OGH 13Os42/23k

OGH13Os42/23k28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Mair in der Strafsache gegen * Z* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. März 2023, GZ 65 Hv 112/22y‑51.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00042.23K.0628.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Z* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom September 2021 bis zum August 2022 in W* als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen

(I) überlassen, und zwar

(A) * M* zusammen 659 Gramm Kokain (Reinheitsgrad 69,2 % Cocain-Base),

(B) * T* (US 5) 550 Gramm Kokain (Reinheitsgrad 69,2 % Cocain-Base) und 79,3 Gramm Kokain (enthaltend 65,44 Gramm Cocain-Base),

(C) * C* 15 Gramm Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA) und

(D) * A* 1.119 Gramm Kokain (Reinheitsgrad 69,2 % Cocain-Base), sowie

(II) verschafft, und zwar * A* vom Schuldspruch I B umfasste 550 Gramm Kokain (Reinheitsgrad 69,2 % Cocain-Base).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Nach den Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer zusammen 2.407,3 Gramm Kokain (enthaltend 1.610,98 Gramm Cocain-Base) und 15 Gramm Cannabiskraut (enthaltend THCA und Delta-9-THC) – mit auf das betreffende Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen – in einer Vielzahl von (solcherart im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzten) Angriffen anderen überlassen, teils überdies verschafft (US 4 bis 6).

[5] Eine Reduktion der tatverfangenen Suchtgiftmenge wäre für die Subsumtionsfrage nur insoweit bedeutsam, als sie dadurch nicht einmal mehr – wie zur Tatbestandsverwirklichung nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erforderlich – das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überschreiten würde (vgl RIS-Justiz RS0127374).

[6] Die (in diesem Umfang entscheidenden) Feststellungen zum Reinsubstanzgehalt des Kokains leiteten die Tatrichter zunächst aus kriminaltechnischen Untersuchungsberichten ab, wonach

- eine bei T* sichergestellte Menge von 79,3 Gramm Kokain (die zu I B tatverfangen sei) 65,44 Gramm Cocain-Base enthalte (US 12 und 13) und

- eine bei A* sichergestellte Menge von 419 Gramm Kokain (die teils zu I D, teils zu [I B und] II tatverfangen sei) einen Reinheitsgrad von zumindest 69,2 % aufweise (US 11 und 13), somit 289,95 Gramm Cocain-Base enthalte.

[7] Demzufolge hätten bereits diese sichergestellten Teile (492,9 Gramm) des insgesamt tatverfangenen Kokains (2.407,3 Gramm) zusammen 355,39 Gramm Cocain enthalten, was dem 23,69-Fachen der für diesen Wirkstoff festgelegten Grenzmenge entspricht.

[8] Der (unter anderem) daraus gezogene (Wahrscheinlichkeits-)Schluss (US 13), dass die gesamte tatverfangene Suchtgiftmenge jedenfalls das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überstieg, erweist sich – der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – als willkürfrei.

[9] Soweit die Rüge (Z 5 zweiter und vierter Fall)– ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (siehe aber RIS-Justiz RS0119370) – Urteilsaussagen zu einem Reinheitsgrad des nicht sichergestellten Teils der überlassenen Kokainmengen von (gerade) 62,9 % (US 13) bezweifelt, bezieht sie sich (auf der Basis des zuvor Gesagten) nicht deutlich und bestimmt auf eine entscheidende Tatsache.

[10] Die weiters bekämpften Feststellungen zur Ausrichtung der Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) auf die Begehung von Verbrechen des Suchtgifthandels (US 6 iVm US 2) blieben nicht „unbegründet“ (Z 5 vierter Fall), sondern wurden – ebenfalls ohne Verstoß gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte – aus (vom Gericht als glaubhaft erachteten) Aussagen der Zeugen M*, A* und P* abgeleitet (US 8 f).

[11] Wie dargelegt handelte es sich bei den vom Schuldspruch (I und II) umfassten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers – nach dem Urteilssachverhalt (US 4 bis 6) – um eine tatbestandliche Handlungseinheit, also um eine (einzige) Tat (RIS-Justiz RS0122006, im gegebenen Zusammenhang RS0131856 [T4]).

