European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00046.15M.0630.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rastislav F***** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1/) sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB (2/) schuldig erkannt.
Danach hat er am 5. November 2014 in Ansfelden, Peggau und anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets Martina K*****
1/ mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung genötigt, indem er ihr eine Gaspistole an der rechten Wange und im Augenbereich ansetzte, sie an den Haaren riss, ihren Kopf am Fahrersitz nach unten drückte, ihr mit seiner linken Hand den Mund zuhielt und ihr die Waffe erneut am linken Auge ansetzte sowie für die Dauer der gesamten Fahrt die Waffe auf das Opfer gerichtet in seiner Hand hielt und die Genannte unmissverständlich dazu aufforderte, mit ihm im PKW ihres Lebensgefährten in Richtung Slowenien zu fahren;
2/ mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er ‑ während er eine auf Martina K***** gerichtete Gaspistole in der Hand hielt ‑ aus ihrer Geldtasche 70 Euro entnahm sowie diverse im Auto befindliche Lebensmittel verzehrte, wobei die Genannte durch die ausgeübte Gewalt schwer im Sinne einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich einer ausgeprägten Anpassungsstörung ICD 10.43.2, verletzt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen ausschließlich aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der sich gegen die (zusätzliche) Annahme der Qualifikation des § 143 dritter Fall StGB richtende Vorwurf der Anklageüberschreitung (Z 8) zufolge Verstoßes gegen das in § 262 StPO normierte Überraschungsverbot verkennt, dass jene Bestimmung das Gericht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet, wenn dieses ‑ bei unveränderter Anklage ‑ die Tat (im prozessualen Sinn) rechtlich abweichend beurteilt (zum Begriff der Identität der Tat vgl RIS‑Justiz RS0113142, RS0102147). Dem Erfordernis der Information des Angeklagten bei Änderung der rechtlichen Gesichtspunkte wurde gegenständlich durch die von der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 28. Jänner 2015 vorgenommene, nicht prozessgegenstandsverändernde Modifikation der Anklage (ON 40 S 39) entsprochen (vgl Lewisch , WK‑StPO § 262 Rz 96).
Eine zusätzliche Informations‑ und Belehrungspflicht des Erstgerichts dahingehend, dass die Annahme einer (weiteren) Qualifikation bei der Strafbemessung erschwerend gewertet werden könne, normiert § 262 StPO dem Beschwerdestandpunkt zuwider nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei angemerkt, dass die Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB („Raub mit schweren Folgen“) nur an die Gewaltanwendung anknüpft, durch die der Täter in den Besitz der Beute gelangen will, nicht aber an eine zwecks Raubes geäußerte Drohung (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 23 mwN), auch wenn diese infolge zuvor ohne Raubvorhaben (hier: zwecks Erzwingung der Mitnahme in einem Fahrzeug) eingesetzter Gewalt geeignet sein mag, mehr Wirkung zu entfalten. Die demnach beim festgestellten Sachverhalt rechtlich verfehlte Annahme der ‑ hier im Hinblick auf § 143 zweiter Fall StGB (Raub unter Verwendung einer Waffe) für die Frage nach der Strafdrohung irrelevanten ‑ Qualifikation nach „§ 143 zweiter Satz StGB“ (§ 143 dritter Fall StGB) anstelle der gesonderten Anlastung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (vgl insb US 6 unten und ‑ zur subjektiven Tatseite ‑ US 5 unten), also einer weiteren strafbaren Handlung, bedeutete jedoch für den Angeklagten keinen Nachteil.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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