OGH 13Os70/07d

OGH13Os70/07d1.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus P***** wegen mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Februar 2007, GZ 22 Hv 191/06i-41, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige (Teil-)Freisprüche enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A 1), je eines Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (B) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB (A 2), je eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A 3) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A 4), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A 5) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (C) schuldig erkannt. Danach hat er, soweit im Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung, in F***** und anderenorts

(A) Monique R***** in der Zeit vom September 2004 bis zum Sommer 2005

1) in sechs Angriffen durch Festhalten und Überwinden ihrer Gegenwehr mit Körperkraft, in einem Fall überdies durch Fesseln an ein Bettgestänge und durch die mittels Streichens mit einem Messer an ihrem Körper unterstützte Drohung, sie zu töten, zur Duldung des Beischlafs genötigt,

2) im Jahr 2005 durch Drohung mit dem Tod, deren Ernsthaftigkeit er dadurch unterstrich, dass er mit einem Küchenmesser einige Zentimeter von ihrem Körper entfernt in eine Matratze stach, zur Fortführung der Lebensgemeinschaft genötigt,

3) im Juli 2005 durch Anpacken und Zerren zum Verlassen seines Fahrzeuges und zum Betreten der gemeinsamen Wohnung genötigt,

4) im Juli 2005 dadurch, dass er, während sie am Boden kauerte, auf sie einschlug und eintrat und sie nachfolgend noch etwa eine Stunde hindurch in der Wohnung einsperrte, widerrechtlich gefangen gehalten und

5) durch die zu A 3 und A 4 beschriebenen Handlungen sowie in weiteren Angriffen durch Schläge, Tritte und Stöße Hämatome sowie eine Prellmarke zugefügt,

(B) Janine C***** in der Zeit von Mitte August bis Mitte September 2005 durch Festhalten und Überwinden ihrer Abwehrreaktionen mit Körperkraft zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Tatvollendung auf Grund letztlich erfolgreicher Gegenwehr unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5a, 8, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Der Einwand aus Z 8, die angefochtene Entscheidung grenze zu A 2 den Tatzeitraum anders als die Anklage (mit „Anfang 2005") als im Jahr 2005 gelegen ein (US 2), geht daran vorbei, dass sich der herangezogene Nichtigkeitsgrund auf die Identität von angeklagtem und urteilsmäßig erledigtem Handlungssubstrat, also darauf bezieht, ob Anklage und Urteil den selben Lebenssachverhalt meinen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502), was hier zweifelsfrei der Fall ist (s S 241 f/I, 247/I einerseits sowie US 2, 8 f andererseits). Der Umstand, dass das Urteil den Tatzeitpunkt weiter umgrenzt als die Anklage, vermag hieran nichts zu ändern.

Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Feststellungen zur subjektiven Tatseite reichten nicht hin, die Schuldsprüche zu tragen, lässt nicht erkennen, welche über die von den Tatrichtern getroffenen hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen sein sollen, und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Behauptung, hinsichtlich des Schuldspruchs A 1 mangle es am ungeschriebenen Tatbildmerkmal der fehlenden Einwilligung des Opfers (vgl Hinterhofer SbgK § 201 Rz 40), erschöpft sich in der Bestreitung der gegenteiligen Urteilsannahmen, wonach Monique R***** keinen Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer wollte, dies unmissverständlich zum Ausdruck brachte und versuchte, ihn an seinem Vorhaben zu hindern, und dieser das Opfer gegen dessen Willen zur Duldung des Beischlafs zwang (US 7, 9 f).

Korrespondierendes gilt für die Prämisse des Beschwerdeführers, er habe bei den von den Schuldsprüchen A und B umfassten Taten nicht vorsätzlich gehandelt, welche die anderslautenden Urteilskonstatierungen ignoriert (US 7 bis 13).

Der Beschwerdeansatz, zu den Schuldsprüchen A 1 und B seien die Tatzeitpunkte „nicht ausreichend" festgestellt, lässt nicht erkennen, aus welchem Grund insoweit eine andere Eingrenzung als die vorgenommene schuld- oder subsumtionsrelevant sein soll. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass Unklarheiten über die Tatzeit - soweit diese nicht ausnahmsweise eine entscheidende Tatsache darstellt (wie zB in Bezug auf das Erfordernis des Fortdauerns des strafbaren Verhaltens beim Dauerdelikt) - im Nichtigkeitsverfahren nur insoweit beachtlich sind, als die Individualisierung der Tat davon betroffen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290), was hier - zu Recht - nicht einmal behauptet wird. Der sinngemäße Einwand, die „Undeutlichkeit der Zeugenaussagen" hätte ein näheres Eingehen auf die zeitlichen Abläufe erfordert (der Sache nach wohl Z 5 zweiter Fall), entzieht sich mangels Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse einer inhaltlichen Erwiderung. Auch das Vorbringen, aus den Akten ergäben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen (Z 5a), lässt jeden Aktenbezug vermissen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach teilweise Z 9 lit a) beschränkt sich darauf, die angestrebten rechtlichen Konsequenzen substratlos zu behaupten, und verfehlt solcherart die gebotene (methodisch vertretbare) Ableitung aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) den seit den Taten verstrichenen Zeitraum, das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers sowie den freiwilligen Antritt einer früher über ihn verhängten Freiheitsstrafe als mildernd reklamiert und die vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsgründe der durch längere Zeit fortgesetzten Tatbegehung, der Delinquenz während eines anhängigen Strafverfahrens und der einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastung in Abrede stellt, erstattet sie inhaltlich Berufungsvorbringen.

Die aggravierende Wertung sowohl der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen als auch des längeren Tatzeitraumes verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil dieses untersagt, bei der Strafbemessung Umstände in Rechnung zu stellen, die (ohnedies) schon den Strafsatz bestimmen, während § 33 Z 1 StGB (demonstrativ) verschiedene Kriterien gesteigerter (Strafbemessungs-)Schuld aufzeigt (Ebner in WK² § 33 Rz 4).

Ebenso wenig verletzt die erschwerende Wertung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer Monique R***** in einem Fall trotz einer Infektion des Genitalbereichs vergewaltigt und ihr dadurch starke Schmerzen zugefügt hat, das Verbot der Doppelverwertung, weil die beschriebene Tatfolge nicht schon die Strafdrohung bestimmt. Die Norm des § 39 Abs 1 StGB hat das Erstgericht nicht angewendet. Die diesbezügliche (unsubstanziierte) Beschwerdebehauptung ist daher unverständlich.

Da § 39 StGB nicht an einen besonders raschen Rückfall (hiezu Ebner in WK² § 33 Rz 11) anknüpft, verstößt auch die aggravierende Berücksichtigung dieses Umstandes neben der des - zutreffend angenommenen (ON 6) - Vorliegens der Voraussetzungen für die Strafschärfung bei Rückfall (§ 39 StGB) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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