]; RS0113142) und dem Anspruch ableiten lässt, und zwar unabhängig davon, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorliegt bzw ob die angeklagte Straftat überhaupt begangen wurde (10 Ob 45/17s). Erkennbar war damit hier, von wem und weswegen die Klägerin als Privatbeteiligte Ersatz verlangte (vgl RIS‑Justiz RS0034631 [T3, T5, T10]).
Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO):
Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihr die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuzusprechen sind (RIS‑Justiz RS0035979 [T22]).
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