[12] Selbst wenn das Erstgericht – wie der Beschwerdeführer (aus Z 8) behauptet – ihre Begehung in Bezug auf eine größere (als die vom Ankläger angenommene) Suchtgiftmenge festgestellt hätte, wäre die Anklage dadurch nicht überschritten worden (§ 267 StPO). Übrigens gälte dies auch dann, wenn die (von der Anklage und vom Schuldspruch umfasste) Tat auf der Basis der Urteilsfeststellungen eine andere als die in der Anklageschrift bezeichnete strafbare Handlung begründen würde (§ 262 StPO; instruktiv zur Tat im prozessualen Sinn Ratz, Zur Unzulässigkeit einer Subsumtionseinstellung, JBl 2006, 291, im gegebenen Zusammenhang jüngst 11 Os 120/22i [Rz 21], RIS-Justiz RS0113142 [T20] und RS0098487 [T12]).

[13] Hier ist der Beschwerdeeinwand außerdem bereits in der Sache unzutreffend, weil nach den Urteilsfeststellungen zwar der zu I D beschriebene Teilaspekt (isoliert betrachtet) in Bezug auf eine größere, die Tat (I und II) insgesamt aber sogar in Bezug auf eine geringere Suchtgiftmenge begangen worden ist als jene, von der die Anklage (ON 37 iVm ON 51.1 S 25) jeweils ausging.

[14] Ebenso unzutreffend ist die Behauptung, der Beschwerdeführer sei von der rechtlichen Beurteilung der zu II umschriebenen Tataspekte (nach § 12 erster Fall StGB, § 28a Abs 1 sechster Fall SMG) durch das Gericht „überrascht“ worden. War ihm doch dieser rechtliche Gesichtspunkt bereits durch die – genau darauf gerichtete (ON 37 S 1) – Anklageschrift bekannt, die in der Hauptverhandlung (insoweit) in Richtung § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG „aus[ge]dehnt“ (ON 51.1 S 25 f) wurde.

[15] Der diesbezügliche Vorwurf (Z 8) des Unterbleibens einer dem Schutzzweck des § 262 StPO entsprechenden Information (dazu RIS-Justiz RS0113755) geht daher von vornherein ins Leere.

[16] Hinzugefügt sei, dass der fünfte (Überlassen) und der sechste Fall (Verschaffen) des § 28a Abs 1 SMG einander rechtlich gleichwertig sind (RIS-Justiz RS0114037 [T6]: alternatives Mischdelikt). Ebendies gilt – nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0117604) – auch für die drei Formen strafbarer Beteiligung (§ 12 StGB).

[17] Genau jene Verhaltensweisen (Aufforderung an T*, A* Suchtgift zu übergeben), welche die Anklage zuletzt als Bestimmung (§ 12 zweiter Fall StGB) zum Überlassen (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) qualifiziert hatte, hat das Erstgericht – rechtsrichtig (RIS-Justiz RS0116841) – als in unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) begangenes Verschaffen (§ 28a Abs 1 sechster Fall SMG) beurteilt.

[18] Angesichts der einander überdeckenden Tatbilder (zudem bloß einer einzigen strafbaren Handlung, nämlich des fünften Falls [iVm § 12 zweiter Fall StGB] und des sechsten Falls [iVm § 12 erster Fall StGB] des § 28a Abs 1 SMG) wäre es Sache des Beschwerdeführers, eine durch mangelnde Belehrung bewirkte Verletzung seiner aus Art 6 Abs 3 lit a oder b MRK garantierten Verteidigungsrechte plausibel zu machen (erneut RIS-Justiz RS0113755 [insbesondere T8], jüngst 13 Os 89/22w [Rz 12 ff] EvBl 2023/130; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 545).

[19] Die (wie hier) schlichte Behauptung, „mit Blick auf den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt“ wäre die Verteidigung „eine andere gewesen“, erfüllt dieses Erfordernis nicht.

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[21] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[22] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte