European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00089.22W.1123.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Ü* – anklagedifform (vgl ON 51) – eines Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (Ⅰ) sowie mehrerer Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 (iVm § 161 Abs 1) StGB (Ⅱ) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W*
(Ⅰ) vom 7. September 2015 bis zum 11. September 2015 eine gefälschte Urkunde, nämlich den Ausdruck eines infolge nachträglicher Veränderung als „Rechnung“ erscheinenden (in elektronischer Form als Anhang einer E-Mail gestellten) Anbots der F* DOO, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich des Bestehens einer Verbindlichkeit (als Voraussetzung für die Auszahlung einer entsprechenden Kreditsumme), gebraucht, indem er sie einem Bankinstitut übermittelte und
(Ⅱ) vom 1. Juli 2017 bis zum August 2017 als faktischer Geschäftsführer der * T* KG, somit als leitender Angestellter (§ 161 Abs 1 StGB) dieser Personengesellschaft, nach Eintritt deren Zahlungsunfähigkeit eine Mehrzahl ihrer Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger benachteiligt, indem er in einer Mehrzahl von (im Urteil näher bezeichneten) Angriffen einzelne Forderungen von Gläubigern beglich, während die Forderungen anderer Gläubiger unbeglichen blieben.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 8 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Durch die vom Schuldspruch I umfasste Tat – nämlich die Übermittlung der betreffenden Falschurkunde an ein Bankinstitut (US 3 und 5 f) – erachtete das Schöffengericht § 223 Abs 2 StGB als begründet (US 4). Ein (allenfalls zuvor verwirklichtes) Vergehen nach § 223 Abs 1 StGB würde durch das nachfolgend in Bezug auf dieselbe Urkunde verwirklichte Vergehen nach § 223 Abs 2 StGB – worauf das Schöffengericht zutreffend hinwies (US 28) – übrigens ohnehin verdrängt (RIS-Justiz RS0095597 [scheinbare Realkonkurrenz]).
[5] Hiervon ausgehend sind Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die – nachfolgend im Rechtsverkehr gebrauchte (§ 223 Abs 2 StGB) – (Falsch‑)Urkunde zuvor selbst gefälscht (§ 223 Abs 1 StGB) hätte (US 5 f), weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage bedeutsam, somit nicht entscheidend.
[6] Indem das gegen „Urteilsfaktum I“ gerichtete Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) – erkennbar – diese Feststellungen bekämpft, verfehlt es daher von vornherein den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS-Justiz RS0117499).
[7] Gleiches gilt, soweit es im Übrigen – ohne deutlich und bestimmt auf konkrete Feststellungen Bezug zu nehmen – bloß beweiswürdigende Erwägungen der Tatrichter kritisiert (RIS-Justiz RS0130729 [T1 und T2]).
[8] Entgegen der Schuldspruch Ⅱ betreffenden, weiteren Mängelrüge besteht – sinnfällig – kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den diesbezüglichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 8) und der Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich „immer wieder“ „bemüht“, „offene Forderungen der * T* KG zu begleichen“ (US 8).
[9] Welche – über die ohnedies getroffenen (US 7 ff) hinausgehenden – „entscheidungswesentlichen Feststellungen“ sie zur Frage vermisst, „ob die Forderungen der übrigen Gläubiger zu recht bestanden haben“, sagt die Beschwerde (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach eine Rechtsrüge) nicht. Ebenso wenig macht sie klar, weshalb es zur rechtsrichtigen Beurteilung zusätzlicher Feststellungen zur „Höhe der Forderungen der benachteiligten Gläubiger“ oder zum Ausmaß des „tatsächlich erlittenen Zahlungsausfall[s]“ bedurft haben sollte (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).
[10] Wie eingangs dargelegt umfasst der Schuldspruch nach § 223 Abs 2 StGB (Ⅰ) nicht die Herstellung, sondern den Gebrauch der bereits gefälschten Urkunde (in Form deren Übermittlung an ein Bankinstitut). Durch genau diese Tat (im materiellen Sinn) hatte die Anklage §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2 StGB als verwirklicht erachtet (ON 51 S 1, 2 und 4 f).
[11] Der aus Z 8 erhobene Vorwurf, es sei (im Sinn des § 267 StPO) „ein Lebenssachverhalt zur Verurteilung gelangt, der nicht angeklagt gewesen“ sei, trifft daher nicht zu.
[12] Soweit die Rüge eine Anklageüberschreitung darin erblickt, dass eine § 262 StPO entsprechende Information in der Hauptverhandlung unterblieben wäre, sei erwidert:
[13] Angesichts der einander überdeckenden Tatbilder (der §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und des § 223 Abs 2 StGB) wäre es Sache des Beschwerdeführers, eine durch mangelnde Belehrung bewirkte Verletzung seiner aus Art 6 Abs 3 lit a oder b MRK garantierten Verteidigungsrechte plausibel zu machen (RIS‑Justiz RS0113755 [insbesondere T8]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 545).
[14] Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei dadurch an „entsprechende[n] Verteidigungshandlungen“ zur Entkräftung des Vorwurfs, er selbst sei „Verfälscher des Angebotes“, gehindert gewesen, gelingt dies jedenfalls nicht. Der angesprochene Vorwurf ist nämlich – wie gezeigt – gar nicht Gegenstand des Schuldspruchs.
[15] Dass, wäre die § 223 Abs 1 StGB erfüllende Tat vom Anklagevorwurf umfasst gewesen, der Schuldspruch nach § 223 Abs 2 StGB infolge des angesprochenen Scheinkonkurrenzverhältnisses (unabhängig davon, ob die Entscheidungsgründe darauf Bezug genommen hätten) die Anklage auch insoweit erledigt hätte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 535), ändert daran nichts. Ebenso wenig, dass das Schöffengericht – dem Schuldspruch (eben) nicht zugrunde liegende, somit (wie dargelegt) aus Z 5 nicht anfechtbare – Feststellungen zu jener Tat getroffen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 546 und 610).
[16] Mit dem Einwand, die Strafbarkeit der vom Schuldspruch Ⅰ umfassten Tat sei verjährt (§ 57 StGB), wendet sich die Rechtsrüge (Z 9 lit b) gegen die Auffassung des Schöffengerichts (US 28 f), die während der Verjährungsfrist begangenen, vom Schuldspruch Ⅱ umfassten Taten hätten – deren Ablauf hemmend (§ 58 Abs 2 StGB) – auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht.
[17] Das Erstgericht ging davon aus, dass alle vom Schuldspruch umfassten Taten des Beschwerdeführers auf den gleichen Charaktermangel (§ 71 dritter Fall StGB) der „Unredlichkeit im geschäftlichen Tätigkeitsbereich“ (US 28) zurückzuführen sind.
[18] Weshalb der kritisierte rechtliche Schluss – auf der Basis der Urteilsfeststellungen (US 5 bis 9) – verfehlt sein sollte, wird mit der Negierung anderer (im Schrifttum zu § 71 StGB beispielsweise erwähnter) Charaktermängel und dem Hinweis, es sei „[i]n der bisherigen Judikatur“ „soweit ersichtlich“ „kein Fall bekannt, in der eine gleiche schädliche Neigung bei den §§ 223 und 158 StGB angenommen worden ist“, nicht aus dem Gesetz abgeleitet dargelegt (erneut RIS‑Justiz RS0116565).
[19] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[20] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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